Schritte des Lebens

Autor: Abril
veröffentlicht am: 05.09.2008




Eine perfekte Geschichte

Soeben erreichte mich die Nachricht, dass meine Uroma im Sterben liegt. Oft genug wird man als Mensch mit dem Tod konfrontiert und wenn man denkt, man wäre abgehärtet, der Tod eines Menschen der uns Nahe war würde uns nichts mehr ausmachen, schon wird man eines Besseren belehrt. Denn man kann sich nie auf den Tod vorbereiten. Er kommt wann er will. Und immer ist er unwillkommen…
Als wir dieses Jahr unseren alljährlichen Urlaub in Kroatien absolvierten, dachte niemand von uns daran, dass unsere Oma Mare sterben würde. Obwohl wir wussten, dass sie seit einem Jahr ans Bett gebunden war und die Hilfe anderer benötigte. Obgleich uns klar war, dass sich ihr Zustand von Minute zu Minute verschlechterte.
Bis jetzt hatte ich keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, weil ich meinen Urlaub genießen wollte. Ich wollte mich nicht mit dem Tod auseinandersetzen. Deshalb hatte ich versucht meiner sterbenskranken Oma aus dem Weg zu gehen. Ich ging sie zwei Mal besuchen. Zwei Mal! Ansonsten umging ich das kleine Haus nebenan. Und heute Nachmittag. An einem regnerischen Sommertag hatte sie mich eingeholt.
Und als ich mir wieder Gedanken darüber machte, dachte ich mir meine Grübeleien aufzuschreiben. Aufschreiben und andere Leute daran teilhaben zu lassen. Vor langer Zeit hatte ich gelesen, dass gute Geschichten durch wahre Erlebnisse geschrieben werden. Ich möchte hiermit die Schritte einer perfekten Geschichte aufzählen. Sie aufführen und zeigen wie leicht es ist andere damit zu erfreuen. Hier ist nun die meine:

Schritt 1: DIE IDEE!

Ein Blick schweift in mein Zimmer
Ein Runzeln und Gewimmer
Eine Falte bildet sich auf meiner Stirn
Die Sonne strahlt viel heller hier
In diesem Zimmer aus Beton
Weint meine Seele ohne Ton
Nur einmal will ich's erleben
Meinem Kopf eine Idee geben
Mit diesem Wunsch schließ ich die Augen
Weiß nichts vom Morgen und nichts vom Grauen
Welches mich dann mit großen Schritten packt
Mich entführt
und die Wahrheit sagt:
Die Muse dir die Eingebung bracht'
Nun liegt's an mir was ich draus mach'
Nicht anders als gedacht, plan' ich zu schreiben
Die G'schicht, die von meiner Oma spricht
Als sie eines tags im Sterben liegt…

Schritt 2: DIE LIEBE (ZU ERZÄHLEN)!

Wie's mich reißt beim Denken dran
Ihr Gesicht nie wieder zu sehen
Allein zu sitzen hier
Wo wir gemeinsam oft saßen
Einsam und verlassen
Über mein Leben nachzudenken
Nichts lieber tun zu wollen
Als einen Tag noch mal zu wiederholen
So unverständlich dieser Tod
Der Kummer verhöhnt mich schon
Wieso nur bist du nun dran?
Wieso nicht irgendwann?
Die Liebe ist's die aus mir spricht
Dir sagt, ich vermisse dich
Geh' nicht ohne mich, denk' ich
Weiß aber, dass es besser ist
Besser wie es ist
Drum ist die G'schicht für dich
Oma, ich liebe dich…

Schritt 3: DAS WERKZEUG!

Während ich nun diese Zeilen schreibe
Erklingt Musik ganz leise
Taucht hinein in mein Gehör
Lässt mich träumen von dir
Dann formt mein Mund Worte
Die ich dir hier reime
Mit Tinte und Federkiel
Schreib ich nun an dich
Mit Tränen in den Augen
Mit Falten in der Stirn
Mit Ängsten in meinem Inneren
Mit Sorgen in meinem Kopf
Mit all der Liebe für dich
Schreibt meine Hand an dich
Das weiße Blatt, es füllt sich
Buchstaben, Farben und Worte bilden sich
Leben hauche ich ihm ein
In Liebe, für immer DEIN

Schritt 4: DER ANFANG!

Voll von Glück und Liebe war dein Leben einst
Voller Zuversicht und Freude war dein freier Geist
Als Baby kamst du zu uns auf die Welt
Als Oma gehst du von uns weg
Du warst ein Kind, eine Freundin, eine Frau
Eine brave Mutter und eine gute Ehefrau
Vom Anfang bis zum Ende hast du gekämpft
Schritte getätigt von links nach rechts
Von Vorn nach Hinten, von Nord' nach Süd'
Dein Leben war ein Theaterstück,
auf dessen Tragik ich nun blick' zurück
Die Schatten des Krieges dich plagten
Armut, Hunger, viele Sorgen
Kein Leid blieb deinem Auge verborgen
Das Schicksal ward' dir nicht wohl gesonnen
Hat dir im Alter auch deinen Mann genommen
Trotz allem bist du Stark geblieben
Und gabst viel Kraft all deinen Lieben!

Schritt 5: DAS GEWISSE ETWAS!

Aus deinen Erfahrungen schrieb ich eines Nachts
Von Trauer, Mut und Liebe wie du sie uns gebracht'
Mit meinen Worten möchte ich dir danken,
dass mich nichts mehr bringt ins Wanken
Ich hab' in deinem Leben gesehen
Was gut, wahr und richtig ist
Liebe Oma, du darfst nicht gehen
Ich will nicht an deinem Grabe stehen

Schritt 6: DIE HANDLUNG!

Nun kullern Tränen meine Wangen hinab
Meine Hand hält die deine warm
Das Leben ist fast ganz aus deinem Körper gewichen
Dennoch bleibe ich neben deinem Bette sitzen
Aus Angst dich zu verlieren
Verfluche ich den lieben Gott dafür
Ein kalter Wind erfüllt mein Herz
Etwas in mir kämpft gegen den Schmerz
Ein Gefühl erstickt meine Wut ganz sacht
Die Leere ist es die mir sagt:
Da erkennst du den Wert
Den das Leben einem gewährt…

Schritt 7: DAS ENDE!

Saß ich wieder an deinem Bett
Hielt deine Hand ganz fest
Dein Atem ging sehr schell
Während Fieber dir tat weh
Deine Augen zittrig sich bewegten
Dennoch nie mein Gesicht erblickten
Ängstlich strich ich dir übers Haar
Wusste nicht was los mit mir war
All meine Gedanken galten nur dir
So wie deine immer mir
Ich werde dich für immer lieben
So wie damals und jetzt auf Erden
Auch in Zukunft bei den Lieben
Die dort im Himmel uns behüten

Schritt 8: DER ZUSATZ!

Wie sehr mir du fehlen wirst!
Dein Warten auf unsere Heimkehr
Das Tratschen auf der Veranda mit dir
Jedes Lachen, jede Träne verband uns sehr
Wie ein Schatten in der Nacht
Steh' ich irgendwann vor deinem Grab
Erinnere mich an die Zeiten
Die mir so gut getan haben
Gesenkten Hauptes geh' ich dann
Verlass' den Ort meiner Vergangenheit
Den Grund meiner Traurigkeit
Den Platz der Ewigkeit
Dabei wird mir klar:
Auch ich lieg' eines Tages da
So ist das Leben
So ist dies Gedicht
So wird es enden
So auch ich

Schritt 9: DIE HOFFNUNG ZULETZT!

Als Kind warst du stets da für mich
Nun wäre ich es auch gern für dich
Hock' ich neben dir
Warte, sitze, stehe hier
Tränen schlucke und leise schluchze
Hilflos deinem Ende zusehe
Seufzer sich von meinem Mund lösen
Jede Hoffnung im Keim ersticken
Deine Augen fest geschlossen
Im Verborgenen mir Botschaften schicken
Plötzlich schlägt die Stunde Null
Ich lass' dich, liebe Oma, gehen nun
Und hoffe, du vergisst mich nicht
Wenn du dann im Himmel bist!


Ich widme diese Geschichte meiner Uroma Mare!

Mittwoch, 01. August 2007









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