Mondfinsternis Teil 20

Autor: Jiyu no Kotoba
veröffentlicht am: 31.07.2009




Kapitel 20 - Fairytale Gone Bad

Ängstlich kauerte ich auf dem Rücksitz des Autos und starrte den Mann an, der, ein diabolisches Grinsen auf den Lippen, langsam näher kam.
Es kam mir vor wie ein böser Traum. Einer der zig Alpträume, die mich seit meiner ersten Begegnung mit einem dieser Wesen heimgesucht hatten.
Und ich hoffte inständig, ich möge bald aufwachen.
Zitternd drückte ich den Knopf auf dem Schlüssel, der die Türen des Wagens verschloss. Wenn ich berücksichtigte, was Darren mir über Vampire erzählt hatte, zwar völlig sinnlos, doch es gab mir dennoch ein wenig das Gefühl von Sicherheit.
Ich registrierte kaum, dass Darrens Stimme an meinem Ohr verzweifelt versuchte, mit mir zu reden.
'Elo?! Eleonora, sag was! Wo ist der Vampir?! Was zur Hölle ist bei dir los?!'
Stumm bewegten sich meine Lippen. Ich wollte ihn um Hilfe bitten, ihn bitten, mir zu sagen, dass das hier nur ein Traum war und er gleich bei mir sein würde. Aber ich brachte keinen Laut heraus.
Darren wurde immer atemloser. Vermutlich rannte er. Und panischer. Ich hörte die Angst in seiner Stimme, dieselbe Angst, die auch mir die Kehle zu schnürte.
Und irgendwie tröstete mich diese Tatsache. Ich kam mir nicht mehr so verlassen vor.
'Elo! Bitte, bitte sag doch etwas!'
Ich legte auf. Auch wenn das bedeutete, allein zu sein.
Er konnte mir ohnehin nicht helfen.
Der Vampir stand mittlerweile neben der rechten Autotür und starrte mich mit einem hypnotischen Blick an. Noch waren seine Augen grau-blau. Fast sanft klopfte er gegen die Scheibe und sagte etwas. Ich konnte es nicht hören, doch ich wusste, was er wollte.

Komm raus.
Ängstlich schüttelte ich den Kopf und kroch rückwärts auf die andere Seite der Sitzbank. Wütend blitzten seine Augen auf und ein Hauch von rot schimmerte in ihnen.
Panik schoss in mir hoch, als ich daran dachte, wie es mir das letzte Mal beinahe ergangen war, als ich in diese Augen gesehen hatte. Doch bevor ich irgendwie reagieren konnte, riss der Vampir schon seine Faust hoch und ließ sie mit aller Wucht auf das Fenster herunter krachen.Entsetzt schrie ich auf und riss die Hände hoch, um mich vor den Scherben zu schützen. Als ich die Arme wieder sinken ließ, war er gerade dabei die Tür ganz gemächlich von innen zu öffnen. So als hätte er alle Zeit der Welt. Vermutlich war es ihm zu unbequem sich durch das Fenster zu mir herüber zu lehnen.
Und außerdem würde ich mich mit Händen und Füßen wehren, und es ihm somit schwer machen, mich hindurch zu ziehen.
Hastig drehte ich mich herum, öffnete die Tür und stürzte fast, beim Aussteigen.Ich wollte einfach nur weg.
Doch mein kleiner Fluchtversuch war völlig zwecklos. Ich hatte kaum zwei Schritte vom Auto fortgemacht, da stand er schon vor mir.
'Aber, aber. Wo willst du denn hin? Ich tu dir doch nichts.'
Wieder nahm mich der Blick seiner roten Augen gefangen. Ich versuchte, um Hilfe zu schreien, solange ich noch nicht ganz gefesselt war, aber ich brachte nur ein hässliches Krächzen zustande.
Verdammt, ich hatte schon seit einer Ewigkeit nichts mehr getrunken und meine Kehle war wie ausgedörrt.
Trotz der brütenden Hitze, die hier herrschte, fühlte ich mich wie in Eiswasser getaucht. Selbst, als er mich gegen das Auto drückte, dessen Metall durch die Sonne völlig überhitzt war, fühlte ich davon nichts.
Der Vampir senkte seinen Kopf an meinen Hals und kratzte mir mit seinen Eckzähnen über die Haut. Erschrocken über den Schmerz zuckte ich zusammen. Mein seiner Zunge fuhr er über die verletzte Stelle, vermutlich um das hervortretende Blut aufzulecken.
'Dieses Mal hast du wohl nicht so viel Glück, wie sonst.' Ich hörte seiner Stimme an, dass er grinste. 'Da werde ich dich wohl ganz in Ruhe… vernaschen können.' Er lachte dreckig.Und mir kam der Gedanke, dass ich noch nie zuvor etwas so abartiges gehört hatte.In diesem Moment kochte Hass in mir hoch und verdrängte für einen Augenblick die Kälte in mir.
Könnte ich mich bewegen, hätte ich ihm in diesem Moment mit Genuss geschlagen.Was seltsamerweise jemand anderes für mich erledigte. Mit voller Wucht traf eine Faust den Vampir ins Gesicht und er wurde zurückgeschleudert. Sein Angreifer setzte nach und vor mir entspann sich eine Schlägerei, die ihresgleichen suchte. Die Geschwindigkeit und die Kraft der Kontrahenten waren beängstigend.
Plötzlich traten noch zwei andere Männer in die Straße und der Vampir nutzte den kurzen Augenblick der Ablenkung und entkam. Als sein Gegner Anstalten machte, ihm zu folgen, rief einer der Neuankömmlinge ihm zu:
'Nein, bleib du bei Eleonora. Thomas und ich machen das schon.'
Als Yoshio und der andere Mann durch die Lücke zwischen zwei Häusern verschwanden, drehte Darren sich zu mir um und trat langsam auf mich zu.
Sein Gesicht war zerschrammt, seine Lippe aufgeplatzt und auch am restlichen Körper würde er die Zeichen des Kampfes wohl noch eine Weile mit sich herumtragen.
Doch das war es nicht, was ich in diesem Moment sah.
Alles, was ich sah, waren die gold glühenden Augen und die langen Fangzähe in Darrens Mund.
'Elo?' Vorsichtig streckte er die Hand nach mir aus.
'Fass mich nicht an.' Ängstlich wich ich zurück.
'Bitte, Elo, lass es mich dir erkl-'
'Nein!' Unterbrach ich ihn heftig. 'Lass… lass mich einfach in Ruhe!'
Schritt für Schritt ging ich rückwärts am Auto vorbei, um den Abstand zwischen mir und Darren zu vergrößern.
'Eleonora, ich-'
Ich hielt mir die Ohren zu. Ich wollte nicht hören, was er mir sagte. Wahrscheinlich würde er eh nur lügen. Er hatte mir bisher die Wahrheit verschwiegen, warum sollte es denn jetzt anders sein?
Erst als ich die Mauer eines Hauses im Rücken spürte, blieb ich stehen.
Darren stand wieder vor mir. Er griff nach meinen Armen und wollte meine Hände von den Ohren lösen, so dass ich ihn anhören musste.
Für mich kam es einem Angriff gleich.
'Du sollst mich nicht anfassen!' Meine Stimme überschlug sich und ich riss meine Hände los. 'Ich will dich nie wieder sehen!'
Mit aller Kraft schlug ich ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.
Es war nicht die erste Ohrfeige, die ich in meinem Leben verteilt hatte. Doch es war bei weitem die schmerzhafteste.
Ohne Darren noch einmal anzusehen, lief ich mit Tränen in den Augen an ihm vorbei. Erst als ich von der Seitenstraße auf die etwas belebtere Straße trat, warf ich einen Blick zurück.Darren stand noch immer an derselben Stelle und berührte mit einem verwirrten Gesichtsausdruck seine Wange.
Ich lief einen weiteren Schritt und konnte ihn nicht mehr sehen.

Mit zitternden Händen schloss ich die Haustür auf und schwankte die Treppe hoch in mein Zimmer.
Ich wusste gar nicht genau, wie ich bis nach Hause gekommen war. Mehr als einmal hatte ich Leute angerempelt, die mich dann wütend angepflaumt hatten. Oder sich vorsichtig erkundigt hatten, ob mit mir alles in Ordnung sei. Ich musste auch wirklich ein mitgenommenes Bild abgegeben haben. Vor Tränen verlaufener Kajal, der sich über mein Gesicht verteilt hatte, geronnenes Blut am Hals und einen leicht… manischen Blick.
Nicht zu vergessen die Tatsache, dass ich meine Umgebung kaum wahrnahm und dementsprechend auch durch die Gegend gestolpert war.
Aber der schlimmste Teil meines Heimweges war der Wald gewesen. Bei dem kleinsten Geräusch war ich erschrocken zusammengezuckt und hatte nach dem Vampir Ausschau gehalten. Dem rotäugigen.
Meine Gedanken schweiften von ihm wieder zurück zu Darren. Ich wusste nicht, was mich am meisten verletzte. Das er ein Vampir war, oder dass er es mir nicht gesagt hatte.Ich blieb noch geraume Zeit vor mich hin starrend sitzen, bis meine Mutter vom Einkaufen zurückkam. Als ich höre, wie die Tür ins Schloss fiel, stand ich auf und drehte den Schlüssel um. Ich hatte wirklich keine Lust, dass meine Mutter hereinkam. Ich wollte jetzt einfach nur allein sein.
Ich streifte mir die Schuhe - die ich zuvor vergessen hatte auszuziehen - von den Füßen und rollte mich auf dem Bett zusammen. Dabei fiel mein Blick auf etwas Weißes. Ich sah auf und bemerkte, dass es der riesige Teddy war, den ich damals, als Darren mir so vieles über Vampire erzählt hatte, im Schaufenster bewundert hatte.
Mit einer wütenden Bewegung griff ich nach ihm und warf ihn gegen die Wand. Dabei hallten mir wie zum Hohn die Worte durch den Kopf, mit denen Darren ihm mir eine Woche zuvor geschenkt hatte.
‚Hier, Eleonora. Damit du jemanden zum kuscheln hast, wenn ich mal nicht da bin.'
Ich beobachtete, wie der Teddy - Schneeball hatten wir ihn lachend getauft - zu Boden fiel. Dann rutschte ich vom Bett und holte ihn zurück, um ihn fest an mich zu drücken.Ich wusste nicht, wie lange ich so da lag und der drückenden Stille um mich herum lauschte. Von den Hotelgästen war nichts zu hören. Erstens lag mein Fenster zur anderen Seite hin und zweitens war es viel zu heiß für laute Aktivitäten.
Die Sonne sank langsam tiefer und ich hörte, wie meine Ma zum Abendessen rief, doch ich realisierte es kaum. Viel zu sehr waren meine Gedanken an Darren gekettet.
Er hatte mich belogen. Er war nichts besseres, als der Rotäugige. Vampir. Er war ein elender Vampir.
Trotz der Sommerhitze fröstelte es mich. Wie oft war ich mit Darren alleine gewesen? Zig Chancen, in denen er mich hätte beißen können. Und was war mit seiner Familie? Mir grauste bei dem Gedanken daran, in einem Vampirhaushalt ein- und ausgegangen zu sein.
Essenslieferung frei Haus.
Allerdings empörte sich ein leises Stimmchen in meinem Kopf über meine Gedanken. Gerade weil er mich so oft hätte beißen können, mir jedoch nie etwas passiert war, sollte ich ihn nicht als etwas Böses verurteilen.
Aber andererseits… Hatte Darren nicht gesagt, Vampire könnten die Erinnerung an einen Biss auslöschen?
Meine Gedanken drehten sich im Kreis, bis sie unsanft von einem Klopfen an der Tür unterbrochen wurden.
'Eleonora! Wie oft soll ich dich eigentlich noch zum Essen rufen?' drang die Stimme meiner Mutter durch das Holz.
'Hab keinen Hunger' murrte ich. Sie sollte einfach gehen.
'Elli-Schatz? Bist du in Ordnung?' Ihre Stimme klang besorgt.
Manchmal war es ein Fluch, wenn Eltern merken, wie es ihren Kindern geht.
'Ja. Alles bestens.'
'Mach doch bitte mal die Tür auf, Elli.'
'Sicher nicht!' fauchte ich meine Tür an. 'Ma, kannst du mich nicht einfach grad alleine lassen? Ich möchte im Moment niemanden sehen.'
Einen Augenblick herrschte Stille, dann sagte sie leise: 'In Ordnung. Aber wenn du reden willst… ich bin für dich da.'
Ich musste ein wenig lächeln. 'Danke, Ma.'
Nachdem sie gegangen war, schaltete ich meine Musikanlage ein.
Wie passend. Das dritte Lied, das ich hörte, war Fairytale Gone Bad.







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