Der Geiger von Dunrobin Castle Teil 3

Autor: Kati
veröffentlicht am: 16.01.2008




Nachdem er die endlosen drei Stunden bis zum Fr?hst?ck endlich ?berstanden hatte, machte er sich auf den Weg. Er ?ffnete die T?r und blickte durch den langen Flur. Wo war jetzt gleich noch mal der Speisesaal? Egal. Er lief einfach mal drauf los und w?rde ihn schon finden. Seine Schultasche hatte er sich l?ssig ?ber die Schulter geworfen und so stapfte er durch die G?nge des Internats. Ein paar andere Sch?ler ?berholten ihn und fingen an zu kichern. Aber das machte ihm nichts mehr aus. Das kannte er schon zur Gen?ge und er war abgeh?rtet. Er blickte den anderen hinterher und folgte ihnen. Sicher wollten sie auch zum Speisesaal und so w?rde er ihnen einfach folgen. Dort angekommen bot sich ihm ein Bild des Schreckens. Alle blickten ihn an und murmelten. Einige lachten und wieder andere tuschelten hinter vorgehaltener Hand. Was war denn so verkehrt an ihm? Seine Kleider etwa? Was war ihr Problem? Er musste sie doch tragen und nicht die! Er senkte seinen Kopf und schritt langsam auf die Essensausgabe zu. Pl?tzlich fuhr er zusammen.
'Eeeeeeey! Heimwehkind! Na? Alles fit im Schritt?'
Charly holte ihn ein und schlug ihm die flache Hand auf den R?cken.
'Na? Erste Nacht gut ?berstanden?'
Zaghaft nickte Sebastian ihm zu.
'Und? Der St?nder ist wieder abgeschwollen?'
Pl?tzlich br?llte der ganze Saal los. Eine lagen auf den Tischen und rollten sich hin und her. Wieder stieg ihm die Schamesr?te ins Gesicht. Hatte Anni also den anderen davon erz?hlt... Wie peinlich!
'Sag mal, Heimwehkind. Sch?mst du dich eigentlich gar nicht?'
Charly blickte ihn nun ernst an.
'Anni ist mein M?dchen, klar?! Deine versaute Phantasie kannst du mit wem anders ausleben, aber nicht mit ihr! Haben wir uns verstanden?'
Wieder nickte Sebastian ihm zu. Jetzt war es ja noch peinlicher! Nicht nur, dass er einen St?nder wegen ihr hatte, nein! Sie war auch noch vergeben! Er sp?rte die Blicke auf seinem K?rper, wie sie ihn alle anstarrten und lachten. Es machte ihm eigentlich nichts aus. Er hatte sich so daran gew?hnt, dass es ihn nicht st?rte, doch als Anni pl?tzlich den Saal betrat und er ihre Stimme unter den hundert anderen erkannte, wurde ihm flau.
'Morgen Sebastian.'
Sie lief an ihm vorbei und blieb stehen.
'Was war denn das gestern?'
Sebastian blickte sie kurz an, wandte seinen Blick gen Boden und schluckte schwer. Was sollte er denn darauf antworten?
'Hast du ?berhaupt kein Schamgef?hl? Du hast mich zu Tode erschreckt mit dem Ding da.'Sein Blick folgte ihrem Finger, der auf seinen Schritt zeigte.
'Tut mir Leid.'
'Es tut ihm Leid!' br?llte Anni laut heraus und wieder lachten alle. Anni am lautesten von allen. Es st?rte ihn nicht. Nein, er kannte das. Aber warum schmerzte es ihn dann so, wenn Anni ?ber ihn lachte? Warum? Pl?tzlich wurde es still und Charly und Anni hasteten zu ihren Pl?tzen. Miss Arnold betrat den Saal und blickte sich pr?fend um. Alle standen auf und schwiegen.
Tisch f?r Tisch ging sie ab und betrachtete sich die Sch?ler.
'Dein Hemd ist ja vollkommen zerknittert! Du wirst sofort auf dein Zimmer gehen und dir ein neues, geb?geltes holen!'
'Ja wohl, Miss Arnold.' antwortete der Junge ihr mechanisch und lief los.
'Und deine Schuhe? Wann haben die zuletzt mal Schuhcreme gesehen? Abmarsch!'
Sebastian stand noch immer wie verloren in der Mitte des Saals und blickte zu Miss Arnold, die langsam auf ihn zu schritt.
'Hemd geb?gelt, Haare gek?mmt... Hauch mich mal an. Die Z?hne geputzt. An dem k?nnt ihr euch alle ein Beispiel nehmen. Sebastian ist dein Name, richtig?'
'Ja, Miss Arnold.'
'Hast du noch keinen Sitzplatz?'
'Leider nein.' antwortete er ihr h?flich.
'Dann setzt du dich am Besten neben Ann-Kathrin. Du hast sie ja gestern schon kennen gelernt.'
'Sehr wohl.'
Wie er auf Anni zu kam, verdrehte die schon die Augen und auch Isa, die ihr gegen?ber stand, sch?ttelte den Kopf. Schlie?lich nickte Miss Arnold und alle nahmen Platz. Als die Sch?ler, die von ihr weggeschickt wurden, den Saal wieder betraten, wurde die T?r abgeschlossen. Von drau?en vernahm man die Stimmen derer, die verschlafen hatten. Sie riefen und baten um Einlass, doch sie wussten nur all zu gut, dass ihr flehen nicht erh?rt werden w?rde. Wer zu sp?t kam, musste eben ohne Fr?hst?ck zum Unterricht. Nachdem sich alle ihr Essen geholt hatten, kehrte etwas Ruhe ein. Stolz blickte Sebastian auf sein Tablett. Er hatte heute richtig Appetit und das w?rde er nutzen. Er hatte sich gleich zwei Br?tchen geben lassen und auch die Wurst sah wirklich lecker aus. Als er pl?tzlich diese unangenehme Stille an seinem Tisch bemerkte, blickte er auf. Wieder starrten ihn alle an. Charly blickte zu Anni und grinste.
'Mal sehen, wie lange er braucht, bis er merkt, dass er unerw?nscht ist und geht. Wer stoppt die Zeit?'
Alle am Tisch grinsten ihn schief an und schon war sein Appetit g?nzlich verflogen. Er nickte ihnen zu, als Zeichen, dass er sie verstanden hatte und stand auf. Langsam schritt er zu Miss Arnold.
'Miss Arnold?'
'Sebastian? Was ist denn? Schmeckt es dir nicht?'
'Doch schon, aber ich habe noch immer keinen Hunger und w?rde mir so lange, bis der Unterricht anf?ngt, gerne das Schloss etwas ansehen.'
'Ah! Ich soll die T?r aufschlie?en?'
'Wenn es Ihnen nichts aus macht?'
'Nein! Aber du musst bald etwas essen, Junge. Du siehst schon so blass aus? Nimm dir doch ein Br?tchen mit f?r die Pause?'
'Ist gut.'
W?hrend Miss Arnold sich auf den Weg machte, um ihm die T?r auf zu schlie?en, schnappte er sich schnell eines der beiden belegten Br?tchen und folgte ihr schlie?lich. Nachdem er sich an denen vorbei geschl?ngelt hatte, die noch immer vor dem Speisesaal standen und um Einlass baten, atmete er kurz durch. Eigentlich war ihm das essen vergangen und so wickelte er das Br?tchen in ein Blatt Papier, dass er aus seinem Block gerissen hatte und steckte es in seine Schultasche. Langsam schlenderte er durch die Flure und betrachtete die gro?en ?lgem?lde an den W?nden. Sie waren wirklich beeindruckend, wie er feststellen musste und er nahm sich f?r jedes Bild reichlich Zeit, um es zu betrachten. Schlie?lich lief er weiter und kam an einer T?r vorbei, die nur leicht angelehnt war. Neugierig steckte er seinen Kopf durch den Spalt und blickte sich um.
'Ein Musikzimmer!' dachte er sich und stie? die T?r auf. Der Raum war menschenleer und so f?hlte er sich hier absolut sicher. In der Mitte des Raumes stand ein schwarzer Fl?gel, der regelrecht zum Spielen einlud. Zaghaft strich er mit seinen Fingern ?ber den Korpus des Instrumentes und nahm schlie?lich auf dem Hocker davor Platz. Vorsichtig ?ffnete er den Deckel der Klaviatur und blickte auf die wei?en und schwarzen Tasten, die ihn matt an gl?nzten. Er legte seine H?nde auf und spielte einen ersten, leisen Ton. Kurz huschte ihm ein L?cheln ?ber die Lippen und er fasste Mut. Schlie?lich flogen seine Finger ?ber die Klaviatur und eine erfrischende Melodie erklang im Raum. Er spielte auswendig, da er keine Notenbl?tter finden konnte. Die Sonne, die rot hinter den Bergen aufging, strahlte in das Zimmer und tauchte alles in ihre warmen Farben. Pl?tzlich lie? er die H?nde dumpf auf die Tasten fallen. Eine junge Frau stand in der T?r und klatschte Beifall.
'Sehr gut junger Mann. Du spielst wirklich ausgezeichnet. Hast du ein Klavier zu Hause?'Sebastian blickte sie kurz an und nickte.
'Es tut mir Leid, dass ich hier einfach so rein gekommen bin.'
'Nein, nein. Schon gut. Ich bin ?brigens Miss Dallan und unterrichte hier Musik.'
'Freut mich. Ich hei?e Sebastian. Sebastian Sutherland um genau zu sein.'
'Sch?n!'
Sie ging auf ihn zu und zog einen zweiten Hocker neben ihn.
'Kannst du auch etwas anderes spielen?'
'Naja, schon. Aber ohne Noten wird das schwierig. Eigentlich spiele ich nicht Klavier. Naja nicht oft zumindest.'
'Noten sind nicht das Problem. Lass uns mal etwas zusammen spielen.'
Sie machte kehrt und zog aus einem der Wandregale einen d?nnen Ordner heraus. Eilig bl?tterte sie die Seiten darin um und zog schlie?lich aus einer Folie ein paar Notenbl?tter heraus.
'Das ist der Flohwalzer. Kennst du den?'
Mit den ersten Takten des St?cks beantwortete er ihre Frage und sie nickte ihm erfreut zu.'Spielen wir ihn doch mal zusammen. Bei achtundachtzig Tasten wird wohl jeder ein paar f?r sich finden k?nnen oder?'
Mit einem L?cheln nickte er ihr zu und blickte auf die vielen Noten vor ihm.
'Also gut. Auf los geht's los. Los!'
Und wieder schienen seine H?nde ?ber die tasten zu schweben und Miss Dallan blickte zu ihm. Sie kannte das St?ck auswendig und k?nnte es blind spielen. Ein leichtes L?cheln strich ihr durch das Gesicht, als sie sah, wie seine Blicke ?ber die Notenbl?tter flogen. Der Junge hatte Talent, ganz klar und wenn sie ihn heute in Musik unterrichten w?rde, dann k?nnte er den anderen gleich mal etwas davon zeigen. Am Vorabend hatte sie schon das Klassenbuch studiert und wusste, in welche Klasse er gehen w?rde. Das waren fast alles Leute, bei denen man sich nichts gutes abgucken konnte. Faul, frech und verzogen. Aber deswegen waren sie ja auch an dieser Schule. Einmal in der Woche wurde n?mlich auch Benehmen unterrichtet. Miss Dallan l?chelte kurz, als sie merkte, dass er nicht mehr spielte und aufgestanden war.'Was ist denn los Sebastian? Magst du nicht mehr spielen?'
'Ich kann nicht mehr...'
Er rieb sich die Augen und st?tzte sich gegen eines der gro?en Wandregale.
'Alles dreht sich. Wenn ich jetzt weiter spiele, wird es zu riskant.'
'Ich verstehe. Nun, dann schlage ich vor, dass ich dich in dein Klassenzimmer bringe, ok?''Das ist wirklich nett. Ich m?chte nur kurz ausruhen. Nur kurz die Augen zu lassen.''Nat?rlich. Nimm dir Zeit.'
Sie blickte ihn besorgt an. Ja, sie hatte das Klassenbuch studiert und ihr war auch der dicke Eintrag in roter Schrift nicht entgangen. 'Epileptiker' hatte bei ihm in der Kategorie Besonderheiten gestanden. Sicher hatte er sich beim Notenlesen ?beranstrengt. Schlie?lich richtete sich Sebastian wieder auf und blickte zu Miss Dallan.
'Na? Geht es wieder?'
'Ja, danke.'
'Gut, dann bringe ich dich jetzt in deine Klasse.'
Miss Dallan f?hrte ihn aus dem Musikzimmer hinaus, durch lange Flure direkt auf eine gro?e T?r zu. Sie drehte sich zu ihm und blickte ihn erwartungsvoll an.
'Ist das mein Klassenzimmer?'
'Ja, genau. Geh ruhig schon rein. Wie kommt es eigentlich, dass du schon hier bist? Jetzt, wo ich so nachdenke, du m?sstest doch eigentlich beim Fr?hst?ck sein?'
'Ich hatte keinen Hunger. Aber was ist mit Ihnen? M?ssten Sie nicht auch dort sein?'
Sie richtete den Finger auf ihn und grinste.
'Erwischt. Du hast Recht, aber ich habe gestern Abend so viel gegessen, dass es mir noch heute aus den Ohren kr?melt.'
'Oh.'
Ein kurzes L?cheln huschte durch sein Gesicht und er blickte auf die gro?e, h?lzerne T?r vor ihm.
'Dann verabschiede ich mich jetzt. Wir sehen uns dann nachher im Musikunterricht!'
'Ja ist gut! Und vielen Dank f?r?s her bringen.'
'Schon gut.'
Miss Dallan machte kehrt und entfernte sich von ihm. Sie war klein und schlank, trug einen Rock und Pomps. Ihre braunen Haare hatte sie zu einer raffinierten Frisur geflochten und eine Haarstr?hne fiel ihr in den Nacken. Schlie?lich ?ffnete Sebastian die T?r vor sich und trat in sein neues Klassenzimmer. Die gro?en Fenster lie?en enorm viel Licht hinein fallen und an jedem Platz stand ein Laptop, den man nur noch aufklappen und hochfahren musste. Beeindruckt blickte er sich um. Er war noch ganz allein und er sp?rte, wie sein Appetit langsam wieder kehrte. Er drehte sich um, warf einen Blick in den Flur und schloss die T?r. Langsam wickelte er das belegte Br?tchen wieder aus und biss hinein. Es schmeckte wirklich fabelhaft! W?hrend er so durch den Raum schlenderte und sein Br?tchen a?, versuchte er sich zu erinnern, wann er das letzte Mal Klavier gespielt hatte. Es musste wirklich lange her sein. Genau wie die Sache mit dem Hunger. Denn Hunger sp?rte er auch schon seit Jahren nicht mehr. Es war nur dieses Gef?hl von Appetit. Dass er anders war, als alle anderen war ihm klar. Schon vom ersten Tag an war ihm das klar. Doch warum lie? man ihn nicht einfach so sein? Warum hatte immer irgendwer etwas daran aus zu setzen? Er schob sich gerade den letzten Bissen seines Br?tchens in den Mund, als die T?r aufsprang und die ersten Sch?ler den Raum betraten. Etwas verwundert blickte sie Sebastian an.
Ein M?dchen mit aschblondem Haar, Brille und Zahnspange kam auf ihn zu.
'Bist du neu hier oder hast du dich verlaufen?'
'...neu...' murmelte er vor sich hin.
'Ich bin Meggan! Freut mich!'
Sie reichte ihm die Hand und grinste ihn mit ihren metallischem Unget?m im Mund an.
'Sebastian. Hallo Meggan.'
Zaghaft ergriff er ihre Hand und wurde von ihr durchgesch?ttelt.
'Du kannst dich ja neben mich setzen, wenn du noch nicht wei?t, wohin.'
Kurz blickte er sich um. Er wusste ja wirklich nicht, wo noch frei war und wenn Meggan es ihm schon anbot... Die Klasse f?llte sich immer weiter und auch Charly, Anni und Isa kamen dazu. Meggan fasste ihn an der Hand und f?hrte ihn zu seinem neuen Platz.
'Hier, setz dich. Von hier aus kann man die Tafel gut sehen.' l?chelte Meggan ihm entgegen. Pl?tzlich rempelte Isa sie an.
'Ey Treckerfresse! Blubber hier nicht rum! Wenn der Lulatsch hier vorne sitzt, sehe ich hinten nix mehr. Also, schieb ab!'
Etwas genervt drehte sich Meggan um und bedachte Isa mit ihrem speziell einge?bten, b?sen Blick.
'Du passt im Unterricht doch eh nicht auf! Also wo liegt dein Problem?'
'Auf dem Boden! Wenn ich ihn mit dir aufwische. Treckerfresse... Wie kann man mit sechzehn nur noch eine Zahnspange tragen?'
Wieder rempelte Isa sie an und ging schlie?lich zu ihrem Platz. Etwas verunsichert blickte Sebastian zu Meggan. Die aber l?chelte ihn wieder an und schob seinen Stuhl zur?ck. Nachdem auch er sich gesetzt hatte, blickte er zu Meggan.
'Am besten zeige ich dir erstmal, wie du deinen Rechner hochf?hrst. Oder wei?t du das schon?'
'Nein. Ich kenne mich damit nicht so aus.'
'Also, das ist ganz einfach. Mach einfach das Gleiche, was ich mache.'
Sie klappte den Laptop vor sich auf und dr?ckte auf den Einschaltknopf. Nachdem er sich ein Passwort eingerichtet hatte und sie ihn ein wenig mit den Programmen vertraut gemacht hatte, packten sie ihre Schulb?cher aus. Schlie?lich trat ein ?lterer Herr in den Raum und schloss die T?r.
'Ruhe jetzt. Es ist jetzt Unterricht!'
Er legte seine Unterlagen auf den Schreibtisch und blickte in die Klasse.
'Ah! Ein neues Gesicht! Du musst Sebastian sein!'
Zaghaft nickte er und blickte ihn kurz an.
'Ich bin Mister Parker! Herzlich willkommen.'
Wieder nickte Sebastian ihm zu und ergriff seine Hand, die er nach ihm ausgestreckt hatte.'Wenn du fragen hast oder mit dem Computer nicht klar kommst, dann melde dich ja?''Ist gut.'
Fasziniert blickte Sebastian auf den Monitor seines Laptops und vernahm pl?tzlich leises Tuscheln hinter ihm. Die Klasse war nicht gro?, es waren nur zehn Sch?ler, so wie es in einer Privatschule eben ?blich war. Pl?tzlich flog Sebastian ein Papierball an den Kopf.
Irritiert drehte er sich um. Charly grinste ihn breit an und fl?sterte ihm gepresst etwas zu.'Ey, Heimwehkind! Du bist ein Trottel!'
Und wieder warf er ihm einen Papierball an den Kopf.
'Charles!' kam es laut von vorne. 'Du hebst sofort deinen Krempel auf oder du kannst die Stunde vor der T?r verbringen, ist das klar?!'
'Sicher, Mister Parker.'
Charly verdrehte die Augen und sammelte die Papierb?lle wieder ein. Jedoch nicht, ohne Sebastian dabei 'versehentlich' in die Rippen zu pieksen.
Und wieder vernahm er das schwache Kichern von Anni, die direkt hinter ihm sa?. Und so ging das den lieben, langen Tag. In jeder Stunde hatten sie irgendetwas, um ihn zu ?rgern. Als die vierte Stunde eingel?utet wurde und Miss Arnold das Zimmer betrat, wurde es pl?tzlich ganz still. Mit der war nicht zu spa?en. Anders als Mister Parker, verwarnte sie jeden Sch?ler nur einmal und warf ihn beim zweiten 'Vergehen' aus dem Klassenzimmer. Sie legte ihre Unterlagen auf den Lehrertisch und drehte sich zur Tafel. Hastig schrieb sie ein paar Formeln auf und erg?nzte ein Paar Zahlen. Schlie?lich drehte sie sich zur Klasse und lie? ihren Blick durch die Reihen schweifen.
'Na? Hat jemand die L?sung?'
Sebastian hob den Finger.
'Ja bitte! Komm nach vorn und l?se auf.'
'Ok, also. Wenn man x durch 5 ersetzt, ergibt sich eine Gleichung...'
'Sehr gut, das ist richtig. Wie bist du auf 5 gekommen?'
'Ich habe die Formel umgestellt und dann sozusagen r?ckw?rts gerechnet.'
'Ausgezeichnet!'
Er nahm wieder Platz und blickte an die Tafel. Wieder notierte sie eine Formel und blickte erneut in die Klasse.
'Ann-Kathrin! Wei?t du die L?sung?'
'Nein Miss Arnold.'
'Dann komm nach vorne und zeige uns deinen ersten L?sungsansatz.'
'Aber ich habe keinen!'
'Willst du mich ver?ppeln? Diese Aufgabe wird Sch?lern in der achten Klasse gestellt! Also los! Steh auf und rechne laut vor.'
Verunsichert erhob sich Anni und schritt nach vorn. Nachdem sie etwas herum gestammelt hatte, blickte sie verzweifelt in die Klasse. Pl?tzlich hob Sebastian einen kleinen Zettel hoch, auf dem die L?sung stand. Schnell kritzelte sie es an die Tafel und versuchte ihren Geistesblitz zu erkl?ren.
'Nun, das Ergebnis ist richtig.' wunderte sich Miss Arnold. 'Ich wei? zwar nicht, wie du mit deiner Erl?uterung darauf gekommen bist, aber gut. Setz dich.'
Ohne Sebastian eines Blickes zu w?rdigen, lief sie an ihm vorbei und setzte sich wieder. Etwas entt?uscht blickte er auf den Zettel und zerkn?llte ihn.
'Was hast du erwartet? Dass sie vor dir auf die Knie f?llt? Anni ist eine hinterlistige Schlange! Nimm dich vor der lieber in Acht.' fl?sterte Meggan ihm leise ins Ohr und kritzelte irgendwelche Hieroglyphen auf ihren Block. Kurz wagte er es einen Blick ?ber seine Schulter zu werfen, als ihn mal wieder ein Papierball traf.
'Charles! Du verl?sst sofort das Klassenzimmer. Nach dem Unterricht hast du die Gelegenheit den gesamten Raum zu fegen.'
W?tend stand er auf und hob den Papierball auf. Isa lachte sich schlapp und wurde von Miss Arnold b?se gemustert. Schlie?lich flog auch sie raus.
'Du kannst ihm dabei gerne helfen, Isabel. Und jetzt raus!'
'Aber...'
'Raus!!!'
Brummelnd folgte Isa Charly und schloss die T?r. Das war wirklich sehr ?rgerlich. Ausgerechnet in der Mathematikstunde, wo doch anschlie?end Mittagspause war! Und zwanzig Minuten sp?ter ?ffnete sich die T?r zum Klassenzimmer und alle st?rmten auf den Pausenhof. Eine halbe Stunde Freizeit und vor allem Rauchen!
Nachdem sich der gr??te Ansturm gelegt hatte, schritt auch Sebastian auf den Hof und blickte sich um. Alle standen in Gruppen zusammen, unterhielten sich und lachten. Nur er stand allein herum. Pl?tzlich griff ihn jemand bei der Hand und zog ihn mit sich.

Anni drehte sich um und blickte ihn an.
'Na los, komm schon. Ich kenne einen Ort, wo niemand hin geht. Also los.'
Etwas verunsichert lie? er sich von ihr mitrei?en. Sie liefen einen kleinen Weg entlang, der von alten Linden ges?umt war. Und am Ende des Schotterwegs stand eine Bank. Direkt unter einer Kastanie, die herrlichen Schatten spendete. Dort angekommen setzte sich Anni auf die Lehne und blickte zu Sebastian, der da stand, wie bestellt und nicht abgeholt.
'Warum hast du mir geholfen?'
'Wei? nicht.' Er fasste hinter seinem R?cken mit der linken Hand nach seiner rechten und strich mit seinem Fu? ?ber den Schotter.
'Obwohl ich dich die ganze Zeit ge?rgert habe, hast du mir geholfen?'
'Hmm...'
'Basti?'
Verschreckt blickte er sie an. Wie hatte sie ihn gerade genannt?!
'Danke f?r die Hilfe. Im ersten Moment dachte ich, du w?rdest mir die falsche L?sung zeigen.'
'...'
'Komm her! Setz dich. Rauchst du?'
'Ja.'
'Na prima. Dann lass uns eine rauchen.'
Sie z?ckte ihre Zigarettenschachtel und zog eine halb heraus, um sie ihm zu reichen. Dankend nahm er diese an und z?ndete sie an. Schlie?lich setzte er sich auf die Bank und blickte sich um. Neben der Bank stand ein kleiner Rosenstrauch, von dem er sich rasch eine Bl?te abpfl?ckte.
'Dabei darfst du dich nicht erwischen lassen. Wenn Mister Humphrey das sieht flippt er aus. Er ist der G?rtner hier.'
'Oh...'
Er hielt die zarte Bl?te in seiner Hand und drehte sie zwischen seinen Fingern hin und her.'Sag mal,' Anni zog an ihrer Zigarette und blickte ihn an. 'hattest du echt noch nie eine Freundin?'
Sebastian ?berlegte kurz, ob er auf diese Frage antworten sollte.
'Machst du dich dann wieder lustig?'
'Nein.'
'Ich hatte wirklich noch nie eine.'
'Und willst du nicht bald mal eine haben? Ich meine du bist neunzehn. Will man da nicht langsam mal Sex haben und so?'
Sein Herz begann zu rasen.
'Wer sagt denn, dass ich noch Jungfrau bin?'
'Oh!'
Anni sprang von der Bank auf und hockte sich vor ihn.
'Du hattest schon mal Sex?'
Verlegen suchte er einen Punkt, den er anblicken konnte, um sie nicht ansehen zu m?ssen.'Hmm...'
'Und? War es gut?'
'Na du kannst fragen stellen.'
An seiner Hand erkannte sie, dass sie ihn verlegen machte, denn sie zitterte etwas.
'Jetzt sag schon, war es...'
'Ey Anni! Was machst du da?'
'Sorry ich muss los. Bis demn?chst.'
Anni sprang auf und lief Isa entgegen.
'Nichts. Na? Ist das Klassenzimmer wieder sauber?'
'Haha, sehr witzig. Was wolltest du von dem?'
'Ich habe ihm gesagt, dass er beim n?chsten Mal schneller mit der L?sung heraus r?cken soll.'
'So ein Spinner. Und wie der rum l?uft!'
Isa hakte sich in Anni?s Arm und zerrte sie zur?ck zum Schulhof. Etwas geknickt blickte Sebastian ihnen hinterher. Wie toll musste es doch sein, wenn man Freunde hatte.Er verharrte auf der Bank und blickte auf die kleine Rosenbl?te in seiner Hand. Die zarten Bl?tter begannen schon ein wenig an Kraft zu verlieren und neigten sich nach unten. Und trotzdem verspr?hte die Bl?te einen angenehmen Duft. Wieder blickte er auf und sah sich suchend um. Isa und Anni waren schon verschwunden. Er rauchte die Zigarette zu Ende und stand auf. Vollkommen in Gedanken versunken machte er sich auf den R?ckweg. Anni hatte sich bei ihm bedankt und war gar nicht so gemein, wie sie sonst immer war. Sicherlich hing das mit ihrer Clique zusammen, vor der sie sich immer etwas beweisen musste. Das hie?e nat?rlich auch, dass wenn sie mit der unterwegs ist, er sich keine Hoffnung machen musste, von ihr in irgendeiner Weise beachtet zu werden. Aber lieber so, als wenn sie ihn gar nicht leiden mochte. Am Schulhof angekommen ert?nte auch schon das qu?kende Schrillen der goldenen Glocke, die Miss Arnold, wie angestochen hin und her schwenkte. Das Zeichen, dass die Pause vorbei ist und alle wieder zur?ck in ihre Klassen m?ssen. Langsam trottete er auf die T?r zu, als ihn jemand an tippte.
'Sebastian?'
Rasch drehte er sich zu der ihm bekannten Stimme um.
'Miss Dallan!'
'Genau!' leicht l?chelte sie ihn an. 'Musst du nicht zur Sporthalle?'
'?h, ja. Ich denke schon.'
'Dann beeil dich lieber. Hol schnell deine Sachen. Mister Parker mag es nicht, wenn man zu sp?t kommt. Die Halle ist gleich dort dr?ben.'
Sie zeigte den Weg entlang, von dem er gerade gekommen war.
'Danke! Bis sp?ter!'
Schnell lief er den anderen in die Klasse nach, um seine Sportsachen zu holen und folgte ihnen in die Turnhalle. Schon in der Umkleide erlebte er dann die H?lle.
'Ey Heimwehkind. Wie siehst du denn aus? L?sst du dich von deiner Freundin auspeitschen oder woher hast du die ganzen Flecken?'
Sebastian zog sich immer weiter zur?ck und versuchte die vielen Bluterg?sse zu verdecken, doch Charly, Chris und zwei andere Jungs liefen ihm nach.
'Vielleicht ist das ja nur Theaterschminke und er versucht damit, die Aufmerksamkeit der Klasse zu erhaschen. Wollen doch mal sehen, ob sich das nicht abwaschen l?sst!'
Charly und Chris packten ihn und schliffen ihn Richtung Duschen. Sebastian wehrte sich kaum, lie? einfach alles ?ber sich ergehen und selbst, als sie das eiskalte Wasser einschalteten und es ihm auf den R?cken prasselte, blieb er einfach am Boden sitzen und r?hrte sich nicht. Sicher w?rden sie bald das Interesse verlieren und ihn in Ruhe lassen. Stattdessen holte Charly Sebastians T-Shirt und knotete damit seine H?nde fest an die Wasserrohre der Dusche, sodass er nicht mehr unter der Dusche mit dem flie?enden, kalten Wasser, entwischen konnte. H?misch lachten ihn alle aus und zogen sich um. Schlie?lich wurde es still und Sebastian blickte auf. Nun sa? er ganz allein unter der Dusche und auch in der Umkleide war niemand mehr. Die Jungs waren bereits in die Sporthalle gegangen und hatten ihn einfach sitzen gelassen. Er sp?rte, wie er begann zu zittern. Seine Lippen liefen langsam blau an und verzweifelt versuchte er seine H?nde aus dem Knoten zu befreien, doch es half nichts. Sie hatten ihn einfach zu fest geschn?rt.







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