Weirdly - Teil 2

Autor: blue-haze
veröffentlicht am: 27.05.2014


2. Freaky Mama

Meine erste Erinnerung an sie war unheimlich. Noch unheimlicher als Nana. - Die Alte Urgroßmutter ist echt nichts, dem man Nachts begegnen will.
Ich war vier, als sie das erste Mal vor meinem Kindergarten stand. Eine Junge Frau, sie wirkte fast so alt wie mein Dad. Sie stand einfach nur vor dem Kindergarten und sah hinein. Ich saß auf einer Schaukel, als ich ihren Blick bemerkte. Sie sah mich an. Mein Dad kam. Er bemerkte sie. Sie sprachen miteinander. Es war das erste Mal, dass ich meinen Dad so wütend gesehen habe. Es machte mir angst. Seit dem habe ich sie lange nicht mehr gesehen.
Dann kam ich in die Schule. Mein Dad war mittlerweile Achtzehn. Ich kenne noch die ungläubigen Gesichter meiner Lehrer, als mein Dad sich als eben diesen vorstellte. Ich verstand es damals noch nicht. Ich war stolz auf meinen Dad. Er war der coolste – wie eben jeder Dad für jedes Kind. Ich erinnere mich an die besorgten Blicke meiner Lehrer. Ich erinnere mich, dass sie ein ganz besonders genaues Auge auf mich warfen. Ich merkte wieder: Ich war anders.
Mein Dad war vorbildlich. Nach der Schule kam er und half bei jeder noch so dämlichen Eltern-Aktion mit. Er unterhielt sich mit anderen Eltern. Er war bei jedem Elterngespräch anwesend und pünktlich. Ja... er war für mich der perfekte Dad. Mit ihm konnte ich herumalbern. Ich war seine Prinzessin. Ich fühlte, dass er mich liebte. Meine Großeltern waren selbstverständlich auch an seiner Seite. (Besonders als ich noch im Kindergarten war.) Ich war eine gute Schülerin. Bald ließ die sorge der Lehrer nach, als sie meine Fortschritte sahen.
Es gab nur ein Problem: Kinder sind grausam.
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Es klopft an meiner Tür. „Akira... kommst du zum Essen?“
„Nein.“
„Warum?“
„Du zerstörst mein Leben!“
Ich höre ein Seufzen hinter der Tür. Ob er sich verändert hat? Ob er genauso reagieren wird wie damals?
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Ich verkroch mich in meinem Zimmer und hatte die Tür abgeschlossen. Ich war sieben und in der zweiten Klasse. Es klopfte an meiner Tür. „Aki-Chan? Kommst du essen?“ Das kleine Häufchen Elend, hatte sich unter dem Tisch verkrochen und rief: „Nein.“
„Warum nicht?“
„Geh weg!“
Seufzend entfernten sich die Schritte meines Vaters. Eine Stunde später klopfte es wieder. „Willst du reden?“ Wieder schickte ich ihn weg. Das wiederholte sich noch einmal. Beim nächsten Mal, hörte ich ein seltsames Geräusch an der Tür. Ein Surren. Und plötzlich bewegte sich die Tür. Er hatte das Schloss aufgebrochen. Mein Dad setzte sich zu mir unter den Tisch. Allein deshalb musste ich schon lächeln. Er war viel zu groß um darunter zu passen und musste sich umständlich krümmen. „Was ist los, Prinzessin?“ Wieder war ich zu dem kleinen Häufchen elend geworden. Schniefend und heulend klammerte ich mich an ihn. „Warum mögen mich die anderen Kinder nicht?“ Ich fühlte, eine große Hand auf meinem kleinen Kopf. Mein Daddy...mein Held... er sagte nichts... er hielt mich nur fest. Ganz lange. Normalerweise machte er Witze oder etwas komisches, albernes... doch diesmal sagte er nichts. Wie sollte er auch seiner Prinzessin erklären, dass er der Grund war, warum die anderen Kinder sie nicht mochten? Er war kein Dad wie die anderen es waren. Er konnte mir nicht einmal eine Mutter bieten. Das war es, was er dachte. Doch das konnte er mir nicht sagen. Er wusste, warum die Kinder mich nicht mochten. Er kannte jeden ihrer Gedanken. Er wusste auch, was die Lehrer von mir dachten. Warum sie so besorgt waren und dass sich dies nicht vollständig geändert hatte, obwohl sie mich lobten und meine Entwicklungsschritte bestaunten. Nur meine Gedanken... die kannte er nicht.
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„Akira...komm jetzt bitte raus und rede mit mir.“
„Nein.“
„Mach die Tür auf.“
„Nein!“
Wieder höre ich ein Seufzen. „Verdammte Pubertät.“
„Die Pubertät ist nicht schuld, dass du mir einen elenden Bodyguard aufs Auge drücken willst!“
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Das zweite Mal, dass ich sie sah, war der Tag, an dem mir mein Dad meinen Koffer in die Hand drückte und mir mitteilte, dass ich mit dieser Frau mitgehen musste. Ich würde eine Weile bei ihr wohnen, doch er würde mich so schnell er konnte zu sich zurück holen. Ich war zehn. Er umarmte mich ganz fest, nannte mich seine Prinzessin und drückte mir einen Kuss auf den Scheitel. „Vergiss nie, dass ich dich lieb habe. Okay?“
Ich sah Tränen in seinen Augen glänzen und weinte bitterlich. Wieso musste ich dann bei einer Fremden wohnen, wenn er mich doch lieb hatte? Ich sah noch, dass er der Frau etwas sagte, sah die Wut in seinen Augen und dann erst erinnerte ich mich daran, dass ich diese Frau schon einmal gesehen hatte. Sie machte meinen Dad böse und sie nahm mich ihm weg.
Als ich widerwillig bei ihr einzog, stellte sie sich mir als meine Mama vor. Und von da an verstand ich: Mamas waren böse. Sie machten Daddys wütend und nahmen sie einem weg. Ich hasste sie.
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Ich höre, das Vertraute surren an meiner Tür. Vielleicht sollte er mir eine Code verschlüsselte Tür einbauen - einen Code knackte er in fünf Sekunden. Vielleicht sollte er auch einfach den Schlüssel an der Tür wegnehmen.
Die Tür ist offen. Der große, Mann , Alias Dad, kommt herein und setzt sich zu mir an den Fenstersims. Ich meide seinen Blick.
„Ich kann deine Gedanken nicht lesen. Mach es mir nicht so schwer.“
„Dafür braucht man keine Gedanken lesen zu können! Du machst mir mein Leben kaputt! Wie kannst du mir einen Bodyguard andrehen wollen?!“ Noch immer sehe ich ihn nicht an. Doch ich fühle wieder das vertraute Gewicht seiner Hand auf meinem Kopf, die mich an seine Brust ziehen will und ich zucke zurück. Er zieht seine Hand zurück und ich höre wie er „Prinzessin“ flüstert. „Ich muss dich doch beschützen. Was sollte ich denn ohne dich machen?“
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Es hatte sich herausgestellt, dass die Frau, die sich meine Mutter nannte, mich ebenso wenig mochte, wie ich sie. Ich verstand die Welt nicht mehr. Verstand nicht, warum sie mich zu sich geholt hatte. Sie war kalt zu mir. Sie schlug mich bei dem kleinsten Fehler. Sie war nicht wie die Mamas, die meine Mitschüler von dem Kindergarten und von der Schule abholten. Sie war nie da. Nachts war ich alleine. Manchmal brachte sie Männer mit nach Hause und dann hörte ich Geräusche aus ihrem Zimmer. Manchmal blieben diese Männer. Und manchmal kamen sie auch in mein Zimmer und legten sich zu mir ins Bett. Dem ersten habe ich meine Nachttischlampe über den Kopf gezogen. Vor den nächsten habe ich mich versteckt. Meinem Dad habe ich das nie erzählt. Mein Dad war anders als diese Männer. Wo blieb er nur? Warum dauerte es so lange, bis er mich zurück holte?
Eines Abends hörte ich Mutter telefonieren. Ich war mittlerweile fast vierzehn. Vier Jahre war ich nun bei dieser grausamen Person. „...Vergiss es, Kiyoshi! Du bekommst sie nicht! Du wirst deine Tochter nie wieder sehen! Ihr habt mein Leben zerstört und jetzt zerstöre ich euer Leben!“
Ich erinnere mich, wie sie in mein Zimmer gekommen ist. Sie packte mich an den Haaren und zerrte mich ins Bad. Nahezu zeitgleich als ich die Sirenen von Polizei- und Krankenwägen hörte, durchtrennte ein Messer meine Pulsadern. Meine eigene Mutter hatte versucht mich umzubringen.
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„Willst du jetzt etwas essen?“ Ich würde ja gerne nein sagen, aber das geht schlecht. Ich habe wirklich Hunger. Seit gut zwei Monaten wohne ich wieder bei meinem Vater. Den Monat davor habe ich im Krankenhaus verbracht. Weniger aus Gesundheitlichen als aus psychischen Gründen war ich dort behalten worden. Jetzt besuche ich regelmäßig einen Seelenklempner, den ich eine Stunde lang anschweige, nur damit er mir am Ende sagt, dass wir uns nächste Woche wieder sehen. Ich kann den Mistkerl nicht ausstehen. Er erinnert mich an diese schmierigen Typen, die diese Frau angeschleppt hat.
„Wir haben das mit dem Bodyguard noch nicht ausdiskutiert.“
„Doch haben wir. Du bekommst einen. Basta.“
„Seit wann habe ich kein Mitspracherecht mehr?“
„Seit ich dich-“ Er unterbricht sich selbst, sieht auf den Boden und geht. 'Seit ich dich fast verloren habe', sollte der Satz wohl lauten. Er hat sich verändert. Er benimmt sich anders mir gegenüber.
Ich nehme an, es erklärt sich von selbst, dass ich nicht viel mit Müttern anfangen kann. Sie hat mein Leben zerstört. Und sie hat mir meinen Dad genommen. Unsere Beziehung ist, seit ich wieder zu Hause bin anders. Wir waren vier Jahre getrennt. Während er darum gekämpft hat, mich wieder zurück zu bekommen, habe ich um mein Leben gekämpft und fast vier Jahre vergebens gewartet. Zwischen uns ist ein Graben entstanden.







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