Liebe mit Happy-End?

Autor: KleinesBabe
veröffentlicht am: 26.07.2004




Knall! Tür zu. Ich lasse mich auf mein Bett fallen, Tränen überströmen mein Gesicht. Es ist aus. Mit Richard und mir ist es endgültig vorbei. Und das Alles nur wegen seiner doofen Kumpels!Alles hatte so gut angefangen... Richard und ich hatten uns auf einer Party kennen gelernt und waren ins Gespräch gekommen. Kurze Zeit später saßen wir schon knutschend in einer dunklen Ecke. Wir trafen uns seitdem immer wieder und hatten echt viel Spaß. Daraus wurde langsam etwas Ernstes. Seit zwei Monaten sind wir nun schon zusammen und der große Altersunterschied von sechs Jahren hatte uns beiden nie etwas ausgemacht. Bis heute! Bloß, weil seine Kumpels finden, dass man mit neunzehn keine zwölfjährige Freundin haben sollte... Das wäre uncool, haben sie gesagt! Uncool! Wenn ich das Wort schon höre... Für Richard und mich war nie etwas uncool, geschweige denn unser Altersunterschied! Aber jetzt auf einmal ist ihm das nicht mehr egal... Jetzt, wo seine Kumpels sich über ihn lustig machen... Diese Idioten! Was geht die das an?! Das ist doch ganz allein unsere Sache! Warum mischen die sich eigentlich überall ein??
Na ja, jedenfalls rief er mich gleich danach an und sagte mir, dass es aus sei. Einfach so! Er sagte nur, dass der Altersunterschied wohl doch zu groß sei und dass das ein ziemliches Problem wäre. Ich war total geschockt und fragte ihn, warum er dass denn auf einmal finden würde; die ganze Zeit hätte es ihn doch auch nicht gestört. Aber er meinte nur, dass er seine Meinung jetzt eben geändert hätte, was ich ihm natürlich nicht abnahm. Das kann doch nicht sein! Kein Mensch ändert seine Meinung von einem Tag auf den anderen! Ich bin mir ziemlich sicher, dass seine Kumpels da die Finger im Spiel hatten, die waren von Anfang an nicht sehr begeistert, dass wir ein Paar sind. Ein Paar! Ich musste schlucken. Ach Richard, ich vermisse dich so! Warum kann nicht Alles wie früher sein? Du liebst mich doch auch! Bitte komm zu mir zurück! Wieder rollen Tränen meine Wangen hinunter. So kann es nicht weitergehen. Ich beschließe, Richard anzurufen. ,,Mist’’, denke ich, ,,um die Zeit hat er Training...’’ Richard spielt im Fußballverein unserer Stadt Fußball. Jeden Dienstag und Donnerstag. Heute ist Donnerstag. Also hat er um die Zeit Training. Ich seufze. ,,Warum habe ich eigentlich immer Pech im Leben?’’, frage ich mich. Ich lasse mich aufs Bett fallen und schließe die Augen. Ganz deutlich sehe ich Richard und mich beim letzten Sommerfest der Schule. Er ging zu der Zeit nicht mehr zur Schule, hatte sich aber, lieb wie er ist, bereit erklärt, mich dorthin zu begleiten. Natürlich gab es wieder Gemunkel, als man uns sah. Aber das war uns egal. Es gab nur Richard und mich. Und die kleine Wiese, auf der wir die ganze Zeit saßen und uns küssten. Immer wieder.
Wehmütig dachte ich an seine heißen Küsse. Sie schmeckten so gut, wie Gummibärchen mit Honig. Oder auch Schokolade. Ich kann diesen Geschmack nicht beschreiben... Es ist einfach nur traumhaft! Nein, es war traumhaft. Jetzt ist das alles nur noch eine schöne Erinnerung... Ich schluchze laut auf. Auf einmal klopft es an meiner Zimmertür. Meine Mutter öffnet die Tür. ,,Nadja, Liebes, was ist denn passiert?’’, fragt sie mit typischer Mutterstimme. ,,Hast du Sorgen?’’ Das fragt sie eigentlich immer, wenn meine Schwester mal wieder auf Diät ist. Das ist sie nämlich fast nie. Nur, wenn sie total frustriert ist.
Hanna ist zwei Jahre älter als ich und total jungsvernarrt. Sie hat fast jede Woche einen Neuen und ist deswegen selten zu hause. Aber wenn sie mal zu hause ist, textet sie uns entweder zu, mit allen Details ihres neuen Lovers, oder sie heult uns den Kopf voll, weil sie wieder einmal einer abserviert hat. Deswegen bin ich ganz froh, wenn sie mal nicht da ist. Eine pubertäre Vierzehnjährige ist schlimmer als eine Horde Kleinkinder!
,,Was ist los, Liebes?’’, fragt meine Mutter noch einmal.
Knall! Die Haustür fällt lärmend ins Schloss. Schon hört man Hanna im Flur heulen. ,,Tut mir leid Schatz, ich muss schnell mal nach Hanna sehen. Sie hat wahrscheinlich wieder versucht, so einen dieser eitlen Typen zu beeindrucken, der ihre wahre Schönheit nicht erkannt hat...’’ Und schon ist sie draußen. So schnell geht das. Hanna braucht nur anfangen zu flennen und schon rennt meine Mutter. Ob ich sie brauche, ist ihr dabei ganz egal. Macht aber nichts. Ich will jetzt sowieso alleine sein. Ich brauche niemanden, der wie eine Klette an mir hängt, und mir damit kein bisschen hilft. Ich brauche nur Richard! Ach Richard... Warum bloß musste es so enden? Liebst du mich denn gar nicht mehr?Halb fünf. Wenn ich mich jetzt beeile, erwische ich ihn noch, bevor er vom Training nach hause fährt. Ich muss unbedingt mit ihm reden. Jetzt. Sofort.
Fünf Minuten später bin ich mit meinem Rad schon auf dem Weg zum Sportplatz. Ich muss ihn unbedingt fragen, ob er mich noch liebt. Ob er die Sache mit dem Altersunterschied nicht bloß erfunden hat, um mir nicht wehzutun... Vielleicht hat er auch eine Andere...
Ich bremse scharf und wende. ,,Bloß weg!’’, denke ich, ,,Wenn er wirklich eine Andere hat, dann will ich ihn nicht mit ihr sehen. Den Anblick könnte ich nicht ertragen...’’ Tränen schießen mir in die Augen. Durch einen dichten Tränenschleier sehe ich ein Auto auf mich zurasen. Blitzende Scheinwerfer blenden meine feuchten Augen. Das ist alles, an das ich mich noch erinnern kann...
Ich öffne die Augen. Mein Kopf tut weh. Undeutlich kann ich weiße Vorhänge an einem großen Fenster erkennen und eine Krankenschwester, die neben mir steht. ,,Geht es dir etwas besser?’’, fragt sie freundlich. ,,Ich... Ich weiß nicht...’’, stammle ich. Krampfhaft versuche ich mich zu erinnern, was passiert ist. Ich kann mich nur an zwei Scheinwerfer erinnern, die rasend schnell auf mich zukamen... Dann ein Knall. Ich muss wohl bewusstlos gewesen sein... ,,Du hattest sehr großes Glück.’’, fährt die Schwester fort, ,,Fast hätte der Wagen dich überrollt...’’ ,,Wo ist Richard?’’, höre ich mich fragen. Die Schwester macht ein erstauntes Gesicht. ,,Wer?’’, fragt sie. Dann erinnere ich mich wieder. Es ist aus zwischen Richard und mir. Alles vorbei. Er hatte es mir ab Telefon gesagt. ,,Was hast du denn?’’, fragt die Schwester besorgt. Sie klingt wie meine Mutter. ,,Ich... Mein Freund hat Schluss gemacht...’’, schluchze ich. ,,Du armes Kind!’’, sagt die Schwester, ,,Das tut mir wirklich sehr leid! Wie lange wart ihr denn zusammen?’’ ,,Zwei Monate.’’, heule ich weiter, ,,Und er hat einfach so Schluss gemacht, von einem Tag auf den anderen, weil ihm der Altersunterschied plötzlich zu groß war...’’ ,,Wie alt war er denn?’’, fragt die Schwester weiter. ,,Neunzehn’’, antworte ich. ,,Ja, das sind sechs Jahre...’’, meint die Schwester. Plötzlich fange ich mich wieder. ,,Ach, lassen sie mich doch in Ruhe!’’, schreie ich sie an, ,,Wenn sie mir nicht helfen können, dann lassen sie mich allein!’’ Erschrocken steht sie Schwester auf und geht zur Tür. ,,Okay, ich lasse dich in Ruhe, aber wenn du reden willst, dann rufe mich!’’, sagt sie, ,,Drücke einfach den roten Knopf!’’ Dann verlässt sie den Raum. Schluchzend breche ich auf dem Bett zusammen. Ich will nicht mehr... Bringt mir Richard her! Irgendwann muss ich mich wohl in den Schlaf geweint haben, denn als ich die Augen wieder öffne, steht meine Mutter vor mir. ,,Hast du gut geschlafen?’’, fragt sie wieder mit ihrer warmen, fürsorglichen Stimme. ,,Nein’’, antworte ich. ,,Hast du Schmerzen?’’, fragt sie wieder. ,,Nein’’, wiederhole ich. ,,Die Schwester hat gesagt, dass du morgen schon nach hause kannst.’’, meint meine Mutter. Ich antworte nicht. ,,Warum haben mich die Ärzte nicht einfach sterben lassen?’’, schießt mir ein Gedanke durch den Kopf. ,,Dann müsste ich jetzt nicht so leiden...’’ Mir fallen die Augen zu. Die Heulerei macht ganz schön müde. Ich merke nur noch, wie meine Mutter mir einen Kuss auf die Stirn gibt und leise aus dem Zimmer geht. Dann sehe ich Richard. Er geht mit einem Mädchen eng umschlungen im Park spazieren. Sie ist ungefähr siebzehn bis achtzehn und ziemlich hübsch. ,,Jetzt hat er sich also eine Ältere geschnappt...’’, stelle ich fest. Ich will ihm zuwinken, aber mein Arm bewegt sich keinen Millimeter. Ich bin wie versteinert. Plötzlich bleiben die Beiden stehen. Sie kommen sich immer näher... ,,Nein!’’, denke ich, ,,Nein! Ich will das nicht sehen!’’ Ich will mich umdrehen und wegrennen, aber meine Beine kleben ganz fest auf dem Boden. Langsam kommen sich ihre Lippen näher, gleich werden sie zu einem leidenschaftlichen Kuss verschmelzen... ,,Neeeiiin!!!’’, schreie ich. Ich wache auf. Die Krankenschwester von vorhin steht neben meinem Bett. ,,Hattest du einen Albtraum?’’, fragt sie wieder mit der gleichen warmen Stimme, wie meine Mutter. ,,Ja...’’, stammle ich, ,,Er hat eine Andere, ich weiß es!’’ ,,Bestimmt nicht.’’, versucht sie mich zu beruhigen, ,,Ich bin übrigens Schwester Ines, wenn du mich brauchst, frage einfach nach mir.’’ Schwester Ines beugt sich zu mir herab und tupft mir mit einem nassen Tuch über die Stirn. ,,Schwester Ines?’’, frage ich. ,,Ja?’’ ,,Bitte sagen sie meiner Mutter nichts davon, dass mit Richard Schluss ist, ja?’’, bitte ich sie. ,,Okay’’, meint sie, ,,Jetzt versuch noch mal etwas zu schlafen.’’ Sie geht aus dem Zimmer. Ich kann jetzt nicht schlafen. Ich muss nachdenken. Über unsere (vergangene) Beziehung. Immer wieder denke ich daran, wie schön es mit Richard war... Was wir alles erlebt haben... Ich kann mich einfach nicht mit dem Gedanken abfinden, dass all die schöne Zeit vorbei sein soll... Was, wenn er wirklich eine Neue hat? Aber, nein, das kann nicht sein... Bis heute Mittag war er noch ganz normal... Gar nicht abweisend oder so... Kurz entschlossen nehme ich den Hörer und wähle seine Nummer. Jetzt muss er mir einfach Alles erklären!
Eine weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung lässt mich zusammenzucken. ,,Ja?’’ Das ist bestimmt nicht seine Mutter. Und eine Schwester hat er nicht. Also doch. Meine Vermutung hat sich bestätigt. Er hat wirklich eine Andere. Ich lege auf. Mit der neuen Miss Schwarz will ich nicht reden. Nie im Leben! Vielleicht habe ich mich einfach nur verwählt? Nein, das kann nicht sein, ich kann Richards Nummer im Schlaf. Eigentlich müsste ich sauer auf ihn sein. Aber ich kann nicht. Ich spüre nur Enttäuschung und Traurigkeit. Nie könnte ich sauer auf Richard sein!
Schwester Ines reißt mich aus meinen Gedanken. Ich hatte sie gar nicht bemerkt. ,,Willst du nichts essen?’’, fragt sie und schiebt mir ein Tablett mit Wurst- und Käsebroten unter die Nase. ,,Nein’’, sage ich. Ich kann jetzt nichts essen. Mein Magen ist wie geschrumpft. Mir ist schrecklich übel. Ich glaube, dass ich mich gleich übergeben muss. ,,Du bist so blass, ist dir nicht gut?’’, fragt Schwester Ines besorgt. ,,Mir geht es gut.’’, lüge ich. Nie würde ich zugeben, dass die Sache mit Richard mich so mitnimmt. Peinlich genug, mein Gefühlsausbruch vorhin. ,,Na gut, dann lass ich dich mal wieder allein...’’, sagt die Schwester. Sie geht und lässt mich mit meinem Kummer allein. Nie hätte ich gedacht, dass Liebeskummer so schwer ist... Ich schließe die Augen und denke nach. Über den Anruf und die fremde Frauenstimme. War es eine Frau? Nein, es klang wie eine Mädchenstimme. Eine, wie man es immer im Bus hört, wenn sich eine Gruppe Jugendlicher laut unterhält. Ist es wahr? Hat es wirklich eine Neue? Diese Frage stelle ich mir immer wieder. Die ganze Nacht liege ich wach und denke an ihn. Es wird langsam hell. Die Vögel fangen an zu zwitschern. Das Alles nehme ich gar nicht wahr. Ich schrecke hoch, als meine Mutter plötzlich im Zimmer steht. ,,Mach dich fertig, Schatz, wir fahren nach hause.’’
Langsam stehe ich auf. Wie in Trance schlüpfe ich in meine Klamotten. Meine Mutter trägt meine Tasche. Zusammen gehen wir aus dem Zimmer. Auf dem Krankenhausflur kommt uns Schwester Ines entgegen. ,,Na, gehst du schon?’’, fragt sie freundlich wie immer. Ich gebe keine Antwort. ,,Nadja, willst du nicht antworten?’’, fragt meine Mutter erstaunt. ,,Ja, ja, tschüss...’’, murmele ich nur. Schwester Ines beugt sich zu mir runter und flüstert mir zu: ,,Wenn du mich brauchst, ruf einfach hier an und verlang nach mir!’’ ,,Danke.’’, sage ich und versuche ein Lächeln. Aber es gelingt mir nicht.,,Was willst du heute essen?’’ Die typische Frage, die meine Mutter immer stellt. Diesmal im Auto. ,,Mir egal’’, sage ich nur. Ich bringe sowieso nichts runter. Ich schaue aus dem Fenster. Ein junges Pärchen läuft Arm in Arm auf der anderen Straßenseite. Zärtlich küssen sie sich. Ich spüre, wir mir schon wieder die Tränen kommen. Ich schlucke. ,,Zu Hause werde ich ihn anrufen und der Sache endlich auf den Grund gehen!’’, schwöre ich mir.
Wir biegen in unsere Hauseinfahrt ein. Langsam trabe ich ins Haus. Ich nehme das Telefon mit in mein Zimmer und wähle Richards Nummer. Nach dem fünften Klingeln nimmt endlich jemand ab. Aber es ist nicht Richard, sondern sein Vater. ,,Richard ist nicht zu hause.’’, gibt er Auskunft, ,,Er hat eine Verabredung.’’ Peng! Das war der Hörer. Ich hatte ihn kräftig auf die Gabel gehauen. Ein leises Knacken ist zu hören. Aber das ist mir egal. Mir ist alles egal. ,,Nadja, ist etwas passiert?’’, höre ich meine Mutter aus der Küche. Ich antworte nicht, sondern renne in mein Zimmer und schließe ab. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist eine nervige Mutter, die sowieso nur die Probleme von meiner pubertären Schwester interessieren.
Meine Vermutung hat sich bestätigt. Er hat doch eine Andere. Jeder andere hätte jetzt seine beste Freundin angerufen und ihr sein Leid geklagt. Aber ich habe keine beste Freundin. Meine Freundin, die behauptet, meine beste Freundin zu sein, versteht mich nicht und hält auch nie zu mir. Also, die kann ich vergessen.
Ich beschließe, ein bisschen spazieren zu gehen. Frische Luft tut immer gut. Aber andererseits: Dann laufe ich ihm vielleicht über den Weg und das will ich nicht. Ich bin hin- und hergerissen. Schließlich gehe ich doch. Wird schon nicht so schlimm werden... Aber da irre ich mich. Als ich nämlich am Sportplatz vorbeilaufe, sehe ich dort ein paar Kumpels von Richard stehen und lachen. ,,Er ist endlich vernünftig geworden!’’, sagte der eine. ,,Ja, ich hab ihm ja schon lange gesagt, dass er die Kleine gehen lassen soll...’’, ein Anderer. ,,Irgendwie tut sie mir ja schon leid, sie ist erst zwölf! Das muss ein ganz schöner Schock für sie sein...’’, wieder ein Anderer. ,,Ach was!’’, der Erste, ,,Die ist noch unverletzlich, die verkraftet das schon! Wahrscheinlich hat sie schon wieder ‚nen Neuen...’’ Ich habe genug gehört. Schnell renne ich nach hause. Tränen tropfen mir von den Wangen. Ich stürme in den Park und setze mich unter die große Eiche, unseren Lieblingsplatz – Richards und meiner. Hier waren wir öfters, wenn wir uns trafen. Ich schlinge die Arme um meine Knie und lege den Kopf darauf, heule ein bisschen. Alles ist so ungerecht. Die ganze Welt... Ich bin gerade dabei, wieder völlig in meinen Gedanken zu versinken, da tippt mich jemand von hinten an. Erstaunt drehe ich mich um, ohne mir dabei auch nur dir Tränen abzuwischen. Ich blicke in das freundliche Gesicht eines etwa siebzehnjährigen Jungen. ,,Was hast du denn?’’, fragt er, freundlich, wie er aussieht. ,,Ich...’’, fange ich an. ,,Hast du Probleme?’’, fragt er weiter, ,,willst du drüber reden?’’ ,,Ähm...’’, antworte ich. Er lacht. ,,Komm schon!’’, sagt er, ,,Ich beiße nicht!’’ Ich spüre, dass ich rot werde. Was stammle ich hier eigentlich so rum?! Er hat recht, er will mir ja bestimmt nichts Böses! Verlegen sage ich: ,,Ähm... Ich will dich ja nicht langweilen...’’ Der Junge lacht wieder. ,,Das tust du nicht, ich höre gerne zu.’’, sagt er, ,,Und vielleicht finden wir ja gemeinsam eine Lösung.’’ Auf einmal sprudelt die ganze Geschichte aus mir raus. Ich erzähle ihm alles, bis ins kleinste Detail: Wie wir uns kennen gelernt haben, unser erster Kuss, wie viel Spaß wir zusammen hatten und schließlich, wie er mit mir einfach per Telefon Schluss gemacht hatte. Nur von meinem Unfall sage ich nichts. ,,Besser nicht, sonst macht er sich noch Sorgen...’’, denke ich. Er hört mir aufmerksam zu. Er ist sehr ernst geworden. ,,Und das hat er einfach so mit dir gemacht?’’, fragt er schließlich. ,,Ja...’’, sage ich leise. Ich spüre, wie mir schon wieder die Tränen in die Augen steigen und versuche, sie zu unterdrücken. Nein, vor ihm will ich mich bestimmt nicht so bloßstellen!Aber es klappt wohl doch nicht so richtig, denn auf einmal nimmt der fremde Junge mich in den Arm. Sanft streicht er mich übers Haar. Es tut gut, endlich wieder in den Armen eines Jungen zu liegen. Schließlich lässt er mich los und hebt mit einer Hand meinen Kopf, sodass ich ihm direkt in die Augen schauen muss. Dann kommt sein Gesicht meinem immer näher. Ich schließe die Augen und...Etwas trifft mich hart. Eine Art Kugel. ,,Aua!’’ Ich halte mir den Kopf. Ein Ball rollt vor meine Füße. ,,Hey, was soll denn das?!’’, brüllt der Junge. Er kickt den Ball mit voller Wucht gegen einen Baum, so fest, dass die weiße Lederkugel zu platzen droht. Ich schaue mich um. Auf einmal erstarre ich. Richard steht hinter dem Baum und hält den Ball in Händen. Er guckt ziemlich wütend. ,,Richard!’’, schreie ich erschrocken. ,,So sehr liebst du mich also...’’, murmelt er und schaut zu Boden. ,,Richard, es ist nicht so, wie du denkst!’’, stammle ich. ,,Schon gut, ich hab verstanden...’’ Er kickt den Ball weg und rennt hinterher. ,,Richard!!!’’, brülle ich ihm hinterher, ,,Bleib hier!’’ Aber er ist schon fast nicht mehr zu sehen. Tränen der Wut und Enttäuschung steigen mir in die Augen. Der fremde Junge kommt zurück. ,,Ich hab’s wohl vermasselt...’’, murmelt er und schaut betreten zu Boden. ,,Es... Es ist nicht deine Schuld...’’, flüstere ich. Langsam schleppe ich meinen plötzlich ganz schwergewordenen Körper nach hause. Mein Herz fühlt sich an wie Blei. Ich fühle mich schrecklich. Wie konnte das nur passieren? Wie konnte ich mich von einem völlig fremden Jungen, deren Namen ich nicht einmal kannte, derart verführen lassen? ,,So sehr liebst du mich also...’’ hatte Richard gesagt. Ob er sich jetzt wohl genauso schrecklich fühlt wie ich? Aber eigentlich ist es ja seine Schuld, er hatte ja angeblich eine Freundin! Also stimmt das gar nicht... Ich hatte ihn zu Unrecht beschuldigt... Es tut mir alles so schrecklich leid! Aber was sollte ich denn tun? Ich renne nach hause, nehme das Telefon vom Schrank und wähle seine Nummer. Es klingelt fünfmal... Es klingelt zehnmal... Niemand meldet sich. Klar, es ist zwei Uhr mittags. Um die Zeit arbeiten seine Eltern für gewöhnlich. Und er war ja eben noch im Park, also kann er noch gar nicht zu hause sein... Oder er nimmt nicht ab... Was, wenn er mir nie mehr verzeiht? Mir gehen tausend schlimme Gedanken durch den Kopf: Was, wenn er vor ein Auto gelaufen ist? Oder gerade auf dem Weg zur nächsten Brücke ist, um sich von dort runterzustürzen? Obwohl... Er liebt mich... Aber geht seine Liebe wirklich soweit, dass er sich wegen mir sogar umbringen würde? Ich habe da so meine Zweifel... Ach was! Ich muss ihn nur anrufen und ihm alles erklären, dann ist alles wieder wie früher! Aber... Er hat ja mit mir Schluss gemacht, wieso regt er sich dann so auf, wenn ich mit einem anderen Jungen zusammen bin? Ich habe tausend Fragen. Aber auf keine einzige eine Antwort... Ach Richard, wenn du nur bei mir wärst... Das ist alles so kompliziert...
Aber Moment! Ich habe ja seine Handynummer! Ich nehme den Hörer wieder in die Hand und wähle seine Handynummer. Na klar, der Anrufbeantworter. War ja klar. Logisch, dass er nicht an sein Handy geht. Logisch? Er nimmt sonst immer ab! So viele Fragen... Mir ist ganz schlecht vom vielen Nachdenken. Oder sind das die Nachwirkungen des Unfalls? Vielleicht bin ich doch noch nicht richtig auf dem Damm... Na ja, egal! Jetzt muss ich erst mal die Sache mit Richard wieder hinkriegen, danach kann ich mich auf die faule Haut legen!
Zehn Minuten später stehe ich im Park unter der großen Eiche. Weit und breit nichts von Richard zu sehen. Aber Moment, er hatte ja einen Ball dabei! Er ist bestimmt auf dem Fußballplatz! Ich renne zum Platz. Auch nichts. Aber da drüben, in der Ecke, was ist das? Sehe ich nicht eine Spitze seiner gegelten Haare? Oder einen Fußball neben ihm? Nein, es ist bloß ein Mitarbeiter der Gemeinde, der den Sportplatz säubert. Plötzlich hält mir jemand von hinten die Augen zu. Ich stoße einen erschrockenen Schrei aus. ,,Keine Sorge, ich bin’s nur!’’, beruhigt mich der Junge von vorhin. ,,Ach, du...’’, murmele ich enttäuscht. ,,Sehr erfreut scheinst du ja über mein plötzliches Erscheinen nicht zu sein.’’, meint er. ,,Na ja, ich hatte jemand anderen erwartet...’’, sage ich leise. ,,Ach so...’’, sagt er enttäuscht, ,,Deinen Ex?’’ Ex! Wie sich das schon anhört... Richard ist nicht mein Ex! Er ist mein Freund!! Nur, wie bekomme ich ihn zurück? ,,Warum weinst du?’’, fragt er plötzlich. Jetzt erst merke ich, dass mir die Tränen in Strömen die Wangen runterlaufen. Gott, wie peinlich...! Schnell ziehe ich ein Papiertaschentuch aus meiner Tasche und wische mir damit dir Tränen ab. Der Junge will mich in den Arm nehmen, aber ich stoße ihn weg. ,,Nein!’’, schreie ich ihn an. Eigentlich wollte ich gar nicht schreien, es war mir nur so rausgerutscht. Erschrocken weicht der Junge zurück. ,,Sorry, das wollte ich nicht...’’, murmelt er verlegen. Dann fällt ihm etwas ein. ,,Ich heiße übrigens Matthias!’’, stellt er sich endlich vor. Das wollte ich eigentlich schon länger wissen, aber jetzt in diesem Moment ist es mir völlig egal. Ich will nur zu Richard! ,,Und wie heißt du?’’, fragt Matthias. ,,Ich?’’, frage ich entgeistert. ,,Ach so, ich bin Nadja...’’, schalte ich, nachdem ich mich wieder gefangen habe. ,,Schöner Name...’’, haucht Matthias. ,,Da-Danke...’’, stammle ich und werde rot. So etwas hat noch nie jemand zu mir gesagt, noch nicht einmal Richard! Langsam beginne ich daran zu zweifeln, ob ich überhaupt noch Gefühle für ihn habe... Ach was! Was denke ich da?? Ich liebe meinen Richard und sonst keinen!!
Ich reiße mich abrupt von Matthias los. Er guckt ganz erschrocken, aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen. ,,Tut mir leid, ich erklär’s dir später!’’, rufe ich ihm nach und weg bin ich. ,,Ich werde es ihm erklären, wenn ich ihn wiedersehe.’’, denke ich. Wenn ich ihn wiedersehe...Ohne mich umzusehen renne ich über die Hauptstraße. Autos hupen, Leute rufen mir böse Verwünschungen nach. Aber ich höre sie nicht. Ich will nur noch weg! Weg von hier und zu Richard, ihm Alles erklären, ihm den Versöhnungskuss geben, ihn in die Arme schließen, ihn spüren...Da stoppe ich. Will ich es überhaupt? Will ich mich mit Richard versöhnen? Eigentlich hat er ja damit angefangen! Er hatte plötzliche Verabredungen, er ging nicht ans Telefon, er machte mit mir Schluss... Nicht ich!
Keuchend bleibe ich stehen. Ich bekomme fast keine Luft mehr, so schnell bin ich gerannt. Dann sehe ich ihn. Auf der anderen Straßenseite steht er, eng umschlungen mit einem Mädchen. Ich bin wie erstarrt. ,,Ich will aufwachen!’’, schießt es mir durch den Kopf, ,,Weckt mich auf, ich will es nicht sehen!!’’ Das Mädchen wendet den Kopf und schaut mir nun direkt ins Gesicht. Dann dreht sie sich mit fragendem Gesichtsausdruck zu Richard um, der auch wie erstarrt scheint. ,,Kennst du die?’’, fragt ihn die Fremde. Er bringt keinen Ton heraus. Also muss ich das wohl übernehmen. ,,Nein, er kennt mich nicht, ich bin nur eine ahnungslose Passantin, die ganz zufällig ein Liebespärchen beim Händchenhalten erwischt hat.’’ Dann drehe ich mich um. Sehr glaubhaft klang das gewiss nicht, aber es ist besser, als einfach so ohne ein Wort abzuhauen.
Meine Schritte werden immer schneller, schließlich renne ich, nein ich rase. Direkt auf den Fluss zu, der vor mir langsam immer größer wird...
Plötzlich höre ich Schritte hinter mir. Ein Keuchen ist zu hören. Als ich mich umdrehe, sehe ich Richard, der auf mich zugerannt kommt. ,,Nadja, tu’s nicht!’’, brüllt er. Aber zu spät. Meine Füße berühren den Rand des Flusses. Sie finden keinen Halt auf dem schlammigen Grund. Ich rutsche ab. ,,Richard!’’, schreie ich, ,,Rette mich!’’ Blitzschnell ist er bei mir, aber die Strömung des Flusses ist zu stark. Er kommt nicht dagegen an. ,,Nadja!’’, schreit er immer wieder. Er rennt neben mir auf dem Ufer des Flusses und versucht, nach meiner Hand zu greifen. ,,Richard, pass auf, sonst fällst du auch noch rein!’’, rufe ich ihm verzweifelt zu. ,,Das ist mir egal!’’, schreit er zurück, ,,Ich lass dich nicht sterben!’’ Todesmutig springt er in die kalten, nassen Fluten. Als er mich erreicht hat, legt er den Arm um mich und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. ,,Es wird Alles gut, ganz sicher, meine Süße.’’, flüstert er mir zu. Dann greift er nach einem Ast, der gerade über uns entlang schleift und zieht uns Beide ans rettende Ufer. Keuchend bleiben wir auf der Wiese liegen. Der Schreck sitzt uns Zweien immer noch in den Gliedern. ,,Ist dir kalt?’’, fragt er. Obwohl es ein sonniger Tag ist, fange ich in der Tat an zu zittern vor Kälte. Richard zieht mich zu sich heran. ,,Das war ganz schön knapp.’’, sagt er, ,,Mach so etwas bitte nie, nie wieder!’’ ,,Bestimmt nicht.’’ Ich schließe die Augen und wir küssen uns zärtlich. Der Kuss will nie enden.
Plötzlich fällt mir noch etwas ein. Ich richte mich auf. ,,Wer war eigentlich das Mädchen vorhin?’’, frage ich vorsichtig. ,,Mach dir keine Sorgen.’’, antwortet Richard zärtlich, ,,Ich habe mit Janine Schluss gemacht.’’ ,,Kanntest du sie schon länger?’’, frage ich weiter. ,,Sie ist eine alte Schulfreundin.’’, meint er, ,,Es lief nie etwas zwischen uns, aber als du mit diesem Typen rumgeknutscht hast...’’ ,,Da lief auch nichts...’’, sage ich und es ist die reine Wahrheit. ,,Matthias wollte mich verführen, aber ich habe mich nicht darauf eingelassen, denn ich liebe nur dich!’’ Gerührt nickt Richard. ,,Na, dann bin ich ja beruhigt.’’ Wieder küssen wir uns und diesmal sogar mit Zunge! Es ist so ein schönes Gefühl, Richard wieder zu spüren... Ich liebe nur ihn und sonst keinen. Das ist mir erst richtig klargeworden, als ich ihn mit Janine gesehen habe. Niemand wird sich zwischen uns drängen. Niemand! Auch Matthias nicht!
Ich öffne die Augen. In der Ferne sehe ich Janine mit einem Jungen rumknutschen. Als ich genauer hinsehe, sehe ich, um wen es sich handelt: Matthias! Ich lächle. Also sind jetzt wohl Alle glücklich...Ich höre etwas knistern. Mit einer Hand hole ich einen Zettel aus meiner Hosentasche. Die Nummer von Krankenschwester Ines. Die brauche ich jetzt wohl nicht mehr. Nun haben Richard und ich uns wieder gefunden.









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