Auf der Suche nach Liebe

Autor: Princess
veröffentlicht am: 15.07.2007




Als mir Frau Martin vom Jugendamt mitgeteilt hat, dass meine Schwester Lynn und ich fortan das angesehene Internat ,,Villa Rosenstern' besuchen sollten wusste ich nicht was mich dort erwartet. Aber zunächst sollte ich vielleicht erst mal erzählen warum wir überhaupt mit dem Jugendamt zu tun haben.
Ich, Len 17 Jahre alt und meine 7 Jahre jüngere Schwester Lynn haben bis vor einem Monat mit unserem Vater in einer schäbigen Ein-Zimmer-Wohnung gelebt. Meine Mutter hat uns nach der Geburt meiner Schwester im Stich gelassen. Seid dem hat niemand mehr was von ihr gehört. Dadurch hat mein Vater angefangen zu trinken, hat seine Job verloren und hat sich einen Dreck um uns gekümmert. Als er unter seinem täglichen Alkoholeinfluss anfing mich zu schlagen, war er für mich endgültig gestorben. Hätte er Lynn jemals das Gleiche angetan, hätte ich ihn wahrscheinlich totgeschlagen, aber sie las sie glücklicherweise in Ruhe. Vor einem Monat war mein 17. Geburtstag. Ich wollte ihn mit ein paar Freunden am Strand feiern. Dafür hatte ich monatelang mein Gehalt von meinen Nebenjobs gespart. Doch als ich meine Spardose unter meinem Bett hervor holte war sie leer. Sofort wusste ich, dass mein Vater mir das Geld gestohlen haben muss um sich Schnaps zu kaufen. Als ich ihn zur Rede stellte war er wieder so dermaßen betrunken, dass er nur mit der Faust auf mich einschlug. Das war das erste Mal das Lynn gesehen hatte wie er mich schlug. Ich nahm sie schnell in den Arm und ging mit ihr in mein Zimmer. Sie weinte so wie ich sie noch nie weinen gesehen hatte. An diesem Tag betete ich nur, dass mein Vater sterben sollte. Ich wollte, dass er meine Schwester nie wieder zum Weinen bringt. Einige Stunden später schlief Lynn ein und ich wollte nach meinem Vater schauen. Doch als ich ins Wohnzimmer ging sah ich das Schrecklichste, was ein Mensch zu sehen bekommen kann. Mein Vater hatte sich erhängt. Wie es dazu kam das die Polizei kam und Lynn und ich im Jugendamt landeten weiß ich nicht mehr. Lynn weinte auf der Beerdigung wie eine liebende Tochter, doch ich bekam keine Träne aus meinen Augen. Denn ich war es ja der gebetet hat, dass er endlich stirbt.
Das alles ist inzwischen ungefähr ein Monat her. Nun hat das Jugendamt beschlossen uns auf ein Internat zu sicken. 'Es ist eine Chance für ein neues Leben' hat Frau Martin zu mir gesagt. Und das war es vielleicht auch wirklich. Aber vor allem war es der einzige Weg nicht von Lynn getrennt zu werden und das war alles was mir noch wichtig war. Am Abend vor unserem Umzug ins Internat bat mich Frau Martin noch um ein Gespräch. 'Len du weißt das es nicht einfach wird für euch in diesem Internat, denn dort sind nur wohlhabende Schüler. Vielleicht versuchen einige euch zu vergraulen, aber es ist der beste Weg euch wieder in eine normale Gesellschaft zu integrieren. Ich wünsche euch das Beste für die Zukunft.' 'Danke für alles was sie für mich und Lynn getan haben. Ich werde alles Mögliche dafür tun, dass Lynn wieder unbeschwert lachen kann.' Als ich dann zu Lynn zurück ging dachte ich sie schläft. Doch als ich mich gerade schlafen legte flüsterte sie: ,,Dich wird nie wieder jemand verhauen, weil ich dich beschütze!' Dann schlief sie ein.
Als wir am nächsten Morgen dann im Internat ankamen wurden wir sofort in Gruppenzimmer eingeteilt. Lynn wollte anfangs nicht in ein Zimmer ohne mich, doch die Hausmutter konnte sie dann schließlich doch überreden. Ich bekam eine Stunde Zeit um mein Bett zu beziehen und meine Sachen in den Schrank zu räumen. Ich war in einem Dreibettzimmer, aber die anderen Jungs waren schon im Unterricht. Nun wollte ich mir mit Lynn das Internat anschauen, aber sie war schon in ihrem neuen Klassenzimmer. Plötzlich kam eine ziemlich hippelige alte Frau auf mich zu. ,,Hallo Len ich bin Frau Grün, deine Klassenlehrerin, komm mit ich stell dich deiner Klasse vor.' Bevor ich etwas sagen konnte packte sie mich schon unterm Arm und brachte mich in ein Klassenzimmer. Allein der goldene Türgriff sah teurer aus als alles was ich je besessen habe. Schon von draußen hörte man die Unruhe, doch als wir das Klassenzimmer betraten verstummten alle. Alle musterten mich schrecklich. Am liebsten wäre ich weggelaufen, denn ich hasse es im Mittelpunkt zu stehen, doch das ging natürlich nicht. Wenn ich nicht von Anfang an als Weichei betitelt werden wollte, musste ich das jetzt durchstehen. Frau Grün forderte die Klasse auf mir Fragen zu stellen. Und das taten meine neuen Mitschüler ohne Hemmungen. Sie wollten wissen wo ich herkomme, ob ich Italiener bin wegen meiner braunen Augen und der Sommerbräune, ob ich ne Freundin habe und was man nicht sonst noch alles fragen konnte. Ich wollte mich gerade setzen, als plötzlich doch noch ein Finger nach oben ging. Ein Typ wollte seine Frage unbedingt noch loswerden. Da bemerkte ich sie. Nie zuvor habe ich ein so hübsches Mädchen gesehen. Durch lange blonde Haare blinzelten leuchtende blaue Augen. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen als ich ihr in die Augen sah. Erst als der Typ anfing mit seiner Fragerei, war ich wieder ganz da. ,,Bist du der Sohn von dem Vater, der sich erhängt hat?' Ich war sprachlos. Man hatte mir versprochen, dass auf dem Internat niemand was von meiner Vorgeschichte weiß. Plötzlich wurde es schrecklich still im Raum. Bevor ich irgendwas sagen konnte, mischte sich schon Frau Grün ein: ,,Len ich weiß nicht woher Tristan das weiß, aber ich versichere dir, dass keine Lehrkraft etwas in der Richtung erwähnt hat'! Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte und schwieg deshalb. Plötzlich kam ein jüngerer Lehrer besorgt ins Klassenzimmer. ,,Bist du Len Meier', fragte er mich. ,,deine Schwester..' Bevor er aussprechen konnte kam Lynn mir schon heulend in die Arme gerannt. Ich streichelte ihr übers Haar und versuchte herauszubekommen, was los sei.' Nach kurzer Zeit sagte sie mir endlich was los war: ,,Da haben sich zwei Jungs geprügelt, so wie dich Papa immer geschlagen hat', sagte sie mit zittriger Stimme. Nun wusste meine Klasse noch mehr, aber in diesem Moment war es einfach wichtiger, das Lynn sich beruhigt. Ich ging mit ihr raus um zu reden. ,,Hey Sternfee, du brauchst keine Angst mehr zu haben. Dir wird keiner etwas wehtun, das verspreche ich dir und Papa kann mich auch nicht mehr schlagen!' ,,Aber was ist wenn dich jemand anders haut?' ,,Hier sind alle ganz nett. Du wirt sehen das sind hier alles ganz liebe Freunde', sagte ich, um sie zu beruhigen. Daraufhin lächelte sie auch schon wieder und meinte, dass sie dann ja wieder zu ihrer Klasse gehen könnte und lief mit ihrem Lehrer mit. Ich selbst nahm meinen Mut zusammen und ging in den Klassenraum, mit der Hoffnung, diesmal nicht ganz soviel Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Als ich dann nach leisem Klopfen in erneut in den Klassenraum trat wurde es doch wieder totenstill. ,,Wo darf ich mich hinsetzten?', fragte ich und wurde auf einen Platz neben einen meiner neuen Mitschüler gesetzt. ,,Ich bin Robin' stellte er sich mir vor. Ich lächelte kurz und wartete das weitere Geschehen ab. Endlich unterbrach Frau Grün die Stile: ,,Len, ich weiß du möchtest hier neu beginnen und eigentlich vermeiden, dass irgendjemand was von deiner schwierigen Vergangenheit erfährt, aber vielleicht möchtest du jetzt, wo die Sache mit deinem Vater im Raum steht, doch noch etwas dazu sagen.' Ich merkte, wie schwer es ihr fiel das Thema anzusprechen. Ich überlegte kurz. Wenn ich jetzt alles erzähle, würde ich entweder unauszuhaltendes Mitleid oder Abneigung der anderen erfahren, aber wenn ich jetzt nichts dazu sage, kommen wahrscheinlich Gerüchte auf. ,,Also ähm na ja. Ich glaube es ist nicht unbedingt vorteilhaft die genannte Tatsache einfach so im Raum stehen zu lassen, aber ich bitte diese Klasse, wenn ich jetzt erzähle was Sache ist, meine Schwester nicht darauf anzusprechen und auch mich nicht anders zu behandeln, als jeden andern Neuen.' Ich schluckte kurz und begann dann zu erzählen. Ich merkte, dass es mir noch nie so schwer gefallen war, darüber zu reden. ,,Nach der Geburt meiner kleinen Schwester hat unsere Mutter uns und unseren Vater mit einem Haufen Schulden sitzen lassen. Daraufhin begann mein Vater zu trinken. Ich musste mich fortan um Lynn, meine Schwester kümmern. Mein Vater trank von Tag zu Tag mehr und wurde mir gegenüber schließlich handgreiflich.' ,,Warum hast du denn nicht das Jugendamt einbezogen?', fragte plötzlich eine Schülerin. ,,Ich hatte Angst, dass sie mich und Lynn trennen würden.', sagte ich und erzählte weiter. Ich berichtete schließlich von dem Ereignis vor meinem 17. Geburtstag. Ich merkte schließlich, dass meine Hände zitterten und plötzlich sogar Tränen übers Gesicht liefen. Noch nie hatte ich geweint, was den Tod meines Vaters anging, aber in diesem Moment wurde mir wohl irgendwie klar, dass der alkoholabhängige, gewalttätige Mann, den ich so hasste auch irgendwo mein Vater war.' Hektisch ging ich zurück zu meinem Platz, um nicht anzufangen zu weinen. Als ich wieder saß klopfte mir Robin freundschaftlich auf die Schulter: ,,Hey Kumpel er hat´s doch nicht anders verdient. Hier seid ihr sicher besser aufgehoben.' In diesem Moment war ich nach langer Zeit mal wieder ein wenig erleichtert und gewann einen Funken Hoffnung ein normales Leben zu führen und das vielleicht sogar mit Freunden.









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