Eine Woche Sehnsucht

Autor: India Burmeister
veröffentlicht am: 13.07.2008




Das Zimmer war dunkel, die ersten kleinen Lichtstrahlen drangen nur sehr schwer durch die zugezogenen Jalusien.
Plötzlich fing der Wecker an zu spielen, ich drehte mich in meinem Bett um und schlug mit der flachen Hand auf den Alarmknopf. Ich stöhnte. Es war viertel vor sieben.
Dieses tägliche Wecken war mir nach so langer Zeit recht schnuppe, doch irgendetwas war heute morgen anders als sonst.
Ich hatte urplötzlich dieses Gefühl vollkommen alleine zu sein.
Geschockt von den Massen an Gefühlen, die nun auf mich hereinbrachen schaltete ich das Licht ein und atmete tief durch.
Dann fiel es mir wieder ein. Mein Freund, der einzigste Mensch, der mir in meinen momentanen Leben Sicherheit und Nähe bot, der immer für mich da war, wann immer ich ihn brauchte, war nicht mehr da.
Er war auf dem Weg in ein anderes Land, weit entfehrnt von mir und unerreichbar für mich.Es war nur eine Woche, doch diese Woche konnte nichts Gutes bedeuten, wenn sie schon so anfing.
Ich wollte nicht länger drüber nachdenken und schaltete das Licht wieder aus, was brachte es auch, wenn ich mich nun in mein Bett setzte und vor Kummer und Sehnsucht innerlich fast zerfiel ?
Doch kaum hatte ich mich wieder umgedreht und alle Gefühle und Gedanken verdrängt, kam die Erinnerung. Mein Handy schrillte und brach so die erneute Stille, die im Zimmer lag.Angst überkam mich als ich das Handy aufschob und seinen Namen im Postfach erblickte. Ja gut, ich hatte ihm gestern Abend noch gesagt er solle eine SMS schreiben, aber wieso gerade jetzt ? Wieso genau in dem Augenblick wo ich kurz vorm durchdrehen war ? Das war wirklich ein perfektes Timing.
Klar, ich hätte das Handy einfach wieder auf den Nachttisch legen und weiter schlafen können, doch die Neugier und Freude über seine Nachricht überragten alles. Immerhin war es die letzte Nachricht, die ich von ihm bekommen würde. Eine ganze Woche lang, würde ich nichts mehr von ihm hören. Eine Ansichtskarte vielleicht...
Während ich die SMS laß kämpfte ich mit einem Haufen von Gefühlen, die in weniger als einer Sekunde auf mich einschlugen wie ein Blitz an einem schwülen Gewittertag.
'In einer halben Stunde bin ich raus aus Deutschland', die Worte hämmerten in meinem Kopf. In einer halben Stunde würde er für eine unerträglich lange Zeit nicht mehr erreichbar sein. Mein Körper reagierte wie immer, ich fing an zu zittern und das Handy fiel auf mein Kopfkissen. Ich wollte weinen doch die Tränen kamen nicht. Vielleicht war es auch absurt so zu reagieren aber ich konnte einfach nicht anders. Selbst ich, die vieles runterschlucken kann, konnte diesesmal nichts gegen all dies tun.
'Ich vermisse dich jetzt schon', diese Zeile gab mir etwas Hoffnung, das er das Geld, was es kosten würde sich zu melden, aus dem Wind schlagen und mich anrufen würde. Aber so schnell der Gedanke gekommen war, so schnell war er auch wieder weg. Ich sollte mir eine schöne Woche machen. Wie konnte eine Woche ohne ihn, ohne meinen Schatz, den ich über alles liebte und eigentlich jeden verdammten Tag brauchte, schön sein ? , fragte ich mich verzweifelt.
Meine Finger zitterten und rutschten immer wieder von der kleinen Tastatur meines Handy. Ich zitterte, weil ich Angst hatte ihn zu brauchen, wenn er nicht da war, ich zitterte, weil ich ihn jetzt schon vermisste aber vorallem zitterte ich, weil ich ihn anlog.
Ich schrieb, dass ich nicht traurig sei. Dies war wohl die größte Lüge in unserer ganzen Beziehung, denn ich war mehr als nur Traurig, ich hatte regelrecht Angst!
Als die SMS verschickt war betete ich, dass er antworten würde. Doch das Handy blieb stumm...
Zwei Stunden lang lag ich im Bett und grübelte. Mit jeder Minute entfehrnte er sich mehr von mir, mit jeder Minute sank die Chance auf eine Antwort. Zwei Stunden lang hatte ich das Gefühl, das mir irgendjemand spitze Pfeile in mein Herz rammt, Minute für Minute. Je mehr Zeit vergangen war, desto schmerzhafter wurden sie.
Bevor ich einschlief hatte ich das Gefühl, als würde mein Herz in tausend Stücke gerissen. Er war fort...

Als ich wieder erwachte war es halb zwölf, leiser Regen trommelte an mein Fenster. Meine Meerschweinchen machten Radau, weil sie immer noch nichts zu fressen bekommen hatten.Also stieg ich aus dem Bett und ging ins Bad um zu duschen. Während das warme Wasser über meinen Rücken lief fühlte ich mich völlig leer und einsam. So, als habe mir jemand in einer Nacht alles genommen, woran mir etwas lag.
Ich beschloss mich abzulenken und stieg nach dem Essen in den erst besten Zug nach Hannover. Während das gleichmäßige Rattern der Räder auf den Schienen mich in einen kurzen Schlaf sangen waren meine Gedanken bei ihm.
Ich stellte mir vor, wie er in einem kleinen Boot auf dem See saß und angelte. Versunken in seine Gedanken...
Auch während ich mit der Straßenbahn Richtung Maschsee fuhr waren meine Gedanken abwesend. Als ich austieg sog ich den wunderbaren Duft von Blumen und Gras ein. Ich atmete tief durch und verschloss meine Gedanken.Ich lief die Straße entlang und konnte es kaum erwarten endlich wieder unter Menschen zu kommen. Einen Spaziergang am See wollte ich nicht machen, dabei hätte man ja nachdenken müssen und das war das letzte, was ich heute Nachmittag machen wollte.
Erst als ich in der Achterbahn saß und einen Looping nach dem anderen durchfuhr waren meine Gedanken leer. Nichts, ja garnichts konnte mich von einem Lächeln abhalten.Doch kaum war ich um die Ecke geborgen, meine Tüte Schmalzkuchen in der Hand, waren meine Gedanken wieder bei ihm. Nicht in Schweden, nein hier in Hannover. Vor mir stand eine Wildwasserbahnanlage. Eine schöne große Abfahrt lenkte meine Aufmersamkeit auf sich. Ich dachte an ihn, dachte was er darum gegeben hätte mit mir dort zu fahren.
Ich rannte, rannte weg von der Anlage, rannte vor meinen Gedanken weg.
Doch kaum bog ich um die nächste Ecke stand ich vor einer Moutainrafftinganlage. Meine Herz sank bis in meine Füße.
Das konnte, nein das durfte doch einfach nicht wahr sein !
Aus trotz machte ich an diesem Tag einen großen Bogen um beide Anlagen und mir kam nicht einmal der Gedanken dort mitzufahren, obwohl ich eine Abkühlung hätte gebrauchen können.
Die Frisbee und die Wilde Maus heiterten mich wieder etwas auf, doch ich schaffte es nicht mehr , nicht an ihn zu denken.
Was er wohl gerade macht ? Ob es ihm wohl auch so geht wie mir ?
Wohl eher nicht, kam es mir in den Sinn. Erstens hast du ihn angelogen, dass es dir gut ginge und zweitens ist er im Urlaub, da hat er andere Sorgen als dich.
Als ich zurück fuhr schweiften meine Gedanken wieder ab, so sehr ich mich auch bemühte sie zurückzuhalten.
Als ich zuhause ankam nahm ich sein Bild, er hatte es mir zum Geburtstag geschenkt und legte es liebevoll in den Bilderrahmen und hing es an die Wand neben das Foto meiner Mutter. Viele Minuten blickte er mich so aus seinen wunderschönen Augen an und für den Bruchteil einer Sekunde fühlte ich mich wieder aufgehoben und zufrieden.
Während ich dies hier schreibe sind meine Gedanken natürlich wieder bei ihm, doch durch das Foto an meiner Wand habe ich das Gefühl, dass ich nicht alleine bin und ich denke, dass es alles seinen Sinn und Zweck hat. Und er kommt ja zurück, ganz bestimmt...









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