Das L?cheln

Autor: Tobias
veröffentlicht am: 04.05.2008




Nico wurde erschrocken wach. Er tastete das Bett neben sich ab, griff aber ins Leere. Er richtete sich auf und sah sich um. Er war alleine in seinem Schlafzimmer. Er h?rte leise Schritte auf dem Flur die sich langsam n?herten. Die T?re ?ffnete sich und das Licht der Flurbeleuchtung blendete ihn. Dann erkennt er die Konturen seiner Frau Julia. Nur langsam gew?hnten sich seine Augen an das Licht, aber nun sah er den Ausdruck in ihrem Gesicht. Er kannte diesen Blick. Sie besch?ftigte etwas. Julia ging auf das gemeinsame Bett zu und setzte sich. 'Was ist los mein Schatz?' fragte Nico besorgt. Julia r?hrte sich nicht. Sie drehte sich schlie?lich um und legte sich schlafen ohne auf ihn zu reagieren. Nico blieb noch lange wach und schien dem Atmen seiner Frau zu folgen. Er h?rte jedoch etwas anderes, was ihn mehr besch?ftigte als alles andere. Er konnte Julia leise weinen h?ren.
Nico schlief diese Nacht nicht. Er war sehr damit besch?ftigt zu erfahren was seine Julia letzte Nacht hat weinen lassen. Sie sprach noch immer nicht mit ihm. Sie sprach mit niemandem. Sie nahm das Telefon nicht ab, und ?ffnete die T?re f?r den Paketboten nicht. Sie sa? f?r eine lange Zeit in ihren Bademantel geh?llt auf der Couch und sah das Foto an der Wand gegen?ber an. Das Foto ihrer Hochzeit vor wenigen Wochen, an die beide sich so gerne erinnerten. Nico sah das Bild nun ebenfalls an und musste bei dem Gedanken an diesen Tag leise l?cheln. Es war ein wundersch?ner Tag mit strahlend blauem Himmel. Blau wie ihre Augen dachte Nico. Er setzte sich neben sie und legte vorsichtig einen Arm um sie. Sie begann zu schluchzen. 'Warum?' fragte sie, schrie sie beinahe, in Richtung des Fotos. 'Warum?' fragte sie erneut mit leiser Stimme. Lange Zeit starrte sie noch das Bild an bis sie aufstand, um ins Schlafzimmer zu gehen. Sie lie? Nico auf der Couch zur?ck ohne ihn auch nur einmal anzusehen.
Er stand auf um ihr zu folgen. Er ergriff ihren Arm doch sein Griff ging ins Leere. Er sah sie an, doch sie blieb nicht stehen. Sie ging weiter ins Schlafzimmer und schloss die T?r. Er wollte ihr nachgehen, doch er h?rte das Knacken des T?rschlosses. Sie hatte ihn ausgesperrt. Was ist geschehen, dass sie sich so von mir abgrenzt, dachte Nico und stellte sich an die T?r um zu h?ren was seine Frau im Schlafzimmer macht. Er h?rte wie sie Schrankt?ren ?ffnete und sie kurze Zeit sp?ter wieder schloss. Dann war es eine lange Zeit lang ruhig, bis auf ein leises Schluchzen an der T?r. Sie sa? hinter der T?re auf dem Fu?boden und weinte. 'Julia? Lass mich bitte rein, ich m?chte mit dir reden', sagte Nico vorsichtig, doch hinter der T?r regte sich nichts. 'Willst du mich bestrafen?', fragte sie in einem Ton den Nico nicht von ihr kannte. 'Habe ich dir etwas getan, das ich so etwas verdient habe?'. Er konnte ihre Tr?nen fallen h?ren, so leise wurde es auf einmal. Keiner der beiden r?hrte sich.
Nico war Sprachlos und Entsetzt. Wie sollte er darauf reagieren? Er wusste nicht was geschehen war oder was seine Frau so traurig machte und schwieg deshalb. Er setzte sich nun ebenfalls auf den Boden, sodass sie R?cken an R?cken sa?en, scheinbar nur durch eine T?re getrennt. 'Alles hast du mir genommen', schrie Julia.
Nicos Augen f?llten sich mit Tr?nen. Er ist immer Treu gewesen, hat sich nie etwas zu Schulden kommen lassen. Doch jetzt hat er das Leben seiner Frau, seiner Julia zerst?rt und wusste nicht einmal wie. Bei diesem Gedanken brach er in Tr?nen aus.
So sa?en die beiden eine Weile R?cken an R?cken, k?rperlich einzig und allein getrennt von der Schlafzimmert?re doch seelisch weiter voneinander entfernt als jemals zuvor.
Schlie?lich h?rte Nico wie sich hinter ihm etwas bewegte und er stand auf. Das Schloss knackte und Julia ?ffnete die T?re. Sie ging einen Schritt nach vorne, blieb dann jedoch z?gernd stehen. Sie sah hinab, kniete sich hin und wischte eine von Nicos Tr?nen vom Boden. Etwas verwundert blickte sie umher. Doch noch immer galt kein Blick ihm. Es war als w?rde sie durch ihn hindurchsehen, als w?re er f?r sie nicht mehr da.
Sie ging, noch immer Nicos Tr?ne auf ihrem Finger betrachtend, an ihm vorbei. Schlie?lich wischte sie sie an ihrem Pullover ab. 'Was habe ich falsch gemacht?' fragte Nico nun direkter. Sie drehte sich um, doch schien ihn erneut nicht wahrnehmen zu wollen. Sie scheint mich nicht sehen zu wollen dachte Nico. Sie drehte sich wieder um, nahm ihren Mantel und verlie? das Haus. Nico ging ihr nach. Es war tiefster Winter mit einer dicken Schneedecke auf den D?chern, doch er sp?rte keine K?lte. Er wollte nur noch wissen was er falsch gemacht hatte.
So folgte er ihr eine kurze Zeit bis sie kurze Zeit sp?ter auf den Friedhof abbog. Perplex blieb Nico stehen, da er wusste dass sie diesen Ort sonst niemals zuvor betreten hat. Sie mochte ihn nicht, hatte sie ihm erst vor kurzem erz?hlt. Dieser Ort war ihr nicht geheuer und sie h?tte noch nie einen Grund gehabt einen zu betreten, sagte sie als sie an ihm vorbei fuhren. Etwas skeptisch folgte Nico ihr weiter, und sah wie sie vor einem gro?en Grabstein stehen blieb. Nico blieb auf Abstand und beobachtete Julia aufmerksam. Was machte sie hier? Sie begann erneut zu weinen, kniete sich und sank schlie?lich auf allen Vieren zu Boden. Diesen Anblick ertrug Nico nicht. Er ging schnellen Schrittes zu ihr hin und kniete sich neben sie. 'Steh auf Schatz', sagte er mit Tr?nen in den Augen. Da blickte sie auf und sah sich um. Sie sah ihn noch immer nicht an, doch erhob sich schlie?lich. Wischte sich eine Tr?ne aus dem Augenwinkel und sah wieder hinunter auf den Grabstein. Nico folgte ihrem Blick und las den Namen auf dem Stein. Es war sein eigener.
Es traf ihn wie ein Faustschlag. Mit einem Mal str?mten Bilder auf ihn ein. Bilder die er scheinbar noch nie gesehen hatte, auf denen er jedoch immer zu sehen war. Zeitungsartikel, Beitr?ge in Nachrichtensendungen, Fotos. ?berall war er zu sehen. Was hatte dies zu bedeuten? Was war passiert? Wieso erkenne ich keines dieser Bilder wieder? Lauter Fragen wirbelten in seinem Kopf. Er war nicht in der Lage nur eine von ihnen zu beantworten. Er ging ein paar Schritte zur?ck, benommen von dem Anblick seines eigenen Grabsteins. Er wollte die nicht zu seiner Realit?t werden lassen. Er verlie? den Friedhof ohne einen Blick zur?ck. Julia hatte er vergessen.
Nico lief planlos durch die Stra?en. Er war v?llig Orientierungslos und fand sich schlie?lich in einer ruhigen Gasse wieder. Er kam an einem Schaufenster vorbei, sah hinein, aber konnte sich nicht sehen. Er h?mmerte gegen das Glas doch kein Ger?usch drang zu den Menschen im Laden durch. Benommen taumelte er weiter. Von weitem erkannte er Julia die auf dem Nachhauseweg war. Er rannte hinter ihr her und baute sich direkt vor ihr auf. Sie ging geradewegs durch ihn hindurch. Er blieb stehen und starrte zu Boden. Also war es wahr. Er war kaum drei Wochen nach seiner Hochzeit gestorben.
Doch wie ist es dazu gekommen, fragte er sich. War er es selber Schuld? Er dachte ?ber die Frage nach und ?ber die Bilder die er nicht mehr aus dem Kopf bekam. Pl?tzlich wusste er es wieder. Er hatte einen schrecklichen Unfall. Er war nach dem Einkaufsbummel mit Julia noch kurz in ihrem Lieblingsladen verschwunden, um ihre Weihnachtsgeschenke zu besorgen, w?hrend Julia bereits zum Auto unterwegs war. Als er alles besorgt hatte lief er ?ber die Kreuzung und ein Sportwagen hatte nicht auf die Ampel geachtet und ihn frontal erwischt. Julia stand nur ein paar Meter weiter und musste alles mit ansehen. Nico sah das L?cheln in ihrem Gesicht noch weichen. Danach erinnerte er sich an nichts mehr.
Geschockt von seinen Gedanken blieb Nico noch eine Weile stehen und versuchte sich zu beruhigen und einen klaren Kopf zu bekommen. Lange Zeit musste er mit sich k?mpfen um dies alles zu verstehen. Er lief noch eine Weile durch die Stra?en, ehe er begann ?ber seinen Unfall nachzudenken. Er dachte an seinen letzten Gedanken. Das L?cheln von Julia und wie er es hat schwinden sehen. Pl?tzlich hatte er nur noch einen Gedanken. Er musste zu ihr.Zuhause angekommen fand er die Haust?re offen vor. Er ging hindurch auf der Suche nach ihr, fand jedoch lediglich eine Haftnotiz am K?hlschrank. 'Mama, Papa? Sucht mich nicht!'. Von der Panik gepackt lief Nico durch das ganze Haus. Suchte jeden Raum ab, bis er schlie?lich im Schlafzimmer ankam. Sie war nirgends zu finden.
Sein Blick fiel auf das eingerahmte Foto was auf dem Bett lag. Es war ein Foto von ihrem Lieblingsort in der Stadt. Dem Ort an dem sie sich bei ihrem ersten Rendezvous voneinander verabschiedet hatten. Einer einsamen Br?cke im Stadtpark, wo man an manchen Tagen Stundenlang unentdeckt bleiben konnte. Nico kannte nun sein Ziel und rannte los.Kurze Zeit sp?ter war er im Stadtpark. Die Br?cke war auf der anderen Seite. Er rannte los. Durch Menschen und Pflanzen hindurch, getrieben von der Angst zu sp?t zu kommen. Von weitem konnte er die Br?cke schon sehen, doch keine Spur von Julia. Er rannte, den Tr?nen nahe, bis er schlie?lich an der Br?cke ankam. Dort stand sie. Alleine. 'Julia?' fragte Nico z?gerlich, der vor Aufregung vergessen hatte, dass sie ihn nicht h?ren konnte. Er versuchte ihre Schulter zu ber?hren, griff jedoch durch sie hindurch. Wie sollte er auf sich aufmerksam machen? Er war verzweifelt und begann ihren Namen zu schreien. Wieder und immer wieder. Aber sie h?rte ihn nicht. Seine Augen f?llten sich mit Tr?nen. Tr?nen der Angst und der Verzweiflung. Es k?mmerte ihn nicht dass sie an seinen Wangen hinab liefen. Er war dazu verdammt der Frau die er liebte dabei zuzusehen wie sie ihrem Leben ein Ende setzen will. Wegen ihm.
Nico sank auf alle Viere. Er weinte wie seit seiner Kindheit nicht mehr. Es musste einen Weg geben sie aufzuhalten. Er schlug mit den F?usten auf den Boden. H?mmerte auf ihn ein als wollte er die Erde zum Bersten bringen. Ihm fiel nicht auf das Julia sich langsam n?herte.Sie ging vor ihm auf die Knie und ber?hrte die Tr?nen auf dem kalten Boden. Sie sah sich die Tropfen auf dem Boden an, sah in den Himmel und wunderte sich wo sie herkamen. Sie schien eine Zeit dar?ber nachzudenken. Dann sah sie erschreckt auf den Boden. 'Nico?' fragte sie leise. 'Nico, bist du hier?'. Er wusste nicht was er tun sollte. Er wusste sie w?rde es nicht f?hlen, aber er ber?hrte vorsichtig ihre Wange. 'Du bist es', sagte sie. Ihre Augen f?llten sich mit Tr?nen doch etwas war anders als in den letzten Stunden. Sie l?chelte. Sie konnte wieder l?cheln.









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