Weirdly - Teil 10

Autor: blue-haze
veröffentlicht am: 27.05.2014


10. Schmerzen

Es tut weh... Gott, wie meine Schulter schmerzt! Ich schreie auf und höre bereits unruhig Menschen um mich herum wehen. Ich öffne die Augen und erkenne ein steriles Zimmer, einen Arzt, der mir eine Spritze in den Arm jagt und ...Menschen die mich besorgt ansehen.
Ich drücke mein Gesicht ins Kissen um den Schmerz zu ertragen. Jetzt erst fällt mir ein, dass eine Kugel die Schulter durchbohrt hat.
„Du hattest Glück.“
Sagt mir das, wenn ich nicht mehr das Gefühl habe, dass der Schmerz mich gleich wieder ins Jenseits befördert.
„Zwei mal im Leben wird nicht oft jemand reanimiert... und der Schuss ist glatt durchgegangen... deine Schulter wird wieder vollständig heilen“
Ich kann nicht einmal unterscheiden wer da spricht, glaubt ihr allen ernstes, mich interessiert dieser Scheiß in diesem Moment?!
Ich schlafe wieder ein und wache erst irgendwann später wieder auf. Von den Drogen benebelt, spüre ich die Schmerzen diesmal kaum noch. Eine Hand liegt an meiner Wange und leichter Atem streift über meine Kopf. Wer ist da? Ich drehe meinen Kopf und erkenne die Jacke meines Dads im Mondschein. Auch seinen Geruch erkenne ich. Er war die ganze Zeit hier?
Das nächste Mal erwache ich wieder durch die Schmerzen. Diesmal schreie ich nicht, sondern richte mich gequält auf. Mein Dad ist nicht hier, dafür sitzt jemand anders am Fenster und blickt auf. „Du bist wach.“ Verstört versuche ich das Gesicht zuzuordnen. Kenan ist es nicht. „Sean?“, meine Stimme ist kaum mehr als ein flüstern. Was macht er hier?
„Als ich dich besuchen wollte, hat Kenan erzählt, du wärst im Krankenhaus. Vom Baum gefallen und hast dir die Schulter verletzt...“
So einen Blödsinn kann sich nur Kenan ausdenken. Aber das erspart mir unangenehme Fragen.
Sean setzt sich neben mich. „Wo ist mein Dad?“ Hoffentlich hat er die Frage verstanden, so leise wie das war. Meine Stimme gehorcht mir einfach nicht.
„Er holt sich nur schnell einen Kaffee und etwas zu essen. Er saß wohl drei Tage lang nahezu ununterbrochen neben dir. Ich dachte zu erst er ist dein Bruder oder so...“ Gibt er verlegen zu.
Drei Tage...Ich merke nicht, dass ich keine Antwort gebe, bis er sich verlegen Räuspert und noch eine Frage stellt.
„Wie fühlst du dich?“
Ich sehe ihn an. „Beschissen.“
Ein leises Lachen entfährt ihm. „Entschuldige... dumme Frage.“
Na ja, zumindest ein schwaches Lächeln entringt mir das.
„Soll ich dir was zu trinken bringen? Oder zu essen?“
Ich schüttle den Kopf. Um ehrlich zu sein, möchte ich, dass er geht. Aber das kann ich ihm doch nicht sagen. Er ist so nett und besucht mich...
„Vielleicht komme ich eher ungelegen... tut mir leid...Ich wollte einfach nur wissen, ob es dir gut geht.“
Also Feingefühl hat er, das muss man ihm lassen.
„Ich bin einfach noch zu müde... entschuldige.“
Mit einem Lächeln beteuert er, dass es mir nicht leidtun muss. „Ich komme einfach nochmal, wenn du dich ein bisschen erholt hast. Ah, dein Dad kommt sowieso gerade. Also dann... bis bald.“
Dad nimmt Seans Platz ein und sieht mich durchdringend an.
„Du hast einen netten Freund... er mag dich wirklich...“
„Er ist nicht mein Freund... glaube ich...“ Falsches Gespräch, falscher Zeitpunkt. „Wo ist Kenan?“
„Zu Hause... er packt.“
„Er ...packt?“ Worte, die nicht in meinen benebelten Verstand passen. Packen...was packen... Sachen... wenn man... weg geht... „Wieso?“
„Akira... wir besprechen das, wenn es dir wieder besser geht.“
„Nein. Wieso packt er? Wo will er hin?“ Ich versuche mich aufzurichten.
„Akira...“
„Hör auf mich so zu nennen... was ist hier los?“ Um ehrlich zu sein, bin ich nicht mehr sicher, was passiert ist. Ich weiß nur noch, dass ich entführt worden bin und angeschossen wurde. Alles davor, danach... ist verschwommen.
„Es tut mir leid...“, beginnt mein Vater. „Darf ich mich neben dich setzen?“ Er deutet auf das Bett. Ich mache ihm umständlich etwas Platz, damit er zu mir rutschen kann.
Ziemlich zaghaft, nimmt er mich in den Arm und zieht meinen Kopf an seinen Brustkorb. Lange herrscht stille, bis ich merke, wie Tränen auf meinen Kopf tropfen. „Dad... weinst du?“
„Nein...“ Murmelt er und vergräbt sein Gesicht in meinem Haar. Und ob er weint.
„Es tut mir leid...es tut mir leid...“ Er wiederholt es wie ein Mantra. Und dann kann auch ich meine Tränen nicht mehr zurück halten. „Bitte gib mich nicht weg... ich will bei dir bleiben. Bitte hass mich nicht... ich werde mir ganz viel mühe geben... und ...egal wie viele Wachhunde und sonst was... nur bitte gib mich nicht weg...“
Fast schon zu fest drückt er mich an sich. „Wie kommst du nur darauf, dass ich dich hasse? Du bist mein Leben. Nur für dich, lebe ich seit den letzten vierzehn Jahren.“
„Warum wolltest du mich dann weg geben?“
„Du wärst fast gestorben... nur meinetwegen... Wenn du diesmal gestorben wärst... das hätte ich mir nicht verzeihen können, verstehst du? Von dieser Sorte laufen da noch genügend Menschen herum... und sie wissen, dass du mein wunder Punkt bist... bei einer anderen Familie... dort wärst du sicher.“
„Ich will nicht weg. Bitte zwing mich nicht.“
Es dauert fast zu lange, bis er endlich nickt.
„Versprich es!“
„Wenn du das nicht willst... dann verspreche ich es dir... du sollst nur endlich wieder glücklich sein.“
Nach einer ganzen Weile frage ich Dad noch einmal wo Kenan ist.
„Er hat gekündigt. Er fühlt sich nicht in der Lage dich zu beschützen.“
„Das ist doch nicht wahr!“
„Ich konnte ihn nicht überzeugen zu bleiben.“
„Aber... nein...“ Ich mache Anstalten aufzustehen, was natürlich kläglich misslingt. „Du musst ihn aufhalten.“
„Ich kann ihn nicht zwingen zu bleiben.“
„Wo geht er hin?“
„Das verrät er nicht.“
„Verabschiedet er sich nicht einmal von mir?“
Dad antwortet nicht.
„Dad...“
„Er...er ist schon gegangen... Heute morgen.“

Weder auf meine SMS, noch auf meine Nachrichten antwortet er. Er ist einfach verschwunden. Ich starre die Kette meines Engels an und weine. Die Schmerzen darüber, dass Kenan weg ist, sind schlimmer als die in meiner Schulter. Beides zusammen, macht meine nächsten Tage zur Hölle. Dad und Sean können mich darüber nur schwer hinwegtrösten. Die Drogen mit denen man mich voll Pumpt, lassen zumindest auch meine Gefühle etwas abstumpfen. Erst als ich nach Hause komme, begreife ich, dass ich Kenan nicht wieder sehen werde.







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