Mathematik sorgt immer für Dramatik

Autor: _Abril_
veröffentlicht am: 13.09.2008




Seit Wochen schlage ich wieder mein kariertes Heft auf. Wie durch einen Schleier schaue ich es skeptisch durch. Stoff des letzten Jahres. Dieser Satz geht mir ständig durch den Kopf, während ich die Seiten durchblättere und meine Handschrift zu entziffern versuche. Staunend runzle ich die Stirn. Vieles das ich geschrieben hatte war durchgestrichen, einiges davon war ausgekillert und mehrmals fand ich große Lücken zwischen den jeweiligen Zahlen vor. Die Schuld daran schien eindeutig mein Tipp-Ex zu haben. Seufzend wende ich mich der ersten Seite meines ersten Mathematikhefts der 6. Klasse zu. Das Eselsohr im Eck lenkt einen Augenblick meine Aufmerksamkeit vom Lernmaterial ab, bis ich meinen Blick schließlich davon abbringen kann. Wiederholung der 5. Klasse - Geradengleichung, lautet die Überschrift und verheißt mir Unheilvolles. Ich erinnere mich erneut wie ich gezittert hatte, da ich bei diesem Stoff in meiner Nachprüfung versagt hatte. Doch in der Stunde war vieles leichter zu meistern. Schnellentdeckte ich, dass meine Nachhilfestunden in den Ferien sich ausgezahlt hatten. Ganz besonders nachdem ich eine der Wenigen war, welche die erste Schularbeit positiv abgeschlossen hatten. Das war ein überaus großer Erfolg für mich gewesen, da mehr als die Hälfte der Klasse leider an der Schularbeit verzweifelt waren. So begann mein Schuljahr in Mathematik durchaus mit einem kleinen Erfolg, der sich in der Wiederholungsschularbeit und der darauffolgenden zweiten Schularbeit dementsprechend auszeichnete. Ebenso gewann ich sehr starke Unterstützung von Seiten meines Mathematikprofessors. Seinen Namen will ich jedoch aufgrund von Datenschutz nicht nennen. Meine guten Leistungen freuten somit auch meine Familie und erstaunten teilweise meine Klassenkameraden. Folglich hatte ich meine Freizeit mit Vektoren, darunter selbstverständlich Winkel, Sinussatz und Cosinussatz verbracht und lernte etwas über das Parallelepiped, dem Gleichsetzungsverfahren, die Euler'sche Gerade, das Kreuzprodukt, die Spurpunkte und fandheraus wie die Hesse'sche Distanzformel Anwendung fand. Obwohl ich mich dazu bekennen muss, das, wenn es um Formeln geht, ich nur eine kenne, nämlich die Formel 1. Doch die Erklärung der Hesse'schen Abstandsformel lautet wie folgt: die Distanz vom Punkt in einer Ebene ist die Summe des Normalvektors zwischen dem Punkt und dem Punkt einer Ebene multipliziert mit dem Einheitsvektor. Wer jetzt nur Spanisch verstanden hat, den verstehe ich als Mathematikanrainer ohne Schwierigkeit.  Beim Zurückdenken an jenes erste Halbjahr lächle ich glücklich. Alles war zu meiner vollständigen Zufriedenheit abgelaufen. Mein Professor plagte mich in meinen Träumen nicht mehr und auch meine Furcht vor den Mathematikstunden war wie weggeblasen. Dementsprechend startete das zweite Halbjahr mit einer freudestrahlenden Abril. Wobei ich gestehen muss, dass mir das Lachen schnell verging als wir mit den Potenzen begangen. Hierzu muss ich einführen, dass wenn es ums logische Rechnen geht, man nicht mit mir rechnen darf. Wozuerfand der Mensch den Taschenrechner sonst? Diese Frage stellte ich mir damals häufig, als mein Professor in unserer Klasse folgenden Satz auf die Tafel verfrachte: 'Potenzen mit gleicher Hochzahl werden multipliziert, in dem man die Basen multipliziert und mit dieser Hochzahl potenziert'. Dermaßen viele Verzierungen brachten meinen Kopf dazu zu rauchen. Daher entschied ich mich die Zähne zusammenzubeißen, die Krallen einzufahren und meine Schulkolleginnen um Hilfe zu bitten. Mit ihnen gelang mir der internationale Durchbruch in Mathematik. Sofort verstand ich die Arithmetische Reihe, die Statistik und schaffte die Einführung in das nächste große Kapitel: die Wahrscheinlichkeitsrechnung. Somit bewog mich mein Professor beinahe dazu Lotto zu spielen, denn er hatte die Tücken des Spiels entschlüsselt. Selbst die Exponentialfunktion war, nachdem ich mit meinen Freundinnen vielversprechend gestrebert hatte, ein Klacks. Die Schularbeiten standen meinen wundervollen Sommerferien nicht mehr im Weg. Endlich kamenwir zum Finish der 6. Klasse. Doch keiner von uns rechnete noch mit den Logarithmen. Womit das Finale unseres letzten Schuljahres kam und den Auftakt unseres Heurigen eröffnete. Schon mit diesem Aufsatz brachte mein Professor die gesamte Klasse dazu sich in Erinnerung zu rufen was uns erwarten würde. Zittrig erfuhr ich dann auch noch in unserer ersten Mathematikstunde, dass uns mein schlimmster Alptraum eingefangen hatte. Wir würden mit dem Minus unter der Wurzel bei Potenzen anfangen. Ich sollte Wurzeln ziehen! Sehe ich aus wie ein Zahnarzt? - Schluss mit dem Gejammer. Heute ist Dienstag. Die 0. Schulübung hatte ich nun hinter mir, wie mein Professor grinsend am Vormittag kundgab. Und das - das war meine 0. Hausübung!









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