Die Magie der Liebe

Autor: Marie
veröffentlicht am: 09.02.2007




[Dies hier ist eine andere Version der Geschichte 'Die ganz große Liebe'. Ich habe den Schluss umgeschrieben. Hoffe sie gefällt euch. lg marie]

Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie sie diesen Abend aussah. Sie trug ein weiβes Sommerkleid, welches ihre sommerliche Bräune betonte. Die honigblonde Lockenmähne hatte sie offen gelassen und fiel ihr nun über den nackten Rücken. Eine Strähne hing ihr frech ins Gesicht. Er wusste noch genau wie liebevoll sie ihn mit ihren grauen mandelförmigen Augen angesehen hatte. Er sah ihr zartes Gesicht noch genau vor sich, die schönen geschwungenen roten Lippen und kleinen Sommersprossen auf ihrer Nase. Alex konnte sich an jedes Detail seiner einstigen Liebe erinnern, welche er jedoch durch einen groβen Fehler verloren hatte. Damals war er noch jung gewesen und in gewisser Hinsicht auch dumm. Er hatte ihr genau das angetan, was er geschworen hatte nie zu tun. Treue war ihr heilig. Nach zwei Jahren Beziehung, beide waren erst zwanzig geworden, hatte er das Gefühl etwas verpasst zu haben. Eines Nachts, Alex war, nach einem recht heftigen Streit mit ihr, mit seinen Kumpels unterwegs, lernte er Inez kennen. Sie war feurig und spontan, wild und unbezähmbar. Beide verbrachten nur eine Nacht zusammen. Schon morgens holte ihn das schlechte Gewissen ein. Er war hin- und hergerissen. Schlussendlich gestand er ihr doch seinen Fehltritt. Sie schrie nicht, sagte keinen Ton, nur eine stumme Träne lief ihr über die bleiche Wange. Dies tat Alex noch mehr weh. Sein Herz schrie. Er bat sie ihm zu verzeihen. Doch sie zog sich zurück, wollte ihn nicht mehr sehen, keinen Kontakt mehr zu ihm haben. Tage und Wochen verstrichen. Sie verabschiedete sich in einem Brief von ihm, erklärte warum sie ihm nicht verzeihen konnte, oder sie es noch nicht konnte. '...es tut so weh dich zu sehen, ... du warst meine groβe Liebe und wirst es vermutlich auch immer bleiben...'
Sie bat ihn nicht mehr anzurufen. Er wurde schier wahnsinnig. Ein einziger Fehler trennte ihn von ihr.
Esther.

Fast vier Jahre waren seitdem vergangen. Der Schmerz lieβ nach, er wurde weniger, jedoch verschwand er nie ganz. Alex arbeitete nun in einer Werbeagentur, er hatte also einen guten Job, eine schöne Wohnung, und einen groβartigen Freundeskreis. Er konnte zufrieden sein. Zufrieden, nur eben nicht glücklich. Erst jetzt schätze er die Zeit die er mit Esther verbringen konnte.
Es war ein Tag wie jeder andere, Alex's Tag verlief routinemäßig. In der Mittagspause saβ er bei seinem besten Kumpel Toni in der Pizzeria und unterhielt sich mit ihm. Wie jeden Mittag. Als die Tür aufging kam eine junge Frau herein. Sie war mittelgroβ, modisch gekleidet, hatte langes Haar. Sie sah sich suchend nach einem Tisch um. Toni eilte zu ihr hin und wies ihr einen Tisch am Fenster an. Sie lächelte ihn scheu dankbar an. Alex drehte sich kurz um. Da sah er die honigblonde Wuschelmähne. Die junge Frau drehte sich noch einmal um. Er sah die grauen, nachdenklichen Augen. Sein Atem stockte. Esther! Diese Frau sah ihr zum Verwechseln ähnlich.
Toni kam zurück.
'Du siehst ja aus, als hättest du gerade einen Geist gesehen.'
'Nein nein, ich dachte nur, dass ich diese Frau irgendwoher kenne.'
'Ach so. Sie kommt in der letzen Zeit öfters her.'
Noch immer sah Alex leicht verwirrt aus. Er trank hastig seinen Espresso. Als er das Lokal verlieβ, blickte er noch einmal zu der Frau hin. Sie entgegnete seinem Blick, jedoch ziemlich gleichgültig.
Alex stürmte hinaus. Sein Herz raste. Sie war es ganz gewiss.
Ich muss wieder hinein. Ich muss mit ihr reden!
Unsicher ging er wieder hinein.
'Hey Alex! Hast du was vergessen?', rief Toni ihm schon entgegen.
'Nein.', stotterte Alex. Er starrte auf Esther. Sie studierte gerade die Speisekarte.
'Alex! Was ist denn los?'. Toni zerrte ihn zu nach hinten in die Küche.
'Du siehst aus als wärst du dem Tod persönlich begegnet. Nun raus mit der Sprache!'.
'Die Frau dort am Tisch ist Esther. Meine Esther.'
Toni sah ihn mit ungläubigen Augen an.
'Aber sie ist doch in Stuttgart!'.
'Ich muss mit ihr reden. Jetzt!' Und schon stürmte Alex hinaus. Zögernd ging er auf sie zu. 'Entschuldigung. Darf ich mich bitte setzen?'
'Ja, kein Problem.' Sie sah nicht mal auf.
'Kann ich bitte mit dir reden?'
Esther hob überrascht den Kopf. Nun sah sie ihm genau in die Augen. Doch nichts regte sich in ihnen. Sie blickten ihn noch immer gleichgültig an.
'Kannst du dich noch an mich erinnern?'
Ein fast lautloses ‚ja' ertönte.
Sie senkte den Kopf wieder über die Karte.
'Esther! Bitte sieh mich an. Ich wollte dir nur noch einmal sagen wie Leid es mir tut. Ich hab's nicht gewollt. Ich war jung und dumm. Es tut mir so Leid.'
'Okay.'
'Das ist alles was du sagst?', er starrte sie ungläubig an.
'Ja, ich möchte nicht mehr darüber sprechen.'
Er blickte sie traurig an und erhob sich. Leise ging er hinaus.

Abends saβ Alex in seiner Wohnung, und dachte über den heutigen Tag nach. Sie war wieder hier. Seine Esther. Doch sie wollte ihn nicht mehr sehen. Konnte er ihr es verdenken?Traurig ging Alex zu Bett. Er starrte hinaus in die Dunkelheit, und plötzlich stieg Kampfgeist in ihm auf. Er würde um sie kämpfen. Sie war die Liebe seines Lebens. Er würde es sich nie verzeihen wenn er jetzt wieder gehen lassen würde. Schlimmer als jetzt kann es kaum noch kommen. Mit neuem Lebensmut schlief er dann auch ein.

Alex verbrachte den ganzen Vormittag bei Toni in der stillen Hoffnung Esther könnte auftauchen. Aber sie kam nicht, auch nicht am Nachmittag. Die folgenden Tage tauchte sie auch nicht auf. Alex wurde langsam nervös. Als Esther auch am nächsten Tag nicht erschien, wollte Alex ihre Adresse über Internet rausfinden. Und tatsächlich wurde er auch fündig. Sie wohnte nur zwei Straβen von seiner eigenen Wohnung entfernt. Alex entschied sich kurz entschlossen hinzufahren. Er wollte sie nur mal sehen.
Er parkte seinen Wagen am Straßenrand, stieg aus und schlenderte über den Bürgersteig. 'M.straße . Das musste es sein.', murmelte er vor sich hin.
Es war ein groβes Gebäude mit einer schönen alten Fassade. Die Eingangstür war aus schwerem Holz und grün gestrichen. Hier wohnte sie also.

Er betrachtete gerade das Haus als sie aus ihrem Wagen stieg.
'Hi', sagte er schüchtern.
'Hi', entgegnete sie fast ebenso scheu.
'Es tut mir Leid, dass ich dich neulich so kühl behandelt habe.'
'Nein, ist schon gut!'
Stille. Er sah auf den Boden. Endlich fasste er sich ein Herz.
'Hast du Lust auf einen Café?', fragte er.
'Gerne.', sie lächelte.
Sie schlenderten zu einem kleinen Café auf der anderen Straβenseite. Es war gemütlich dort.
In den ersten Minuten sagte niemand ein Wort.
Er lächelte sie versonnen an.
'Ich will, dass wir Freunde werden.', begann sie ganz unvermittelt.
'Klar klar. Das will ich auch.', stotterte er. Insgeheim hatte er sich jedoch mehr erhofft. Aber wenn sie es so wollte.
'Gut.', sie lächelte.
Die nächste halbe Stunde unterhielten sie sich gut. Die alte Geschichte war fast vergessen. Sie lachten und plauderten. Ihre Augen glänzten. Alex strahlte. Er hatte sie so vermisst. Als sie gehen musste gab sie ihm zaghaft die Hand. Er drückte sie sanft, hielt sie jedoch ungewöhnlich lange in seiner.
Glücklich schlenderte Alex zu seinem Auto und fuhr nach Hause.

In den nächsten Wochen und Tagen verbrachten sie immer mehr Zeit miteinander. Sie waren wieder Freunde wie früher. Sie gingen ins Kino, sogar einkaufen, oder manchmal gingen sie auch nur im Park spazieren. So wie an einem warmen Sommerabend. Sie saβen auf der Wiese im Park und schauten in die Sterne. Es war ganz still, man hörte nur ganz sanft die Grillen zirpen. Dieses Geräusch hatte etwas Beruhigendes. Esther deutete auf die Sterne im Himmel.
'Weiβt du noch, als wir früher oft hier saβen ? Es war immer so friedlich.'
'Ich weiβ. Wir waren meistens die einzigen, die dann noch hier waren.'
Er betrachtete sie verliebt von der Seite. Sie war noch immer so schön wie damals, wenn nicht schöner. Er sah ihre Augen die angestrengt in den Himmel starrten.
'Hey, was guckst du denn so?'
Er lächelte sie noch immer an.
Alex beugte seinen Kopf langsam zu ihr hinunter. Er sah ihr in die Augen, seine Lippen näherten sich zaghaft ihren. Sanft fing er an sie zu küssen. Sie erwiderte den Kuss zart, streichelte ihm mit der Hand über die Wange.
Doch plötzlich stieβ sie ihn weg. Sie schluchzte und rannte weg. Alex sah ihr fassungslos nach.
'Esther! Esther! Komm zurück, bitte.'
Er lief ihr nach. Erst am Straβenrand holte er sie ein und fasste sie am Arm.'Was ist los?'
'Ich kann das nicht.'
'Wieso? Was habe ich falsch gemacht?'
'Bitte. Ich kann nicht. Es geht nicht!', sie blickte ihn traurig an.
Sie weinte und ging weg.
Er starrte ihr nach. Wer weiβ wie lange er so dastand. Er verstand die Welt nicht mehr.

In den nächsten Tagen hörte er nichts von Esther. Sie ging nicht ans Telefon und rief ihn auch nicht zurück. Er würde wahnsinnig werden.
Nach ein paar Tagen Funkstille, entschloss sich Alex zu ihr zu fahren. Auch Toni bestärkte ihn darin.
Als er dann vor ihrem Haus stand, überlegte er was er ihr denn nun sagen sollte.
Unruhig ging er vor dem Haus auf und ab. Schlieβlich hatte er Mut gefasst und ging zur grünen Tür. Gerade als er sie öffnen wollte, trat Esther heraus.
Sie erstarrte. Aber auch Alex blickte ungläubig. Esther trug auf dem Arm ein kleines Mädchen. Alex vermochte nicht zu sagen wie alt sie war. Erst starrte er Esther an dann das Kind. Er ging ein Schritt zurück.
'Du... du bist...verheiratet?', stotterte er.
'Nein, nein, du verstehst das falsch.', rief sie.
'Oh mein Gott.'
Alex lief zum Auto und startete es. Er sah noch wie Esther auf das Auto zukam.
Doch er fuhr weg.
Er fuhr wie ein Irrer über die Straβe ohne Ziel. Er war außer sich. Er musste sich ablenken. Deswegen also war sie im Park so plötzlich weggelaufen. Erst nach und nach wurde ihm bewusst, dass er sie nie wieder bekam. Sie war nicht mehr seine Esther. Sie hatte nun eine Familie. Ein Kind.
Es tat sehr weh.

Er verbachte die nächsten Tage zu Hause. In der Agentur hatte er sich für ein paar Tage krank gemeldet. Das letzte was er nun bräuchte wäre nervige Kollegen und einen gestressten Chef, der ihm wegen der neuen Präsentation im Nacken saβ.

Mittwochs klingelte das Telefon. Doch er ging nicht ran. Über den Anrufbeantworter hörte er, dass es Esther war.
'Hi.' Ihre Stimme klang ruhig, jedoch mit einem traurigen Unterton.
'Wir müssen reden, bitte. Es ist wichtig. Ich warte heute Nachmittag um drei im Park auf dich. Bitte komm.'
Alex wusste nicht ob er hingehen sollte. Was wollte sie ihm noch sagen? Wollte sie ihm vielleicht ihren Mann vorstellen? Er lachte bitter.

Esther saβ fast den ganzen Nachmittag im Park. Wie sollte sie ihm das erklären? Würde er es verstehen? Er würde bestimmt zornig werden. Na ja, sie könnte das auch irgendwie verstehen. Sie rupfte an ein paar Grashalmen. Ihre Nervosität stieg von Minute zu Minute. Drei Uhr. Er war noch nicht da. Sie atmete ein paar Mal tief durch.
'Komm schon, Esther! Das klappt schon. Er wird dich schon nicht fressen.'
Halb vier. Endlich, da hinten sah sie ihn kommen. Er trug ein einfaches schwarzes T-Shirt und eine Jeanshose. Er sah so gut aus.
'Hallo.' Seine Stimme klang rau. Er blickte sie nicht an., sondern sah stur in eine Richtung.'Hi.', erwiderte sie leise seufzend.
'Nun? Was willst du mir sagen? Was sagt dein Mann dazu, dass du dich mit mir im Park triffst?'
Er klang ein wenig streitsüchtig, aber das kannte sie ja noch von früher.
'Ich bin weder verheiratet, noch habe ich einen Freund.'
Er atmete hörbar auf. Er blickte sie nun ganz anders an, nicht mehr so düster, sondern freundlich.
'Aber das Kind.'
'Nun ja es ist mein Kind. Sie heiβt Zofia.'
Alex sah sie zweifelnd an. Auch Esther blieben diese Zweifel nicht verborgen.'Kennst du das Wort ‚alleinerziehend' nicht?', fragte sie und versuchte zu lächeln.'Doch natürlich. Aber wieso hast du es mir nicht gesagt? Ich meine, vertraust du mir so wenig?'
Sie sah ihn nicht an. Er verstand. Natürlich hatte sie ihm noch nicht verziehen. Warum sollte sie auch, nachdem was er ihr angetan hatte.
'Gut, ich verstehe.', sagte er verbittert.
'Nein, nichts verstehst du, absolut nichts.', rief sie aufgebracht. Verwirrt sah er sie an.'Dann erklär mir bitte warum mir verschwiegen hast, dass du eine Tochter hast. Bitte, Esther.', bat er leise und sah sie eindringlich an.
'Wenn ich dir zu viel von mir und meinem Leben preisgebe, ist die Gefahr gröβer, dass du mich wieder so verletzt, und genau das will ich verhindern.', sagte sie leise, blickte ihm aber fest in die Augen.
Der Ausdruck in ihren Augen nahm ihm dem Atem und verstörte ihn noch mehr als das Gesagte selbst. Doch er begriff es nun auch. Sie hatte ihm nicht verziehen, wahrscheinlich würde sie es auch nie können. Verletzt sah er sie an.
'Du wirst mir nie verzeihen können oder?', sagte er langsam.'Ich weiβ es nicht. Alex, du hast mir damals so wehgetan!'
'Ich wünsche mir nichts mehr, als dass du mir endlich verzeihen kannst. Bitte.', flüsterte er verzweifelt.
Sie sah ihn an, doch er konnte ihren Blick nicht deuten. Liebe? Hass? Zweifel oder Gleichgültigkeit? Jedoch hatte er das Gefühl, dass sie ihm noch etwas sagen wollte.'Ich muss gehen.', sagte sie leise und erhob sich. Er nickte. Und wieder lieβ er sie gehen.

Die nächsten Tage verliefen ruhig. Alex ging wie gewohnt seiner Arbeit nach, jedoch hatte er keine Lust mit Freunden zu unternehmen. Seine Gedanken schwirrten nur noch um Esther, jedesmal wenn das Telefon klingelt oder wenn eine Frau mit blonden Locken in der Fussgängerzone sah, dachte er an sie. Er wusste, dass es Unsinn war, dennoch konnte er an nicht anders.
Gegen Abend klingelte es an seiner Tür, wieder flammte die Hoffnung in ihm auf, doch diese verschwand sofort wieder als er Toni in der Tür stehen sah.
'Na komm, jetzt gehen wir erst mal ein Bier trinken.', grinste er. Alex seufzte auf.
'Ich hab' keine Lust.'
'Du kannst von mir aus hier an jedem anderen Tag versauern, aber bitte nicht heute, denn noch einen Männerabend lass' ich nicht platzen. Verstanden?'
Alex gab sich geschlagen und nahm eine Jacke vom Garderobenständer.
'Wenn's denn unbedingt sein muss.'

Wie jeden Freitagabend waren wieder viele Leute da, die sich von der anstrengenden Woche erholen wollten. Toni bahnte sich den Weg zum Tresen frei und fand wie durch Zufall gerade noch zwei freie Hocker.
'Zwei Bier, bitte.', rief er dem Barkeeper zu und wandte sich wieder zu Alex. 'So, nun erzähl mal wieso du dich die letzten Tage nicht in der Pizzeria blicken gelassen hast? Wie kannst du nur ohne meine Pizza klarkommen?', fragte er amüsiert.
Alex sah ihn schief an. 'Ich kann auch kochen, weiβt du.'
'Alex, sag einfach was los ist.'
'War Esther in der Pizzeria?', fragte Alex plötzlich.
'Achso daher weht der Wind. Ja, sie war einmal da, aber nicht alleine.'
Alex sah überrascht auf. 'Wer war bei ihr?'
'Nunja, sie ...', druckste Toni herum, 'sie hatte ein kleines Mädchen bei sich.'
Zweifelnd sah er seinen Freund an.
'Ja, ich weiβ, sie hat eine kleine Tochter.'
'Okay, dann ist ja gut wenn du Bescheid weiβt. Die Kleine ist wirklich niedlich. Aber jetzt zähl mal, was ist mit dir los?'
Alex atmete tief durch. 'Ich wusste nicht, dass sie ein Tochter hat. Dann haben wir uns naja nicht richtig gestritten. Aber sie ruft nicht mehr an und ich kann sie auch nicht anrufen.''Wieso kannst du sie nicht anrufen? Das verstehe ich nicht.'
'Sie kann mir nicht verzeihen.' Alex nahm einen Schluck von seinem Bier.
Toni sah ihn mitleidig an.
'Wieso sagst du ihr nicht einfach was du für sie empfindest?'
'Ja klar.' Alex tippte sich an die Stirn.
'Aber sie hat doch keinen Freund oder so?', fragte Toni plötzlich.
'Nein, wieso?'
'Dreh dich um.'
Eine junge Frau hatte gerade die Kneipe betreten, aber nicht allein. Sie war in Begleitung eines jungen Mannes, kaum älter als Alex selbst. Beide setzte sich an einen Tisch an der Wand. Wie es aussah schien nichts weiteres sie zu verbinden als Freundschaft, doch in Alex brannte die Eifersucht.
'Mir hat sie gesagt, dass sie keinen Freund hat.', zischte Alex.
'Hey, reg dich mal ab. Vielleicht ist es nur ein alter Freund oder ein Arbeitskollege.', beschwichtigte Toni seinen Freund.
'Ich gehe jetzt zu ihr rüber.'
'Nein, das wirst du nicht. Willst du dich etwa komplett zum Affen machen?'
'Ja, wenn es unbedingt sein muss.'
'Ich rate dir davon ab. Ehrlich, man, überleg mal. Nachher ist dein Problem noch gröβer. Vergiss es und ruf sie lieber morgen an.'
'Nein, ich gehe jetzt rüber.' Er sprang vom Hocker auf und ging zielstrebig auf sie zu.'Ich muss mit dir reden sofort.',zischte er.
Esther und ihre Begleitung sahen ihn erstaunt an.
'Sofort.', Alex brüllte fast.
'Verdammt was ist los?', rief Esther als sie draußen angelangten.
'Wer ist er? Du hast doch gesagt du hättest keinen Freund.'
'Hab' ich auch nicht.'
'Ich hab' doch Augen im Kopf.'
'Lukas ist nicht mein Freund. Willst du das nicht verstehen?'
'Um nur ein Freund zu sein sieht er viel zu gut aus.', murrte Alex.
Wenn die Lage nicht so ernst wäre, hätte Esther lachen müssen. Doch sie sah ihn verwirrt an.'Alex, ich weiβ nicht was du willst? Warum lässt du mich denn nicht in Ruhe?', fragte sie beinahe verzweifelt.
'Esther, wir haben uns geküsst und du kommst hier mit einem anderen Typen an.'
'Du bist so ein Idiot, so ein verdammter Idiot.' Wütend wandte sie sich ab und ging wieder hinein. Rasend vor Eifersucht und doch ein wenig beschämt und vorallem traurig ging Alex wieder nach Hause.

Am nächsten Tag lief Alex wie ein Verrückter durch die Straβen und fragte sich immer wieder warum er gestern solch einen Aufstand gemacht hat. Kurz entschlossen entschied er sich bei Esther zu entschuldigen und joggte schnurstracks in Richtung Maienstraβe.Als er vor ihrer Wohnungstür stand, holte die Nervosität ihn doch noch ein. Wie im Traum klingelte er an ihrer Tür, und es kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor bis jemand öffnete.'Was willst du?'Zwei grauen mandelförmigen Augen sahen ihn böse an.
'Ich... ich wollte mich entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich mich so aufgeführt habe. Ich hab' mich wie ein Idiot benommen. Kannst du mir das denn bitte verzeihen?', er sah sie schüchtern an.
'Ja, aber bitte mach so etwas nie wieder.'
'Ich würde es schön finden, wenn ... wir uns wieder treffen könnten.', fragte er schüchtern.'Ich weiβ nicht ob das ...', fing sie an.
'Esther?', rief eine Stimme aus der Wohnung.
Alex erstarrte, als der Mann vom vorigen Abend plötzlich neben Esther stand.
'Okay, ich verstehe schon.' Traurig und eifersüchtig zugleich wandte er sich ab und stolperte die Treppen hinunter. Verdammt.

Währendessen in Esthers Wohnung, der gutaussehende Mann hatte Zofia auf dem Arm und redete ernst auf Esther ein.
'Esther, ich finde du musst es ihm sagen. Es ist unfair ihm gegenüber. Denk doch mal nach.''Verdammt Lukas, was soll ich denn machen? Ich weiβ doch ganz genau wie er reagieren wird. Zuerst wird er furchtbar wütend, weil ich es ihm nicht gesagt habe und dann verschwindet er eh.'
Kopfschüttelnd sah er sie an. 'Ich kann dir auch nicht helfen. Nur eins rate ich dir, ich würde nicht wollen, dass man mich so behandelt.'
Esther seufzte, denn sie wusste, dass er Recht hatte.

Abends ging Alex wie so oft durch den Park spazieren um sich zu entspannen und nachzudenken. Doch das klappte an diesem Tag nicht so ganz. Er war wütend und traurig zugleich und konnte es einfach nicht fassen, dass Esther ihn so eiskalt angelogen hatte und er wollte ihr noch seine Gefühle gestehen.
‚Was bin ich doch für ein Idiot!', murmelte er vor sich hin und setzte sich auf die Bank. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen und stütze seinen Kopf in die Hände.
'Du bist kein Idiot.'
Ruckartig drehte er sich um. Hinter ihm stand Esther, sie fuhr sich nervös durch die Haare.'Ich will nicht mit dir reden.'
'Doch du musst. Wir müssen reden.', sagte sie leise aber bestimmt und setzt sich neben ihn, jedoch so, dass noch viel Platz zwischen ihnen war.
Stille.
'Damals als ich fortging, da ist etwas passiert. Ich weiβ nicht wie ich es dir erklären soll, und wahrscheinlich wirst du unheimlich wütend werden und das zurecht. Ich weiβ nicht ob es richtig war so zu handeln. Aber damals habe ich keine andere Möglichkeit gesehen. Aber vorher will ich dir noch etwas wichtiges sagen.' Sie machte eine Pause und spielte angespannt mit einer Locke. Alex sah sie verwirrt an.
'Zofia ist jetzt drei Jahre und fast zwei Monate alt.', sie lächelte zittrig und sah ihn von der Seite an. In Adams Kopf begann es zu rotieren. Drei Jahre und fast zwei Monate. Seine Kehle wurde ganz trocken, und es war mühsam einen vernünftigen Ton herauszubringen.'Das kann nicht sein! Zofia ist meine Tochter?', stellte er leise fest.
'Ja.'
'Warum hast du nichts gesagt? Verdammt Esther! Unser Leben wäre ganz anders verlaufen.', er schrie beinahe.
'Ich kann verstehen, dass du wütend bist, aber damals sah ich keine andere Lösung. Ich war wütend und enttäuscht.'
'Verdammt ich habe seit drei Jahre eine Tochter, und wusste nichts absolut nichts davon. Ich fass' es nicht, wie kann man nur so bekloppt sein. Verdammt!', schrie er.'Nenn mich nicht bekloppt. Ich bin nicht alleine Schuld an der Situation. Wer hat mich denn feige im Stich gelassen?', fauchte sie.
'Im Stich gelassen? Wie bitte? Ich habe um dich gekämpft, ich habe gebettelt und gefleht! Aber du bist auf einmal auf und davon. Und erzähl mir nie wieder etwas von Vertrauen. Wäre es so schwer gewesen mir zu sagen, dass du ein Kind von mir bekommst.', fuhr er sie an.'Du hast mich betrogen, du wolltest frei sein, du hast geglaubt du hättest etwas verpasst im Leben. Hätte ich dir da etwa sagen sollen, dass ich schwanger war?' Sie funkelte ihn böse an.'Hör zu! Ich weiβ, dass ich viele Fehler gemacht habe, aber du bist keineswegs unschuldig!'
Alex war ausser sich vor Wut.
'Ich will sie sehen, sofort!'
'Nein, nicht so. Nicht wenn du so schreist!' Alex hielt sie am Arm fest.
'Esther, Zofia ist auch mein Tochter. Du kannst sie mir nicht vorenthalten!', er sah sie drohend an. Seine Augen funkelten, aber sie hielt seinem Blick stand.
'Morgen kannst du sie sehen. Aber nicht heute Abend. Sie schläft schon.'
'Du hast sie doch nicht etwa alleine gelassen?', empörte er sich.
'Natürlich nicht! Was denkst du von mir. Lukas ist bei ihr.'
'Ach dieser Typ da. Dem vertraust du unsere Tochter an? Bist du komplett etwa bescheuert?', herrschte er sie an.
'Hör auf mich zu beschimpfen!', drohte sie, 'Lukas passt öfters auf Zofia auf.''Ach eine nette kleine Patchworkfamilie etwa?', höhnte Alex.
'Jetzt hör auf! Wir sind keine Patchworkfamilie.'
'Ja, klar. Deshalb bist du damals so schnell verschwunden. Wahrscheinlich um mit diesem Kerl eine Familie zu gründen.', schrie Alex.
Esther gab ihm eine schallende Ohrfeige. Ein Moment der Stille. Sie weinte, eine lautlose Träne lief ihr die Wange hinunter. Die Zeit stand still.
'Wie kannst du so etwas sagen.', schluchzte sie, 'Wenn du wüsstest wie sehr ich dich damals geliebt habe! Wie kannst du nur.'
Alex stand da wie vom Donner gerührt. Seine Wange glühte. Aus einer Mischung aus Traurigkeit und Verzweiflung sah er sie an.
'Es tut mir leid. Ich bin so durcheinander.', flüsterte er.
'Ich geh' jetzt. Morgen kannst du sie sehen. Um zwei Uhr. Aber ich bin nicht da.'Ohne noch ein weiteres Wort lief sie nach Hause.

Mit gemischten Gefühlen stand er am nächsten Tag vor Esthers Tür in der M.straße . Was sollte er nur tun? Er liebte sie immer noch, wahrscheinlich war seine Liebe in den Jahren noch gewachsen.
Ohne weiter nach zu denken klingelte er. Lukas machte ihm die Tür auf.
'Hi.', begrüsste er ihn freundlich, 'Komm rein.'
Etwas überrascht sah Alex ihn an.
'Hi.', sagte er leise und trat ein. Im Flur stand Zofia, sie hatte ihre Teddybären in den Armen und einen Daumen im Mund. Ihre dunklen Locken umrahmten ihr kleines Gesichtchen.'Hallo Kleine.', sagte Alex und kniete sich zu ihr.
'Hallo. Onkel Lukas hat gesagt du willst heute mit mir spielen?', fragte sie.
'Ja, das stimmt.', lächelte Alex.
'Komm ich zeig dir mein Puppenhaus, aber wir können auch mit Lego spielen. Mein Freund Max mag das auch.' Zutraulich streckte sie ihm ihre Hand entgegen. Alex drückte sie sanft.Sie hat die Augen ihrer Mutter, dachte er und gleich wurde er wieder traurig. Esther wollte ihn nicht mehr sehen. War das ein Wunder nach gestern Abend?
Nach dreieinhalb Stunden Toben und Spielen lag Zofia erschöpft auf der Couche, ihren Teddybär hatte sie an ihre Brust gedrückt. Alex hatte eine Decke über sie gelegt und betrachtete sie lächelnd dun drückte ihr einen Kuss aufs Haar.
Er ging noch zu Lukas in die Küche um sich zu verabschieden.
'Zofia schläft jetzt. Ich muss dann auch wieder gehen. Bis dann.'
'Hey man, warte mal. Komm setz dich.', forderte er ihn auf und deutete auf einen Stuhl.Alex seufzte. Jetzt kommt bestimmt noch eine Kopfwäsche.
'Sag mal, liebst d Esther eigentlich?', fragte Lukas ganz unverblümt. Alex schaute ihn überrascht an und geriet ins Stottern.
'Wie kommst du denn darauf? Nein, ich... ach was soll diese Frage denn? Ich muss jetzt gehen und auβerdem kommt Esther bestimmt bald zurück und sie will mich nicht sehen.'
'Also ja. Du liebst sie.', stellte er fest, 'Und warum sagst du es ihr nicht?'
'Erstens weiβ ich nicht was dich das angeht. Zweitens was hast du davon wenn ich ihr es sagen würde? Du sollst doch froh sein, denn Esther will mich nicht. So kann ich eure kleine Familie wenigstens nicht auseinanderbringen.', sagte Alex bitter.
'Man, hast du sie noch alle? Ich bin doch nicht mit ihr zusammen.', lachte Lukas.
'Ja, was denn dann bitte?'
Lukas fing schallend an zu lachen.
'Ich bin die Nanny.'
Alex starrte ihn mit offenem Mund an.
'Nein?'
'Doch.'
'Oh mein Gott und ich habe ihr wegen dir die furchtbarsten Sachen an den Kopf geworfen.', stöhnte er.
'Ich könnte dir sagen so sie im Moment ist und dann könntest du mit ihr reden.'
'Und was soll das bitte bringen? Sie hasst mich und ich kann es ihr mal nicht verübeln. Ich bin so ein Idiot.', sagte er schmerzlich.
'Nein, sie hasst dich nicht. Sie ist nur enttäuscht und glaubt, dass du sie nicht liebst.'
Tausend Gedanken schwirrten in Alex' Kopf herum.
'Sie ist bei ihrer Freundin Nina. K.straße 89. So und jetzt geh und sag ihr, was du für sieempfindest. Ich kann eure Trauermienen nicht mehr ertragen.', grinste Lukas und schob ihn kurzerhand zur Tür hinaus.

Nervös saβ Alex in seinem Auto in der M.straße und wusste nicht ob er hineingehen sollte oder nicht. ‚Was ist wenn ich mir eine Abfuhr einfange? Oder wenn sie mich auslacht?',überlegte er. Dann sah er wieder Zofias lachendes Gesicht vor sich.

Er liebte Esther, sie hatten eine Tochter zusammen und wenn sie wollen, könnten sie glücklich werden. Er stieg aus dem Wagen, atmete tief durch und ging zielstrebig auf das Haus zu, als gerade in dem Moment die Haustür sich öffnete. Esther trat mit ihrer Freundin heraus, umarmte diese noch einmal kurz und ging dann durch den Garten zu Straβe. Ihre Bewegungen wurden fahrig als sie Alex erblickte und sie verschränkte ihre Arme vor der Brust, dennoch ging sie auf ihn zu.
Er sah sie kommen, blickte zurückhaltend zu Boden.
'Ich glaube wir müssen noch einmal miteinander reden.', fing er an. Sie nickte zustimmend, sagte jedoch kein Wort.
'Gehen wir ein Stück?'
Esther schwieg.
'Ich weiβ nicht wo ich anfangen soll. Zuerst sollte ich mich aber vielleicht mal entschuldigen. Ich weiβ, dass ich mich wie ein Mistkerl aufgeführt habe, ich hätte dich nicht so anbrüllen dürfen. Aber ich war so durcheinander. Du warst wieder da. Wir wurden so etwas wie Freunde. Dann haben wir uns geküsst. Ich finde heraus, dass du ein Kind hast und, dass deine Nanny, die ich für deinen Freund gehalten habe, ein ziemlich gutaussehender Typ ist. Du hast mir gestanden, dass ich seit drei Jahre eine Tochter habe. Mein Gefühlschaos war perfekt. Ich wusste einfach nicht was ich tun sollte.'
Noch immer sagte Esther kein Wort, aber ihre Augen blickten ihn aufmerksam an. Alex nahm plötzlich sanft ihre Hand. Er atmete tief ein und aus.
'Esther, ich habe dich damals sehr geliebt, du warst das Beste was mir je passiert ist. Ich brauchte dich immer ein meiner Nähe, selbst dann wenn ich dich nicht gesehen habe. Du gibst mir das Gefühl, das ein Mensch braucht um sich wohl zu fühlen, sich geliebt zu fühlen. Es gibt kaum Worte um es zu beschreiben. Du hast mir gezeigt, was es heiβt zu lieben und geliebt zu werden.' Er streichelte ihre Hand und blickte ihr sanft in die Augen.'Es tut mir so leid, was ich damals gemacht habe. Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurück drehen und alles anders machen. Ich weiβ es ist immer leicht gesagt, aber bitte glaube mir. Du bist alles für mich und du bist de einzige Frau, die ich je geliebt habe und die einzige die ich je lieben werde.', schloss er und sah ihr in die groβen Augen.
Noch immer brachte Esther keinen Ton hervor. Es schien ihr unwirklich, dass diese Geschichte doch noch ein Happy-End haben könnte, obwohl sie sich nichts mehr als das wünschte.
Noch immer hielt Alex ihre Hand. Langsam wurde er jedoch unsicher, da keine Reaktion von ihr kam.
'Ich könnte dich auch verstehen, wenn du mich nicht mehr sehen willst wegen meiner Dummheit.', sagte er leise und lieβ ihre Hand ganz langsam sinken.
'Du bist ein Idiot, ein riesengroβer Idiot.', schluchzte sie und schlang die Arme um ihn.'Ich liebe dich doch.'
Alex sah sie überglücklich an und küsste sie voller Leidenschaft. Es war so wunderbar sie wieder in den Armen zu halten.
'Ich liebe dich, ich liebe dich, ...', flüsterte er ihr glücklich ins Ohr.









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