Gewitternacht

Autor: Roland Heidler
veröffentlicht am: 00.00.0000




Es war ein drückend heißer Tag gewesen, die Heimfahrt von der Arbeit war eine Qual. Zuhause angekommen ließ ich als erstes alle Kleider fallen und genoss die anfangs warme und dann immer kältere Dusche. Als ich mich endlich wieder wie ein Mensch fühlte, trocknete ich mich nur leicht ab und zog nur meine Shorts an. Danach machte ich es mir erst einmal auf der Couch bequem. So ließ ich die Ruhe auf mich einwirken. Nach gut 15 Minuten stand ich auf und machte mir ein kleines Abendbrot, aber nicht zuviel. Schließlich wollte ich abends mit Freunden essen gehen. Danach setzte ich mich im Wohnzimmer auf die Couch und schaute mir im Vorabendprogramm einen Krimi an und danach die Nachrichten. Anschließend machte ich mich auf den Weg.


Kurz vor acht Uhr parkte ich auf dem letzten freien Platz bei unserem Griechen. Meine Freunde waren noch nicht da, aber der für uns reservierte Tisch war schon frei. Ich setzte mich und wollte mir gerade etwas zu trinken bestellen, da betrat eine junge Frau das Restaurant und kam zu mir an den Tisch, da alle anderen besetzt waren. „Entschuldigen Sie, ist hier noch frei?“ fragte sie mich. „Es kommen noch zwei Ehepaare, aber ein Platz ist frei. Wenn sie alleine sind, ist es kein Problem“. „Oh, wunderbar,“ lachte sie mich an, „ich habe nämlich einen Riesenhunger.“ Und saß sie neben mir auf der Bank. Während sie noch die Karte studierte, kamen meine Freunde und setzten sich zu uns. Sofort begann ein munteres Gespräch, an dem auch die junge Frau teilnahm. Sie stellte sich als Marianne vor und war ab sofort Teil unserer fröhlichen Runde. Und weil eine so lustige Gruppe waren, zog sich das Essen hin bis fast Mitternacht. Als letzte Gäste verließen wir irgendwann das Lokal.


Draußen auf der Straße fragte Marianne, wo man denn hier ein Taxi bestellen könnte. „Wo musst du denn noch hin?“ fragte ich sie. „Nach Auringen“ gab sie mir Auskunft. „Dann hast du jetzt zwei Möglichkeiten“ sagte ich ihr. „Du kannst entweder für viel Geld mit dem Taxi nach Auringen fahren oder ich fahre über Auringen statt über Igstadt nach Hause. Ich wohne nämlich in Medenbach.“ „He, das wäre ja Spitze. Natürlich fahre ich dann mit Dir. Ich habe daheim noch eine gute Flasche Wein, die können wir ja vielleicht noch köpfen.“ „Dass mir dann aber keine Klagen kommen.“ meinte mein Freund Klaus noch scherzhaft. Danach trennten wir uns.


Während der wenigen Meter vom Lokal bis zu meinem Auto kamen wir schon wieder ins Schwitzen. Es hatte sich während unseres Essens ein wenig abgekühlt, war aber sogar noch schwüler geworden. Erste recht heftige Böen fegten durch die Straßen und wirbelten den Staub und herumliegende Blätter auf. Es roch geradezu nach Gewitter. Ich war kaum losgefahren, da klatschten bereits die ersten dicken Tropfen auf die Windschutzscheibe. Nach dem sehr fröhlichen Abend kam nun eine Phase, in der wir uns nur noch spärlich unterhielten und jeder ein bisschen seinen Gedanken nachhing. Außerdem hatte der Regen kräftig zugenommen und die Fahrt brauchte meine ganze Aufmerksamkeit. Durch Bierstadt fuhren wir fast nur noch Schrittempo. Marianne machte inzwischen die ersten Scherze deswegen: „Gib zu, dass du dieses Wetter bestellt hast. Du willst nur lange mit mir Autofahren.“ Während wir die Stadt verließen zuckten die ersten Blitze vor uns quer über den Himmel und eine rabenschwarze Wolke über uns meinte, uns ertränken zu müssen. An Weiterfahrt war vernünftigerweise nicht mehr zu denken und wir machten es wie viele Andere auch: Wir stellten das Auto am Straßenrand ab und schauten dem Gewitter zu. Es war ein grandioses Naturschauspiel, das uns da geboten wurde und das wir genossen, während wir uns über unser Leben unterhielten. Welch eine Überraschung war es festzustellen, dass wir fast den gleichen Beruf hatten – sie als Lehrerin an einer Realschule und ich bei einer privaten Organisation. Zwischendurch bewunderten wir die aufständische Natur, wie sie auf einem Feldweg neben der Straße neue Bäche schuf, immer wieder grell weiß beleuchtet von heftigen Blitzen. So manchen Satz unserer Unterhaltung mussten wir wiederholen, weil gewaltige Donner uns immer wieder unterbrachen.


Fast zwei Stunden saßen wir so. Längst waren die Scheiben meines Autos innen so beschlagen, dass wir fast nichts mehr um uns sehen konnten. So merkten wir beinahe nicht, wie der Regen allmählich nachließ und schließlich ganz aufhörte. Erst die fehlenden Donner ließen uns wieder einmal nach draußen schauen. Es blitzte zwar noch immer, aber jetzt schon recht weit entfernt über dem Taunus. Wir öffneten die Türen und genossen die zwar immer noch warme aber gar nicht mehr schwüle Luft. „Hast du Lust auf einen kleine Spaziergang?“ fragte mich Marianne. Ich überlegte kurz und meinte dazu: „Prima Idee. Und am besten barfuß.“. Sie war begeistert und so legten wir Schuhe und Strümpfe ab. Der Boden war angenehm warm. An Mariannes Art aufzutreten sah ich sofort, dass sie gewohnt war, barfuß zu gehen. So lenkten wir auch gleich wie auf Kommando unsere Schritte auf den voller Pfützen stehenden Feldweg zu. Hand in Hand gingen wir auf die erste Pfütze zu. Vorsichtig tasteten wir den Boden auf Steine ab, aber da waren keine, nur warmer Schlamm, der sich sachte um die Füße schmiegte und zwischen den Zehen durchquoll. Wir liefen ein, zwei mal durch die Pfütze, dann begannen wir, uns gegenseitig das Wasser zu zuschaufeln, erst vorsichtig, dann immer heftiger, und dann, wieder wie auf Kommando, sprangen wir hoch und platschten mit Kraft in die Pfütze, dass es nur so spritzte. Dabei rutsche Marianne aus und wollte sich an mir festhalten. Der Erfolg davon bestand darin, dass wir anschließend beide in der Pfütze landeten, sie auf mir. So lage4n wir und begannen zu lachen und zu lachen und zu lachen – bis uns die Luft ausging. Dann schaute sie mir in die Augen und bekam dabei so einen merkwürdigen Gesichtsausdruck. Und noch während ich ihr Gesicht studierte fanden ihre Lippen die meinen...


Inzwischen hatte es schon wieder zu regnen begonnen. Der Regen wurde stärker und stärker und bis wir das Auto erreicht hatten, war unsere Kleidung fast schon wieder sauber, zumal wir für den Rückweg zum Auto viel länger brauchten als für den Hinweg zur Pfütze. „Machst du oft so verrückte Sachen?“ fragte sie mich, als wir wieder im Auto saßen. „Leider viel zu selten. Man hat nicht oft die richtige Situation dafür. Außerdem braucht man dazu einen Partner, der mit macht.“ antwortete ich. „Na,“ lachte sie mich an, „den hast du ja jetzt. Mach so weiter, dann wirst du mich nie mehr los.“ Zehn Minuten später standen wir vor Mariannes Haus und sie stellte fest, dass sie ihren Schlüssel wohl in der Pfütze verloren haben musste. Egal, ob ich naiv genug war, es ihr zu glauben, oder ob ich es einfach glauben wollte – sie kam mit zu mir und bei Blitz und Donner schliefen wir Arm in Arm ein, voller Glück und Rotwein.


ENDE

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