Der Schuss Teil 10

Autor: sonnenschein86
veröffentlicht am: 08.02.2007




'Liebling, aufstehen! Es ist schon sieben Uhr', weckte Frau R. ihre Tochter sanft.'Was, schon? Ach ich möchte noch ein bisschen schlafen.' 'Nix da. Du stehst jetzt auf. Du musst ja noch in dein 'Juliakleid' schlüpfen', sagte Julianes Mutter.
'Ja, ja. Ich steh schon auf, sonst kommt Papa und schüttet mir wieder Wasser ins Gesicht, wie letztes mal.'
- Als sie einmal in der Früh einfach nicht aus dem Bett zu kriegen war, kam ihr Vater ins Zimmer geschlichen und schüttete ihr ein ganzes Glas voll Wasser ins Gesicht. Sie war so entsetzt und geschockt gewesen, dass sie zwei Tage lang nicht mehr mit ihm sprach. Am Schluss aber, musste sie selbst darüber lachen und verzieh ihrem Vater noch einmal aber sie stand jetzt lieber immer sofort auf, da sie das nicht wieder erleben wollte. Ihrem Vater und auch ihrem Bruder war alles zuzutrauen. -
Als Juliane endlich aufstand, bat ihre Mutter sie, dass sie sich noch einmal hinsetzt, da sie etwas mit ihr bereden wollte.
'Du schaust so ernst. Ist etwas passiert', fragte Juliane ihre Mutter unsicher.
'Ich möchte dass du weißt, dass Papa und ich, dich und Felix immer lieb haben werden, auch wenn das Baby da ist. Natürlich werden wir nicht mehr so viel Zeit haben für euch, aber ich hoffe ihr versteht das?'
'Natürlich Mama. Felix und ich freuen uns ja auch auf ein Brüderchen oder Schwesterchen.'Erleichtert nahm Frau Rodenmaier Juliane in ihre Arme. 'So jetzt schlüpf aber endlich in dein Kleid, sonst kommst du zu spät zur Schule.'
Juliane stand auf, zog ihre Unterwäsche an und zog das Kleid über.
'Mama, kannst du mir bitte den Reißverschluss zumachen? Ich komm nicht ran.'
Gerade als ihre Mutter den Reißverschluss hochzog, riss er auseinander.
'Verdammter Mist', schimpfte Frau R..
'Was ist denn?'
'Der Reißverschluss ist gerissen.'
'Oh nein! Was machen wir denn jetzt?'
Nach ein paar Minuten der Überlegung hatte Frau R. eine Idee.
'Oben im Dachboden, in der alten Holzkiste müsste ich noch schöne Kleider von früher haben. Bestimmt ist da auch was für dich dabei.'
Der Dachboden. Vor dem hatte Juliane früher immer Angst gehabt, heute auch noch ein wenig.
Gerade als sie auf den Weg waren auf den Dachboden zu gehen, läutete es an der Haustüre.'Das wird Sabine sein. Sie wollte doch heute bei uns Frühstücken, da ihre Eltern heute schon so früh zur Arbeit mussten', sagte Juliane.
'Ich mach` schnell auf.'
So schnell sie konnte rannte sie runter und öffnete die Türe. 'Hallo Sabine, komm rein. Bis ich fertig bin wird es wohl noch ein Weilchen dauern. Vorhin ist der Reißverschluss von meinem Faschingskostüm gerissen. Aber zum Glück hat meine Mutter noch auf dem Dachboden alter Kleider. Aber stinken werden sie und wie sie ausschauen möchte ich gar nicht erst wissen.'
Sabine war eine Stunde früher aufgestanden wie sonst, da sie ja auch in ihr Kostüm schlüpfen musste und man kann ja nie wissen, ob vorher noch ein Unheil geschieht. Sie ging als Dornrösschen.
Als Juliane sie so an der Haustüre sah, hatte es ihr für einen kurzen Moment die Sprache verschlagen. Sabine sah so wunderschön aus.
'Komisch, dass sie eigentlich keinen Freund hat', dachte Juliane.
'Na ja, wenn du dich beeilst, schaffen wir es ja noch zum Unterrichtsbeginn', scherzte Sabine. Obwohl heute Fasching war und noch dazu unsinniger Donnerstag, hatten sie heute Unterricht. Aber wenigstens durften sie im Unterricht ihre Kostüme anziehen. Nach der Schule ist dann in der Sporthalle eine 'Faschingsdisco', wo sie dann auch hingehen wollten.Sabine schloss die Haustüre hinter sich und begrüßte Herrn und Frau R.. Alle außer Herr R. machten sich auf den Weg in den Dachboden. Es führte eine kleine, schmale und verstaubte Treppe nach oben. Ein bisschen fürchtete sich Juliane, obwohl sie jetzt wusste, dass es dort oben keine 'Kindermörder' und 'Wehrwölfe' gab, was Felix ihr früher manchmal erzählt hatte um ihr Angst zu machen. Aber Juliane hatte ihm früher jedes Wort abgekauft.Aber trotzdem blieb die Angst immer noch ein bisschen. Auch Sabine ängstigte sich ein kleines bisschen. Aber hauptsächlich vor Spinnen.
Als sie oben ankamen, schloss Frau R. mit einem Schlüssel, den sie zuvor aus einem Schränkchen neben der Tür rausgeholt hatte, die Dachbodentüre auf. Seltsamerweise war es in dem Raum kaum staubig und ziemlich ordentlich und sauber.
Neugierig sahen sich Sabine und Juliane um. Sabine war noch nie hier oben gewesen und Juliane seit Jahren schon nicht mehr.
Rechts befanden sich alte Spielzeuge von Juliane und Felix. Gleich daneben waren die alten Klamotten von ihnen. Links war die Truhe mit den 'geheimnisvollen Kleidern'. Juliane hatte eigentlich keine Lust sie zu sehen, da sie sich vorstellen konnte, wie sie aussahen. Alt, schmutzig, stinkig und zerrissen. Doch was sie dann sah, ließ ihr und Sabine ihr Herz schneller klopfen.
Frau R. hielt das schönste Kleid, was sie je gesehen hatten in ihren Händen. Es war weiß, gold und silber. Es sah nagelneu und viel schöner aus, als ihr 'Juliakostüm'. Es hatte schmale Spagettiträger, war so schmal und lang, dass es bis zu den Fußknöcheln reichen musste. Das ganze Kleid schien zu glitzern.
'Ich habe mir das Kleid damals gekauft, als ich meinen Abschlussball in der Schule hatte. Ich habe lange und hart dafür arbeiten müssen. Schließlich hatte man früher noch nicht so viel Geld, um solche Kleider zu kaufen. Nur die Reichen konnten sich so etwas leisten. Aber meine Großmutter bestärkte mich immer wieder darin, dieses Kleid zu kaufen und dafür zu arbeiten. Drei Tage vor dem Abschlussball starb sie. Herzversagen.'
Frau R. wischte eine Träne von ihrem Gesicht. Juliane und Sabine schauten sich traurig an.
'Sie hinterließ nicht viel. Aber mir hinterließ sie alles Geld, was sie besessen hatte. Es war nicht viel, aber es reichte genau für das Kleid und für mein späteres Studium, das ich dann machte. Ich liebte sie sehr und bevor sie starb, sagte sie mir, dass Gott es so wolle und er wisse, was er tut. Ich solle mir von dem Geld das kaufen was ich schon immer wollte, das Kleid und der Rest würde auch noch für mein Studium reichen. Zum Schluss sagte sie auch noch, dass sie mich immer lieb hatte und auch weiter lieb haben werde, auch wenn sie im Himmel ist. Ich war sehr traurig als sie damals starb, aber immer, wenn ich das Kleid an hatte, dachte ich an ihre letzten Worte und war wieder glücklich. Dieses Kleid hatte ich auch an, als ich am Fasching die Julia spielte und deinen Vater kennen lernte, Juliane', sagte Frau R. und schaute ihrer Tochter ins Gesicht.
'Ja, auch ich hatte mich einmal als Julia verkleidet. Vielleicht fand mich dein Vater deswegen so hübsch. Er war übrigens als Romeo verkleidet. Wir verliebten uns sofort ineinander. Vielleicht hatte das auch mit der Verkleidung zu tun.'
'Andreas Turm ist auch als Romeo verkleidet und Juliane als Julia, genau wie Juliane ihre Eltern damals. Na, wenn das kein gutes Omen ist', dachte sich Sabine.
'Das Kleid ist wunderschön', sagte Juliane, nachdem sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.'Ja, deswegen möchte ich, dass du es heute trägst.' Für einen Augenblick war Juliane sprachlos, aber als sie sich wieder gefangen hatte, umarmte sie ihre Mutter stürmisch und bedankte sich bei ihr.
'Es wäre das Beste, wenn wir jetzt wieder runtergehen und es einmal probieren.'
Als sie unten angekommen waren, probierte Juliane das Kleid. Als sie es ihrer Mutter und Sabine vorführte verschlug es beiden die Sprache.
Für einen Moment dachte Julianes Mutter, dass sie das sei, wie sie früher aussah. Ein Ebenbild. Juliane war wunderschön und ihre schlanke Gestalt und das blonde, lange Haar verstärkten das noch mehr.
Plötzlich musste ihre Mutter weinen.
Erstaunt fragte Juliane ihre Mutter was sie habe.
'Ach nichts. Nur, du bist so wunderschön!'
Juliane wurde rot.
'Ach sag` doch so was nicht.'
'Doch, deine Mutter hat Recht. Du bist umwerfend', sagte Sabine und stimmte Frau R. zu.
Jetzt wurde sie noch roter.
Gerade in dem Moment kam ihr Bruder in Vampirsgestalt die Treppen runter. Als er in die Küche kam, blieb er abrupt stehen. Denn, als er Juliane sah, blieb ihm die Spucke weg. Juliane sah atemberaubend aus, das musste er sich zum ersten mal in seinem Leben gestehen.'Man du siehst ja geil aus. Willst du etwa den Jungen die Köpfe verdrehen?'
Juliane war erstaunt, von ihrem Bruder so ein Kompliment zu hören. Noch nie hatte sie eins von ihm bekommen. 'Danke, aber ich kann dich beruhigen. Ich verkleide mich nur als Julia und habe nicht die Absicht, den Jungen die Köpfe zu verdrehen. Bei meinem Kostüm ist der Reißverschluss gerissen und Mutter hatte oben im Dachboden noch eine Truhe und na ja, da war das Kleid drin. Du siehst aber auch gut aus', sagte Juliane zu ihrem Bruder.
'Danke für die Blumen aber ich denke wir müssen jetzt los, oder?'
Es war schon zehn nach halb acht und sie mussten sich beeilen, wenn sie noch vor Unterrichtsbeginn in der Schule sein wollten.
Gerade als sie das Haus verließen drehte sich Juliane noch einmal zu ihrer Mutter und bedankte sich bei ihr, dass sie das Kleid tragen durfte.
Als sie alle gegangen waren und Frau R. die Haustüre schloss, dachte sie, wie schön Juliane doch in den letzten Jahren geworden ist und seufzte bei diesem Gedanken. Jetzt brauchte sie nur noch den passenden Romeo. Hoffentlich klappt heute alles.
Doch das heute noch etwas tragisches passieren sollte, ahnte sie nicht...







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