Liebe und Tod

Autor: Nova
veröffentlicht am: 06.03.2005




Entweder wuerde ich fuer ihn sterben oder ich wuerde ihn toeten muessen. Was fuer widerspruechliche Gefuehle. Rache, kalte Rache. Ich spuerte Hass in mir aufflammen.

Ich saß auf einem Stuhl mit der Pistole in meiner Hand auf seine Brust gerichtet. Er stand ungefähr fünf Meter vor mir. Zuerst zitterte meine Hand und ich sah verschwommen, weil die Traenen meine Wangen hinunterströmten, ich weinte bitterlich.
Doch dann schluckte ich. Der Hass loderte in mir auf. Mein Gesicht verzerrte sich, ich entsicherte die Pistole, die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben, aber er sah mir trotzig in die Augen. Kaelte breitete sich in mir aus und mein Blick bohrte sich in ihn. Was er mir angetan hatte, war nicht wieder gut zu machen, ich wuerde erst Ruhe finden, wenn ich wusste, dass er nicht mehr lebte, wenn ich ihm das zurueckgeben konnte, was er getan hatte. Alles was du tust, kehrt irgendwann zu dir zurueck, ob es gut oder schlecht war. Die Verantwortung traegst du selbst.
Ich wollte die Richterin an der Pforte sein, wenn er in den Himmel trat. Ich wollte sein Herz auf der goldenen Waage wiegen, um ihm dann seine Taten zurückzuzahlen…
Er kam langsam und mit ausgestreckter Hand auf mich zu. 'Katharina…' mit beruhigender Stimme redete er auf mich ein, 'komm, nicht schiessen, du weisst nicht, was du tust…'
'Bleib stehen!' schrie ich mit schriller Stimme. 'Bleib verdammt nochmal sofort stehen!' Ich fuchtelte wild mit der Pistole herum und er wich erschrocken einen Schritt zurueck. 'Komm, gib mir die Pistole, spinnst du? Später wirst du es noch bereuen. Komm, gib mir die Pistole, alles ist gut…' Da war wieder dieser Unterton in seiner Stimme, dieser beruhigende Unterton, der nur sein eigenes verdammtes Leben retten sollte.
Ich sprang auf und stampfte mit dem Fuss auf den Boden, mein Herz schien ihn diesem Moment wie aus Stein, mein Koerper bestand nur noch aus meinen beiden Haenden, die die Pistole umschlossen hielten.'Auf die Knie!' befahl ich. Ich wollte ihn betteln sehen. 'Hast du noch etwas zu sagen?' fragte ich kuehl. Ich wuerde abdruecken muessen. Jetzt oder niemals, ich durfte nicht zoegern. Trotzdem hielt mich etwas zurueck, krampfhaft umklammerte ich die Pistole, meine Knoechel traten weiss hervor.
'Katharina, bitte…beruhige dich, es ist alles gut…' er faltete die Haende und sah mich flehend an, 'lass mich leben. Du willst doch nicht wirklich schiessen?' In seiner Stimme schwang die Angst mit, forschend sah er mich an, seine Lippen, diese Lippen…sie zitterten.
Meine Stimme war fest, als ich sprach: 'Weisst du noch, wie sehr du Carmen hasst und verachtest? Weisst du das noch? Meine Freundin? Du verachtest sie, weil sie die einzige ist, die dich nicht als das anerkannt hat, was du sein willst. Ha! Tut es dir leid, dass du sie immer so heruntergemacht hast?' Er antwortete nicht, er hatte die Hände zu Fäusten geballt und sein Blick war auf den Boden gerichtet. 'Sieh mich an!' schrie ich ausser mir. Erschrocken sah er auf, sah mir zögernd in die Augen.
'Tut es dir leid?!!' brüllte ich und er zuckte zusammen. 'Wo ist denn dein Heldenmut?' höhnte ich. '…Also? Tut es dir leid, verdammt noch mal, oder willst du etwa, dass ich abdrücke?!' Die Wut trieb mich an und ich spuckte ihm meine Worte nur so vor die Fuesse. Er sah mich mit einem vernichtenden Blick an, doch er sprach kein Wort. Aber dieses eine Mal hatte ich die Kontrolle ueber ihn, die Pistole befand sich in meiner Hand und er hatte mir zu gehorchen. Ich spürte, wie sich Kälte in mir ausbreitete und ich fletschte die Zähne, ich wollte abdrücken, wollte den Knall hören und ihn sterben sehen.Doch ich atmete tief durch und entspannte mich ein wenig mehr. Also gut, wenn er nicht reden wollte, würde ich es vorerst tun. 'Weisst du, was ich mich schon immer gefragt habe? Was ist dir eigentlich wichtig? Du hast mit mir gespielt, wie ein kleiner Junge, der mit seinen Bausteinen spielt!' Und nun brüllte ich, die Traenen standen mir wieder in den Augen. 'Aber ich war dir scheissegal! So egal…', meine Stimme wurde leiser, doch ich hinderte sie daran, zu versagen. 'Wichtig ist dir nur dein Land und dein eigenes, nacktes Leben! Und dein verfluchtes Image!' Immernoch sprach er kein Wort, aber er lächelte mich an, unsagbar kalt. Wie gerne hätte ich ihm in sein triumphierend lächelndes Gesicht getreten. Mein Blick wanderte über seinen ganzen Körper, und blieb schliesslich an seinen dunklen Augen hängen. Sie weckten Erinnerungen in mir, die ich lieber verdrängt haette. Ich erinnerte mich an sein Gesicht, nah an meinem, und ich sah wieder sein Lächeln vor mir, sein gewinnendes, allzu männliches Lächeln. Er hatte nie an sich gezweifelt und er wusste von der Wirkung, die er auf andere hatte. Das trieb mich zur Weissglut.

'Mach mir ein paar Komplimente.' Ich lächelte. 'Na los, ich höre nichts!' In seinem Blick lag Panik, als er meine Hand sah, die sich noch fester um die Pistole klammerte. Ich muss in diesem Moment wie eine Irre ausgesehen haben, denn seine Stimme hatte einen merkwürdigen, ungläubigen Unterton, als er versuchte, mich zu beschwichtigen. Vielleicht dachte er, ich sei unzurechnungsfähig, vielleicht war ich es wirklich. 'Du bist…du bist eine schöne Frau, lass uns reden, ich…du weisst doch, ich wollte dich nie so behandeln…ich…ich…ich liebe dich…' Ich lachte lauthals und er stockte. 'Ja, weiter, weiter, oder war das schon alles?' höhnte ich. 'Wo bleibt dein Charme?' 'Bitte, ich…ich werde alles tun…' 'Was denn?' wollte ich wissen und richtete die Pistole nun auf seinen Kopf. Ich wollte abdruecken und ihn wie einen gefaellten Baum umkippen sehen. Er hob abwehrend die Haende. 'Alles, alles, was du willst!' 'Küss den Boden!' befahl ich. 'Und bettel um dein Leben. Na los! Leck den Dreck vom Boden auf! Du willst es hier doch nicht so schmutzig lassen, wie es ist?!' Seine stolzen, breiten Schultern schienen sich dagegen zu wehren, aber die Angst liess ihn sich vorbeugen, er musste sich mit den Haenden abstuetzen und leckte den Schmutz vor ihm vom Boden. Ich sah, wie der Staub an seiner Zunge haengenblieb und wie er ihn langsam hinunterwuergte. Ich hatte eine Art Triumphgefuehl, als ich ihm dabei zusah. Er, der stolzeste Mensch, den ich jemals gekannt hatte, leckte auf meinen Befehl den Dreck vom Boden auf. 'Was bist du?' rief ich und schoss einmal in die Decke ueber ihm, Putz broeckelte auf ihn hinab und er zuckte zusammen. 'W-was bin ich?' stotterte er. Er begriff nicht, was ich meinte, wie konnte er auch. 'Ein kleines Stück Scheisse! Ein Nichts! Nichts als ein stinkendes Stück Scheisse!' rief ich und er wiederholte meine Worte. 'I-ich bin n-nichts als ein stinkendes Stueck…Scheisse!' Was fuer ein Zugestaendnis. Der Schweiss stand auf seiner Stirn und auch sein T-Shirt war durchnaesst vom Angstschweiss. Eigentlich wusste ich die ganze Zeit nicht, was ich tat, vielleicht handelte ich aus purem Instinkt, vielleicht war es aber auch nur die Verzweiflung und rasende Wut, die sich angestaut hatten.
Ich sah ihm kalt in die Augen. 'Ich kenne dich genau, ganz genau, und das weisst du.' Ich forschte in seinem Gesicht nach einer Regung, er sah aber nur stumm vor sich hin. 'Ich habe nur noch zwei Gefuehle fuer dich uebrig. Hass…und Liebe…
...aber eines davon ist staerker. Die Liebe oder…' ich richtete die Pistole wieder mitten auf sein Herz, '…der Hass.' Er loderte in mir und ich haette abdruecken koennen. Aber er kniete dort mit gekruemmten Schultern vor mir und schlotterte vor Angst. Er war ganz bleich geworden und sah mich nicht mehr an, starrte nur noch auf den Boden. Wahrscheinlich machte er sich auf den Schuss gefasst, der jeden Moment kommen musste. Ich wartete selbst darauf, dass mein Finger sich loeste und abfeuerte, endlich dem ein Ende setzte, was mich nun schon so lange quaelte. Jeden Moment würde der Schuss durch den Raum donnern…
Aber ich schoss nicht. Kein Schuss ertoente. Zu Beginn wunderte ich mich ueber mich selbst, aber dann ergriff mich unbeschreibliche Erleichterung und ein merkwuerdiges Gefuehl. Mein Herz schlug wieder langsam und gleichmaessig. Ein Wunder, dass ich nicht vor Aufregung gestorben bin.

'Es würde mich nicht wundern, wenn du dir schon vor Angst in die Hose gemacht hast.' sagte ich fast mitleidig.
Das war Genugtuung. Ich war jetzt ganz ruhig, atmete einmal tief durch und laechelte ihn schliesslich an. 'Steh auf. Und klopf dich mal gruendlich ab, du siehst fuerchterlich aus.' Ich steckte die Pistole in meinen Guertel. 'Du bist es nicht wert.' sagte ich. 'Du bist lächerlich, und auch das weisst du.' Mit diesen letzten Worten drehte ich mich um und ging. Ich sah mich nicht noch einmal nach ihm um. Er war mir auf einmal ganz egal.

Dies ist keine wahre Geschichte, aber die Vorgeschichte ist wahr. Das eben Beschriebene hat sich nur in meinem Kopf abgespielt. Heute weiss ich, dass ich nie wieder jemanden auf dieselbe Weise lieben werde wie ihn, so stark und verzweifelt. Liebe und Hass liegen manchmal sehr nah beieinander...









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