Strongness - Teil 2

Autor: Celithizia
veröffentlicht am: 05.09.2014


Als sie endlich das stickige Lokal verließen, sog Lilith gierig die frische Luft ein. Ganz so klar wie bei ihr zuhause war sie nicht, aber immernoch besser als da drin.
Den Markt zu finden war nicht besonders schwer, er lag meist zentriert, so auch in diesem Dorf. Sie mussten lediglich den Menschenmassen folgen, die ihre morgendlichen Einkäufe tätigen wollten.
Doch als die blauen Augen Liliths das erste Mal die Stände sahen, war es um sie geschehen. Natürlich, denn das Mädchen hatte Al’Gaar bisher nur selten verlassen. Nicht wie ihr Bruder Cylian, der viele Jahre in der Menschenwelt herumgereist war.
Und dieser Markt war ein regelrechtes Erlebnis für sie. Ungehalten lief sie von einem Stand zum nächsten, achtete nicht darauf, ob Aurorae ihr hinterher kam oder nicht.
Die Blonde schien sichtlich genervt von dem ihr zu sein, trottete ihr aber dennoch hinterher. Sie beobachtete, wie Liliths Augen leuchteten, als sie einen Stand mit kleinen Broschen entdeckt. Aurorae könnte auch hier rum hüpfen, einen Stand nach dem anderen bewundern und sich den glitzernden Schmuck, mit dem manche Händler warben lachend um den Hals hängen. Aber sie würde dabei niemals so niedlich, so liebenswert wie dieses Mädchen aussehen. Und das kotzte sie an.

Lucrey Evans hatte derweil ganz andere Probleme. Er fuhr sich mit der Hand durch den Nacken, in dem die Mittagssonne brannte.
„Steh auf, fauler Sack.“, mit diesen Worten trat er einem alten Mann leicht, aber bestimmend in die Seite. Dieser grummelte nur etwas unverständliches, drehte sich auf den zusammen gelegten Leinen, die als Bett dienten um und setzte sein lautstarkes Mittagsschläfchen fort. Lucrey seufzte, die geleerte Glasflasche und der Alkoholgestank, der von dem Mann ausging verrieten den Grund für seinen festen Schlaf. Weiterkommen schien hier zwecklos, deswegen ließ er den Blick durch die feuchte, dunkle Gasse wandern.
Ein Mann und eine Frau in zerlumpten Kleidern lehnten an der Wand und unterhielten sich, auf dem Boden lag ein Mädchen und schlief, nicht viel älter als 14. Das hier war jetzt sein Leben, seine Familie.
Aber allem Anschein nach hatte niemand Lust, mit ihm das Essen für heute Abend zusammen zu gaunern, also müsste er wohl allein losziehen.
Er zurrte sich noch einmal sein dunkles, zerlumptes Stirnband zurecht und machte sich auf den Weg zum Markt. Dabei hielt er sich verdeckt in den Menschenmengen, um nicht zu schnell von den Stadtwachen entdeckt zu werden.
Auch in dieser Stadt war Lucrey schon lang kein unbeschriebenes Blatt mehr. Sie würden wohl bald weiterziehen müssen.
Auf dem Marktplatz angekommen führte ihn dann direkt sein erster Weg zu einem Obsthändler. Er kannte den Mann, wusste, dass dieser immer gern feilschte und als Lucrey den Stand erreichte, war er wie immer in eines seiner hitzigen Verkaufsgespräche verwickelt.
Im Vorbeigehen schnappte der Dieb sich also einen Apfel und biss herzhaft hinein. Das Leben auf der Straße war garnicht so schlimm, wenn man wusste, wo man was her bekam.
Nun ließ er seinen Blick über die Menge schweifen, um Ausschau nach einem potenziellen Opfer zu halten, da huschte ein türkisener Haarschopf an ihm vorbei. Verwundert folgte er dem fremden Mädchen mit dem Blick. Sowas! So eine seltsame Haarfarbe hatte er noch nie gesehen, zumindest nicht bei Menschen. Aber ihre Kleidung, der ganze Schmuck, den sie trug, dass ließ vermuten, dass sie eine Menge Geld bei sich hatte. Und sie schien auch nicht so, als würde sie in ihrem Freudentaumel etwas mitbekommen.
Lilith war inzwischen an einem Stand mit angeblich spirituellen Gegenständen angekommen, und deckte sich mit augenscheinlich drittklassigen Schutzamuletten ein, ehe ihre Augen etwas anderes sahen.
„Wahnsinn…!“, entkam es ihren Lippen. Ein großes Schild mit der Aufschrift ‚Drachenorakel‘ pragte über einem der Warentische. Drachenorakel waren etwas unheimlich seltenes. Bei ihr Zuhause gab es einst Drachen, die in die Zukunft sehen konnten. Dafür benutzten sie Gegenstände wie Spiegel oder Glaskugeln.
Heutzutage sind diese Relikte bekannt als Drachenorakel. Menschen können damit nichts anfangen und benutzen sie meist als exotische Hausdekoration. Aber wenn ein echter Drache so etwas in die Finger bekommt, dann könnte er wirklich das wahrsagen wieder erlernen.
Gerade wollte sie darauf zu laufen, da packten sie zwei Hände unter ihren Armen und hoben sie kurzerhand vom Boden, sodass ihre Füße frei in der Luft hingen. Es schien, als wäre ihr menschlicher Körper etwas zu klein geraten.
„Und Stop!“, setzte Aurorae ihrem Shoppingwahn mit fester Stimme ein Ende.
„Lass mich runter! Du hast doch keine Ahnung, wie wertvoll und selten diese Dinger sind!“, protestierte das Drachenmädchen und strampelte mit den Füßen.
„Wir sind nicht zum Vergnügen hier! Wir brauchen Proviant und eine aktuelle Karte!“, konterte Aurorae dagegen, und schließlich gab Lilith ihren Wiederstand auf, indem sie die Schultern sinken ließ und aufhörte zu strampeln. Im Gegenzug bekam sie dafür von der Blonden den Boden unter den Füßen zurück.
Aber Aurorae hatte gelernt, griff deswegen nach dem Arm des Mädchens und führte sie an der Hand, wie ein kleines Kind. Denn im Moment benahm sie sich auf wie eines.
Lilith wollte ihr gerade folgen, da kullerte etwas gegen ihre Füße.
„Nanu?“, fragte sie, senkte den Blick und sah auf einen angebissen Apfel. Sofort bückte sie sich danach und hob ihn auf, Aurorae war stehen geblieben und beobachtete das Schauspiel.
„Was machst du da?“, fragte sie streng.
„Der ist mir vor die Füße gerollt.“, erklärte Lilith und sah sich dann um, auf der Suche nach dem Ursprung. Und sie erblickte einen jungen Mann, der Rotbraunes, zerwuscheltes Haar trug, darüber ein ausgeblichenes Stirnband und zerlumpte Kleidung. Das auffällige an ihm war, dass er mit offenem Mund in die Richtung der beiden Mädchen starrte, als hätte er einen Geist gesehen.
„Aura?“, fragte der Mann nun, woraufhin Aurorae den Blick hob und ihre beiden Blicke sich trafen. Lilith sah nur verwundert zwischen den beiden hin und her.
„Kennst du den?“, fragte sie nun, die Blonde antwortete nur mit einem „Tze!“, wandte den Kopf ab und an der Art, wie sie Lilith weiterzog bemerkte das Drachenmädchen, dass sie noch verstimmter sein musste als geradeeben schon.
Einen letzten Blick war Lilith dem Mann noch über die Schulter zu, der ihnen weiter hinterher starrte, dann wurde sie von Aurorae um die nächste Ecke gezogen.
„Wir kaufen jetzt das Trockenfleisch und die Karte, und dann ziehen wir los! Bis Übermorgen will ich in Woera sein!“, zischte sie, ihre Stimme klang bedrohlich. Lilith schluckte, während sie ihr hinterher stolperte.
Es war wohl nicht gerade die klügste Entscheidung, aber als sie von Aurorae an einem Stand vorbeigezogen wurde, der spirituelle Masken verkaufte, konnte Lilith nicht anders, als nach einer der Masken zu greifen.
Aurorae bekam das allerdings nicht mit, zog die Türkishaarige weiter und das vom Lied war, dass Lilith den Stand an der Maske zu Boden riss.
Der nicht sehr stabile Holztisch zerfiel in seine Einzelteile, während das Leinendach sich seinen Weg zum Boden bahnte.
Unzählige der Masken gingen zu Bruch, lediglich die, die Lilith in der Hand hielt war noch ganz geblieben.
Fassungslos starrten beide auf den Trümmerhaufen.
„Du liebes bisschen…“, war alles, Lilith dazu zu sagen hatte. Die Besitzerin begann sogleich, eine Schimpftirade auf sie niederprasseln zu lassen, die Aurorae galt, obwohl diese an der Sache unschuldig war.
„Ich hoffe, ihr könnt dafür aufkommen!“, rief die Frau erbost. Dummerweise aber hatte Lilith das gesamte Geld, das sie von zuhause mitbekommen hatte bereits für irgendwelchen Krimskrams auf dem Markt ausgegeben. Hilfesuchend wandte sie sich an Aurorae, die schien zu verstehen und ihr Blick verfinsterte sich.
Stöhnend griff sie in den kleinen Beutel, den sie um die Hüfte trug und reichte der Frau ein paar Goldmünzen, um endlich abhauen zu können, doch die schien noch immer nicht besänftigt.
„Und was ist mit den Schäden?“, keifte sie weiter.
Lucrey war von dem Geschrei der Marktfrau angelockt worden, und als er um die Ecke kam, sah er wieder Aurorae und das ungewöhnliche Mädchen. Aber auf sie achtete er garnicht, als er an ihr vorbei ging und direkt auf die Magierin zuschritt.
„Aura! Warum bist du abgehauen? Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich hier finde!“, sein Gesicht schien sichtlich erfreut. Das von Aurorae allerdings überhaupt nicht.
„Geh doch dahin, wo der Pfeffer wächst.“, war alles, was sie zu sagen hatte, ehe sie beide Arme hob und sich einen Moment konzentrierte. Kurz darauf stand der Warentisch wieder genauso da wie vorher, als hätte man die Zeit zurückgedreht.
Lucrey blieb der Mund offen stehen, und auch Lilith schien mehr als begeistert über diesen Zaubertrick.
„Komm jetzt!“, das war an Lilith gerichtet, die schnell die Maske in ihrem Beutel verschwinden ließ und zu ihr aufholte. Aber auch Lucrey folgte ihnen, anscheinend wollte er sich nicht so leicht abwimmeln lassen.
„Jetzt bleib doch stehen! Bist du etwa immernoch sauer wegen dieser Sache von damals?“
„Denk ja nicht, das wäre aus der Welt geschafft, nur weil du dich einfach verzogen hast.“, war ihre Antwort, aber ihre Stimme klang etwas geschwächter als grade. Magie, die die Zeit von Gegenständen umdrehen konnte war eine von den alten, verschollen geglaubten Magien. Die überlieferten Texte von Maximilian hatten nicht ausgereicht, um sie sich komplett und fehlerfrei anzueignen, weswegen dieser Zauber Aurorae eine Menge Kraft gekostet hatte.
Die Umrisse der Menschen vor ihr verschwammen, und eine Hand wanderte an ihre Stirn. Sie stöhnte leise.
„Ist alles in Ordnung?“, kam Lilith besorgte Stimme von hinten. Aber Aurorae reagierte nicht, stattdessen spürte sie, wie ihr Körper langsam vorn über fiel. Aber sie konnte nichts dagegen tun.





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