Blau wie der Himmel Teil 3

Autor: Sixteen
veröffentlicht am: 02.10.2008




2 - Hormonrausch -

'Jetzt mal ernsthaft.' Mit hochgezogenen Augenbrauen sah meine beste Freundin Serena mich an. 'Willst du heute echt zu diesem Philosophie-Gelaber gehen? Reicht dir der Scheiß in der Schule nicht schon?'
'Nicht jeder hasst Philo so wie du', entgegnete ich, nahm meine Cola aus dem Getränkeautomaten und öffnete sie. 'Außerdem ist das wahrscheinlich interessanter als in der Schule. Die labern da bestimmt nicht darüber, ob es ein Gewissensbruch ist, Hausaufgaben abzuschreiben.'
'Da fällt mir was ein: Hatten wir was in Mathe auf?' Serena kratzte sich am Kopf. 'Und wenn ja, kann ich das haben?'
'Klar.' Ich kramte mein Matheheft aus dem Ranzen und reichte es ihr.
'Du hast noch...' Ich schaute auf meine Uhr. '... sechs Minuten. Das wird knapp.'
'Wieso?' Serena grinste. 'Übung macht den Meister, schon vergessen?'
'Schon klar. Aber setz dich wenigstens nicht wieder mitten auf den Flur dafür, okay? Ich will nicht, dass mein Heft schon wider bei Fehners im Fach liegt.'
'Angsthase.'
'Ich bin bloß vorsichtig.'

Der Schultag zog sich endlos hin. Noch endloser als sonst. Einerseits, weil heute im Prinzip nur Fächer drankamen, dich ich nicht leiden konnte, andererseits, weil Serena in den einzelnen Stunden die Hausaufgaben für die jeweils nächste abschrieb und somit kaum Zeit zum Reden fand. Als nach der sechsten Stunde endlich die Schulglocke klingelte, stöhnte ich erleichtert auf, schob meinen Stuhl zurück und schwang mir meinen Ranzen über die Schulter.
'Beeil dich mal, Rena, ich will hier nicht noch Stunden rum stehen.' Ich senkte meine Stimme, da unser Englischlehrer an uns vorbei aus der Klasse ging. 'Das eben hat schon gereicht.
'Ja ja, ich komm schon.' Serena stopfte ihre Hefte achtlos in ihre Tasche. 'Mach doch nicht so'n Stress. Außerdem hast du doch sowieso noch ewig Zeit. Ich mein, du bleibst doch jetzt noch die eineinhalb Stunden bis zu deinem Philokurs in der Stadt, oder?'

'Ja, schon, aber die muss ich ja nicht hier in der Klasse verbringen. Kommst du jetzt eigentlich mit in die Stadt?'
'Nee, ich denke eher nicht. Hab keinen Bock so lange rumzulatschen für nichts.' Sie stand auf. 'Tut mir leid. Und mal abgesehen davon ist mir eingefallen, dass ich ja noch dieses beschissene Referat über Chinas Wirtschaft halten muss. Warum hab ich mich dafür bloß gemeldet?'
'Keine Ahnung.' Ich wandte mich zum Gehen. 'Na ja, schade. Ich hau jetzt ab. Bis morgen.'
'Mach's gut.'

Als ich aus dem Schulgebäude kam und Richtung Innenstadt ging, um mir dort die Zeit zu vertreiben, holte ich erst einmal tief Luft. Der Duft frischer, natürlicher Luft gehörte zu meinen Lieblingsgerüchen. Vor allem, wenn es wie gerade Herbst war, und das Laub schon von den Bäumen fiel. Nur in meiner Lieblingsjahreszeit gab es diese Geruchsmischung aus Kälte, Laub und Regen. Das hob meine Laune merklich, denn normalerweise war ich ziemlich schlecht gelaunt, wenn ich mir in der Stadt allein die Zeit vertreiben musste. Jedoch dauerte die Busfahrt bis zu mir zu Hause so lange, dass ich gerade mal zwanzig Minuten Zeit gehabt hätte, bis ich wieder losgemusst hätte, wäre ich nach Hause gefahren.
Als ich etwa 50 Meter von der Schule entfernt war, hörte ich hinter mir plötzlich jemanden rufen.
'Haalloo, Vioolaaa! Gehst du auch in die Stadt?'
Noch bevor ich mich umgedreht hatte, kam Nina, ein Mädchen aus meiner Klasse, auf mich zugelaufen. 'Kann ich mitkommen?'
Wunderbar.
'Hm. Wenn du willst. Ich werds dir nicht verbieten.'
'Uii. Super.' Mit einer feinen Bewegung schlang Nina sich ihren rosa Schal einmal mehr um den Hals. 'Also ich haaasse das ja, allein in die Stadt zu gehen. Shoppen macht doch allein keinen Spaß!' Sie kicherte.
'Eigentlich hatte ich nicht vor zu shoppen', entgegnete ich.
Zumindest nicht mit dir.
'Nein?' Sie guckte mich erstaunt an. Und leicht dümmlich. Gut, vielleicht lag das auch an meiner Wahrnehmung.
'Nee, eigentlich nicht. Ich will nur was essen und mir die Zeit vertreiben. Hab nachher noch was vor.' Ich ging einen Schritt schneller weiter. Sie kam hinterher.
'Was machst du denn?'
'Einen Kurs.'
'Was denn für einer?'
'Philosophie.'
'Oh.'
Ich sagte nichts weiter. Vielleicht schaffte ich es ja, dass sie ausnahmsweise mal die Klappe hielt.

Ich schaffte es nicht.
'Boah, Viola, guck mal!', wisperte sie aufgeregt, als wir an einem kleinen Cafe vorbeikamen.'Was ist?', fragte ich leicht genervt und folgte ihrem Blick. Was hatte sie jetzt schon wider ausgegraben? Ich ließ meinen Blick über die kleinen Tische streifen, die draußen standen. Dann sah ich es.
Oder besser gesagt ihn.
'Dieser Typ ist ja suuuper schnuckelig!', quiekte Nina.
Schnuckelig. Quatsch. Das war eine maßlose Untertreibung.
Der Kerl war schön.
Richtig schön. Normalerweise fand ich diesen Ausdruck für Männer lächerlich, aber es traf wirklich zu. Zwar sah ich ihn nur im Profil, aber das reichte schon. Er war schätzungsweise um die 20. Sein braunes Haar war gerade so lang, dass es ihm in die Augen fiel. Er hatte relativ helle Haut, die seine Haare dunkler erscheinen ließ. Seine Lippen umschlossen die Tasse, die er in der Hand hielt. Und über dem ganzen lag eine Ausstrahlung... die mich ziemlich umhaute.
Mühsam wandte ich den Blick ab, schaute aber gleich wider hin. Nina ging es scheinbar nicht viel anders, auch wenn sie sich nicht die Mühe machte, das zu verstecken.
Der Kerl lächelte in seinen Kaffe und trank einen Schluck. Dann lächelte er noch mal und wandte den Kopf in Richtung Fenster.
Wie der Blitz krallte ich mir Nina an der Schulter und zerrte sie weiter. Hoffentlich hatte er uns nicht gesehen.
'Hey, Viola, was ist denn?', zeterte Nina.
'Hallo? Der Kerl hätte fast gemerkt, wie wir ihn angestarrt haben. Das wäre ja wohl total bescheuert gekommen!'
Wieder zog ich das Geh-Tempo an.
'Ich hätte das nicht schlimm gefunden', meckerte sie. 'Ich hätte ihn einfach einmal süß angelächelt, und dann wäre das ganze super gelaufen!'
Ich prustete los. 'Glaubst du echt, dass der dich so umwerfend gefunden hätte wie du ihn?''Warum nicht?', entgegnete sie trotzig.
'Guck dich doch mal an! Wie naiv bist du eigentlich?', warf ich zurück. 'Glaubst du echt, Typen stehen auf so was?'
Sie funkelte mich an, auf einmal gar nicht mehr dümmlich.
'Das muss ich mir nicht von einer sagen lassen, die noch nie in ihrem Leben einen Jungen geküsst hat.'
Ich schnaubte. ' Ich küss halt nicht den erstbesten, der rum steht.'
'Pah.' Hoch erhobenen Hauptes stolzierte Nina davon.
Vielleicht hatte ich doch etwas zu dick aufgetragen. Aber wenigstens war ich Nina jetzt erstmal für lange Zeit los. Ich machte mich auf den Weg in meine Lieblingssalatbar.
Irgendwie erschien mir mein Philosophiekurs auf einmal weniger spannend als noch vor einer halben Stunde.







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