Nachtgedanken Teil 3

Autor: roses of mackintosh
veröffentlicht am: 17.05.2008




Weitere 8 Jahre später

Ich stand vor ihm, nackt und schutzlos, und blickte beschämt zu Boden. Sanft hob er mein Kinn und seine Lippen trafen meine. Es war, als blühte eine Pflanze in mir auf, meine Hände vergruben sich in seinen Haaren, mein Mund verschlang seinen. Belustigt drückte er mich von sich weg; 'Soso...', meinte er bloß. Genervt erwiderte ich: 'Nicht aufhören!' Er kicherte und senkte seine Lippen wieder über meine. Seine Hände glitten meinen Körper entlang, ich spürte unsere Atem zu einem Gesang verschmelzen, der immer wieder durch Seufzer unterbrochen wurde. Meine Knie gaben nach, aber er hielt mich fest. Vorsichtig hob er mich hoch und ich schlang meine Beine um ihn, er kletterte aufs Bett und ich übernahm die Kussführung. Seine Hände an meinem Rücken, legte er mich vor sich hin, lächelte mich an und beugte sich wieder hinunter. Erwartungsvoll öffnete ich meine Lippen, seine Zunge liebkoste meine, der 7. Himmel konnte nicht schöner sein. Er spreizte meine Beine und drang hart in mich ein, meinen Schrei erstickte er mit einem Kuss.

Seufzend erwache ich. Diese Träume erregen mich immer noch. Eigentlich müsste man erwarten, dass mich mit 38 Jahren solche Jugendträume kalt lassen, dem ist leider nicht so.Ich vergrabe beschämt den Kopf in meinem Kissen, zum Glück bin ich alleine.Christian spukt mir immer noch im Kopf herum, wie ein Phantom aus einem früheren Leben. Ich habe alle Brücken abgebrochen, meine Eltern waren bei einem Autounfall gestorben, Freunde konnte ich auch woanders finden. Ich verließ zuerst meine Stadt, dann Deutschland und schließlich den Kontinent, um die Erinnerungen ruhen zu lassen. Aber das Land der unbegrenzten Möglichkeiten schützt einen nicht vor der Vergangenheit.
Unruhig wälze ich mich von einer auf die andere Seite.

Plötzlich dringt eine tief verbannte Erinnerung an die Oberfläche:
Die Beerdigung meiner Eltern. Ich war 31, sturzbetrunken und auf einer Party, als mich der Anruf erreicht hat, ich müsse sofort ins Krankenhaus. Ich selbst konnte nicht mehr fahren, habe demnach sofort ein Taxi bestellt, bin zur Toilette gewankt und habe mir kurzerhand den Finger in den Hals gesteckt(, was ich wohlgemerkt nie wieder getan habe). Danach war ich einigermaßen nüchtern.
Niemals werde ich das Bild meiner Mutter vergessen: Platzwunden am Kopf, Verbände an Arm und Bein und der Schlauch in ihrem Rachen, der sie am Leben erhielt. Mein Vater war direkt bei der Kollision mit dem anderen Auto gestorben. Sie sah so teilnahmslos und leblos aus, wie eine Puppe, und da habe ich zum ersten Mal realisiert, dass Eltern keine Götter sind, sondern verletzlich.
Ich bin an ihrem Bett niedergesunken und habe gebetet, auch heute erinnere ich mich noch genau an meine Worte: 'Bitte lieber Gott, ich habe kaum zu dir gesprochen, dich vielleicht sogar verloren, aber lass sie nicht sterben, ich werde für den Rest meines Lebens zu dir stehen!'

So leise wie möglich versuche ich mir die Nase zu putzen und die Tränen an meinen Wangen zu trocknen, Mama du fehlst mir...

Der Allumfassende hat mich nicht erhört, sie ist nie wieder aus dem Koma erwacht. Mit 13 Jahren hatte ich ihr versprechen müssen, ein bestimmtes Klavierstück zu ihrer Beerdigung zu spielen. Ich weiß noch genau, wie ich einen Tag in meinem Elternhaus verbrachte, um die Noten zu finden, und einen weiteren, um sie wieder vertonen zu können. Ich vergoss keine einzige Träne, sondern stürzte mich in Arbeit.
Am Tag der Beerdigung saß ich teilnahmslos in der ersten Reihe, ließ das Gesagte stumm über mich ergehen, schüttelte allen die Hand und nahm am 'Leichenschmaus' teil. Dann habe ich mir eine Flasche Wodka gekauft, eine riesige Tafel Schokolade und mir den Film 'Rambo III' reingezogen.
Am nächsten Tag verkaufte ich das Haus, regelte mein Erbe und mietete einen Lagerraum für alle Möbel. Danach habe ich mir ein One-Way-Ticket in die Staaten besorgt.
Dennoch wollte ich noch mal zum Friedhof, es war ein sonniger Tag, aber in mir selbst fiel Schnee. Ich blickte auf die Gräber und konnte nicht glauben, dass dort meine Eltern liegen sollten.
Schluchzend sank ich auf die Knie. Ich weiß nicht, wie lange ich dort saß, irgendwann fand ich mich in den Armen von Christian wieder, der meinen Rücken beruhigend streichelte. Ich konnte nichts sagen, ich war so froh nicht allein sein zu müssen.
Er hat mich zum Flughafen gefahren, mir geholfen einzuchecken und mich bis zur Absperrung begleitet. Dann hat er mich noch mal kurz umarmt, mir tief in die Augen gesehen und sich dann umgedreht. Ich weiß bis heute nicht, wieso er das getan hat, woher er wusste, wo ich war oder dass ich in die Staaten wollte. Ich habe mich nicht einmal bedankt.Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe.

Tränen rinnen meine Wangen entlang, Ssrömen in Bächen auf mein Kissen. Schluchzer schütteln mich.
Die eingesperrte Trauer hat ihre Freiheit wieder.

Was er jetzt wohl macht? Ob er sich alle Wünsche erfüllen konnte?
Auch wenn ich ihn so sehr vermisse und wünschte, ich könnte die Frau an seiner Seite sein, ist sein Glück wichtiger.
Ja, ich werde mich nie wieder einmischen, ich hoffe, dass er glücklich wird.

Schniefend schnäuze ich mir die Nase, es klopft an die Tür. Dann wird die Klinke hinuntergedrückt und Füße klatschen auf den Steinboden. Eine kleine weiße Gestalt tapst auf mich zu, schaut mich fragend an und kuschelt sich dann zu mir : 'Nicht weinen, Mama, ich hab dich lieb!'

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Und wieder einmal hat es ewig gedauert, verzeiht mir.
Ich hoffe, ihr versteht die Chronologie: Im 1. Teil ist sie 22, im 2. 30 Jahre und in diesem 38. Hoffentlich gefällt euch mein Chaos auch weiterhin.
GLG roses of mackintosh







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