Rückkehr zum Herzen Teil 2

Autor: Any
veröffentlicht am: 23.05.2008




Mit offenem Mund starrte sie ihr Gegenüber an. Hatte er das eben ernst gemeint? Aber was sollte ihm das bringen? Nur um Rache an ihr auszuüben, falls sie es wagen könnte ihn zu demütigen?„Das würdest du nicht wagen!“, rief sie und vergaß nun völlig die höffliche Form. Siegessicher sah Etainne Ivette an. „Du müsstest mich mittlerweile gut genug kennen.“
Sie starrte ihn nur weiterhin an. Da hatte er sich eine gute Strafe für sie ausgedacht. Er kannte sie eben doch ein wenig und wusste, dass das der Weltuntergang für sie sein würde.
Die Musiker spielten die letzten Takte des Liedes und Etainne ließ die traumatisierte Ivette los und bewegte sich Richtung Tischen, hielt ihr eine Hand jedoch noch immer fest. Zögernd folgte sie ihm. Er lotste sie zu einem Stuhl, drückte sie an den Schultern bestimmend auf ihn und ließ sich neben ihr nieder.
„Warum solltest du mich heiraten?“, brachte sie nun verstört hervor.
„Um sicher zu sein, dass du deine Drohungen nicht wahr machst.“, antwortete er kalt.
„Das ist grausam.“, keuchte sie und war ganz blass um die Nase. Sogar das aufgetragene Rouge konnte das nicht verbergen.
„So bin ich eben, du wirst dich damit abfinden müssen und bedenke, dass ich dein Leben zur Hölle machen werde, falls du es zu der Ausführung meiner Drohung führen lässt.“, sagte Etainne selbstgefällig.
Nun wandelte sich Ivettes Stimmung von geschockt urplötzlich zu wütend. Wie konnte er es wagen? Was war nur sein Problem? Musste er ihr denn unbedingt ihren Geburtstag zur Hölle machen? Reichte es nicht, dass er ihr ihren Bruder weggenommen hatte?
„Wehe, du wagst es, Etainne, denn ich verspreche dir, dass unser Hochzeitstag dann auch gleichzeitig dein letzter Tag sein wird!“, flüsterte sie vor Wut kochend.
Er lachte schallend auf. Nun verspottete er sie auch noch!
„Stimmt ja, du heiratest niemanden, den du nicht wirklich liebst.“
„Tu nicht so, als hättest du das nicht gewusst.“, knurrte sie. „Ich werde dich nicht als Gatten dulden, nur damit dir da klar ist!“
Blitzschnell packte er eines ihrer Handgelenke und zog ihre Oberkörper näher zu ihm, sodass ihre Gesichter sich direkt gegenüber standen und sie ihm in die Augen schauen musste.
Die beiden Augenpaare lieferten sich still einen Kampf.
„Dann werde ich eben dafür sorgen, dass du mich liebst.“, flüsterte er, stand auf und ließ eine völlig verwirrte, dennoch wütende Ivette Mallington zurück.

„Nun, mein Junge, wie gehen deine Geschäfte voran?“, fragte Lord Mallington den jungen Mann, der vor seinem Schreibtisch auf dem Sessel saß.
Es war eine freudige Überraschung für den alten Mann gewesen, nicht nur seinen Sohn, sondern auch Etainne Montgomery wieder bei sich zu Hause willkommen heißen zu können.
„Bestens, und Ihre, werter Herr?“, antwortete der Andere höfflich.
„Ich kann mich nicht beklagen, aber, mein lieber Junge, lass doch diese höffliche Anrede, wir kennen uns lange genug, dass man die vertraute Form verwenden kann.“, sagte der Lord lächelnd.
„Danke, es ist mir eine Ehre.“, sagte Etainne und neigte leicht den Kopf. So stellte sich John Mallington einen Schwiegersohn vor, aber seine Tochter war einfach zu stur um die Qualitäten eines solchen Mannes einzusehen. Er seufzte und lenkte seine Gedanken wieder auf einen anderen Weg.„Nun erkläre mir, was dich in unser schönes London verschlägt?“, verlangte er zu wissen.
„Ich habe hier einige geschäftliche Dinge zu erledigen und da dein Sohn wegen dem Geburtstag von deiner Tochter hierher reiste, sah ich es als eine günstige Gelegenheit mit ihm zu kommen und dir und Ivette einen Besuch abzustatten.“, antwortete der junge Mann brav.
„Es freut mich zutiefst, dich wieder zu sehen, mein Junge. Erzähle mir, was du in den letzten zwei Jahren alles gemacht hast. Man hört so wenig von Noel über dich und ich habe mir schon Sorgen gemacht.“
„Aber mit Freuden! Jedoch muss ich dich enttäuschen. Mein Leben verläuft ganz normal, nichts Aufregendes. Man geht seinen Pflichten nach und hofft große Gewinne zu erzielen, eben das Übliche in der Geschäftswelt.“, erklärte Etainne kurz.
„Und wie steht es um die Familie?“
„Meine Mutter ist bei bester Gesundheit, nur meinem Vater ergeht es nicht so gut. Er hat mit einer schweren Krankheit zu kämpfen, was meine Mutter ziemlich mitnimmt.“, erklärte der Junge traurig.„Ich weiß, ich habe davon gehört. Mein Beileid. Dein Vater bat mich auch in einem Brief mich darum zu kümmern, dass, wenn du hier bist, alles zu seinem Besten verläuft und ich beobachte, wie du dich machst, da er ja ans Bett gefesselt ist.“, gab John zu.
Überrascht sah Etainne ihm in die Augen. „Dann wusstest du schon vorher, dass ich euch besuchen komme?“
„Aber natürlich! Mir bleibt nichts verborgen, aber eigentlich meinte ich mit meiner Frage vorhin auch nicht deine Mutter und deinen Vater, sondern wie es bei dir um eine Familie steht?“
Unwohl rutschte der junge Mann auf seinem Stuhl hin und her.
„Ich werde dich wohl wieder enttäuschen müssen: Ich habe mich noch immer nicht gebunden!“„Das ist aber wirklich schade.“, sagte der Alte enttäuscht, freute sich aber im Stillen, da das bedeutete, dass der junge Montgomery noch ein heiratsfähiger Kandidat für Ivette wäre. Die Idee fand er gar nicht so schlecht.

Ivette saß vor ihrem Spiegel in ihrem Zimmer und beobachtete wie ihre Zoffe ihr die Haare kämmte und die einzelnen Strähnen zu einer weitaus weniger pompösen Frisur wie am Vorabend zusammensteckte.
Ivette regte es noch immer auf, dass Etainne so dreist war und sie durch eine gezwungene Ehe mit ihm bedrohte, auch wenn sie nicht wirklich glaubte, dass er es wirklich wagen würde.
Als die Zoffe ihr Werk beendet hatte, verbeugte sie sich einmal und ließ Ivette und ihre Gedanken alleine in dem großen Raum zurück.
Da Ivette ihr Frühstücksmahl noch nicht eingenommen hatte und sich ihr Magen bemerkbar machte, stand sie auf und ging in den Speisesaal, in dem ihr Vater sie schon erwartete, aber er war nicht allein!
Ihr Bruder saß zu der Rechten ihres Vaters und zu Ivettes Entsetzen ihrem Vater gegenüber Etainne.„Was hast du hier zu suchen?!“, rief sie geschockt aus und drei Augenpaare richteten sich auf sie.„Na na, junges Fräulein, das ist aber keine angemessene Begrüßung für einen alten Freund, den man nach so langer Zeit wieder zu Gesicht bekommt.“, rügte sie ihr Vater.
Grummelnd setzte sich Ivette ihren beiden Verwandten gegenüber, neben Etainne, und begann stillschweigend zu essen, während ihr Vater und ihr Bruder sich angeregt über irgendwelche Geschäfte unterhielten.
Etainne beobachtete sie die ganze Zeit über, was sie mit einem missbilligenden Blick kommentierte.Nach einer Weile wurde ihr die Situation dann doch unangenehm und sie stand wortlos auf und lief aus dem Raum. Sie bemerkte, dass ihr jemand folgte und blieb stehen.
Als sie sich umdrehte sah sie Etainne der sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht ansah. Was wollte er denn nun schon wieder?
Sie seufzte genervt und wartete ab, was er zu sagen hatte.
„Schönen guten Morgen, meine Teuerste.“
„Bist du mir nur deswegen wie ein Hund hinterhergelaufen oder gibt es noch einen anderen Grund?“, fragte sie ungeduldig. Sie wollte so schnell aus der Nähe dieses Mannes verschwinden.
„Nein, ich wollte dir nur einen schönen Morgen wünschen.“
„Wenn das so ist.“, sie drehte sich wieder um und setzte ihren Weg fort.
„Nein, warte!“, hörte sie ihn rufen und blieb mit einem Seufzen wieder stehen.
„Was denn noch?“, sie drehte sich wieder um und erschrak, als sie sah, wie nah er ihr war.
Irritiert sah sie ihm in die Augen und verfolgte unsicher die Bewegung seiner Hand die langsam in Richtung ihres Gesichts vorrückte.
„Du hast da noch Marmelade…“, murmelte er leise.
Ihr stockte der Atem als seine Finger ihre Lippen berührte und darüber strich, ganz sanft.
Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken zog er die Hand wieder zurück und leckte sich einmal über sie Finger um das klebrige Zeug runter zu bekommen. Gebannt hatte Ivette das Geschehen beobachtet und sog nun erst wieder die Luft ein.
Es war ihr so vorgekommen, als hätte die Luft zwischen ihnen zu knistern begonnen und sie hatte sich zusammen reißen müssen, als er mit seiner Berührung aufgehört hatte.
Verfluch! Was dachte sie da? Dieser Mann war das größte Ekel, das sie jemals kennen gelernt hatte und das würde sich auch nicht so schnell ändern!
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und verschwand in Richtung ihres Zimmers. Etainne sah ihr noch eine Weile nach, auch wenn er sie schon längst nicht mehr sah.

Es klopfte an ihrer Zimmertür, aber Ivette dachte gar nicht daran, dem Besucher Einlass zu gewähren.Wie konnte es Etainne nur wagen?! Sie so zu demütigen! Es schickte sich nicht für einen Mann eine andere Frau, als seine Gattin, zu berühren! Auch wenn er keine Ehefrau hatte war es dennoch ein vergehen!
Einzig und allein beim Tanz, oder der Begrüßung war es den gegenseitigen Geschlechtern erlaubt körperliche Nähe zu fühlen, alles andere wurde als unzüchtig abgestempelt und war strengstens untersagt!
Warum also hatte Etainne das gemacht? Er hätte sie auch einfach nur darauf ansprechen können, damit sie es sich wegwischen konnte. Was, wenn das eine der Bedienstesten gesehen hätte? Das wäre der Tratsch des Jahrhunderts gewesen und hätte sich wie ein Lauffeuer verbreitet!Dann wäre ihnen gar nichts mehr anderes übrig geblieben, als zu heiraten, oder sie würde ihren guten Ruf verlieren!
Sie schnaubte, als sie daran dachte, dass Etainnes Ruf das nichts ausgemacht hätte! Ein Mann hatte es um so vieles leichter als eine Frau.
Aber dennoch! Ihr Vater hätte ihn ebenso zur Heirat gezwungen wie sie und sie wusste, dass Etainne nichts anderes übrig geblieben wäre, als sie zu heiraten.
Es klopfte wieder, diesmal aber etwas lauter.
Wer mochte das jetzt schon wieder sein?
„Herein!“, rief sie genervt und wälzte sich von ihrem Bett, auf dem sie zuvor gelegen hatte.Die Tür wurde geöffnet und ihr Vater trat ein. „Mein liebes Mädchen, warum so zerstreut?“, fragte er, als er sie sah.
„Ich bin nicht zerstreut.“, entgegnete sie etwas zu laut, wodurch sie sich selbst verriet.
„Aber ich sehe doch, dass etwas nicht in Ordnung ist. Willst du es deinem alten Vater denn nicht sagen?“, ihr Vater kannte jede ihrer einzelnen Facetten und wusste, wenn Ivette etwas sehr aufregte.Sie seufzte ergeben. Es brachte nichts ihn anzulügen. „Mich wundert es so sehr, dass Etainne Montgomery zurückgekehrt ist und was er hier verloren hat.“
„Ist es das, was dich so aufregt, Liebes?“
Sie nickte wahrheitsgemäß. „Ja, ich wünsche nicht ihn hier zu sehen.“
Verwundert sah der Lord seine Tochter an. „Aber wieso? Hat er dir etwas angetan, dass du solchen Zwist gegen ihn hegst?“
„Nein, er hat mir nichts angetan.“, seufzte sie. „Aber ich kann ihm einfach nicht verzeihen, dass er mir meinen geliebten Bruder weggenommen hat.“, gab die junge Frau zu.
„Aber er hat ihn dir doch nicht weggenommen!“, verteidigte ihr Vater ihn. „Das war allein die Entscheidung deines Bruders!“
„Aber ohne Etainne wäre Noel gar nicht erst auf die Idee gekommen, nach Frankreich zu gehen. Ich weiß, dass er dort sein Glück gefunden hat und ich eigentlich dankbar dafür sein sollte, aber ich habe ihn so sehr vermisst und ich habe mich so einsam gefühlt.“, ungewollt traten ihr die Tränen in die Augen, als sie sich daran erinnerte.
„Aber, aber…“, sagte ihr Vater und nahm die schluchzende Ivette in seine Arme. „Und deswegen behandelst du den armen Etainne wie Abschaum?“
„Nein, nicht nur deswegen, ich habe noch andere Gründe.“
„Willst du sie mir verraten?“
Sie schüttelte den Kopf. Nein, das wollte sie nicht. Schließlich könnte ihr Vater dann noch auf die dumme Idee kommen, sie mit Etainne zu verheiraten!
„Nun, ich zwinge dich nicht dazu, aber ich bitte dich in nächster Zeit etwas netter zu unserem Gast zu sein, schließlich wirst du ihn nun für einige Zeit jeden Tag zu Gesicht bekommen, wenn er jetzt für unbestimmte Zeit bei uns wohnt.“
Sie löste sich von ihrem Vater, trat drei Schritte zurück und wäre beinahe über eine ihrer Kommoden gestürzt, hätte sie ihr Gleichgewicht nicht schnell wieder gefangen.
Entsetzt sah sie den Lord an. „Er wohnt bei uns?!“
„Ja, hat er dir das nicht erzählt?“, fragte John erstaunt.
„Nein, hat er nicht.“, brummte sie.
„Na dann wird er es einfach vergessen haben zu erwähnen. Er hat hier einige geschäftliche Angelegenheiten zu regeln und das kann eine Weile dauern. Ich rechne damit, dass er mindestens einen Monat braucht, aber natürlich kann das Ganze auch viel schneller beendet sein und er wird uns schon in einer Woche verlassen, es könnte auch länger dauern, genau weiß ich das nicht.“, klärte der Lord seine Tochter, die bei jedem Wort nur ein noch entsetzteres Gesicht machte, auf. Wie sollte sie nur für so lange Zeit mir dieser ignoranten Person unter einem Dach verbringen? Nie könnte sie das akzeptieren!
Andererseits musste sie aber lächeln. `Geschäftlich… Natürlich! Was kann man von ihm anderes erwarten?´
„Vater! Ich bitte dich als deine Tochter, dass du ihm nicht erlaubst hier bei uns zu wohnen! Ich ertrage seine Anwesenheit nicht!“
Der alte Mann schüttelte bedauernd den Kopf. „Du wirst müssen, Ivette, ich habe es ihm schon angeboten und er hat freudig angenommen, ich kann meine Einladung jetzt nicht mehr zurücknehmen! Das schickt sich nicht.“







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