ER & SIE oder In einer dunklen Nacht!

Autor: Flocke
veröffentlicht am: 09.03.2007




Selbst wenn Jesus Christus vor ihm gestanden hätte, er hätte ihn nicht bemerkt. Zu tief war er in Gedanken versunken, in Gedanken an sie. Er merkte kaum das es bereits dunkel geworden war und sich die Straßenbeleuchtung einschaltete.
Mit leerem Blick ging er durch die verlassenen Straßen. Vor seinem inneren Auge tauchte immer wieder ihr Bild auf. Er dachte über sein Leben nach und wie es sich geändert hatte seit sie in eben dieses getreten war. Seit sie da war, war da ein Grund, ein Grund zum Leben. Er hatte mit den Drogen aufgehört, er war nicht mehr jeden Tag breit oder drauf, nur ab und zu auf einer Party erlaubte er sich es noch. Nicht weil sie es so gewollt hätte, er wollte es für sie. Er hatte Arbeit gefunden, man könnte sagen er bekam so langsam alles in den Griff...fast alles. Er sah ihre strahlenden verständnisvollen Augen, ihr Lächeln, er vermisste die Art wie sie sich auf die Unterlippe biss, wenn sie nachdachte. Was sie wohl gerade tat?

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Sie stand am Fenster und starrte hinaus, im Hintergrund lief leise ihr Lieblingslied, das bei ihr immer ein Gefühl von Trauer und Freude auslöste. Ein Gefühl wie wenn man an die guten Zeiten denkt aber weiß das diese sich nicht wiederholen. Sie rauchte schon die zweite Schachtel für diesen Abend, eigentlich hatte sie aufhören wollen. 'Aber warum?' Flüsterte sie ihrem Spiegelbild im Fenster zu, wohlwissend das sie darauf keine Antwort erhalten würde.Sie biss sich auf die Unterlippe.
Das warum beschäftigte sie am meisten. Warum tat Gott ihr das alles an?

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Warum? Die Frage hämmerte in seinem Kopf. Warum tat er immer den Menschen weh die er gern hatte? Er verstand sich selber nicht. Sie, ja sie hatte ihn verstanden oft sogar ohne Worte.Die letzten Wochen waren nicht leicht, für keinen von beiden. Für sie noch weniger als für ihn. Seine Großmutter starb, er hatte diese Frau immer bewundert, geliebt und er würde nie wieder bei ihr am Tisch sitzen und sich anhören müssen das er viel zu mager sei. Er ertrank seinen Kummer in Arbeit. Er ging um sechs Uhr morgens und kam abends um halb elf nach Hause. Er hatte kaum noch Zeit für sie. Er war nicht da für sie als ihr Vater versuchte sich umzubringen.

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Sie hatte sich an dem Tag vorgenommen für ihre Eltern zu kochen, als kleine Wiedergutmachung, da sie sich die letzten Tage kaum hatte blicken lassen. Doch es kam alles ganz anders. Ihre Eltern saßen in der Küche. 'Was ist denn mit euch, ist irgendwer gestorben?' Ihr Vater begann zu weinen. 'Nein mein Engel, deinem Vater geht's nicht gut.'Sie fragte nicht weiter, sie konnte ihren Vater nicht weinen sehen. Sie blies ihrem Fensterspiegelbild Rauch ins Gesicht, sie hatte nie etwas geahnt. Sie drückte die Zigarette aus und machte sich automatisch, ohne nach zu denken eine neue an. Sie sah sich im Flur stehen.Ein Arzt war gekommen und unterhielt sich mit ihrem Vater. 'Was ist denn los?''Er hat versucht sich umzubringen.' Mit diesen Worten fertigte ihre Mutter sie ab als wäre es das alltäglichste der Welt. Danach ging alles sehr schnell. Er wurde in eine Nervenklinik eingewiesen. Sie umarmte ihn noch, 'Mein Knuddelchen, meine kleine.' Er fing wieder an zu weinen und dann war er weg. Ihre Mutter erklärte ihr später das ihr Vater, der vor über zehn Jahren das trinken aufgab, versucht hatte sich mit Schlafmitteln und drei Flaschen Rotwein das Leben zu nehmen. Wie war das möglich, das war doch ihr Papa. Er war doch derjenige der immer für sie da war. Warum, warum hatte sie nichts geahnt? Und als ob das nicht genug gewesen wäre. Ihre Gedanken schweiften von ihrem Vater zu ihm, ihrer großen Liebe.Ihre große Liebe. Die nun keine große Sache mehr war. Sie hatte es stillschweigend ertragen, all die Zeit die sie sich nicht sahen, die Trennung. Sie hatte keine Kraft mehr. Immer wieder sah sie das Bild vor sich, wie er sie oft verständnislos ansah als würde er sie das erste Mal sehen. Sie vermisste seine ernsten grünen Augen und sie vermisste seine Küsse, den Geschmack seiner Zunge. Heiße Tränen rannen über ihr Gesicht 'Schluss jetzt' sagte sie scharf zu sich.
Sie musste hier raus, sie nahm die angebrochene Packung Zigaretten, machte die Musik aus und ging aus dem Haus. Sie ging langsam aber zielstrebig in die Nacht.

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Er wusste das sie oft keine Kraft mehr hatte aber sie beschwerte sich nie.Er wusste das es so nicht weiter gehen konnte er würde sie zerstören. Er wollte nicht das, dass Strahlen in ihren Augen ganz verschwand. Er ertrug es nicht, nicht bei ihr sein zu können.
Er sah nur einen Ausweg. 'Ich kann nicht mit dir zusammen sein. Es tut mir leid, wir sehen uns kaum noch, du hast jemanden verdient der dich glücklich macht. Ich kann dir nicht die Kraft geben die du brauchst. Ich weiß nicht...' weiter kam er nicht. Sie küsste ihn. Das hatte er nicht erwartet. Ja sie war immer verständnisvoll gewesen aber er hätte gedacht, er hätte sich erhofft das sie anfängt zu schreien, zu weinen. Er hatte gehofft sie würde ihn hassen, dann wäre es ihm einfacher gefallen sie zu vergessen. 'Ich verstehe dich und ich liebe dich. Vergiss mich nicht.' Das war das einzige was sie zu sagen hatte, danach ging sie aus seinem Leben.

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Sie schaute über die Stadt. Dies hier war ihr Ort. Das Dach eines Hochhauses, hier an der Kannte saß sie und ließ die Beine baumeln. Sie zündete sich eine an, inhalierte tief und blies kleine Rauchringe aus. 'Schreie, brülle, weine, renne ihm hinter her das alles ist es wert wenn du einen Jungen wirklich liebst.' Sie hatte den Rat ihrer Großmutter nicht befolgt. Sie hatte ihn gehen lassen. Sie hatte in seine Augen gesehen und war gegangen. Zuhause hatte sie sich eingeschlossen und hemmungslos geweint sie hatte versucht alle Gefühle raus zu weinen, ohne Erfolg.

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Nicht nur dass er eine wunderbare Frau verließ, jetzt wusste er nicht einmal mehr, wo er war. 'Ich hab mich tatsächlich verlaufen.' Das war jetzt aber auch egal. Seine Gedanken kreisten immer noch um sie. Er hatte nie an die Liebe auf den ersten Blick geglaubt, bis er sie sah. Hatte er überhaupt an so etwas wie Liebe geglaubt? Glaubte er an die Liebe? Er dachte an ihre erste Begegnung. Sie hatten sich auf einem Sommerfest kennen gelernt und saßen die ganze Nacht auf einem Heuballen abseits der Menge. Als die ersten Sonnenstrahlen am Horizont auftauchten küssten sie sich. Der schönste Kuss...

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....den sie je bekommen hatte. Sie hatten die Nacht über nicht viel geredet und doch alles gesagt. Wenn es etwas wie Seelenverwandtschaft gab dann zwischen ihm und ihr. Sie hatte sich noch in der selben Nacht in ihn verliebt. Es dauerte dennoch zwei weitere Wochen bis sie sich entschloss den entscheidenden Schritt in Richtung Beziehung zu gehen, und der war jetzt auf den Tag genau ein Jahr her. Tränen bahnten sich wieder den weg über ihre Wangen, sie wischte sie nicht fort, hier oben konnte sie weinen, hier durfte sie weinen. Sie vermisste ihn so sehr. Sie konnte nicht leugnen dass sie ihn immer noch liebte, mehr als alles andere. Sie schaute sich das Armband an, es war ein Geburtstagsgeschenk gewesen. Was hatte sie noch gleich zu ihm gesagt, damals noch bevor sie zusammen kamen?
'Kommen sie sofort von der Kante runter!!!' als sie sich umdrehen wollte um zu gucken wer sie so aus ihren Erinnerungen schreckte, verlor sie das Gleichgewicht....

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In der Nacht als er glaubte sich in sie zu verlieben, die Nacht auf dem Heuballen da hatte sie etwas gesagt. Etwas was er nie ganz verstanden hatte:
--In einer dunklen Nacht wird sie vom Himmel fallen. Sie wird dir vor die Füße fallen und dann weißt du dass sie es ist. Ohne die du nicht leben kannst. Dann weißt du was Liebe ist.--

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Er zuckte zusammen ein dumpfer Schlag keine fünf Meter neben ihm riss ihn aus den Gedanken. 'Oh gott!' Entfuhr es ihm. Jemand hatte sich von dem Hochhaus gestürzt vor dem er stand. Er ging näher ran, so viel Blut er konnte nicht erkennen, es war ein Mädchen... dann setzte sein Herz aus. Dieses Armband kannte er, dieses Armband kannte er nur zu gut, er hatte es selbst gekauft. 'In einer dunklen Nacht wird sie vom Himmel fallen.'
Er schrie nicht, er sagte nichts, er weinte, weinte leise Tränen die ihre Haut benetzten. Es sah aus als hätte blutige Tränen geweint.
Ein junger Mann in einer Uniform kam aus dem Gebäude gerannt 'Ich habe versucht sie aufzuhalten! Ich, ich hab sie dort sitzen sehen und wollte sie abhalten zu springen.'Der junge Wachmann lief wieder in das Gebäude um die Polizei zu verständigen und einen Notarzt zu rufen. ER ging ohne ein Wort zu sagen, er sagte ihr kein Tschüss und auch kein Ich liebe dich.
Er stieg die 165 Treppenstufen rauf und stellte sich auf das Dach. Tränen ertickt flüsterte er' Ich weiß es jetzt was es ist. Ich kann nicht ohne dich leben. Ich liebe dich!'Während er fiel, hörte er Ihre Stimme 'Du wusstest es die ganze Zeit.'









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