Wie Licht und Schatten - ein Leben in Träumen

Autor: Bibi (2)
veröffentlicht am: 28.07.2006




Ich saß an meiner Kommode und starrte mein Spiegelbild an. Das Gesicht, das meinen Blick erwiderte, wirkte fremd und unbekannt. Meine Augen sahen stumpf und leblos aus. Wo war das Glänzen und Leuchten, das in all den Romanen so wunderbar beschrieben wird? Das leise Klopfen an der Tür schreckte mich aus meinen Gedanken. Mit einem tiefen Seufzer erhob ich mich. Mein Kleid raschelte und die Absätze klapperten über den Parkettboden. Ich öffnete die Tür und vor mir stand Marie, unsere Haushälterin. 'Kleines, brauchst du noch lang?' Ich schüttelte den Kopf und unter Maries kritischem Blick füllten sich meine Augen mit Tränen. 'Na, wer wird an seinem großen Tag denn so traurig drein schauen?' Ich legte meinen Kopf in den Nacken, um die Tränen zurück zu halten. Ich lief zurück zur Kommode, um ein Taschentuch zu suchen. Beim Gehen hob ich das Kleid an, um nicht auf die teure Spitze zu steigen. Ich hatte gute Lust, alle Perlen und Borten einfach abzureißen. 'Ich will ihn nicht heiraten!', presste ich unter zusammen gebissenen Zähnen hervor. 'Arrangierte Ehen sind in eurem Kreis eben nicht unüblich.' 'Arrangiert ja, aber mit so einem Mann?? Ich kann mich ja nicht mal an seinen Namen erinnern.' Resigniert zuckte ich die Schultern und eilte über die breite Marmortreppe hinunter in die Empfangshalle. Dort wartete ich auf die Limousine, die mich zur Trauung bringen sollte.

Beim Einsteigen streifte mein Blick einen der Sicherheitsmänner. Ein unangenehmes Kribbeln stieg mir die Wirbelsäule hoch.

*

Wieso hatte ich nur mit ihm geschlafen? Ich hatte mich so allein gefühlt, sehnte mich nach etwas Liebe. Und ein Teil von mir wollte sogar hoffen, dass er ernsthafte Absichten verfolgte. Ein Irrtum. Er grinste hämisch auf mich herab und ich senkte beschämt den Blick. Wo war nur mein Stolz? Der Fahrer öffnete mir die Wagentür und half mir hinein. Der Weg zum Standesamt erstreckte sich viel zu lang. Auf einem Werbeplakat prankte der Slogan 'Geld macht glücklich'. Ich lachte bitter. Tatsächlich? Ich komme aus reichem Hause und fahre trotzdem gerade ins Unglück. Mein ganzes Leben hatte ich mich nach Liebe und Zuneigung gesehnt und Geld war alles, was ich bekam. Dieser Alptraum, in dem ich mich befand, schien mich zu verschlingen. Panik schnürte mir die Kehle zu. 'Biegen Sie bitte rechts ab', hörte ich mich sagen. 'Rechts?' Ich nickte. Ich wusste, was ich zu tun hatte. Ich floh.

*

Wieso hatte ich nur mit ihm geschlafen? Sonst hatte ich ja wohl einen weitaus besseren Geschmack. Na gut, mir war langweilig, ich brauchte Abwechslung. Er grinste mich hämisch an und bedachte mich mit einem herablassenden Blick. Er sah beschämt zu Boden. Ich ließ mir in den Wagen helfen und malte mir die Zukunft aus. Alles wirkte kalt und farblos und wieder schloss sich diese eiserne Kralle fester um mein Herz. Gott sei Dank! Je weniger ich an das dachte, was ich mir erhoffte, desto weniger konnte mich das belasten. Die Zukunft mit... wie war sein Name? 'Geld macht glücklich', las ich im Vorbeifahren. 'Nein, aber glücklicher.', dachte ich bei mir. Vor dem Standesamt standen hunderte von Menschen - Gäste, Reporter und Schaulustige. Ich stieg aus und blickte zu meinem Verlobten. Ich durfte nicht vergessen, meine Mutter nach seinem Namen zu fragen. Eine dunkle Wolke schob sich über die Sonne. Der Schatten verursachte eine Gänsehaut und ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Der Schatten, auf den ich mich zu bewegte, verschlang mich.

*

Wieso hatte ich nur mit ihm geschlafen? Ich war entsetzt von mir. Auf sein hämisches Grinsen hin drehte ich mich wortlos um. 'Rücken straffen - Kopf anheben', war alles, was ich dachte. Mit zitternden Knien stieg ich in den Wagen. Ich sollte mein Leben langsam auf die Reihe kriegen und nicht von einer Katastrophe in die nächste stolpern. 'Geld macht glücklich'. Eine unangenehme Gänsehaut überkam mich. Ein Déjà-vu? 'Nicht glücklich, aber es erspart doch viel Kummer.' Aber war es das alles wert? Ich dachte an das Obdachlosenheim, das ich kürzlich mit meiner Mutter besuchte. Waren diese Menschen glücklich? Nein, bestimmt nicht. Dagegen erschien diese Hochzeit geradezu unwichtig. Und trotzdem: ich stand an einem Scheideweg in meinen Leben. Alles erschien hoffnungslos. Ich raste auf eine Zukunft zu, die ich nicht wollte. Abhauen? Feige. Heiraten? Noch feiger. Nur welche Option hatte ich?

Erschrocken fahre ich hoch. Gott sei Dank, ein Alptraum. Diesen Traum hatte ich oft. Immer etwas anders und doch gleich. Dieser Schatten, der mich verfolgt, diese Kälte, die mich erfasst. Ich kuschle mich glücklich an den warmen Körper meines Freundes. Ein kalter Wind pfeift durch den Park. Es wird Herbst. Wir brauchen wieder einen Unterschlupf. Hier draußen wird es zu kalt. Ich ziehe den von Motten zerfressenen Schlafsack weiter hoch. ich will nicht wieder einschlafen. Keine Kälte, keine Schatten mehr. Hier ist es besser. Hier habe ich Licht, einen Freund und vielleicht erfüllt sich irgendwann mein großer Traum: ein Zuhause!









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