Ist das alles? Teil 16

Autor: Dani
veröffentlicht am: 28.06.2008




Ich wollte ihn nicht gehen lassen, doch was hätte ich tun sollen? Es zerriss mir fast das Herz, als er die Stufen der Treppe hinunter stieg, sich noch einmal umdrehte, mich anlächelte und dann in sein Auto stieg.<bR>Minutenlang starrte ich auf die Stelle, an der der blaue Renault aus meinem Blickfeld verschwunden war. Noch immer spürte ich Stefans liebevollen Kuss auf meinen Lippen und ich meinte, seinen Geruch noch immer in der Nase zu haben. <bR>Langsam schloss ich die schwere Haustür und lehnte mich von innen dagegen. Meine Beine gaben nach und ich rutschte mit dem Rücken an der Tür hinunter und vergrub das Gesicht in den Händen. Die Tränen konnte ich nicht mehr zurück halten. Ich weinte vor Schmerz des Abschieds und vor Angst, ihn nie wieder zu sehen. <bR>Mit einem dichten Tränenschleier vor den Augen schlich ich geknickt die Treppe in mein Zimmer hinauf und legte mich auf mein großes Bett. <bR>Plötzlich wurde mir die Einsamkeit bewusst, die mich so lange umgeben hatte und es war, als wäre ein Teil von mir mit Stefan davon gefahren. <bR>Von Schluchzern geschüttelt rollte ich mich eng zusammen und weinte, bis ich keine Tränen mehr hatte. Mit Tränenspuren auf den Wangen starrte ich ausdruckslos in die Leere und ließ die letzte Woche noch einmal Revue passieren. <bR>Die ungeliebte Klassenfahrt, die begann, wie ich es mir ausgemalt hatte und dann durch Claudia, Susanne und Christian zu einem Horrortrip wurde. Doch dann war da Stefan. Von Anfang an, hat er mich respektiert und gemocht, wie noch niemand zuvor es getan hatte.Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als ich polternde Schritte auf der Treppe hörte und kurz darauf meine Zimmertür aufgerissen wurde. <bR>Mein Vater trat ein, mit wutverzerrtem puterrotem Gesicht. Erschrocken fuhr ich hoch, als seine Tirade auch schon begann. 'Willst du jetzt eine haben oder später?', fragte er mit drohend erhobener Hand. Ungläubig starrte ich ihn an. Ich wusste nicht, worauf er hinaus wollte, also gab ich mit vor Unsicherheit und Angst zitternder Stimme zurück: 'W…was ist denn los?' <bR>'Das getraust du dich zu fragen? Das ist ja wohl die Höhe! Ich erlaube deinem Lehrer, dass er dir eine Extrawurst gibt, und du allein nach Hause gefahren wirst und dann muss ich erfahren, dass du hier mit einem Jungen rumknutschst und ihn in unser Haus lässt!' <bR>'Aber Papa, weißt du nicht, was auf der Klassenfahrt geschehen ist? Stefan wollte nur nett sein und...', heulte ich und dachte fieberhaft nach, woher er wissen konnte, dass Stefan und ich uns geküsst hatten. <bR>'Mir ist egal, was auf dieser Fahrt war!', polterte mein Vater und ich zuckte erschrocken zusammen, ' Nie wieder, hörst du, nie wieder lässt du einen Jungen in mein Haus, ist das klar?' <bR>'Aber Papa…', fing ich an, doch das hätte ich lieber nicht tun sollen. <bR>Wutentbrannt überwand er die paar Schritte Distanz zwischen uns und ließ seine flache Hand auf meine Wange sausen. Ich konnte nicht ausweichen, also wurde ich durch die Wucht auf die Seite geschleudert, wo ich wimmernd vor Schmerz, Angst und Trauer liegen blieb. <bR>'Lass dir das eine Lehre sein, dämliche Göre!', mit diesen Worten verließ mein Vater mein Zimmer und ließ mich als Häufchen Elend zurück. <bR>Ich fragte mich, womit ich das verdient hatte. Was hatte ich verbrochen um das alles erleben zu müssen? <bR>Ich blieb noch lange so zusammengekrümmt auf meinem zerwühlten Bett liegen und konnte an gar nichts denken. Ich fühlte mich wie in Trance und nahm die Welt um mich herum kaum wahr. Meine Wange brannte an der Stelle, an der mein Vater mich getroffen hatte und ich wagte nicht, in den Spiegel zu schauen. <bR>Irgendwann schlief ich dann ein und wachte auch bis zum nächsten Morgen nicht mehr auf. Hunger verspürte ich keinen, so traurig und erschrocken war ich über alles, was geschehen war. Es war einfach zu viel auf einmal, so dass ich das Alles noch gar nicht richtig begriffen hatte. <bR>Ich blieb noch einige Minuten still im Bett liegen und betrachtete die Holzmaserung der Decke über mir. Es war Sonntag, doch meine Eltern waren zum Glück nicht da, denn sie waren am Wochenende immer auf diversen gesellschaftlichen Veranstaltungen, auf die ich sie für gewöhnlich begleiten musste. Doch nicht so heute, worüber ich auch mehr als froh war.Langsam und wie in Zeitlupe schlug ich die Decke zurück und schwang die Beine über die Bettkannte. Wahllos zerrte ich ein T-Shirt und eine Jeans aus meinem Kleiderschrank, der voll mit schicken aber unbequemen Kleidern war, die ich tragen musste, wenn meine Eltern mich einmal mehr präsentieren wollten, wie ein besonders lecker aussehendes Stück Fleisch. Mit einer Bürste fuhr ich durch meine unförmig abgeschnittenen Haare und betrachtete anschließend meine Wange, die sich angeschwollen anfühlte und schon eine leichte blaue Farbe angenommen hatte. <bR>Auf leisen Sohlen verließ ich mein Zimmer und schlich die Treppe hinunter. Im Wohnzimmer hörte ich das Geräusch des Staubsaugers und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Jelena, unser Hausmädchen, hatte mich sozusagen bei meinen Eltern verraten. Sie war fast immer im Haus und hatte Stefan und mich am gestrigen Tag sicherlich beobachtet, wie hatte ich das nur vergessen können? <bR>Für einen Moment lehnte ich mich an die kühle Wand und schloss die Augen. Warum war ich bloß in solch eine Situation geraten? <bR>Doch dann riss ich mich aus meinen Gedanken und verließ das Haus, unbemerkt von Jelena. Eigentlich hätte ich ihr solch eine Hinterhältigkeit nie zugetraut, aber so konnte man sich in Menschen täuschen… Gab es überhaupt einen einzigen Menschen auf der gesamten Erde, dem man vertrauen konnte? Ja, diesen Menschen gab es… mit dem kleinen Problem, dass er 150 km weit weg wohnte. <bR>Traurig dachte ich an die letzte Woche mit Stefan und insbesondere an die paar wunderschönen Stunden die wir gestern verbracht hatten, während ich durch die Straßen Richtung Stadtrand schlenderte. <bR>Erst als es langsam dunkel wurde, kehrte ich nach Hause zurück, wobei ich erleichtert feststellte, dass meine Eltern noch immer nicht zu Hause waren. Wären sie es gewesen, hätte es sicherlich wieder eine Standpauke gesetzt, die sich gewaschen hatte. <bR>Zurück in meinem Zimmer, zog ich mich bis auf die Unterwäsche aus und warf die getragenen Klamotten in einen geflochtenen Korb. Anschließend betrat ich mein kleines Bad, das direkt an mein Zimmer anschloss. Der warme Cremeton der Fliesen und Wände harmonierte perfekt mit den zimtfarbenden Teppichen und Handtüchern und eine seltsame Ruhe und Zufriedenheit überkam mich jedes Mal, wenn ich mich in diesem Raum aufhielt.Ich ließ auch die letzten Hüllen fallen, stellte mich unter die Dusche und genoss das prickelnde Wasser auf meiner Haut. <bR>Etwa 20 Minuten lang stand ich so da. Als ich die milchige Tür der Duschkabine aufzog, war der gesamte Raum von Nebelschwaden erfüllt und die Spiegel beschlagen. <bR>Mit einem weichen zimtfarbenen Frotteehandtuch rieb ich mich trocken und cremte mich anschließend ein. Ich verließ, nur mit einem Handtuchturban um die Haare geschlungen mein Bad, zog frische Unterwäsche aus einer Schublade. Ohne eine Nachtgarderobe überzuziehen, kuschelte ich mich in mein frisch gemachtes Bett. Die Vorstellung, dass Jelena, die Verräterin, dafür verantwortlich war, jagte mir kalte Schauer über den Rücken. Doch noch viel schlimmer war die Tatsache, dass ich am nächsten Morgen in die Schule gehen musste, denn mein Vater hatte mir ja unmissverständlich klar gemacht, dass ihn meine Situation nicht im geringsten interessierte. <bR>Aus einer inneren Eingebung heraus, zog ich mein Tagebuch aus der verschlossenen Schublade meines Nachtschränkchens und begann aufzuschreiben, was mich so bewegte und innerlich zerfraß. <bR><bR>'Liebes Tagebuch,… <bR><bR>-Fortsetzung folgt-







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