Die blaue Blume

Autor: Nachtpoetin
veröffentlicht am: 16.06.2004




Langsam kroch die Kälte ihren Rücken hinauf. Sie begann zu zittern und zogihren Mantel enger zusammen. Einsam und verlassen hallten ihre Schritte aufdem Asphalt. Über ihr schimmerte der Vollmond in weißem Licht undvereinzelte Sterne tanzten am Himmel. Wohlwollend sog sie die frischeHerbstluft ein und begann vor sich hinzuträumen. Die Nacht hatte etwasUnbeschreibliches, Geheimnisvolles. Die meisten Menschen hatten Angst vorihr und fürchteten sich alleine im Dunkeln, doch für sie war die Nacht dasLeben. Mit dem Tag konnte sie nicht viel anfangen, er war ihr zu hektisch...Obwohl sie mittlerweile schon total durchgefroren war, dachte sie nichtdaran umzudrehen.... Endlich war sie an der gesuchten Stelle angekommen....Eine kleine, unscheinbare Lichtung im Wald, umgeben von dichten Tannen. Inder Mitte stand ein großer, glatter Stein, der im Mondlicht zu glitzernschien. Fasziniert strich sie über seine kalte Oberfläche und kniete sichdann auf den Boden zu der blauen Blume. Sie war etwas ganz Besonderes. Mankonnte sie nur nachts blühen sehen und ihren süßlichen Duft, der nachfrisch gefallenem Schnee und Rosenblättern schmeckte, riechen. Zärtlichberührte sie die Blüte und strich über die Blätter. Sie war das Einzige, wasihr noch von ihm geblieben war... . An dieser Stelle war er damals in ihrenArmen gestorben. Eine kleine Träne löste sich von ihren Augen und viellautlos zu Boden... . Selbst im Dunkeln schien die Blume zu leuchten... IhrZittern wurde immer heftiger, doch sie konnte sich von dem Anblick diesesGeheimnisses nicht lösen. Jede Nacht machte sie sich auf den Weg zu ihr, umfür ein paar Stunden von ihrem Antlitz bezaubert zu werden. Sie hatte dieBlume damals zuerst nicht bemerkt. Das Pflänzlein war wie aus dem Nichtsentstanden und hatte sie in ihren Bann gezogen. Sie wusste nicht warum, abereine unbeschreibliche Liebe band sie an das kleine Grün. Vielleicht weil siesie so verdammt an ihn erinnerte?! Ach wäre er jetzt bei ihr... Sie sehntesich so nach ihm, nach seinen starken Armen und den zärtlichen Worten...Weinend stürzte sie der Länge nach mit ihrem Körper zu Boden und erfülltemit ihrem heftigen Schluchzen den verlassenen Wald. Sie verstand immer nochnicht warum!? Warum er sterben musste...!!
Nach langer Zeit, sie wusste nicht wie lange, richtete sie sich mühevollwieder auf und ging langsam nach Hause. Der Mond strahlte immer noch überihr, die Sterne führten weiter ihren nächtlichen Tanz... In ihrer Trauer,bemerkte sie nicht den Schatten im Dickicht.......
Vorsichtig schlich er durch das Dunkel des Waldes, immer darauf bedacht, aufkeinen trockenen Ast zu treten und somit ein Geräusch zu verursachen. JedenAbend beobachtete er sie. Es war schon wie ein angeborenes Ritual für ihngeworden und bis jetzt hatte sie ihn noch nicht bemerkt. Sie waraußergewöhnlich hübsch, mit ihrem langen blondem Haar, dem zierlichen Körperund den schönen blauen Augen. Irritiert schüttelte er seine Gedanken vonsich. Dieses Gefühl in seiner Magengegend, welches er immer in ihrer Nähebekam, das Kribbeln, dieses beherrschende Gefühl.... Er wusste nicht, warumsie immer zu dieser Blume ging, mit den traurigen Augen. Heute hatte sieschon wieder geweint. Wie gern würde er sie in den Arm nehmen und trösten.Doch er verstand nicht! Was war geschehen? Warum war sie immer allein, kamimmer nachts zum gleichen Ort und immer von Trauer erfüllt? Die Bäume wurdenweniger, weiter konnte er nicht gehen, ohne entdeckt zu werden! Sehnsüchtigblickte er ihr nach, bis sie aus seinen Augen verschwand.“ Hoffentlich kommtsie morgen wieder“, dachte er, bevor er zurück in den dichten Waldlief.......
Die kleine Flamme erhellt das dunkle Zimmer. Im sachten Wind flackerte siehin und her...
Ihre Augen glitzerten im Schein der Kerze. Langsam wurde es dunkel, dannwürde sie wieder in den Wald gehen. Abwesend starrte sie aus dem offenenFenster. In den Händen hielt sie seine Briefe. Sie wusste nicht, wie oft siediese schon durchgelesen hatte, aber jedes Mal füllte sich ihr Herz erneutmit Trauer...
Schließlich erhob sie sich aus ihrem Sessel, blies die Kerze aus und verließdas Zimmer....
Draußen war es kalt. Sofort begann sie wieder zu frieren. Man merkte, dasses bald Winter wurde, denn wieder war sie allein. Zu dieser Jahreszeit warkaum jemand nachts unterwegs. Heute war der Himmel bewölkt. Der Mond war nurab und zu zu sehen und Sterne waren keine da...
Der finstere Wald rückte näher. Ihre Arme waren von einer Gänsehautüberzogen und das mulmige Gefühl im Magen stellte sich wieder ein...Schongestern war es ihr so vorgekommen, als würde jemand sie beobachten.Der Wald duftete nach frischem Regen, der gestern gefallen war und nachfauler Erde. Fasziniert schritt sie zwischen den Bäumen hindurch, zurLichtung....
Sie war wieder gekommen, wie er es sich erhofft hatte. Das Kribbeln inseinem Bauch wurde immer heftiger. Er schlich sich näher an sie heran, ohnedarauf aufzupassen, entdeckt zu werden oder ein Geräusch zu verursachen. Erwar schon ganz nah bei ihr, als er einen alten, verdörrten Ast am Bodenübersah.....
Plötzlich ein Knacken!! Erschrocken drehte sie sich in die Richtung, aus derdas Geräusch gekommen war. Sie starrte angestrengt durch die Dunkelheit,doch sie sah nichts. Erst als sich der Mond jedoch für einige Sekunden anden Wolken vorbeischob, nahm sie zwei Augen zwischen den Bäumen war. Es waralso doch jemand hier!! Vorsichtig ging sie näher ans Dickicht heran.....Sie hatte ihn gesehen! Warum hatte er nicht besser aufgepasst?! Erverfluchte sich innerlich! Jetzt gab es kein zurückmehr und immerhin wollteer sie ja sowieso kennen lernen und wenn auch nur, um herauszufinden, um wenoder was sie trauerte. Entschlossen trat er in das schwache Licht desMondes, damit sie ihn sehen konnte......
Auf einmal stand er vor ihr! Mit den schwarzen Augen und dem schwarzen Haar,welches im starken Wind, der jetzt aufgekommen war, wehte...Unverwandt schaute er sie mit einem milden Blick an, der ihr die ganze Angstnahm...Lange standen sie sich gegenüber, die Blicke ineinander verfangen undohne etwas zu sagen. Doch es gebrauchte keiner Worte, denn die Gefühle, diesie füreinander verbanden, waren fast greifbar.
Er gefiel ihr, ohne Zweifel, mit seinem durchtrainierten Körper und demsüßen Lächeln, das über seine Lippen huschte.
Als er sich von ihrem Blick langsam lösen konnte, bemerkte er, dass siefror. Ihre Lippen hatten sich auch schon leicht bläulich gefärbt. Vorsichtigging er auf sie zu, doch sie rührte sich noch immer nicht. Zärtlich nahm ersie in seine Arme, um sie zu wärmen. Spürte, wie sie sich an ihn lehnte undleise zu weinen begann. Er würde sie nie wieder alleine lassen, dazu liebteer sie zu sehr.....

Die Sonne ging langsam auf, ihre ersten Morgenstrahlen fielen in den dunklenWald, auf die blaue Blume. Sie war nicht mehr schön und duftete, sondern warverdörrt und braun. Ihre Blätter fielen zu Boden, die Blumeverwalk...............









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