Rückkehr zum Herzen Teil 6

Autor: Any
veröffentlicht am: 07.06.2008




Alle Blicke wandten sich zu einem, vor Wut schnaubendem, Etainne, der in der Tür stand. Er hatte das Treiben nun schon eine Weile beobachtet und auch so einige Gesprächsfetzen verstanden und was er da gehört hatte, behagte ihm gar nicht. Es war offensichtlich, dass sein Freund Ivette den Hof machte und sie entweder so naiv war, es nicht zu bemerken, oder ihm klar machen wollte, dass auch wenn sie ihn heiratete, ihm niemals die ewige Liebe schwören würde.
Der Lord sah zu seinem aufgebrachten Freund und erwiderte: 'Also hast du mich angelogen, als du sagtest, dass du dich nicht mit ihr zu verloben gedenkst?'
Ivette wusste nicht, was sie mehr verwirrte. Der wütende Etainne, oder das Gesagte des Lords.
Sie hatten damals über sie gesprochen?
Ehe sie sich versah war Etainne an ihrer Seite, zog sie unsanft auf die Beine und hielt sie fest, wie als wollte er zeigen, dass sie ihm gehörte und keinem anderen.
'Du unterstellst mir, zu lügen?', knurrte er seinen Freund an.
'Den gegeben Umständen entsprechend, muss ich wohl.', sagte der Lord bedauernd.
'So?', herausfordernd sah Etainne ihn an.
'Und ich muss dich warnen, mein Freund, wenn das der Wahrheit entspräche, dann muss ich dir die Gerechte Strafe zuteil werden lassen und dich zum Duell herausfordern.'
Geschockt sah Ivette zwischen den beiden Männern hin und her. Was sollte sie nur tun? Sie kam sich so hilflos vor.
'Und ich habe bereits Anlass dich herauszufordern, da du meiner Verlobten', er betonte das Wort ganz genau, 'den Hof gemacht hast und das kann ich als Ehrenmann nicht dulden.', sprach Etainne.
Der Lord nickte. 'Dann also ein Duell, morgen pünktlich zur Mittagsstunde, hier am Hof des Anwesens der Mallingtons.', entschied er.
Etainne nickte. 'So soll es sein! Was ist der Einsatz?'
Der Lord schien kurze Zeit zu überlegen, dann setzte er ein breites Lächeln auf und sah zu ihr.'Der Einsatz ist die Hand von Miss Mallington.'
Ivette, die das Gespräch vorerst benommen verfolgt hatte, schreckte nun auf. Auch Etainne starrte seinen einstigen Freund und Geschäftpartner mit offenem Mund an.
'Etainne! Das kannst du nicht zulassen!', protestierte Ivette, die sich zuerst wieder gefangen hatte. Schließlich ging es hier darum, mit wem sie ihre Zukunft verbrachte!
'Abgemacht!', sagte dagegen ihr derzeitiger Verlobter und schlug in der Hand des Lords ein, der sich dann mit einem siegessicheren Lächeln verabschiedete und davon schritt.
Noch immer völlig entsetzt sah sie Etainne, der vor Wut bebte, an.
'Was hast du dir dabei gedacht?!', rief sie empört.
'Ich verteidige nur meine Ehre.', antwortete er kalt und bestimmend.
'Ja! Aber meine Hand ist der Preis für diesen sinnlosen Kampf! Hast du dabei eigentlich auch mal an mich gedacht?!'
Etainne zuckte nur mit den Schultern, was ihre Wut noch mehr schürte.
Sie warf sich gegen ihn und trommelte wie wild mit ihren Fäusten gegen seine Brust, bis er sie an den Armen packte und ihr fest in die Augen sah.
'Oh, du egoistischer, selbstsüchtiger, sturer,-…'
'Wenn du mit deinen Beschimpfungen fertig bist, dann solltest du zuerst einmal darüber nachdenken, ob es nicht zu deinem Besten ist, wenn ich gegen ihn kämpfe.'
Verwirrt stoppte sie ihren Wutausbruch. 'Wie soll ich denn das nun wieder verstehen?'
'Du hast die Chance auf einen anderen Ehemann, von dem du, wie mir scheint, auch ziemlich angetan bist.'
Fassungslos sah sie ihn an. Wie konnte er es wagen, ihr zu unterstellen, dass sie sich einen anderen Verlobten wünschen könnte? Oder war er selbst froh, dass er sie los wurde und würde absichtlich verlieren? Schließlich konnte er seinem Vater dann sagen, dass er sich keine andere, als Ivette, wünschte, sie aber nicht bekommen konnte, und so seiner Pflicht entgehen konnte.
`Er empfindet eben doch nicht für mich…´, dachte sie traurig.
'Ja, aber ich liebe ihn nicht.', erwiderte sie dennoch.
Etainne hob eine seiner Augenbrauen. 'Wen liebst du dann, Ivette? Wem hast du dein Herz geschenkt?'
`Kannst du dir das nicht denken?´, fragte sie sich.
Als sie ihm keine Antwort gab, seufzte er innerlich enttäuscht auf. Wie hatte er auch annehmen können, dass sie mehr für ihn empfand, auch wenn er nicht wusste, was ihm ihre Gefühle gebracht hätten, aber er hätte es sich dennoch gewünscht.
Seine Hände hielten noch immer fest ihre Arme umklammert und Ivette musterte ihn,
während er ganz in Gedanken versunken zu sein schien.
Schließlich räusperte sie sich und sein Blick klärte sich wieder. Gebannt sah er sie mit seinen blauen Augen an. Wie sie so da stand, mit gezwungen erhobenen Armen und neugierigem Gesicht. Der Moment war irgendwie magisch. Er kam langsam ihrem Gesicht mit seinem näher.
Unwohl tappte Ivette hin und her und beobachtete, sie seine Lippen ihren immer näher kamen. Sie fühlte sich so wehrlos, da er ihre Arme festhielt. Was machte er da?
'Etainne-…', begann sie.
'Pssst!', befahl er, überwand den kleinen Abstand und legte seine Lippen auf ihre. Der Kuss war warm, begehrend und leidenschaftlich. Genauso, wie es zwischen zwei Liebenden sein sollte, aber sie waren keine Liebenden…
Ivette, dessen Hände er wieder freigegeben hatte, wurde sich als erste wieder der Situation bewusst und schob ihn von sich.
Etainne verstand es als eine Ablehnung gegenüber ihm und starrte sie hoffnungslos an.'Wenn ich es nicht sein kann, der dein Herz gewonnen hat, wer dann?', fragte er traurig.Was sollte das? Nach diesem Kuss fragte er sie, wer ihr Herz gewonnen hatte? Außerdem: Was scherte ihn das? Schließlich empfand er nichts für sie. Ivette verstand ihn nicht.
'Würdest du es denn annehmen, wenn ich es dir schenken würde?', erwiderte sie nun ebenso traurig.
Etainne fuhr sich durch das Haar, während sie insgeheim hoffte, dass er `ja´ sagen würde, aber das war schließlich nur ein Wunschtraum.
'Ich weiß es nicht…', sagte er nun leise und für Ivette zerbrach gleichermaßen etwas im Inneren, wie sie neue Hoffnung schöpfte. Vielleicht könnte er es irgendwann.
'Siehst du… Ich werde niemandem mein Herz ganz schenken, wenn er sich nicht sicher ist, mir im Austausch seines zu geben.', erklärte sie schwach.
Das leuchtete Etainne ein und er schwieg. Aber er wollte sie doch so sehr. Wollte, dass sie ihm gehörte, warum sonst riskierte er sein Leben nur um sie als Frau zu haben? Warum nahm er diese Last auf sich, wo er diese Chance doch ebenso gut für seine Freiheit nutzen konnte? Und doch wollte er nicht verlieren! Er wollte, dass sie ihm gehörte, ihm allein.
Der Gedanke, dass sie für jemand anderen, als ihn, starke Gefühle hegen konnte, machte ihn fast wahnsinnig vor Eifersucht. Aber war er denn berechtigt so etwas zu denken? Schließlich konnte er sie nicht glücklich machen… Und sie hatte es, verdammt noch mal, verdient glücklich zu sein.
Sie war es nun mal nicht mit ihm…
Erst wenn er sich seiner Gefühle für sie im Klaren wäre, könnte sie ihm Zuneigung schenken, aber das Ganze erschien ihm so schwer.
Nie hätte er gedacht, dass er einmal freiwillig heiraten würde und vor allem nicht dieses Mädchen.
Er seufzte, ließ Ivette los und ging davon.
'Etainne!' rief sie ihm hinterher und er machte noch einmal kert.
'Bitte duelliere dich nicht mit ihm!', ihre Stimme zitterte leicht, da sie etwas Angst hatte. Was, wenn Etainne verlieren würde? Wenn sie gezwungen wäre, Lord Ashford zu heiraten.Ihr grauste bei diesem Gedanken, auch wenn sie nichts gegen ihn hatte, sie liebte nun mal einen anderen.
'Ich werde mich nicht drücken, Ivette! Am Ende verliere ich noch meine Ehre.', sagte er scharf.
Die junge Mallington schüttelte verzweifelt den Kopf. 'Du kannst nicht gegen ihn antreten!'
'Wieso nicht?'
`Weil ich Angst habe, dich zu verlieren, du Dummkopf!´, schrie es in ihr.
'Mach dir keine Sorgen.', sagte Etainne, nachdem sie nicht auf seine Frage geantwortet hatte. 'Wenn du magst, kann ich mich absichtlich ungeschickt anstellen und verlieren, wärst du dann glücklich?'
Mit offenem Mund starrte sie ihn an. Was hielt er eigentlich von ihr?
'Nein, ich wäre nicht glücklich!', rief sie empört und dachte: `Ich wäre todunglücklich, wenn ich dich durch so eine Dummheit verlieren würde…´
'Was würde dich dann glücklich machen?'
`Wenn du mich lieben würdest!´
'Ich weiß es nicht, Etainne, aber ganz bestimmt nicht Lord Ashford.'
Etainnes Herz flammte in diesem Moment kurz auf. Konnte es sein, dass sie doch etwas für ihn empfand, vielleicht mehr, als sie zugeben wollte?
`Es wird sich zeigen.´, dachte Etainne, wandte sich entgültig von ihr ab und verschwand aus der Empfangshalle.
Wie dumm konnten Menschen nur sein? Sie wollte nicht, dass er gegen Lord Ashford kämpfte! Wenn er verlieren würde… Sie mochte gar nicht daran denken.

Traurig beobachtete Ivette Etainne, beim Trainieren im Hof, vom Fenster aus. Er vollführte ein paar schnelle Bewegungen mit dem Degen und sprang immer wieder hin und her, oder schlug gegen einen Pfahl, den er aufstehlen hatte lassen. Die Sonne schien und sie sah, dass der Schweiß und Dreck ihm in Bächen hinabrann.
Wenn sie ihn schon nicht von diesem sinnlosen Kampf abhalten konnte, dann wollte sie ihn eben so gut es ging unterstützen. Sie lief in den Baderaum, schnappte sich eins der weißen Handtücher und lief in den Hof. Vorher hatte sie sich noch ein nasses Tuch aus der Küche geben lassen, um ihm ein wenig Kühlung zu schenken.
Etainne sah, dass sie kam, stoppte aber nicht. 'Was machst du denn hier?', fragte er stattdessen, während er weiter auf den Pfahl eindrosch.
Wortlos stellte sie sich neben ihn und reichte ihm das nasse Tuch. 'Wisch dir, bevor du mit einer Frau sprichst, erst mal den ganzen Dreck und Schweiß weg.'
Er stoppte kurz, nahm ihr das Tuch aus der Hand und wischte sich übers Gesicht, danach warf er es achtlos auf eine der Bänke, die im Hof standen und trocknete sich mit dem Handtuch ab, was er Ivette aber wieder zurückgab.
'Danke.', murmelte er leise und begann schon wieder mit seinem Training.
'Überanstreng dich nicht.', riet sie ihm.
Etainne lachte rau auf. 'Keine Sorge, auch wenn ich so einen Teil meiner Kräfte für morgen verliere, werde ich dennoch siegen.', sagte er selbstsicher, aber Ivette glaubte ihm nicht. Warum trainierte er dann, wenn es doch so leicht war? Er konnte sich stattdessen doch auch hinlegen und faulenzen.
'Warum bist du dir so sicher, Etainne?', wollte sie wissen.
'Glaubst du denn, dass ich verliere?', nun hatte er aufgehört den Pfahl zu attackieren und sah ihr in die Augen. 'Oder hoffst du es?'
Schon wieder diese Leier. Ivette seufzte. Warum verstand er nicht, dass sie Angst um ihn hatte, er war einfach zu blind um ihre Liebe für ihn wahrzunehmen, oder er wollte es absichtlich nicht.
'Ich hoffe, dass du zur Besinnung kommst und diesen dummen nutzlosen Kampf absagst.''Niemals!', knurrte er. 'Das würde meine Ehre beschmutzen!'
`Und ich würde dich freiwillig hergeben, wenn ich aufgebe…´
'Aber du würdest nicht in Lebensgefahr schweben!', rief sie.
'Sag mal, willst du ihn denn so unbedingt haben, dass du mich dazu überredest aufzugeben?', verlangte er zu wissen. 'Erlaubst du mir nicht einmal zu beweisen, dass ich Mut habe?''Wovon redest du bitte? Ich habe nicht gesagt, dass du aufgeben sollst! Ich will, dass du dich nicht mit ihm duellierst! Das ist ein Unterschied!'
'Aber, Ivette! Man kann das Duell nicht einfach absagen, nur indem man aufgibt und das würde bedeuten, dass ich dich ihm freiwillig überlasse!'
Schockiert sah Ivette Etainne an. Daran hatte sie noch überhaupt nicht nachgedacht! Aber sie wollte Lord Ashford doch nicht heiraten! Auf keinen Fall!
Sie stellte sich nun direkt vor ihm auf und sah ihn mit einem vorwurfsvollen Blick an. 'Das habe ich alles allein dir zu verdanken!', sie stemmte ihre Hände in die Hüften. 'Hättest du nicht einfach sagen können, dass die Verlobung erst nachher entstanden ist?'
'Und du denkst, dass er mir das einfach so abgekauft hätte?'
'Aber es ist doch die Wahrheit!', sie machte eine aufgeregte Geste mit den Armen.
Etainne sah sie mitleidig an. 'Du kennst ihn zu wenig. Wenn du wüsstest, wie er wirklich ist, dann würdest du das Ganze genauso sehen wie ich.'
'So schrecklich kann er doch nicht sein!'
'Ivette! Vergiss nicht, dass er deine Zukunft als Preis gesetzt hat!', er wurde laut. Es ärgerte ihn, dass sie Lord Ashford verteidigte.
'Ja, aber du hast zugestimmt!', auch ihre Stimme war lauter, als nötig gewesen wäre.
'Ich dachte, du wärst froh darüber, weil ich dir eine Wahl lasse!', er baute sich vor ihr auf.
'Ich bin aber nicht froh darüber!', hielt sie dagegen.
'Was würde die gnädige Frau denn froh machen?'
'Ich wäre froh, wenn ich dich nie kennen gelernt hätte!' `Denn dann hätte ich mein Herz nie an so einen Dummkopf verloren!´
Sein Blick wurde auf einmal wütend. 'Ach ja! Stimmt ja! Ich habe dein Leben zerstört.',
sagte er sarkastisch.
'So habe ich das nun auch nicht gemeint!'
'Doch! Das hast du!'
'Sei nicht immer so dumm!', rief sie verzweifelt.
'Dumm!? Das ist es also, was du von mir hältst? Dass ich dumm bin?!'
Er verdrehte ihr die Worte im Mund. Das ließ sie sich nicht bieten. 'Jetzt halt aber mal die Luft an!'
'Dass ich sterbe oder was?'
Sie wurde rot vor Empörung. 'Jetzt reicht´s! Was hältst du eigentlich von mir?'
'Was ich von dir halte, Ivette? Willst du das wirklich wissen? Du bist eine sture bockige Göre die einem nur auf die Nerven geht!'
Ein lauter Knall schallte durch den Hof.
Etainne starrte sie entgeistert an und hielt sich die knallrote Wange, die ihre Hand so zugerichtet hatte.
Ivette hielt sich die Hände vor den Mund. Was hatte sie getan?
'Etainne, es tut mir-…'
'Spar´s dir.', unterbrach er sie schroff und wandte sich zum Gehen ab.
Tränen der Verzweiflung rannen an ihren Wangen herab. Aber er war doch selber schuld! Schließlich hatte er sie herausgefordert!
Und dennoch blieben die Schuldgefühle bestehen.
'Was habe ich da bloß angerichtet?', murmelte sie leise in ihre Hände.

Es war der Tag der Entscheidung. Heute würden diese beiden Männer, die sich nun so grimmig gegenüber standen, um ihre Hand kämpfen.
Der Mann der Ivettes Herz offensichtlich unbedingt haben wollte, dem würde sie es nie schenken können, aber der, dem sie es bereits geschenkt hatte, nahm es einfach nicht an.Lord Ashford war ganz in Weiß gekleidet und warf ihr immer wieder triumphierende Blicke zu, als wollte er sagen, dass sie schon bald sein sein würde. Dass sie das eigentlich nicht wollte, schien ihn wenig zu kümmern.
Sie blickte zu Etainne, der gerade seinen Degen kontrollierte. Er sah stattlich aus, in dieser schwarzen Uniform und auch ein bisschen bedrohlich. Sein Gesichtsausdruck war unergründlich und Ivette fragte sich, was wohl gerade in ihm vorging. Würde er, nach ihrem Streit gestern, absichtlich verlieren, oder würde er um sie kämpfen? Was, wenn er sie nun freiwillig aufgab, nachdem sie ihn geohrfeigt hatte? Ivette bekam eine Gänsehaut.
Sie hatten seit dem gestrigen Vorfall auf dem Hof nichts mehr mit einander geredet und nun wusste sie nicht, was nun passieren würde.
Sie betete inständig, dass Etainne sich endlich seiner Gefühle für sie bewusst wurde, auch wenn das bedeuten konnte, dass er sie nicht wollte.
Die beiden Männer nahmen Aufstellung, verneigten sich einmal kurz und gingen in Kampfpose.
Lord Ashford wagte den ersten Angriff, welcher aber schlecht ausgeführt war und Etainne konnte ihn mit Leichtigkeit abwehren. Nun schlug er nach ihm, aber sein Gegner wich geschickt zur Seite aus, schnellte nach vorne und traf ihn am Bein.
Ivette schrie auf, als sie das Blut sah. Es war nur ein kleiner Schnitt, aber immerhin so tief, dass Etainne kurz schmerzverzerrt sein Gesicht verzog, sich aber gleich wieder fasste und zum Gegenstoß ausholte.
Gebannt beobachtete Ivette das Geschehen. Immer wieder schnellten die gegenseitigen Degen aufeinander zu und wurden entweder abgewehrt, oder versetzten dem Gegner eine Wunde.Sie wusste nicht, wie lange der Kampf schon dauerte, aber sie musste mit Schrecken beobachten, wie Etainnes Bewegungen immer langsamer und schwerfälliger wurden. Er rang auch schon ziemlich nach Atem.
Leider hatte Lord Ashford das auch bemerkt und nahm nun all seine Kraft zusammen, die er noch übrig hatte, um sie gegen Etainne einzusetzen.
Der junge Montgomery wich zurück und versuchte den schnellen Attacken auszuweichen, aber er strauchelte.
Alles verging wie in Zeitlupe für Ivette. Sie sah wie er fiel und hart aufschlug. Er stöhnte auf.Mit schreckensweiten Augen musste die junge Frau mit ansehen, wie Lord Ashford, mit einem siegesreichen Grinsen im Gesicht, auf Etainne zukam und den Degen an seinen Hals legte. Er rührte sich nicht mehr, die Augen waren geschlossen. War er etwa… tot?
Er war doch nur gestürzt! `Was, wenn ihr mit dem Kopf am Boden aufgeschlagen ist?´,
schoss es ihr durch den Kopf. Sie spürte, als ein Teil ihres Herzens abbröckelte. Noch war nichts bewiesen. Er konnte noch leben! Aber was, wenn nicht? Wieder starb ein Teil ihres Herzens.
Ivette legte ihr Gesicht in ihre Handflächen. War das nun das Ende? War sie gezwungen ihren Liebsten zu verlassen und den Lord zu heiraten? War er etwa tot? Sie wäre so gern zu ihm geeilt und in die Arme geschlossen, aber sie konnte sich keinen Zentimeter weit rühren.Tränen der stummen Verzweiflung brannten in ihren Augen und sie hörte, wie jemand auf sie zukam. Ohne nachzuschauen wusste sie, dass das ihr neuer Verlobter war, der da auf sie zukam.
'So, Schönheit, ich habe gesiegt, Ihr wisst, was das bedeutet.', er legte seine Hand unter ihr Kinn und hob es leicht an, sodass sie gezwungen war, ihn anzuschauen.
'Ich werde Euch nie als Ehemann akzeptieren.', schluchzte sie. Wie hatte sie nur jemals an diesem grausamen Mann etwas finden können? Wie hatte sie überhaupt jemand anderen als Etainne in Erwägung ziehen können?
Verwundert sah er das zierliche Geschöpf vor ihm an. 'So? Das werden wir ja noch sehen.', er beugte sich zu ihr herunter und legte ohne Vorwarnung seine Lippen auf ihre. Sie waren hart und lange nicht so weich und angenehm wie die Etainnes.
Ivette wollte den Lord von sich schieben, aber er hielt sie mit dem andern Arm gefangen. Als er sich wieder von ihr löste, grinste er sie anzüglich an. Ivette verzog angewidert das Gesicht. 'Du Scheusal!', sagte sie unter tränenerstickter Stimme. 'Lass mich los!'
'Du wirst mich wohl respektieren müssen, Schönheit.'
'Niemals!', sie spuckte ihm ins Gesicht.
Das widerliche Grinsen verschwand aus seinen Zügen und er wurde wütend. 'Du elendes Drecksweib!', er hob seine Hand zum Schlag. 'Dir werde ich Manieren beibringen!'Sie kniff die Augen zusammen. Was hatte das alles noch für einen Sinn? Ihr Liebster war offensichtlich tot, oder so schwer verletzt, dass er nicht mehr aufstehen konnte. Er war besiegt. Nun müsste sie diesen grausamen Mann heiraten, der, als sie ihn kennen gelernt hatte, noch ganz anders auf sie gewirkt hatte, aber Etainne hatte wohl recht gehabt.
Der Schlag blieb aus.
Verwundert erlaubte Ivette sich, ein Auge zu öffnen.
Sie erkannte schemenhaft, dass jemand den erhobenen Arm des Lords gepackt hatte und ihn unsanft von ihr riss.
Nun öffnete sie beide Augen und konnte kaum glauben, was sie da sah.
`Etainne!´, schoss es ihr durch den Kopf. Er lebte! Er war nicht mal annähernd so schwer verletzt, wie sie geglaubt hatte! Aber warum war er dann liegen geblieben?
'Du?! Du solltest doch bewusstlos, wenn nicht sogar tot, am Boden liegen.', zischte Lord Ashford.
Etainne zog eine Augenbraue in die Höhe, aber seine Augen waren dennoch dunkel vor Hass und Wut. So hatte sie ihn noch nie erlebt. 'Tot?', knurrte er und sah an sich herunter. 'Ich fühle mich noch ziemlich lebendig, aber sag, mein lieber Freund, hat man dir nicht beigebracht, dass man Frauen nicht schlägt?'
Der Lord sah ihn nur hämisch grinsend an. 'Ich kann meine Verlobte so behandeln, wie ich will.'
'Sie ist nicht deine Verlobte.'
'Natürlich ist sie das! Ich habe gewonnen!', rief der Lord und lachte schallend, stoppte aber sofort, als er sah, wie Etainne die Fäuste ballte.
'Sie ist meine Verlobte.', sagte er ernst. Ivettes Herz begann bei seinen Worten zu flattern.'Was erlaubst du dir? Kannst du deine Niederlage nicht hinnehmen?', Lord Ashford klang mehr als verunsichert.
'Ich bin dir nicht unterlegen, ich habe mich lediglich ausgeruht.'
'Nun denn! Dann werde ich dich eben noch einmal besiegen!', schrie der Andere und holte seinen Degen aus seiner Scheide um ihn blitzschnell durch Etainnes Leib fahren zu lassen.Aber Etainne war schneller und stach, noch bevor sein Gegner seine Waffe ganz gezogen hatte, in sein Bein, setzte noch einmal nach und schlug mit der bloßen Faust in sein Gesicht. Ein lautes Knacken war zu hören, als er ihm die Nase brach.
Blut spritzte und der Lord klappte mit einem Schmerzenslaut unter seinem eigenen Gewicht zusammen. Etainne stellte sich über ihn und sah ihn triumphierend an. 'Ergib dich, oder ich muss dich töten.', er hielt ihm den Degen auf die Brust, wo sein Herz lag.

'Ich ergebe mich, ich ergebe mich.', wimmerte der Lord und spuckte Blut, welches sein ganzes Gesicht bedeckte und unaufhörlich aus seiner Nase rann.
'Erbärmlich…', murmelte Etainne, trat noch einmal nach seinem einstigen Freund und winkte einen Diener zu sich. 'Beseitige diesen Abschaum von dem Anwesen. Seine Anwesenheit soll es nicht länger beschmutzen und reinige meinen Degen von dem Blut.', er übergab seinen Degen einem Diener, während zwei andere den Lord abführten.
Ivette, die das Ganze nur erstarrt beobachtet hatte, erwachte langsam aus diesem Dämmerzustand. Er lebte! Er hatte Lord Ashford besiegt!
Sie lief auf ihn zu, mit Tränen im Gesicht, und warf sich ihm um den Hals. Etainne ächzte auf. 'Du bringst mich ja noch um, wenn du mich weiter so drückst!'
Ivette schüttelte den Kopf und lachte, was aber durch ihr glückseliges Schluchzen eher wie ein Heulen klang. 'Ich bin ja so froh, so froh…', murmelte sie immer wieder unverständlich. Etainne schlang nun auch seine Arme um sie und streichelte mit der einen Hand zärtlich über ihren Kopf.
So standen sie eine Weile bis er sie sanft ein Stückchen von sich schob und liebevoll über ihre Wange strich, die ganz nass von den vielen Tränen war, die sie um ihn vergossen hatte.
'Ich dachte, du wärst tot.', schluchzte sie wieder kurz auf.
Er lachte. 'Nein, nein, meine Liebe, so schnell wirst du mich nun nicht mehr los, aber durch dich habe ich einen meiner wichtigsten Geschäftspartner verloren.', sagte er nun ganz ernst.Sie lächelte. 'Du hättest ihn ja nicht ganz so schwer verletzen müssen.'
'Er hat es gewagt, dir einen Kuss zu stehlen! Zuerst wollte ich ihn absichtlich gewinnen lassen, aber dann sah ich, wie er dich küsste und dann kam diese Eifersucht in mir hoch.', verteidigte sich Etainne.
'Trotzdem ist es nicht meine Schuld, dass du ihn so zugerichtet hast.'
Er nahm ihren Kopf zwischen seine Hände und musterte sie eindringlich und lange. 'Doch, denn du hast mein Herz gestohlen und gibst es nicht mehr her, aber ich weiß nicht, ob du mir jemals deines schenken wirst, ob ich dich glücklich machen könnte, auch wenn ich dich liebe. Ich gebe dich frei! Du bist mir zu nichts verpflichtet, wenn du mich nicht willst, dann will ich, auch wenn es schwer für mich wird, dass du dein Glück anderswo findest. - Aber nicht mit Lord Ashford!', sagte er noch schnell.
Ivette strahlte. Er hatte ihr gesagt, dass er sie liebte und dennoch, nach allem, was geschehen war, konnte er noch immer nicht einsehen, dass er schon längst ihr Herz für sich gewonnen hatte. Und nur, damit sie glücklich werden konnte, würde er den Wunsch seines Vaters missachten und sie freigeben, damit sie ihr Glück finden konnte. Aber sie hatte es doch schon längst gefunden!
'Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich niemanden heirate, denn ich nicht auch wirklich liebe.', lachte sie glücklich. 'Aber zum Glück werde ich das nun ja!'
Etainnes Herz zersprang fast vor Freude. Endlich hatte er sie! Sie war seine!
Er küsste sie sanft auf die Lippen.
'Ich liebe dich, Ivette Mallington. Und jetzt wirst du nie wieder alleine sein, weil ich dich ganz bestimmt nicht mehr verlassen werde.', flüsterte er an ihre Lippen.
'Das hoffe ich doch. Und ich liebe dich auch, Etainne Montgomery.', dann fanden sich ihrer beider Münder endgültig und verschlossen sich gegenseitig mit einem leidenschaftlichen Kuss.

Epilog

Noel beobachtete seine glückliche Schwester, die langsam zum Altar vorschritt. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen und das weiße Kleid schmiegte sich elegant an ihren Körper. Ein kleines Mädchen, das Blumen in die Haare gesteckt bekommen hatte, lief hinter ihr her und trug den langen Schleier Ivettes.
Nun wandte sein Blick sich Etainne zu, der vorne am Altar auf seine zukünftige Frau wartete und ebenso glücklich wirkte.
Noel hatte schon immer irgendwie gewusst, dass die Beiden etwas für einander empfanden und hatte damals, als Etainne bei ihnen gewohnt hatte, immer über ihre Streitereien gelächelt.Es hatte ihm damals sehr wehgetan, als er seine Schwester zurückgelassen hatte, aber er wusste, dass es so besser gewesen war. Im Nachhinein hatte sich doch dadurch erst alles entwickelt! Denn wer wusste schon, ob Etainne Ivette jemals als Frau anerkannt hätte, wenn er sie die ganze Zeit um sich hatte?
Außerdem hatte er sein eigenes Glück hier in Frankreich gefunden. Er drückte liebevoll die Hand seiner Frau Amélie, die neben ihm stand und lächelte. Sie wusste, was das für ihren Mann bedeutete, denn all die Jahre hatte er sich selbst Vorwürfe gemacht, dass er seine Schwester allein gelassen hatte.
Noel sah Etainnes Vater, Lord Montgomery, der stolz seinen Sohn beobachtete und zum ersten Mal seit langem wieder etwas gesünder aussah.
Ja, Noel war sich sicher, im Endeffekt war alles besser, als es Anfangs ausgesehen hatte.Seine Schwester hatte nun auch ihr Glück gefunden und würde es nicht mehr loslassen, dass wusste er.
Die Zeremonie begann.

Alle Geladenen beglückwünschten das junge Paar, das sich lächelnd in den Armen hielt.Ivette himmelte ihren frisch getrauten Gatten von der Seite an. Dieser bemerkte ihren Blick und runzelte die Stirn.
'Liebes? Ist alles in Ordnung?', fragte er besorgt.
'Ja, natürlich, wieso?', strahlte sie.
'Du benimmst dich… komisch.', schloss Etainne.
'Komisch?'
'Ja, irgendwie so… anders, als wärst du nicht ganz da, sondern in deiner eigenen kleinen Traumwelt.'
Sie grinste. 'Was erwartest du denn? Ich habe gerade meinen größten Wunsch erfüllt bekommen. Wäre es dir denn lieber, wenn ich wieder mit dir streiten würde?', fragte sie neckisch.
Er lächelte frech. 'Vielleicht…'
Lachend schlug sie ihrem Mann auf die Hand. 'Du bist unmöglich.'
'Meinst du?', neckte er.
'Ja.'
'Ich geb´ dir mal unmöglich.', sagte er plötzlich ganz anzüglich und schon verschloss er ihren Mund mit seinen Lippen.
Die Menge raunte. So etwas ziemte sich nun wirklich nicht!
Ivette wurde knallrot, als Etainne sie wieder freigegeben hatte und sie die empörten Gesichter der Gäste sah.
Schnell wandte sie ihren Blick ab. 'Na warte…', knurrte sie ihrem schadenfroh grinsenden Ehemann zu. 'Das wirst du mir büßen!'
'So gefällst du mir schon besser.', lachte er glücklich, dann zog er sie mit sich durch die Menge auf die Tanzfläche, da er hörte, wie die Musiker zu spielen begannen.
Langsam bewegte sich das Paar zum Takt der Musik.
'Die Sache ist noch nicht gegessen, das weißt du hoffentlich.', sagte Ivette leicht säuerlich.'Hörst du?', fragte Etainne, ohne weiter auf die Worte seiner frisch angetrauten Frau einzugehen.
'Versuch jetzt nicht abzulenken, Etainne!'
'Mach ich doch gar nicht, aber hör doch!'
'Was denn?', fragte sie leicht genervt.
'Das ist das Lied zu dem wir getanzt haben, als ich zurückgekommen bin.', erklärte er.
Nun bemerkte es auch Ivette. 'Ja, du hast Recht, aber wer-…' Sie sah das grinsende Gesicht ihres Bruders und wusste bescheid.
Sie war ihm so dankbar! Für alles!







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