Different - Fire

Autor: hazelgrace
veröffentlicht am: 03.06.2014


Ich hoffe diese Geschichte gefällt euch. Ich habe lange mit dem Gedanken gespielt, sie zu veröffentlichen und habe mich jetzt dazu entschlossen. :) Viel Vergnügen beim Lesen!



DIFFERENT - FIRE


~ EINS ~

Niamh


Ein Blick in den Spiegel macht mir jedes Mal deutlich wie anders ich bin. Meine Haut ist schneeweiß, die Augen sind fast schwarz, die Haare von einem dunklen Rot. Aber das ist es nicht, was mich von den Anderen unterscheidet.
Es sind die Narben. Diese langen, verzweigten Narben, die sich über meinen Körper ziehen. Selbst mein Gesicht ist nicht von ihnen verschont.
Ich wurde so geboren. Es ist irgendein Gen-Defekt, sagen die Ärzte und damit war ich abgeschrieben und die Sache war erledigt. Seit meiner Geburt bin ich den starrenden Blicken der Öffentlichkeit ausgesetzt. Mittlerweile habe ich mich an sie gewöhnt, was jedoch nicht heißt, dass ich es mag wenn man mich anstarrt. Ein paar Mal bin ich sogar von Kleinkindern gefragt worden, ob sie mich anfassen dürfen. Ich habe kalt Nein gesagt und böse drein geschaut. Da haben sie Reiß aus genommen und ich bin nie wieder gefragt worden. Inzwischen benutze ich Puder, um die Narben zumindest im Gesicht und am Hals zu verdecken und trage lange Sachen, selbst im Sommer bei 30 Grad. Mir ist nicht heiß. Mir wird nie heiß. Während die Hitze den Anderen zu schaffen macht, bleibe ich völlig unberührt davon. Ich weiß noch nicht einmal, wie sich Schwitzen anfühlt, da ich noch nie geschwitzt habe.
Das hat auch einen Grund. Ich bleibe davon verschont, weil ich die Hitze selbst bin. Weil sie in mir drinnen ist. Weil ich sie beherrsche. Ich bin das Feuer, an dem alle Anderen sich verbrennen.
Wenn man sich meine Narben ansieht, dann erkennt man, dass es züngelnde Flammen sind, die meinen Körper empor kriechen. Vielleicht würde ich ohne die Narben ebenso unter Hitze und Feuer leiden wie normale Menschen. Vielleicht aber auch nicht. Man weiß es nicht.
Meine Eltern leben getrennt. Sie waren nie verheiratet, aber meine Mutter hat mit dem Gedanken gespielt, als sie mit mir schwanger wurde. Doch diese Pläne sind geplatzt, als mein Vater von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Es gab ziemlich viel Krach und er war mehrmals kurz davor sich von ihr zu trennen. Letztendlich ist er dann doch bei ihr geblieben. Zumindest bis zu meiner Geburt. Mein Anblick hat ihm wahrscheinlich den Rest gegeben. Kaum waren meine Mutter und ich aus dem Krankenhaus raus, hat er ihr eröffnet, dass er sich von ihr trennt. Und seitdem haben wir nie wieder etwas von ihm gehört. Meine Mutter war völlig am Boden zerstört. Die darauffolgenden Monate waren schlimm. Sie begann zu trinken und es gab kaum noch Momente wo sie wirklich nüchtern war. Es war ein Teufelskreis. Aber nach fast einem Jahr hat sie aufgehört. Sie hat sich zusammen gerissen und angefangen an sich zu arbeiten. Und sie hat es geschafft.
Deswegen erfüllt es mich immer mit Stolz wenn ich sie ansehe und weiß, was sie hinter sich hat. Aber auf jemanden stolz zu sein heißt noch lange nicht, dass man ihm auch vertraut. Meine Mutter weiß nicht, dass ich Feuer magisch anziehe, dass es macht was ich will. Keiner weiß es. Weil ich niemandem vertraue. So bin ich immer auf der sicheren Seite.

Dass sich Feuer zu mir hingezogen fühlt, habe ich zum ersten Mal mit Sieben gemerkt. Wahrscheinlich ziehe ich es schon seit meiner Geburt magisch an.
Meine Mutter ist dreißig geworden und hat ihre Schwester mit ihren Mann und den beiden Söhnen zu uns eingeladen. Wir haben einen kleinen Garten mit einer Feuerstelle, wo wir am besagten Tag ein Lagerfeuer entfacht haben. Meine Cousins, Edward und Nick, waren damals Zwölf und Zehn und fanden es unheimlich amüsant mich wo es nur ging zu schikanieren. Ich war vollkommen fasziniert von den Flammen, wie sie das Holz verschlungen haben und habe nicht gemerkt, wie die beiden sich an mich heran schlichen. Als die Erwachsenen für einen Augenblick nicht hinsahen, packten die beiden mich und taten so, als wären sie Kannibalen und ich ihr Abendessen. Sie hielten mich an Armen und Beinen fest, sodass ich keine Chance hatte mich zu wehren. Dann schwenkten sie mich durch die Luft, hin und her, immer näher ans Feuer heran. Und je näher ich kam, desto mehr schienen sich die Flammen in meine Richtung zu bewegen, als zöge ich sie an, wie ein Magnet. Natürlich habe ich geschrien. Ich habe geschrien, als ich gespürt habe wie eine Flamme ein Loch in mein T-Shirt brannte.
Ich habe keine Ahnung wie lange Edward und Nick Hausarrest für ihren dämlichen Streich bekommen haben. Wahrscheinlich lebenslang. Nachdem ich sicher in den Armen meiner Mutter lag, gab es einen Riesenstreit zwischen ihr und ihrer Schwester, meiner Tante Diana. Meine Mutter warf ihr vor, dass Edward und Nick keine richtige Erziehung genossen, denn sonst würden sie nicht auf solch lebensgefährliche Ideen kommen. Ich glaube, sie hat damals nicht darüber nachgedacht, was sie sagt. Sie hat sehr unter Schock gestanden. Diana war beleidigt und verteidigte ihre Söhne. Dann hatte sie noch hinzugefügt, dass meine Mutter sich erst einmal an die eigene Nase fassen sollte, bevor sie Andere kritisierte. Das brachte sie zur Weißglut. Nach diesen Tag habe ich Edward und Nick und Tante Diana mit ihrem Mann nie wiedergesehen. Was mich nicht sonderlich stört, da ich meine Cousins sowieso nicht ausstehen kann und zu meiner Tante und meinem Onkel keine besonders intensive Beziehung gepflegt habe.
Dennoch ist der Tag sehr wichtig für mich gewesen. Denn am Abend, als meine Mutter die Küche aufräumte, schlich ich mich raus zu der Feuerstelle. Die Glut hat noch gebrannt und ich habe vor Aufregung kaum atmen können. Meine Neugier war stark genug meine Angst zu besiegen und so habe ich in die Glut gefasst. Meine Hand hat bestimmt mehr als eine Minute lang ein Stück glühende Kohle umklammert.
Ohne, dass etwas passiert ist. Ohne, dass ich irgendwelchen Schmerz gespürt habe, geschweige denn, dass meine Hand irgendwelche Spuren davon getragen hat. Es war, als hätte ich einen Stein oder Stock angefasst und keine heiße Kohle.

»Niamh? Bist du schon Zuhause?«, hallt die Stimme meiner Mutter durch unsere Wohnung.
Als wäre ich nicht schon durch meine Narben und meinem – nennen wir es mal Talent – ungewöhnlich genug, so musste meine Mutter mir auch einen ungewöhnlichen Namen geben. Wenn schon, denn schon.
»Ja!«, rufe ich zurück. Ich bin in meinem Zimmer und habe aus Langeweile ein paar Flammen über meinen Arm tanzen lassen, die ich rasch verpuffen lasse. Mittlerweile beherrsche ich mein Talent so gut, dass ich sogar selbst Feuer erzeugen kann.
Ich stehe von meinem Bett auf, lasse die Rollläden hochfahren und öffne das Fenster um jeden Beweis zu vernichten, der davon zeugt, dass Feuer hier im Raum war.
Wenn ich mich mit Adjektiven beschreiben sollte, dann würden es akribisch, misstrauisch und verschlossen sein. Akribisch, weil ich immer peinlichst genau darauf achte, dass niemand mich sieht, wenn ich mit dem Feuer spiele oder herum experimentiere. Deswegen die herunter gezogenen Rollläden. Misstrauisch, weil ich – wie schon erwähnt – niemandem mein Vertrauen schenke. Und verschlossen, weil ich nie etwas von mir preisgebe. Ich rede selten mit Anderen. Meine Mutter ist da eine kleine Ausnahme. Mit ihr kann ich mich ziemlich lange unterhalten, jedoch nur über Dinge, die mir selbst nicht betreffen. Sobald sie auf mich zu sprechen kommt, schalte ich sofort auf Stumm. Mittlerweile kommt das automatisch, sodass ich mich wirklich zwingen muss den Mund aufzumachen.
»Ich habe uns Pizza von dem neuen Italiener geholt. Möchtest du etwas?«, sie steckt ihren Kopf durch meine Zimmertür und sieht mich fragend an. Bis auf die Haare (und die Narben natürlich) sehen meine Mutter und ich uns zum Verwechseln ähnlich. Beide haben wir die blasse, schneeweiße Haut, dieselben, dunklen Augen, dieselbe, drahtige, dünne Statur, dieselbe durchschnittliche Körpergröße. Dasselbe Gesicht. Doch während meine Haare dunkelrot sind, haben ihre eine Farbe von dunklen, flüssigen Honig. Ich bin froh, dass ich nichts von meinem Vater habe, denn sonst wäre es für meine Mutter sicherlich noch schwerer gewesen.
»Gerne.«, erwidere ich und schenke ihr ein kleines Lächeln. Ich lächele selten. Und wenn, dann tue ich es nur für meine Mutter.
Ich folge ihr die Treppe hinunter, in die Küche und setze mich auf einen der Stühle. Auf dem Tisch liegen zwei Pappkartons, aus denen es verdächtig nach geschmolzenem Käse und heißer Tomatensauce duftet.
»Guten Appetit, Niamh.«
»Danke. Dir auch.«
Das Essen verläuft eher schweigend. Ich habe Riesenkohldampf. Wenn ich mit Feuer hantiere, bekomme ich immer extrem starken Hunger.
»Wie war die Schule?«, fragt meine Mutter zwischen zwei Bissen. Das fragt sie immer. Es ist fast wie ein Ritual geworden.
»Wie immer.«, antworte ich den Mund voller Teig, Käse und Tomaten. »Langweilig.«
Standard-Antwort.
Meine Mutter nickt. »Bald hast du es hinter dir.«
Jetzt bin ich diejenige, die nickt. Dieses Jahr ist mein Letztes an meiner Schule. Danach habe ich mein Abitur und dann verschwinde ich von hier. Irgendwohin wo es warm ist und wo wenige Menschen leben. Vielleicht auf einer Insel in der Karibik. Oder vielleicht in die Wüste, in Afrika.
Wir beenden das Essen schweigend und ich helfe ihr noch abzuräumen. Dann verschanze ich mich wieder in mein Zimmer, vorher wünsche ich meiner Mutter noch eine Gute Nacht.

Manchmal schleiche ich mich Nachts heimlich hinaus. In der Nähe unserer Wohnung gibt es ein großes Gelände, wo ein leer stehendes Gebäude steht. Früher war es mal ein Lagerhaus, aber dann wurde es mit einem Mal nicht mehr benutzt und steht seitdem verlassen da. Es gibt keine Sicherheitskameras, weswegen es für mich zum perfekten Ort wird um ein bisschen zu trainieren. In meinem Zimmer kann ich keine Stichflammen aus dem Boden empor schießen lassen oder einen Fußball aus Flammen gegen die Wand kicken.
Hier schon.
Und es macht mir unheimlich viel Spaß. Denn nur dann, wenn ich das Feuer um mich herum habe, dann fühle ich mich befreit und glücklich. Ich genieße jeden Atemzug, den ich in dieser Freiheit mache, jede Sekunde.
Auch heute habe ich beschlossen, dass mir ein wenig Freiheit nicht schadet. Ich will nicht lange trainieren, nur ein bisschen.
Meine Mutter arbeitet als Sekretärin in einer Firma, deren Name ich immer wieder vergesse. Ihr Arbeitstag ist streng und anstrengend, sodass sie gleich nach dem Abendessen ins Bett geht und schläft. Auch heute ist es nicht anders. Gegen Elf spähe ich in ihr Zimmer und vergewissere mich, dass sie tief und fest schläft.
Die Nachtluft ist angenehm kühl und frisch, als ich nach draußen trete. Eine Krähe schreit, ihr Ruf hallt über die Dächer der Wohnungshäuser. Der Himmel ist wolkenlos und die Sterne strahlen, als wäre es ihre letzte Nacht, bevor sie erlöschen. Das Licht des Mondes taucht die Stadt in kaltes Licht. Seine Leuchtkraft ist diese Nacht sehr stark, sodass sich meine Augen kaum anstrengen müssen, etwas in der Dunkelheit zu erkennen.
Ich gehe zu Fuß. Ein Fahrrad macht zu viel Lärm, gerade mein Fahrrad, was so klapprig ist, wie ein Greis.
Und je näher ich mich dem leerstehenden Gebäude nähere, desto stärker wächst die Freude in mir drin.


So, das war der erste Teil. Ich würde mich freuen, wenn ihr Kommentare da lassen würdet. :)





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