Was zusammen gehört...

Autor: Caro(3)
veröffentlicht am: 07.08.2008




Ich war zarte 12 Jahre alt, als ich ihm zum ersten Mal in die Augen blickte. Ich saß neben meiner besten Freundin, zwischen noch so vielen andren in meinem Alter, in einem kleinen Raum, um die jährliche Jugendfreizeit, eine fünftägige Fahrt an einen kleinen See zu planen. Es würde wieder lustig werden, soviel stand fest; die Betreuer waren cool, das Programm vielversprechend. Und obwohl ich fast ausschließlich in unbekannte Gesichter blickte, da ich weit weg von meiner besten Freundin wohne, deren Wohnort Veranstalter der Jugendfreizeit war, glaubte ich, bereits viele neue Freunde vor mir sitzen zu haben; außer ihm.
Sein Gesicht war zu einer spöttischen Grimasse verzogen, als er den Betreuern mitteilte, er würde nur Merguez essen. Er bestand darauf, und ich als schüchternes, stilles Mädchen fragte mich, wie man nur so vorlaut und unverschämt sein konnte. Naja, du musst ja nichts mit ihm zu tun haben, sagte ich mir und wandte mich den Gesprächen der anderen zu.

Unser Zeltplatz lag fast direkt vor dem kleinen See, der in der Morgensonne glitzerte.Ich kann mich an vieles nicht mehr erinnern, nur noch an jede Menge Wasserschlachten, gemütliche Abende im Gemeinschaftszelt und Wanderungen unter klarem Sternenhimmel. So kam es, dass ich Alex (den Jungen, der auf seine Merguez bestanden hatte) oberflächlich kennenlernte. Ich sprach nie mit ihm, kein einziges Wort. Ich beobachtete ihn, wenn er mit anderen sprach, folgte seinen Bewegungen und versuchte zu erkennen, wann er sagte, was er meinte. Er war ein vor Selbstbewusstsein strotzender, gutaussehender Zwölfjähriger mit einer riesengroßen Klappe. Ein typischer Idiot, der sich für nichts interessierte als für Fußball und Computer, ein Trottel, ein 'Ich-bin-ja-sooo-toll'-Checker. Ich war so sehr damit beschäftigt, ihn schlechtzumachen, dass ich gar nicht bemerkte, wie ich mich in ihn verliebte. Erst als ich wieder zuhause war, weit weg von den Leuten aus dem Zeltlager, die alle im selben Ort wohnten, und bei denen ich nur mitfahren durfte, weil Katha meine beste Freundin war, erst da bemerkte ich, wie viel er mir bedeutete. Doch es war zu spät. Ich würde ihn nicht wiedersehen, ich kannte nicht einmal seinen Nachnamen. Und ich traute mich nicht...traute mich nicht, meine Freundin zu fragen, die ihn auch toll fand, die mit ihm in einer Grundschulklasse war...ich verdrängte ihn.
Bis zum nächsten Sommer.
Ich war 13, unglaublich zurückhaltend und melancholich. Die Hormone machten sich bemerkbar, meine Stimmung änderte sich wie auf einer rasanten Achterbahnfahrt. Ich fuhr wieder mit den selben Leuten ins Zeltlager. Ich schwor mir, mich nicht zu verlieben, sollte ER denn wieder dabeisein. Schließlich war er ein Idiot. Doch er war dabei. Und ich verliebte mich wieder. Dieses mal war es viel schlimmer, viel intensiver und größer. Und trotzdem konnte ich mich nicht auch nur ansatzweise dazu überwinden, ihn anzusprechen. Meine beste Freundin war verknallt in ihn. Sie schmiss sich an ihn ran, es tat mir weh. Sie verstanden sich so gut, während ich abseits stand und sie missmutig beobachtete. Eines Abends jedoch kam er auf mich zu, setzte sich neben mich und fing an, mit mir zu reden. Ich, vollkommen überwältigt, stotterte nur herum und gab dämliche Einwort-Antworten von mir.
'Bist du immer so gesprächig?', fragte er grinsend. 'Nein', murmelte ich und kam mir wie der letzte Idiot vor. Es geht dir gut, es geht dir gut, nur nicht hyperventilieren, kicherte eine fiese Stimme in meinem Kopf. Der Konflikt in mir tobte; auf der einen Seite wollte ich ihn für immer und ewig anstarren, auf der anderen wäre das ziemlich peinlich gewesen. Meine Scham siegte und ich schaute nur dumm auf meine Füße. Er musste mich für einen kompletten Idioten gehalten haben...er grinste nur und ging zu meiner Freundin zurück. Hätte sie damals gewusst, wie stark meine Gefühle für ihn waren, hätte sie sich zurückgehalten, das weiß ich heute. Damals habe ich sie gehasst für ihr Wesen, für ihre Art, die ich immer haben wollte. Ich wollte auch unbefangen mit ihm reden, ihn kennen lernen. Es ging nicht. Bis zu dem Moment, in dem ich meine Leidenschaft für Fußball entdeckte; und er mein Talent, welches er als Mannschaftskapitän unbedingt fördern wollte. Von da an war ich ständig bei ihm, während er mir alles beibrachte, was er im Fußball so draufhatte. Ich war dankbar, so dankbar dafür, endlich eine Sportart gefunden zu haben, in der ich gut bin. Meine beste Freundin wurde sehr eifersüchtig. Allerdings konnte sie das nicht so gut verbergen wie ich vorher. Sie giftete mich immer öfter an und versuchte seine Aufmerksamkeit zu erzwingen. Nur konnte sie kein Fußball, sie war gänzlich unbegabt, wofür ich dem Himmel dankte.Am letzten Abend (die Zeit mit ihm ging immer so schnell vorbei) konnte ich zum ersten mal mit ihm reden. Wir saßen auf einer Bank vor dem Fußballplatz und er erzählte mir seine peinlichsten Erlebnisse auf dem Rasen.Er saß sehr dicht neben mir...ich hatte Angst, er könnte mein Herz klopfen hören. Seine Hand berührte meine...ich war ihm so nah, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. In meinem Kopf spielten sich tausend Szenarien ab. Doch keine war realistisch: Er liebt dich nicht, sagte ich mir. Er liebt dich nicht.
Den Schmerz dessen sollte ich erst später erfahren.
Meine Freundin hielt es unterdessen nicht mehr aus. Sie rannte plötzlich auf dem Zeltplatz herum und kreischte: 'A + C' (Die Anfangsbuchtstaben unsrer Vornamen) und schrie, ich wäre verliebt in ihn und solche Dinge. Sie hat mich sehr verletzt damit. Beschämt schaute ich zu Boden. ER lächelte mir zögerlich zu, stand auf und ging...zu meiner Freundin.An diesem Abend schliefen die beiden und noch andere Jungs in einem Zelt, während ich, den Tränen nahe, allein in meinem Schlafsack lag. Meine Mutter kam am nächsten Morgen schon sehr früh, da ich kurze Zeit später nach Rom fliegen würde. Ich verabschiedete mich nicht von ihm. Er beachtete mich auch gar nicht. Ich war ihm egal.
Die nächsten Wochen waren voller Verzweiflung, Tränen und Niedergeschlagenheit. Ich wusste, ich würde ihn so schnell nicht wiedersehen. Sein bester Freund Dan, der auch mit im Zeltlager war, schrieb mich per SMS an (ich hatte ihm meine Nummer gegeben) und wir wurden Freunde auf diesem Weg. Ich hatte ihn von anfang an gemocht, und er erzählte mir, dass er in meine Freundin verliebt gewesen sei, es zum Glück aber verwunden hatte, da sie absolut kein Interesse an ihm hatte. Wie auch, all ihre Gedanken kreisten um den Jungen, den ich mehr vermisste als alles andere auf der Welt: Alex.
Dan fragte mich irgendwann danach. Es war bereits Oktober, die Schule hatte wieder angefangen, meine Gedanken waren immer noch bei IHM. Ich erzählte Dan alles, da ich naiv und vertrauensselig dachte, er würde es Alex nicht sagen. Doch er tat es. Was er damit in Bewegung setzte, ist das wohl Grausamste, Wundersamste und Unvergleichlichste, das ich je erlebt habe.
Es sollte im Jahr 2006 ein Nachtreffen geben, bei dem wir uns Fotos vom Lager ansehen und ein bisschen reden konnten. Ich wusste, ich würde IHN dort wiedersehen. Ich hatte Angst, hatte ich doch meine Gefühle soweit im Griff. Ich wusste, ich würde ihm augenblicklich wieder verfallen. Soetwas war mir noch nie passiert.
Ein paar Tage vor dem Treffen, in einer stürmischen Oktobernacht, kam eine SMS, die mein Leben komplett auf den Kopf stellen würde. Zuerst war es Dan, der mich wie beiläufig fragte, ob meine Gefühle für Alex noch die selben seien. Natürlich, antwortete ich, ich war niemand, der sich so schnell entlieben konnte, selbst wenn es aussichtslos war.
Dann kam es...
'Hallo, ich bins Alex, ich wollte dir nur sagen dass ich von anfang an bescheid wusste. Ich bin vllt. in dich verliebt und möchte auch vllt. mit dir gehen.'
In diesem Moment wurde ich zum glücklichsten Menschen der Welt. Meine Gutgläubigkeit würde mein größtes Verhängnis werden.
Beim Nachtreffen erwartete ich, dass er mich darauf ansprechen würde, so wie er es angedeutet hatte. Ich hatte meiner Freundin, die sich glücklicherweise bereits in jemand anderen verliebt hatte, erzählt was vorgefallen war, und wir fieberten beide dem Moment entgegen. Ich würde einen Freund haben, einen Freund, den ich über alles liebte.Während den zwei Stunden ging er mir aus dem Weg. Er schaute mich nicht einmal an, ignorierte mich gänzlich. Ich versuchte es auf eine plötzliche Welle Schüchternheit zu schieben, doch dieser Mensch war nicht schüchtern. Ich suchte Ausreden für seine Ignoranz, traute mich jedoch nicht, zu ihm zu gehen. Ich fuhr nach Hause, doch die Enttäuschung setzte nicht ein. Ich war verblendet vor lauter Hoffnung auf ein Happy End. Gegen Mitternacht kam eine SMS von Dan. Er rang zuerst um Worte, dann schrieb er kurz:
'Alex ist ein Arsch. Vergiss ihn. Was er getan hat, hast du nicht verdient.'
Betäubt fragte ich, was er meinte. Doch es war mir schon klar; Alex hatte mich verarscht.

Von da an hatte ich zu keinem von ihnen mehr Kontakt. Ich weigerte mich, in irgend einer Weise gut gelaunt zu sein. Ich konnte nicht mehr lachen. Die Verzweiflung fraß mich von Innen heraus auf. Jeder normale Mensch hätte aufgehört ihn zu lieben. Doch ich konnte nicht. Ich liebte ihn und hasste ihn, dafür, dass er mein Herz gebrochen hatte. Ich vermisste ihn, doch ich wusste, ich würde ihn nicht mehr sehen, ich musste warten, verdammt nochmal warten bis zum nächsten Sommer. Ich hatte nie den Mut, ihm zu schreiben, ihn zu fragen, warum er das getan hatte. Ich lebte fortan als Hülle, gefangen in Erinnerungen voller Hoffnung und Einbildung, und voller Ungeduld auf den weit entfernten Sommer. Mit 13 habe ich jede kindliche Naivität verloren. Zu spät, vielleicht.
Im Dezember kam dann unverhofft eine Entschuldigung von seiner Seite. Er meinte, ich könnte ihm zurückschreiben wenn ich wollte, es täte ihm leid, was er damals geschrieben hatte, er war sich nicht darüber im Klaren, wie sehr es mich verletzen würde. Ich schrieb ihm nur einmal zurück. Freundlich, reserviert. Ich konnte nicht böse sein. Dafür hasste ich mich. Ich liebte ihn zu sehr. Danach hörte ich nichts mehr von ihm. Dan begann wieder, mir zu schreiben und irgendwann gestand er mir, er hätte sich in mich verliebt. Ich verfluchte alles. Warum konnte ich nicht einfach Dan lieben, der so nett war und stets an meiner Seite? Warum liebte ich stattdessen den größten Idioten der Menschheit?
An meinem vierzehnten Geburtstag (der Sommer war nicht mehr so weit) schrieb ER mir wieder. Ich hasste mich für die Freude, die ich verspürte, was bei mir zu einer Seltenheit geworden war. Ein paar Tage später, als Alex bei Dan übernachtete, fragten die beiden mich dann, ob ich ein Mädchen kennen würden, das für Alex geeignet wäre. Beinahe hätte ich geschrien, doch mein Gesicht, mit künstlichen Lächeln versehen, verriet nichts. Stattdessen fragte ich, wie sie denn aussehen solle. Er beschrieb sie, mit rotschwarzen, schulterlangen Haaren usw.Ich hasste ihn dafür. Aus Trotz ging ich am nächsten Tag zum Frisör und ließ mir meine Haare genauso machen, wie er sie beschrieben hatte. Er würde sie nie sehen, doch ich wollte es so.
Meine Freunde waren die einzigen, die mir halfen.Ihnen war sofort aufgefallen, dass ich nicht mehr lachte, und bald kannten sie die ganze Geschichte. Sie hörten mir immer zu, ich erzählte es mindestens siebzehn Mal, um es verarbeiten zu können. Ich war krank, schätze ich. Depressiv. Alles kreiste um die Vergangenheit. Jeder Gedanke um die Enttäuschung. Ich selbst war leer.

Nach einem Jahr Warten und Verzweiflung ging es wieder zum Vortreffen für das Zeltlager. Und noch ehe ich den Raum betrat,war mir klar, dass mein Herz immer noch ihm gehörte. Ich hatte meine Schmerzen unter Kontrolle gehabt...
Ich sah ihn nach einem Jahr und konnte es nicht glauben, wie sehr er sich verändert hatte. Er war viel größer geworden und sah zum Umfallen gut aus. Er war im Stimmbruch und sein Lachen klang rauh und süß zugleich.
Die Zeit im Zeltlager war die schönste meines Lebens. Er war so nett zu mir. Es war wie ein Traum. Im Hintergrund waren immer noch die Schmerzen, doch als er da war, was das alles unwichtig. Er würde nie mir gehören, das wusste ich,doch das war mir egal. Dass ich bei ihm sein konnte war alles. Er schaute mich sehr oft an, zuerst zögerlich, dann breit grinsend, als er sah, dass ich lächelte. Wir spielten wieder zusammen Fußball. Einmal legte er mir die Hände auf die Schultern und lobte mich für das Tor, das ich erzielt hatte. Abends im Gemeinschaftszelt saß er neben mir und redete. Und ich starrte ihn an wie eine Besessene. ALLE wussten, dass ich ihn liebte, nur er dachte, es wäre nicht mehr so. Dan versuchte, sich an mich ranzumachen, doch ich wies ihn freundlich, aber bestimmt ab. Es tat mir leid. Ich konnte es nicht ändern. Manchmal, wenn Dan bei mir war, bildete ich mir ein, Alex sei eifersüchtig. Doch das war nur wieder eine falsche Hoffnung von mir, dessen war ich mir bewusst...
Wir waren im Schwimmbad, als ich anfing an meinem Verstand zu zweifeln...zuerst sagte Alex, meine Augen seinen so wunderschön, dann nahm er meine Hand um mir zu sagen, ich hätte kalt und er wolle mich wärmen. Während er und die anderen in den Whirlpool gingen, ging ich kurz zur Toilette. Als ich zurückkam, hatte meine beste Freundin ein breites Grinsen im Gesicht und auch die andren sahen fröhlich aus. Sie flüsterten mir zu, er sei ganz komisch gewesen und habe gemeint, ich sei ja so nett und hübsch, doch ich wäre so still, was ihn verunsichern würde...ich war verwirrt. Was sollte das schon wieder? Es gab vermehrt solche Situationen, doch irgendwann gingen die sechs Tage am See vorbei...ich hatte furchtbare Angst, ihn wieder ein Jahr lang nicht sehen zu können. Es würde so schrecklich werden wie das Jahr davor, und ich war mir nicht sicher, ob ich das noch einmal würde aushalten können. Beim Abschied schaute er mich nur kurz an, doch ich war so verzweifelt, dass ich ihn umarmte. Es war eine reservierte Umarmung, doch ich musste ein letztes Mal seine Nähe spüren, auch wenn es ihm nichts bedeutete.

Die Monate zuhause gingen ins Land, ich dachte unablässig an ihn. Und dann begann es...Das Nachtreffen war meine letzte Hoffnung. Danach würde ich ihn ein Jahr lang wieder nicht sehen. Ich kam dort an, und alle drückten mir die Daumen, jeder einzelne hoffte für mich, dessen war ich mir bewusst. Doch er kam nicht.
Nach einer verzweifelten Stunde wandte ich mich mit meiner Freundin zum Gehen, als er die Treppe hinunterkam. Mein Herz blieb stehen, alle um mich herum atmeten auf. Er war sehr abwesend. Schaute mich so komisch an. Sprach fast nichts. Aber er war da. Wir gingen langsam zu meiner Freundin nach Hause. Unterwegs wurden wir von ihrem Vater aufgegabelt, der uns wegen unsrer Verspätung tadelte. Er nahm sie und mich ihm Auto mit. Ich sah Alex langsam in der Ferne verschwinden. So abrupt wurde ich von ihm weggerissen. Mir blieb nicht mal Zeit für eine angemessene Verabschiedung.
Die Monate danach waren auf eine bittersüße Art unerträglich. Er addete mich bei ICQ, wir schrieben manchmal. Ab und zu schickte er mir eine SMS, durch ihn kam ich zu einem Onlinespiel, das wir manchmal spielten. Ich verbrachte Stunden vorm PC, nur um 'bei ihm' zu sein. Ich war sehr verzweifelt. In dieser Zeit halfen mir nur meine Freunde und mein Blog, das ausschließlich von ihm handelte, wo ich alles verarbeitete, jede Kleinigkeit von ihm festhielt.
Es war kurz vor Silvester, als ich es nicht mehr aushielt. Um kurz vor Mitternacht nahm ich mithilfe der seelischen Unterstützung meiner Freunde und meiner Beklopptheit allen Mut zusammen und schrieb ihm per SMS, dass ich ihn immer noch liebte, dass ich mich jedoch damit abgefunden hätte, dass er mich nicht liebte und dass ich das nur schriebe, um es besser verarbeiten zu können. Er brauche sich keine Gedanken zu machen.
Danach hörte ich lange Zeit nichts von ihm. Bis ich eines Abends den Mut zusammennahm und ihn im ICQ fragte, ob er wieder mit ins Zeltlager fahren würde. Es war für mich eigentlich selbstverständlich, alles konzentrierte sich darauf, denn dort würde ich ihn wiedersehen.
Nein.
Ich würde ihn nie wiedersehen.
Kurze Zeit später rief Dan an um mir zu sagen, dass Alex mich hasst. In diesem Moment brach alles zusammen. Die Fassade der Gleichgültigkeit brach weg und ich schluchzte haltlos, verdammte Gott und die Welt, warum ich von dieser Liebe besessen war, warum ich soetwas durchmachen musste. Jeder andere Jugendliche konnte seine vergangene Liebe
vergessen...und ich musste es auch tun. Am selben Abend löschte ich seine Handynummer, seine SMS und das einzige verschwommene Bild auf meinem Handy von ihm, das ich noch hatte. Alles. Ich wollte diese Person aus meinem Leben verbannen.Für immer.
Ich wusste, ich würde nicht mehr glücklich sein können. Diese Liebe hatte mein Herz zerfetzt. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken. Es war alles verloren. Er hasst mich, dachte ich immer wieder. Er hasst mich.
Aber er hasste mich nicht.

Er war ungewöhnlich nett zu mir am nächsten Tag. Ich wollte ihn ignorieren, doch wie eine Drogenabhängige sagte ich mir:'Nur noch einmal, schreib ihm nur noch einmal, dann löschst du seine ICQ-Nummer.'
Er war wirklich nett. Er lud mich zu seinem 16. Geburtstag ein, obwohl das noch ein Jahr war bis dahin. Ich würde ihn in einem Jahr wiedersehen, wow. Doch warten hatte keinen Sinn mehr, schließlich hasste er mich ja. Doch ich konnte es plötzlich nicht mehr glauben...Am Abend rief Dan mich wieder an. Er fragte mich, wie ich reagieren würde, wenn Alex mir seine Liebe gestehen würde (vorher sagte er mir, er wäre nun in ein andres Mädchen verliebt, und er entschuldigte sich für seine Aufdringlichkeit im Zeltlager.). Ich meinte, ich würde wohl im Dreieck springen und rumbrüllen, aber da das eh nie passieren würde, würde mein Umfeld davon verschont bleiben. Dan lachte nur und meinte, er hätte mit Alex ein Geheimnis, ich dürfte es jedoch erst am nächsten Tag wissen. Mein Herz klopfte wie wild. Diese Andeutungen...
Und dann kam es so unverhofft wie ein plötzlicher Regenfall während einer Dürre.

Alex liebt dich.

Nein, kreischte ich, nein, du lügst, erzähl mir doch nichts, und wutentbrannt legte ich auf. Wie konnten sie mir das nur antun? Mich so anzulügen, obwohl sie wussten, dass Alex mein Herz bereits gebrochen hatte?!
Am nächsten Tag ließ er nicht locker. Alex schrieb mir, er liebe mich. Ich konnte mich nicht freuen. Ich fauchte ihn an, er solle aufhören solchen Unsinn zu erzählen, und all seine Erklärungen über seinen anscheinend plötzlichen Sinneswandel gingen an mir vorbei. Warum mussten sie noch in der Wunde rumstochern, warum? Sechs Monate hatte er mich nicht gesehen, warum also liebte er mich plötzlich? Das konnte nicht sein. Ich glaubte es nicht.Bis er vor meiner Haustür stand.
Nervös, geschockt und zu meinem größten Entsetzen glücklich gingen wir spazieren. Es dauerte drei Stunden, in dem ich ihm alles erzählte, was ich hier niedergeschrieben habe. Ich erfuhr viel von ihm. Über seine Liebe zu mir, dass er noch nie so empfunden hätte, dass er damals ein Idiot war, dass er sich jetzt sicher wäre. Dass diese Gedanken schon seit dem letzten Zeltlager in seinem Kopf rumschwirrten, doch aus Rücksicht auf Dan hatte er es nie zugegeben...

Ich könnte jetzt noch so viel erzählen. Was ich hier schrieb ist nur ein Bruchteil von dem, was alles passiert ist. Das ist meine Geschichte. Ich kam einen Tag später mit ihm zusammen, als ich zu meiner besten Freundin fuhr und wir zusammen mit Dan und Micha (noch einem Freund von meiner Freundin) spazieren gingen. Die drei hatten das geplant, weil sie schon seit geraumer Zeit davon wussten. Alex und ich sind nun seit vier Monaten und einundzwanzig Tagen glücklich zusammen. Er bezeichnet mich mittlerweile als die 'Liebe seines Lebens', was aus dem Mund eines Fünfzehnjährigen vllt. übertrieben klingt, doch er empfindet so. Und ich auch. Wir haben viele Dinge herausgefunden und diskutieren regelmäßig, da wir beide ziemliche Dickköpfe sind. Allerdings streiten wir nie. Obwohl er so weit weg wohnt sehen wir uns jedes Wochenende, da unsre Eltern sich unter Murren dazu bereiterklärt haben, den Fahrdienst zu übernehmen, wofür ich sehr dankbar bin.

Ich kann nach dieser langwierigen Geschichte nur sagen, dass ich im Geiste sehr gewachsen bin. Es war sehr schwer, doch letzten Endes wurde wie durch ein Wunder alles gut. Ich weiß bis heute nicht, wodurch ich das verdient habe. Ich habe folgendes gelernt:

Was zusammen gehört, wird zusammen finden, egal auf welchen tausend Umwegen. Gebt also die Hoffnung niemals auf!









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