Kribbeln unter der Haut Teil 21

Autor: Yana
veröffentlicht am: 29.03.2009




Kapitel 20
Ich ließ das Handy in meinen Schoß fallen. Müde lehnte ich mich zurück und schloss die Augen, um besser nachdenken zu können. Vielleicht hatte Miriam Recht und er hatte wirklich nur Spaß gewollt. Eine kurze Abwechslung. Und wahrscheinlich wartete auf ihn zu Hause eine scharfe Blondine mit perfekt geformtem Po, langen, dünnen Beinen, blauen Augen und großem Busen. Diese Vorstellung verpasste mir einen schmerzhaften Stich ins Herz.'An was denkst du?', fragte eine tiefe, männliche Stimme. Erschrocken sprang ich auf und riss meine Augenlieder hoch. Ein Zentimeter vor mir stand Jerker. Warum musste er sich immer so anschleichen?
'Nichts!', fauchte ich, wütend, weil er mich mal wieder so erschreckt hatte. Ich wandte meinen Blick von seinem schönen Gesicht und starrte stattdessen auf den Rasen. 'Außerdem ginge dich das gar nichts an', fügte ich zickig hinzu.
Natürlich erwartete ich eine Antwort von ihm. Einen blöden Kommentar oder dergleichen, wie er es immer tat. Doch er blieb schweigsam. Was war nur mit ihm los?
'Was?', zischte ich, als ich merkte, dass er mich anstarrte. Ich erwiderte seinen
smaragdgrünen Blick, was ich lieber nicht hätte tun sollen, denn nun viel es mir tausendmal schwerer, klar zu denken. 'Was guckst du so? Habe ich irgendwo noch Zahnpasta im Gesicht kleben?', stieß ich verärgert hervor.
Er seufzte und schaute mich traurig an. 'Ich wollte dich nicht verletzen, Cat.'
'Hast du doch gar nicht!', log ich mit meiner ganzen Überzeugungskraft, die in mir steckte.'Das kommt aber ganz anders rüber', murmelte er.
'Dann kommt es eben falsch bei dir an!', knurrte ich und fragte mich gleichzeitig, warum ich das abstritt, was so sehr offensichtlich war.
'Ich kenne dich gut genug um zu wissen, dass du verletzt bist. Und mir ist klar, dass ich daran schuld bin. Mit meinen Worten. Was allerdings nicht in meiner Absicht lag.'
'Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Jerker', schnaubte ich. 'Morgen fährst du zurück nach Hause. Dann vergessen wir uns und alles ist wieder gut. Du hattest deinen Spaß… naja, jedenfalls zum Teil. Schließlich bin ich nicht mit dir in die Kiste gesprungen…'
'Wie bitte?', unterbrach er mich. Sein trauriger Gesichtsausdruck verschwand und machte der Verwirrung platz. 'Du denkst, mir ging es nur um den Spaß? Um Sex? Die ganze Zeit?''Ja. Ist doch ganz offensichtlich! Oder um was sollte es dir denn sonst gehen? Am Anfang hast du mich doch sowieso nicht gemocht. Aber dann kam dir wahrscheinlich die Erleuchtung, dass ich vom weiblichen Geschlecht bin und dass du mich in die Kiste zerren kannst, wenn du nur nett genug schleimst! Was dir auch gelungen ist! Eindeutig. Ich bin glatt darauf reingefallen. Gratuliere! Nur blöd, dass ich deinen Plan durchschaut habe, bevor wir Sex miteinander hatten. Tut mir leid, dass ich dich enttäuschen musste!' Ich drängte mich an ihm vorbei und stapfte davon. Meine Worte klangen so sehr einleuchtend. Wie hatte ich nur einen Moment daran glauben können, dass er mich lieben würde? Natürlich hatte er immer nur das eine gewollt! Sex! Männern ging es doch immer nur um dieses Thema. Immer. Ohne Ausnahmen.
Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir, die mich rasch einholten. Jemand packte mich unsanft am Arm und zerrte mich herum. 'So denkst du also von mir?', knurrte er mir ins Gesicht. Er erwartete eindeutig keine Antwort meinerseits, denn er fuhr fort - sichtlich wütend. 'Ich dachte ich hätte dein Vertrauen, Catherine. Ich dachte du würdest mich kennen. Ich dachte…''Dann hast du eindeutig zu viel und zu falsch gedacht!', unterbrach ich ihn kalt. 'Obwohl… eigentlich hast du in irgendeiner Weiße richtig gedacht, denn du HATTEST mein Vertrauen.' Ich wollte mich losreisen, doch er hielt meinen Arm fest zwischen seinen Fingern.'Ich habe nichts getan, was dein Vertrauen zu mir hätte zerstören können!'
'Und doch ist es weg! Wie das nur passieren konnte?', fragte ich ironisch.
'Du hast doch keine Ahnung!'
'Ach ja? Aber du, ja?!'
'Ich hatte meine Gründe, als ich dir nicht sagte, dass ich dich wirklich liebe!'Ich stutzte kurz, dann fand ich meine Stimme wieder. 'Ja und ich weiß den Grund! Du hast mich nie geliebt!'
'Wie willst du dir da so sicher sein? Catherine, sei doch nicht so blind…'
'ICH soll BLIND sein? Ich WAR blind! Die ganze Zeit! Du hast mich belogen und ausgenutzt und ich habe es nicht gesehen!'
'Du konntest es nicht sehen, weil es nicht so war!'
'Ach ja? Und wie war es dann?', fragte ich und bohrte ihm meinen Zeigefinger den Bauch.'Ich…'
'Jetzt sag nicht, dass du mich die ganze Zeit liebtest und immer noch liebst!' Ich drehte meinen Finger weiter. 'Wäre das nämlich der Fall, würden wir uns jetzt nicht anschreien!''Was genau ist eigentlich dein Problem, Catherine? Ist es nur, weil ich dir gestern Nacht nicht klipp und klar gesagt habe, dass ich dich liebe? Oder gibt es da noch andere Gründe?''Natürlich ist es wegen gestern Nacht! Und deinem ganzen Verhalten gestern! DU hast mir keine Frage beantwortet. Hast mich angeschwiegen und ausweichend geredet!'
'Ich hatte meine Gründe!', wiederholte er und hielt mich noch fester am Arm.'Dann nenn sie mir!', schrie ich ihn an. 'Los, sag sie mir!' Er schwieg. 'WARUM SAGST DU ES NICHT? HAST DU VIELLEICHT GAR KEINE GRÜNDE UND MUSST SIE DIR ERST AUS DEN FINGERN SAUGEN?'
'Okay, okay. Catherine, hör auf zu schreien! Du weckst noch die ganze Nachbarschaft auf!''DAS IST MIR SO WAS VON SCHEISS EGAL!!!'
'Mein Grund ist deine Mutter, Catherine!'
Mir klappte die Kinnlade runter und mein Geschrei verstummte. Das hätte ich jetzt nicht erwartet.
Er fuhr fort: 'Sie hat mich, als du mit deinem Vater reden warst, abgefangen. Sie meinte, dass ich mich gefälligst von dir fern halten und dich nicht einmal mehr anschauen solle. Außerdem machte sie irgendeine Andeutung auf ihre Vergangenheit, dass sie das nicht noch einmal mitmachen will und wird. Sie hat mir sogar gedroht, dass sie mich bei der nächstbesten Gelegenheit mit meiner Familie rausschmeißen wird.'
Hinter meiner Stirn ratterte es. Wenn das wirklich wahr war, dass meine Mutter mal wieder hinter all dem steckte, dann hatte ich Jerker zu Unrecht beschuldigt.
Jerker lockerte den Griff um meinen Arm. 'Ich glaube, deiner Mutter ist in ihrer Kindheit etwas ziemlich schlimmes passiert.'
'Und warum hast du mir nicht gleich von all dem erzählt?', fragte ich, ohne auf den Einwurf mit 'Der schlimmen Vergangenheit meiner Mutter' einzugehen.
'Weil sie sagte, ich solle dir ja nicht verpetzen, dass sie mit mir geredet hat. Es machte mich nachdenklich und gestern Nacht kam mir der Gedanke, dass es vielleicht wirklich besser wäre, wenn wir uns nicht mehr sehen würden.'
'Warum?', fragte ich trotz allem schockiert.
'Weil eine Fernbeziehung schwer ist. Vor allem, wenn man solche Eltern hat, wie du.''Und was war das dann mit dem ‚Wer könnte dich schon nicht lieben?'? Ich verstehe das nicht so ganz.'
Er seufzte. 'Catherine, ich habe mit dem Gedanken gespielt, unsere Beziehung zu beenden.''Aha', machte ich nur. Er hatte also daran gedacht… WIE BITTE??? 'DU HAST WAS?', schrie ich ihn entsetzt an. 'DU WOLLTEST UNSERE BEZIEHUNG B-E-E-N-D-E-N?' Natürlich dachte ich, dass es ihm die ganze Zeit nur um Sex gegangen war. Doch dieses Geständnis schockierte mich zu tiefst.
'Bitte hör mir zu. Ich sagte bereits, dass deine Mutter mit mir redete und mir ihren Missmut unmissverständlich deutlich machte…'
'UND SO EINFACH LÄSST DU DICH BEEINFLUSSEN?'
Kopf schüttelnd fuhr er fort. 'Sie machte mich nachdenklich. Als du dann schließlich schliefst, hatte ich Zeit zum Nachdenken. Ich begriff, dass dich eine Fernbeziehung im Endeffekt kaputt machen würde. Und mich dazu.'
'Aber das weißt du doch gar nicht!', wiedersprach ich, senkte jedoch meine Stimme auf Normallautstärke zurück. 'Außerdem hast du selbst gesagt, dass viele sagen, eine Fernbeziehung sei besser als eine normale!'
'Aber nicht mit deinen Eltern, Catherine. Wie gedenkst du, mich einmal besuchen zu kommen? Ich könnte nicht jede Woche zu dir fahren, wenn erst einmal mein Studium angefangen hat oder wenn mich mein Dad in seine Arbeit einweist!'
Ich schwieg. Irgendwie hatte er recht.
Mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck musterte er mich. 'Ich wollte dir nicht sagen, dass ich dich liebe, denn ich sah ein, dass jedes weitere 'Ich liebe dich' es schwerer für uns machen würde, voneinander los zu lassen. Verstehst du was ich meine?'
Ich schüttelte den Kopf, allerdings nicht als Antwort, sondern aus Fassungslosigkeit. 'Du hast also vor, den Kontakt abzubrechen, sobald du wieder zu Hause bist?' Zu meiner eigenen Überraschung, sprach ich ganz ruhig und sachlich, als würde es nicht um das gehen, um das es ging.
'Ja.' Er hatte sich Zeit gelassen, mit seiner Antwort. Doch als er sprach, klang es entschlossen.
Ich senkte den Blick. 'Es ging dir die ganze Zeit um den Spaß, nicht? Deshalb willst du Schluss machen.'
'Du glaubst mir immer noch nicht', stellte er fest.
'Wie könnte ich! Wie würdest du denn an meiner Stelle reagieren? Würdest du mir auf Anhieb Glauben schenken? Würdest du mir um den Hals fallen und Glücksseelig schreien: ‚Ich verstehe dich. Das ist das Beste für uns. Lass uns den letzten gemeinsamen Tag unseres Lebens noch genießen!'? Würdest du das tun?'
'Nein, natürlich nicht, aber…'
'Da unsere Beziehung eh schon so gut wie beendet ist, kannst du mir auch die ganze Wahrheit sagen! GING ES DIR UM DEN SPASS? BIST DU ENTTÄUSCHT, DASS ICH MICH NICHT DAZU AUFRAFFEN KONNTE, MIT DIR ZU SCHLAFEN? HATTEST DU VIELLEICHT NOCH VOR, MICH FLACHZULEGEN? ODER WOLLTEST DU NUR…''Jetzt halt mal die Luft an, Catherine', zischte er nun wieder wütender. 'Mir ging es NIE, NIE NUR um Sex. Natürlich gab es Situationen, in denen ich am liebsten über dich hergefallen wäre, aber ich habe es nie getan! Ich habe nicht einmal versucht, dich dazu zubringen, mit mir zu schlafen! Nie! In keiner Weise! Wie kommst du auf den Schwachsinn mit dem Spaß? Hast du dir das selbst einfallen lassen oder hat dir das ein Vögelchen zugeflüstert? Zum Beispiel William?'
'Ich bin natürlich selbst darauf gekommen! Ist doch eindeutig! Würdest du mich wirklich lieben, würdest du wenigstens versuchen wollen, unsere Beziehung weiter am Leben zu lassen! Doch stattdessen willst du Schluss machen! Wie hattest du vor, es mir beizubringen? Wolltest du vielleicht einfach abhauen und dich nie wieder melden? Oder hattest du vor, es mir noch heute zu sagen? Oder morgen?'
'Hast du denn gar kein Vertrauen zu mir?'
'In so einer Situation ist das nicht gerade leicht!'
'Warum, Catherine? Was habe ich getan, das dich so von mir denken lässt?'
'Ich habe es dir doch schon tausendmal ins Gesicht geschrien!'
'Und ich habe dir schon erklärt, dass ich nur nicht will, dass dich eine Fernbeziehung zu einem unglücklichen Menschen macht!'
'Und du meinst, dass wenn du Schluss machst, es mich unendlich glücklich machen würde? Dass ich dann mein Leben normal und lachend weiter führen könnte? Ohne einen weiteren Gedanken an dich zu verschwenden?!' Ich merkte, dass diese Gegenfragen ihn aus dem Konzept brachten. 'Du denkst, ich könnte dich vergessen?'
Er wandte kurz den Kopf zur Seite, dann suchte er wieder mein Blick und flüsterte: 'Ja. Das denke ich. Und ich bin mir sicher, dass du das könntest.'
'Ich könnte dich nie vergessen', entgegnete ich genauso leise. 'Niemals.'
'Bitte, glaub mir, dass es mir nie nur das eine ging. Ich liebe dich. So sehr, wie ich noch nie jemanden geliebt habe.'
Mein Körper erschauerte, als er die drei Worte aussprach, die ich mir letzte Nacht so sehr erwünscht hatte. Doch nun konnte ich nicht das Gefühl missachten, das mir sagte, dass es ihm nur um Sex ging. 'Ich glaube dir nicht' Ich schluckte, um den Klos in meinem Hals los zu werden.
'Wie kann ich es dir beweisen?', er fragte ehrlich, mit offenem Blick.
'Warum willst du es mir beweisen, wenn du mich morgen eh verlassen wirst?'
'Ich will nicht, dass du denkst, ich sei ein Arschloch, Catherine. Und das bin ich nicht.''Also geht es dir nur um deine Ehre?'
Er stöhnte. 'Natürlich nicht!'
'Ich verstehe dich nicht, Jerker! Am Anfang sagtest du, dass jedes weitere ‚Ich liebe dich' nicht gut sei. Nun schleuderst du es mir dramatisch gegen den Kopf und willst es mir beweisen, allerdings nicht nur, um deine Ehre zu verteidigen. Und trotzdem willst du mich verlassen.'
'Weil ich dich nicht verlassen WILL!'
Alles was ich denken konnte war 'Hä'. Doch ich sprach es nicht aus, denn dafür war ich viel zu perplex.
'Wenn ich dich wirklich verlassen wollte, würde ich jetzt nicht hier stehen und mit dir diskutieren!'
Ich atmete wieder ein und aus und fand meine Stimme wieder. 'Also hast du mich verarscht? Du hattest gar nicht vor, mich zu verlassen?' Ich hörte selbst, wie hoffnungsvoll ich klang.'Nein', murmelte er. 'Ich hatte und habe immer noch vor, unsere Beziehung zu beenden. Aber nicht, weil ich es möchte, sondern weil ich mich dazu verpflichtet fühle.'
'Wir könnten es wenigstens VERSUCHEN!'
'Du möchtest es versuchen? Glaubst du mir denn, dass ich nicht nur Spaß wollte?'
Ich dachte einen kurzen Augenblick darüber nach und antwortete schließlich ehrlich: 'Gerade ist es mir egal. Denn ich bin viel zu sehr von dem Gedanken besessen, dich zu BEHALTEN.'Darauf antwortete er nichts mehr, sondern schaute mir nur unendlich traurig und ernst ins Gesicht. 'Ist es das, was du willst? Einen Freund, dem du nicht vertraust und den du nur alle par Wochen sehen kannst?'
'Sei doch nicht so pessimistisch.'
'Ich bin nur besorgt. Außerdem kann eine Beziehung ohne Vertrauen nicht existieren. Schon gar keine Fernbeziehung.'
'Okay, okay, Jerker. Sag mir JETZT noch einmal. War alles nur aus Spaß?' Ich hielt kurz inne, trat einen Schritt auf ihn zu und stierte ihm tiefer in die Augen. 'Oder stecken wirkliche Gefühle dahinter?'
Ich konnte den Ausdruck in seiner smaragdgrünen Iris nicht deuten, doch als er antwortete, wusste ich, dass er nicht log. 'Ich liebe dich.' Und wenn es doch gelogen war, dann war er ein besserer Lügner als ein Mensch. 'Aber…'
'Dieses weltberüchtigte ABER', unterbrach ich ihn, wartete jedoch darauf, dass er seinen Satz fortsetzte.
'Aber es ändert nichts an dieser Situation.'
'Oh doch. Eine ganze Menge.'
'So?'
Ich nickte und schob mich wieder ein Stück von ihm fort. 'Ich glaube dir.'
'Jetzt auf einmal?'
Ich verbiss mir ein Kommentar und überhörte einfach seine Zwischenfrage. 'Lass es uns probieren, Jerker. Einen Versuch ist es eindeutig wert!'
Er starrte mich schweigend an.

Nachdem wir noch eine weile Diskutiert hatten, hatte sich Jerker schließlich damit abgefunden, dass ich unsere Beziehung nicht einfach so aufgeben würde - trotz der Sache mit dem SPASS. Schließlich hatte er mich schließlich fest an sich gedrückt und mir versprochen, dass er mich sofort anrufen würde, sobald er zu Hause angekommen war. Doch glück war er dabei nicht.
Und das machte mich wiederrum nachdenklich. Ging es ihm wirklich nur darum, dass er Angst hatte, ihn und mich kaputt zu machen? Oder gab es vielleicht noch einen anderen Grund?
Doch eine weitere, plausible Erklärung viel mir nicht ein. Nur die für mich typischen Fantasien: Er war ein Vampir, hatte Feinde und wollte mich nicht in Gefahr bringen. Oder er war verflucht und durfte keine feste Freundin über längerem Zeitraum haben. Oder er war katholischer Pfarrer und durfte überhaupt keine Beziehung führen. Oder er war totsterbenskrank, wollte es mir allerdings nicht sagen. Oder er verwandelte sich bei Neumond in ein Monster und wollte nicht, dass ich das irgendwann mal herausfand. Oder, oder, oder…Doch keinen dieser Gründe glaubte ich, da sie mir doch zu unrealistisch erschienen. Daher versuchte ich mein misstrauen abzuschalten und ihm zu VERTRAUEN. Das war wohl das Beste. Und würde ich irgendwann herausfinden, dass er mich verarschte, dann konnte ich mir in diesem Moment den Kopf darüber zerbrechen, was für eine naive Nuss ich doch gewesen war und ihn dann zur Schnecke machen - das schwor ich mir.
'Wollen wir unseren Tag wirklich mit einem gemeinsamen Ausflug mit unseren Eltern verschwenden, oder doch lieber alleine etwas unternehmen?', unterbrach Jerker meine Gedankengänge und legte beiläufig den Arm um meine Schulter. 'Wir könnten ausreiten', schlug er vor, ohne auf meine Antwort zu warten. Er schien wieder völlig der Alte. Als wäre unsere Diskussion nie gewesen.
Ich lächelte darüber. Vielleicht war er mittlerweile glücklich darüber, dass ich unsere Beziehung nicht aufgeben wollte. Vielleicht hatte er neue Hoffnung, dass alles gut gehen würde.
'Okay. Lass uns zu den Ställen gehen.' Ich lehnte mich leicht an ihn und wir setzten uns in Bewegung.
Ich sah aus dem Augenwinkel, dass er leicht lächelte. 'Es fällt mir nicht leicht, Catherine, das zu sagen, da ich nicht glücklich über den Ausgang unseres Gesprächs bin, doch lass uns diese Diskussion einfach vergessen, okay? Ich schwöre dir, dass ich mich morgen bei dir so schnell wie möglich melden werde und dass ich mein überaus schlechtes Gewissen ignorieren werde, das mich wie warnsinnig verflucht, weil ich zu schwach war, um dich loszulassen.'
Zufrieden nickte ich. Mir würde es nicht schwer fallen, den Streit zu vergessen, so lange er mir EHRLICH versprach, sich zu melden.
Ich hatte das bekommen, was ich wollte. Teilweise Gewissheit, dass es ihm nicht nur um Sex ging, ein Liebesgeständnis und das Versprechen und dass er mich anrufen würde.

Als erstes ritten wir Stunden lang durch die weiten Getreidefelder hinter dem Wald, die sich bis zum Horizont zu erstrecken schienen. Sie leuchteten in einem strahlenden Gold und schimmerten durch die warmen Strahlen der Sonne, während der Wind sanft durch sie hindurch glitt, und sie leicht hin und her wiegte, sodass sie leise raschelten. Es war ein schöner Anblick. Ein Anblick von Harmonie und Ruhe. Es war ein Ort des Friedens, denn niemand kam hier her. Außer die Bauern, denen die Felder gehörten. Doch die kamen nur alle par Monate vorbei, um ihre Ernte einzusammeln. Und dann gab es noch die Mäuse und Hamster, die unter der Erde ihr zu Hause hatten und nur nachts aus ihrem Versteck schlüpften.
Es war schön, hier auszureiten. Der sanfte, schaukelnde Galopp ließ uns schnell den Streit am Morgen vergessen. Lachend und befreit redeten wir und verdrängten die Erinnerung an den baldigen Abschied.
In diesen Stunden zweifelte ich keine Sekunde an der Gläubigkeit von Jerkers Worten.Es wurde schon dämmrig, als wir unsere Pferde schließlich herumwirbeln ließen - ich meines auf der Hinterhand und Jerker seine Stute in einem großen Bogen. Im rasenden Galopp ritten wir zurück zu dem weitentfernten Wald - allerdings brauchten wir in diesem rasenden Tempo nicht einmal fünfzehn Minuten, bis die Bäume uns wieder umhüllten.
Unser Weg führte uns zu UNSEREM See. Wir banden die Pferde an und setzten uns so, dass wir die untergehende Sonne beobachten konnten. Jerker legte einen Arm um mich und zog mich an sich, um mich vor der am Abend aufkommende Kälte zu schützen…

Als wir spät in der Nacht bei mir zu Hause ankamen, brannte keine Licht mehr im Haus. Daraus schlossen wir - da wir keine Uhr hatten - dass es später als spät war. Wahrscheinlich hatten wir schon nach Mitternacht.
'Lass uns die Pferde versorgen und uns so schnell wie möglich ins Bett schleichen', flüsterte ich Jerker zu und dachte an meine Mutter, die ausrasten würde, wenn sie das hier herausbekommen würde.
'Du hast vergessen, dass ich keine Ahnung von dem Umgang mit Pferde habe.'
Ich rümpfte die Nase. 'Na gut. Dann binde dein Pferd fest und geh schon einmal ins Haus. Ich komme dann, sobald ich fertig bin, nach.'
Er lehnte ab. 'Sag mir einfach, was ich zu tun habe, dann geht es wenigstens etwas schneller, als wenn du es alleine machen musst.'
'Einverstanden.' Ich öffnete den Sattelgurt um Satans Bauch und zeigte Jerker dabei, was er zu tun hatte. Da er ziemlich lernfähig war, dauerte es nicht einmal eine halbe Stunde, bis wir fertig waren.
'Und jetzt ab unter die Dusche', murmelte ich fix und fertig. Ich war schon lange nicht mehr Stunden ausgeritten und war daher völlig aus der Puste. Ich wollte nicht wissen, wie es Jerker ging, schließlich saß er noch seltener auf dem Rücken eines Pferdes, als ich.
'Komm', Jerker griff nach meiner Hand. Langsam schlenderten wir zum Haus, während ich hoffte, dass die Eingangstür nicht abgeschlossen war.
'Oh scheiße', stieß ich frustriert hervor, als ich mich ergebnislos gegen die Tür stemmte. 'Und was nun? Sollen wir etwa hier draußen schlafen?'
Jerker zuckte ratlos mit den Schultern. 'Was ist mit eurem Buttler? Vielleicht ist er noch wach.'
Ich schüttelte den Kopf und ließ seine Hand los, um mir die Haare aus dem Gesicht zu streichen. 'Nach 22 Uhr verschwinden unsere Angestellten immer zu sich nach Hause.''Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als uns auf dem Rasen zusammen zurollen und zu schlafen', stellte er grinsend fest.
'Der Boden ist viel zu hart', maulte ich. Alles was ich wollte war ein weiches, warmes Bett und den Schlaf von den letzten Nächten nachzuholen.
'Tut mir leid, Cat. Ich kann nicht zaubern. Aber wenn du willst, können wir schauen, ob irgendein Fenster offen steht.'
'Das bezweifle ich. Meine Mutter hat tierische Angst vor Einbrechern und lässt das ganze Haus verriegeln, sobald die Sonne verschwunden ist.'
'Ein Versuch ist es wert, oder?'
'Meinetwegen.' Mir schleppenden Schritten schlich ich hinter ihm her.
Und plötzlich fiel mir etwas ein. 'Das Fenster in meinem Zimmer steht noch offen. Vielleicht können wir über dem Baum, der davor steht, rein klettern.'
'Kannst du denn noch klettern?' Er lächelte mich schief an.
Ich gähnte. 'Mir bleibt wohl nichts anderes übrig.'
'Okay. Komm.' Er griff wieder nach meiner Hand und zerrte mich zu dem hohen, immer kahlen Baum vor meinem Zimmerfenster. Weiß Gott, warum er niemals blühte.
'Lass mich zuerst klettern. Dann sag ich dir, ob wir überhaupt durchs Fenster können.' Elegant schwang er sich auf den ersten Ast und zog sich immer weiter hoch. Bei ihm sah es tierisch einfach aus. Doch wahrscheinlich würde ICH Stunden brauchen.
'Es ist offen, Cat. Komm hoch.'
Seufzend ergab ich mich meinem Schicksal und hievte mich schnaubend einen Meter nach oben.

Es dauerte kürzer, als ich befürchtet hatte. Denn sobald ich zwei Meter über der Erde schwebte, zog mich Jerker teilweise den Baum hinauf, ohne dass ich selbst etwas machen musste.
'Ich geh erst einmal duschen', teilte ich ihm mit, sobald ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
Jerker nickte. 'Werde ich wohl auch erst einmal machen.' Er verließ mein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Bevor mich eine Panikattacke ergreifen konnte, lenkte ich meine Gedanken von dem immer weiter nähernden Abschied mit ein paar Mathematikaufgaben ab.'Zweihundertunddreiundzwanzig mal vierhundertunddreißig', murmelte ich immer wieder vor mich hin und griff dabei nach meinen Schlafsachen.
Doch je mehr ich versuchte, mich abzulenken, desto mehr wurde mir bewusst, dass er morgen weggehen würde.
Hastig machte ich mich daran, mich zu duschen. Als ich fertig war, zog ich mich an und verließ das Bad. Ich war stolz auf mich, dass ich nicht in Tränen ausgebrochen war.'Dass Frauen immer so lange duschen müssen…', grinsend saß Jerker auf meinem Bett und blickte mir entgegen. Seine Augen glänzten und seine schwarzen Haare schimmerten etwas silbrig im Licht des Mondes. Ich ging auf ihn zu und er zog mich in seine Arme. Sein Atem strich sanft durch meine nassen Haare und seine Hände lagen warm und leicht an meinem Bauch. 'Noch nie habe ich jemanden so sehr geliebt, wie dich', murmelte er und drückte mich noch liebevoller und noch fester an sich.
Trotz all der zärtlichen Berührungen fragte ich mich, ob er immer noch seine Schwäche hasste, die ihm dazu veranlasste, nicht mit mir Schluss zu machen.
Doch spielte das überhaupt eine Rolle? War es nicht das Wichtigste, dass er mir versprochen hatte, nicht einfach so aus meinem Leben zu verschwinden? Sondern sich bei mir zu melden?'Hör auf dir weiter den Kopf zu zerbrechen, Catherine', flüsterte er. 'Ich weiß, dass du dich fragst, was ich im Moment über uns denke. Ich will es dir sagen. Im Moment ist es mir egal, was in ein paar Wochen oder Monaten ist… wie es uns geht. Für mich zählt einfach nur das Hier und Jetzt und dass ich dich liebe. Und, dass ich dich in meinen Armen halte.'
Zusammen legten wir uns auf mein Bett. Ich wusste, dass es die letzte Nacht mit ihm sein würde. Müde und vor kälte zitternd schmiegte ich mich an ihn und klammerte mich an ihm fest.
Ich hatte Angst davor, ihn loszulassen.







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