Silvesterknaller

Autor: Lady Z.
veröffentlicht am: 18.04.2003




Bald ist es wieder soweit.
Das alte Jahr ist zu Ende, und ein Neues beginnt.

Diesmal möchte ich das neue Jahr auch mit einer zünftigen Knallerei begrüßen.
Also mache ich mich auf den Weg, daß nötige Zubehör zu besorgen.

Einen Eimer mit Sand habe ich schon bereitgestellt. Jetzt fehlen nur noch einige Raketen und natürlich Böller.
Am Besten so laute, daß einem hinterher die Ohren davon klingeln.

Ab in die Stadt. Anscheinend haben heute viele Leute die gleiche Idee. Denn in vielen Geschäften sind schon alle Silvesterraketen ausverkauft.

Aber am Markt ist noch ein kleiner Laden. Mal sehen ob ich da noch Glück habe.
Im Laden müssen sich meine Augen erst einmal an die schummrige Beleuchtung gewöhnen.

Ah, da sind ja noch ein paar Knaller im Regal.Ich strecke meine Hand aus und erstarre auf halbem Weg in meiner Bewegung.Eine große Männerhand huscht an meiner vorbei und greift das letzte Paket.

Empört drehe ich mich um. Wenn Blicke töten könnten, wäre genau jetzt der Moment gekommen in dem mein Gegenüber schmerzverzerrt und tödlich getroffen in sich zusammensacken müßte.

Statt dessen lachen mich ein paar grüne Augen an, und ein lächelnder Mund spricht: „Tut mir leid, aber ich war wohl schneller.“

Ohne zu überlegen, entfluscht mir in ziemlich giftigem Ton: „Hoffentlich zünden die Dinger genau in Ihren unverschämt grünen Augen.“

Und schon habe ich mich an diesem Hünen vorbeigeschlängelt und stehe wieder auf dem Marktplatz. Kurz durchgeatmet und Kurs aufs nächste Café. Jetzt brauche ich erst mal eine heiße Schokolade.

Ich setze mich an einen kleinen Tisch am Fenster.

Jetzt erst merke ich wie mir die Knie zittern.

Dieser Knilch, was bildet der sich eigentlich ein.Nur weil er grüne Augen hat, kann er sich nicht alles erlauben.

Als ich empört mit der Faust auf den Tisch schlage schaut mich die Kellnerin, im vorbeigehen, ganz entgeistert an.

Komisch, wieso rege ich mich so auf??Sooo wichtig sind die Knaller ja nun auch nicht.Aber dieser Blick....Aus diesen grünen Augen......Mir verschlägt alleine die Erinnerung fast den Atem.Mein Herz pocht so laut, ich hab fast das Gefühl, die Blondine am Nachbartisch kann es hören.

Bevor ich noch weiteres Aufsehen errege, bestelle ich mir erst mal einen Kakao und einen Cognac.

Mein Blick schweift über den Marktplatz.Überall hasten immer noch die Leute von Geschäft zu Geschäft.Einige werfen im Vorübereilen einem Bekannten noch schnell die besten Grüße für den bevorstehenden Jahreswechsel zu, und schon sind sie wieder in Ihre Gedanken versunken.Ich lasse meinen Blick weiterziehen und schaue den Wolken am Himmel zu.Auch sie ziehen so schnell Ihre Bahn, daß die wenigen Sonnenstrahlen kaum Zeit finden bis zur Erde durchzukommen.

Einem dieser wenigen Strahlen folgt mein Blick nun wieder zurück zur Erde.Er scheint genau auf den Eingang des kleinen Ladens.In der Türe steht diese Hüne von Mann. Er muß sogar den Kopf leicht einziehen, so groß ist er.Bevor ich mich noch weiter in seinen Anblick vertiefen kann, steht die Bedienung mit meiner Bestellung neben mir. Ich zahle auch sofort. Will ja nicht lange bleiben.

Mein Blick schweift wieder über den Marktplatz, aber der Riese ist verschwunden.

Als ich den Cognacschwenker in die Hand nehme zittert sie leicht.

Im nächsten Augenblick öffnet sich die Caféhaustüre, und mir fällt fast der Cognac aus der Hand.

Behände, wie man es Menschen mit diesem Gardemaß nur selten zutraut, betritt derjenige den Raum, um den in den letzten Minuten immer wieder meine Gedanken kreisten.Sein strahlendes Lächeln gilt jedoch nicht mir, sondern der Blondine am Nebentisch.

Freudestrahlend offenbart er ihr sein “geklauten“ Schätze.

In mir grummelt es schon wieder.Das reinste Erdbeben.Ich bin vor lauter innerem Zittern nicht in der Lage auch nur einen Schluck Alkohol in mich zu kippen. Und dabei bräuchte ich ihn jetzt so dringend um mich wenigstens etwas zu beruhigen.

Es bleibt mir nichts anderes übrig, ich raffe meine Tasche an mich und stürze aus dem Café.Als ich am Fenster vorübereile, erhasche ich den erstaunten Blickt des Fremden.Schon wieder diese grüne Hölle. Beinahe wäre ich stehen geblieben.

Mit immer noch zitternden Knien erreiche ich mein Auto, und falle erschöpft in den Sitz.Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so von der Rolle war.

Bevor ich den Motor starte, drehe ich erst einmal die Musik auf volle Lautstärke.Der Bass bringt meine Bauchmuskulatur wieder zum Erbeben. Aber diesmal hilft es, mich zu entspannen. Ich lausche eine Weile mit geschlossenen Augen der Musik, und vergesse alles andere.

Nach dem dritten Lied fühle ich mich endlich wieder in der Lage aktiv am Straßenverkehr teilzunehmen.

Langsam öffne ich meine Augen. Und was erblicke ich ??

Richtig, grüne Augen.
S e i n e grünen Augen.

Er steht neben meinem Auto, und hat sich heruntergebeugt.Mittels einer Geste bittet er mich mein Fenster zu öffnen.Ich komme dieser stummen Bitte nach.„Hallo, ist das Ihr Handschuh?“ mit diesem Worten hält er mir einen Handschuh ins Auto.Meinen Handschuh. Er muß mir irgendwie aus der Manteltasche gerutscht sein.

Meine Hand zittert schon wieder, als ich danach greife.So etwas ist mir noch nie passiert.Mit großer Körperbeherrschung gelingt es mir das Zittern halbwegs unter Kontrolle zu bringen.Ich ergreife den Handschuh, und bringe nur noch eine ziemlich gestammelte Form von Entschuldigung raus. Meine Lippen sind wie verklebt, meine Zunge wie gelähmt.Hilfe, ich muß hier weg, sonst werde ich noch ohnmächtig.

„Ist Ihnen nicht gut? Kann ich Ihnen behilflich sein?“

„Danke, nein, es geht schon“ meine Worte sind nur der Hauch eines Flüsterns.Warum geht er nicht endlich. Seine Blicke sind die reinste Qual für mich.Mir bricht Schweiß aus. Auch das Zittern hab ich nicht mehr unter Kontrolle.

Im nächsten Augenblick öffnet der Fremde die Fahrertüre.„Kommen Sie, ich fahre Sie nach Hause, Sie sehen gar nicht gut aus“Nicht gut? - Was denkt der Kerl sich eigentlich, ich sterbe gleich, und er sorgt sich um mein Aussehen. Wenn mir nicht so elend zumute wäre würde ich jetzt laut loslachen. Aber meine Gesichtsmuskeln bringen nicht mal das kleinste Lächeln zustande.Ok. Reiß Dich zusammen. Es ist nur ein Mann. Die meisten Exemplare sehen in Unterhosen ziemlich lachhaft aus. Besonders wenn sie noch ihre Socken anhaben.

Und siehe da, ich kann wieder lächeln. Und ich lächle die wunderbarsten grünen Augen an, die ich je gesehen habe.„Danke, es geht schon wieder. Ich komme alleine zurecht.“

Als ich ihm die Türe vor der Nase zuschlage spricht sein Blick Bände.Ich starte den Motor und fahre nach Hause.Ich hab es geschafft, ich hab ihn einfach stehen gelassen.

In meiner Wohnung überkommt mich aber wieder ein leises Zittern.War es richtig den Fremden einfach so stehen zu lassen?Er schien sich ja wirklich Sorgen um mein Wohlbefinden zu machen.Doch, ich mußte es tun. Noch länger hätte ich seinem Blick nicht standgehalten.

Also, gibt es heute wieder mal ein Silvester ohne zünftigen Abschluß.Bleibt mir nur der Champagnerkorken um mit einem Knall das neue Jahr zu Begrüßen.

Der Nachmittag zieht schleichend vorüber. Als es langsam dunkel wird entschließe ich mich dazu den Abend mit einem gemütlichen Wannenbad einzuleiten.

Kaum liege ich im Badeschaum klingelt es an der Haustür.Nee Leute, ich bin jetzt nicht zu Hause.Die Klingel macht sich noch ein zweites Mal bemerkbar, aber dann gibt sie Ruhe und ich kann mein Bad genießen.

Auch wenn ich den Jahreswechsel alleine feiern muß, ich ziehe mich richtig chic an. Ob mir wohl jemand eine Karte geschickt hat?? Ich hab heute noch nicht in den Briefkasten geschaut. Also den Hausschlüssel geschnappt und nach unten zum Briefkasten.

Ach, Mist, wieder nur Reklame. Na klar, und eine Rechnung.

Als ich den Schlüssel ins Schlüsselloch stecke fällt meine Post auf den Boden.Beim Einsammeln stutze ich über eine Karte. Komisch, die war doch eben noch nicht dabei.

Ich drehe sie um und lese:
Einladung zu einer ungewöhnlichen Silvesterparty !
Als Absender ist meine Adresse genannt, nur der Name ist mir gänzlich unbekannt.Ach, das sind bestimmt die neue Mieter unter mir. Da stand ja gestern noch der Möbelwagen vor der Tür.

Soll ich da wirklich hingehen?? Ich kenn die Leute doch noch nicht.Aber anders herum, so eine Silvesterfete ist bestimmt eine ungezwungene Atmosphäre um die neuen Nachbarn kennenzulernen.Und die Uhrzeit stimmt auch. Es ist jetzt 20 Uhr, genau die richtige Zeit um zu einer Party zu gehen.

Noch kurz das Make-up geprüft, fertig.Oh halt, meinen Champagner sollte ich dann vielleicht noch als kleines Präsent mitnehmen.

Komisch, als ich vor der Türe stehe höre ich überhaupt keine Partymusik.Aber wie stand es auf der Einladung: eine ungewöhnliche Party.Mutig betätige ich den Klingeknopfl, im Innern ertönt der gleiche Ton wie bei meiner Klingel.

Die Türe öffnet sich, und mein : „Hallo, ich bin Ihre Nachbarin von oben.“ bleibt mir nach dem „Hallo“ im Halse stecken.Vor mir steht ein Riese. Und als ich meinen Blick gen Decke richte treffen meine Augen unwillkürlich auf seine.Sie sind grün.
Das Zittern ist wieder in meinen Knien, und bevor ich weiter denken kann wird um mich herum alles schwarz.

Nachtschwarz.

Vorsichtig öffne ich meine Augen, und was sehe ich, grün.Soll ich sie wieder zumachen?? Aber da beginnen die grünen Augen auch schon von innen heraus zu strahlen : „Da sind Sie ja wieder, ich wollte gerade schon einen Arzt rufen. Sie sollten sich wirklich mal durchchecken lassen. Wie fühlen sie sich?“Leicht benommen, und noch immer nicht zu einer Erwiderung fähig richte ich mich langsam auf und sehe mich um.

„Alles o.k.?“ Ich nicke leicht mit dem Kopf.

Unter mir ein Sofa, bequem mit Kissen gepolstert.Neben meinen Füßen sitzt immer noch der unbekannte Riese und schaut mich mit seinen wundervollen grünen Augen an.

„Oh, vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen. Ich bin Ihr neuer Nachbar, Oliver Steinberg mein Name.“„Angenehm, Lydia Bauer, ich wohne über Ihnen.“ Meine Stimme klingt immer noch etwas zittrig.Seine Augen bekommen wieder einen leicht besorgten Ausdruck.„Schon gut,“ versuche ich ihn zu beruhigen, „mir geht es wieder besser. Ich hab heute nur noch nichts gegessen, deshalb ist mir wohl so komisch.“

„Da kann ich Ihnen helfen, hier, ein paar belegte Brötchen, zu mehr ist meine Küche noch nicht in der Lage.“

Das glaube ich ihm gerne, überall stehen noch Umzugskartons. Sogar auf dem Balkon.

„Wieso haben sie denn überhaupt eingeladen?“„Ja wissen Sie, eigentlich wollte ich ja heute Abend bei meiner Schwester feiern.Aber die hat angerufen und die Party abgesagt. Ihr Baby hat plötzlich Fieber bekommen, und da wollte sie lieber alleine bleiben. Tja und als ich auch in Ihrer Wohnung noch Licht gesehen habe, Da dachte ich mir, wieso sollen zwei Menschen zu Silvester alleine bleiben, wenn sie auch gemeinsam feiern können.“„Schöne Idee, aber sie kannten mich doch überhaupt nicht. Ich hätte doch genauso gut eine verschrobene alte Schachtel sein können?“„Das Risiko mußte ich halt eingehen.“ – „Aber es hat sich gelohnt, so alt ist die Schachtel über mir ja noch nicht.“ Sprachs, und um die Augen bildeten sich ein paar Lachfältchen.

Auch mein Gesicht heiterte sich auf, und unsere Augen lachten um die Wette.

Später beschlossen wir dann in meine Wohnung zu wechseln. Schließlich hat man vom Balkon einen schönen Blick über die Stadt. Und da wir nun beide keine Knaller mehr hatten, seine hatte er nämlich für seiner Schwester besorgt, wollten wir wenigstens das Feuerwerk der Anderen bewundern.

In warme Jacken gehüllt standen wir also um Mitternacht auf meinem Balkon.Er legte den Arm um meine Schulter, und mir zitterten schon wieder die Knie.Punkt zwölf Uhr blickten wir uns in die Augen.Ob ich diesen Blick jemals aushalte ohne das mein Herz fast stehen bleibt?

Wenige Sekunden später zündete in meinem Kopf ein wahres Feuerwerk.Raketen und Böller brachen los, und ein Farbenmeer der Superlative begleitete unseren ersten Kuß.


ENDE

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