Geschichte einer Liebe - Disco Teil 6

Autor: €y€
veröffentlicht am: 11.04.2007




Unsere Beziehung veränderte sich. Je länger wir zusammen waren, desto mehr wurde der Altersunterschied deutlich. Ihre Freunde waren mir zu jung und meine Freunde waren ihr zu alt. Man konnte zwar Spaß miteinander haben und man arrangierte sich. Aber im Hintergrund türmte sich wie eine Bedrohung immer mehr das alte Problem der zwei Welten auf. Genauer gesagt waren es drei Welten: ihre Welt, meine Welt und unsere gemeinsame Beziehungswelt.

Manchmal, da redeten wir aneinander vorbei. Sie verstand meine Probleme dann nicht richtig und ihre Probleme erschienen mir lächerlich im Gegensatz zu meinen. Wir hatten oft unterschiedliche Vorstellungen, was unsere Freizeitgestaltung anging. Ich wollte immer etwas unternehmen und aktiv sein. Sie dagegen war etwas phlegmatisch, was mich aufregte. In meinen Augen ließ sie sich gehen. Ich wurde nervös, weil ich einen Riss in unserer schönen Beziehungswelt bemerkte. Auf einmal war er da. Wir redeten aber nicht über die Probleme. Sie waren ja auch nicht immer da, sondern nur manchmal. Alles in allem war es schön mit ihr. Und da war ja immer noch diese tiefe Vertrautheit, die uns verband.

Szenenwechsel. Ein Sommerabend. Ein dunkles Badezimmer, nur einige Teelichter auf dem Rand der Badewanne verstrahlten flackerndes Licht. Das mit Schaum bedeckte Wasser war angenehm warm und verströmte milden Honigduft. Wir zwei lagen in der Wanne und ich umarmte sie von hinten. Meine Hand strich langsam über ihren flachen Bauch und das Wasser plätscherte bei der Bewegung. Unsere Gesichter waren heiß und verschwitzt vom dampfenden Bad. Und, sie waren ganz dicht beieinander. Sie hatte ihren Kopf nach hinten gelegt, auf meine Schulter. Wir hatten die Augen geschlossen und das einzige was man hörte war unser Atem. Ich wünschte mir, dass alle Momente so sein könnten wie dieser.

Etwas später, selber Raum. Die Wanne war leer und statt der Kerzen brannte jetzt die grelle Neonröhre. Wir machten uns zurecht für den Abend. Ihre Figur machte mich an und ich bekam eine Erektion. Ich stand hinter ihr und drückte mich von hinten an ihren Po. Ich war ungeduldig. Ich ließ mich auf den Rand der Badewanne nieder und sie setzte sich langsam auf mich, mit dem Rücken zu mir. Nach einigem Probieren glitt ich in sie hinein. Ich fasste sie am Becken an, um ihre Bewegungen zu kontrollieren, um den Rhythmus zu bestimmen. Aber irgendwie machte es mich nicht mehr richtig an. Es war zu viel Gewohnheit dabei. Sie machte auch nicht richtig mit. Wozu auch, sie hatte ja kein Ziel! Konnte es ihr überhaupt Spaß machen, wenn sie nie kam? Ich merkte, dass sie gar nicht mehr richtig feucht war und hielt auf.
'Ich kann jetzt nicht.' sagte ich in einem dramatischen Tonfall. Ironischerweise schien es sie gar nicht zu stören.

Während sie sich vor dem Spiegel die Haare föhnte, saß ich nervös auf dem Rand der Badewanne. Wie ein kleines Kind ärgerte ich mich darüber, dass ich ‚versagt' hatte. Wie konnte sie so gleichgültig sein? Fand sie es nicht einmal schade, dass wir es nicht bis zum Schluss getan hatten? Der Sex war zu einfach zu haben, das stand fest. Wann immer ich Lust hatte, ich konnte es haben. Sie machte alles, was ich wollte. Überall und zu jeder Zeit. Es war einfach kein Reiz mehr dabei. Es störte mich auch, dass sie so passiv dabei war. Wieso kam von ihr aus nie mal eine Idee, wieso fing sie nie von sich aus an?

Einige Stunden später. Eine Party in einem Café und wir mittendrin! Plötzlich war ich wieder guter Laune und wir tanzten ausgelassen in der Menge. Die Stimmung war gut und die Leute kannten alle Texte auswendig. Als eine Episode mit nervtötenden Après-Ski-Liedern kam, gingen wir die Treppe herunter zu der anderen Tanzfläche. Einem aufgemotzten PR-Girl ließen wir falsche Handynummern da und bekamen als Dank einen Drink. Unten war der Black-Dancefloor. Wir gingen in die Menge hinein und rieben zu den treibenden Beats ein wenig unsere Körper aneinander.

Bald war es uns jedoch zu heiß, und so gingen wir nach draußen auf die große Terrasse. Die frische Sommerluft tat gut, denn sei dem letzten Bier drehte sich bei mir alles. Ich schwankte nur noch durch die Gegend und sie nahm mich an der Hand und führte mich zu einer der Bänke. Wir setzen uns hin, ich umarmte sie von hinten und legte meinen Kopf auf ihre Schulter. Wir küssten uns zärtlich und sie flüsterte mir 'Ich liebe dich...' ins Ohr.

‚Mein Gott ist mir schlecht', dachte ich. Da nahm ich den Geruch von Bratwürstchen wahr, der vom nahen Grill direkt in meine Nase wehte. Vielleicht würde die Übelkeit besser werden, wenn ich etwas im Magen hatte. Ich stand auf, torkelte zum Grill und bestellte lallend ein Würstchen. Der Mann am Grill grinste nur, vermutlich weil ich mich festhalten musste um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Beim Essen wurde ich wieder klarer und wir beobachteten von unserer Bank aus die anderen Leute. Es machte uns immer Spaß, andere Leute zu beobachten. Am Nebentisch war zum Beispiel ein wild fummelndes Abiturienten-Pärchen, dass später am Abend sicherlich noch viel Spaß haben würde. Das Mädchen war ein Partygirl mit einem typischen Partygirl-Gesicht.

Partygirl-Gesichter waren schon so eine Wissenschaft für sich. Ich hatte oft darüber nachgedacht, was sie auszeichnete. Wie oft war ich mit meinen Freunden schon in der Disco gewesen, und jedes Mal begegneten uns tausend Klone des Partygirl-Prototyps. Ohren, Nase und Mund waren nicht zu klein und nicht zu groß. Die Wangenknochen waren oft etwas stärker ausgeprägt. Die Haut war glatt. Diese Gesichter waren einfach hübsch, weil es nichts an ihnen auszusetzen gab. Weil sie keine Makel hatten. Und dennoch waren sie auf seltsame Weise nichtssagend. Nichts differenzierte sie von den anderen Klonen. Ich habe einmal eine Studie gelesen, in der Männer aus einer Auswahl von Frauengesichtern das für sie schönste heraussuchen sollten. Die meisten Männer entschieden sich für ein bestimmtes Gesicht. Dieses war allerdings kein reales Gesicht - es war ein computergeneriertes Durchschnittsgesicht aus den übrigen Gesichtern. Ein Gesicht ohne extreme Merkmale.

Sie riss mich aus meinen Gedanken und wir gingen wieder nach drinnen. Sie ging auf die Toilette und ich schwankte ein bisschen herum. Ich entdeckte einen ganz kleinen Dancefloor, auf dem aber niemand war. Ich schaute um die Ecke und sah dort ein Mädchen ganz einsam sitzen.
'Hallo, sag mal was ist denn das für Musik hier?'
'Hardcore-Trance.'
'Wer bist du denn?'
'Marie', sagte sie schüchtern.
Irgendwie war sie süß wie sie da so ganz alleine saß. Wie alt mochte das Mädchen sein, sechzehn? Sie sah aus wie die Unschuld in Person. Mit dem Alkohol im Blut kamen mir fast die Tränen vor Rührung. Sicherlich war sie ein ganz liebes und braves Mädchen, das die Bravo las und sich in der Freizeit mit Pferden beschäftigte. Das dachte ich, bis sie den Mund aufmachte und sprach (wir kamen auf das Thema Beziehung zu sprechen): 'Ey, ich war mal auf so ner Pady bei nem Typen von meiner Schule. Wir haben so deerbe gesoffen, das ging gar nicht! Naja sind dann irgendwann hoch in sein Zimmer und dann sind wir geil geworden und ham gef*ckt. War mein erstes Mal.

Hatte aber noch nie son richtiges Date.'
Ich war entgeistert und hoffte, dass sie nicht repräsentativ für ihre Generation war. Ich sagte ihr, dass das alles sehr interessant klinge, ich jetzt aber leider gehen müsse. Ich verabschiedete mich und ging wieder um die Ecke. Meine Freundin wartete im Gang und erzählte mir, dass sie in der Zwischenzeit drei Typen angesprochen hätten. Es ärgerte mich zwar, aber in gewisser Weise machte es mich auch stolz. Wir blieben noch etwas und fielen später zu Hause todmüde ins Bett.







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