Und ein Moment verändert alles - Teil 2

Autor: Mondkätzchen
veröffentlicht am: 25.04.2014


Hallo zusammen - den Prolog durftet ihr ja schon lesen :) Kommentare und Anregungen sind ehrlich erwünscht. Ich wünsche euch viel Spass!

„Nun, wie fühlen Sie sich dabei?“. Ich starrte vor mich hin und zerbrach mir über diese dumme Frage den Kopf. Immer und immer wurde sie mir gestellt. Immer und immer wieder hinterfragte ich die Blödheit dieser Frage. Ich weiss, eigentlich sollte es keine dummen Fragen geben, aber dieser Mann, setzte alle Regeln der Physik, Biologie, Ethik, selbst der Moral ausser Kraft. Wie sollte ich mich dabei schon fühlen? Ich hob meinen Blick und blickte mein Gegenüber finster an. Wie er so da sass, mit seiner feinen, runden, goldenen Brille an deren Gestell noch fein der Name „Calvin Klein“ zu erkennen war, der Hakennase, der grau gewordenen Halbglatze und der abgewetzten Tweed Jacke, die schon einmal bessere Tage gesehen hatte. Dieser zusätzlich arrogante Blick und das selbstgefällige Grinsen, dass seine spröden Lippen umspielte, brachten mich noch zusätzlich zur Weissglut. Ich entschied mich ein boshaftes Grinsen aufzusetzen und eine Gegenfrage zu stellen. „Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie dem Menschen den Sie lieben, beim Sterben zusehen würden? Gut nehme ich an?“, zischte ich. Er liess sich nicht aus der Fassung bringen und antwortete mit einem bissigen Unterton: „ Die Sitzung ist für heute beendet, Miss Hendrikson“. Er wandte den Blick ab und machte eine wegwerfende Handbewegung, die so viel bedeuten sollte wie, hau ab.
Ich stand auf, drehte mich um und verliess wortlos den Raum. Ich lief an seiner Sekretärin vorbei, die mich wie immer mitfühlend anlächelte und mir einen schönen Tag wünschte. Sie war nett, aber ich konnte sie nicht leiden. Schlicht aus Prinzip. Ich ging durch die hölzerne Tür, in der in goldener Schrift „Therapiezentrum für mentale Erkrankungen Dr. Steven Meyer“ eingraviert war. Zum Kotzen war das. Seit dem Unfall sass ich in dieser Klinik fest und musste drei Mal in der Woche zu diesem Quacksalber. Ich lief die langen Gänge, vorbei an der geschlossenen Abteilung entlang, grüsste hier und da einer meiner Leidensgenossinnen und dachte über den Sinn des Lebens nach. Nicht, dass ich nicht leben wollte, aber hier drin nervte mich alles gewaltig. Da war es besser tot zu sein. Ich stiess die Tür zu meinem Zimmer auf – es war niemand da. Meine Zimmergenossin war magersüchtig und war wohl gerade in der Therapie. Ich legte mich auf mein Bett und starrte an die Decke. Alarics Gesicht tauchte vor meinem inneren Auge auf. Es waren bereits Monate vergangen, doch für mich war es, als ob es erst gestern passiert war.


Ich starrte in die leeren Augen Alaric’s. Immer wieder stupste ich ihn leicht an. Insgeheim wusste ich aber, dass er nicht mehr da war. Weit weg hörte ich die Sirenen der Polizei, Feuerwehr und des Rettungsdiensts. Doch mein Blick hing immer noch am leblosen Körper meines Freundes. Er hing im Gurt, irgendwie zusammengefallen, die Augen waren weit geöffnet und das Blut drang aus sämtlichen Körperöffnungen. Es roch nach Blut, Urin und Kot. Selbst als mich jemand an der Schulter packte und mich aus dem Auto ziehen wollte, konnte ich meinen Blick nicht von Alaric abwenden. Einzelne Wortfetzen drangen an mein Ohr. Dinge wie „Er ist tot“ und „Das Mädchen ist schwer verletzt“ Doch das alles interessierte mich nicht. Erst als mich ein heftiger Schmerz durchbohrte, konnte ich meinen Blick von Alaric lassen und blickte das erste Mal an mir runter. Ich hatte ein Metallstück, so gross wie ein Baseballschläger in meinem Bauch. Es blutete nicht, die Wunde war verschlossen. Jedoch merkte ich, wie eine warme Flüssigkeit meinen Hals raufkroch und dann schoss das Blut aus meinem Mund. Ich suchte panisch Alarics Hand. Ich wollte mich festhalten. Dann verlor ich das Bewusstsein. Ich erwachte erst ein paar Wochen später im Krankenhaus wieder, bis dahin wurde Alaric bereits beerdigt – ich hatte noch nicht einmal die Gelegenheit mich zu verabschieden.

„Lia“, hörte ich eine leise Stimme sagen. Ich öffnete langsam die Augen. Ich musste eingeschlafen sein. Meine Zimmernachbarin Max sass an meinem Bett und sah mich mit ihren grossen, sorgenvollen, wasserblauen Augen an. Ich zwang mich zu lächeln und mich hinzusetzen. „Hattest du wieder Albträume“, fragte sie mich. Ich schüttelte den Kopf. „Dasselbe wie immer“, antwortete ich. Sie nickte wissend und ihre langen, dunklen Haare wippten bei dieser Bewegung. Ihre schlanken Finger umschlossen meine Hand – eine tröstende Geste. „Ich werde entlassen“, flüsterte sie bedrückt. „Das ist doch super! Endlich kommst du aus diesem Drecksloch raus“! Ich versuchte mich ehrlich für sie zu freuen. „Ich schon, aber du nicht“, antwortete sie. Da hatte sie recht. Sie lehnte ihren Kopf an meine Schulter und so sassen wir eine Weile da. Und ich mit dem wissen, dass mich schon wieder jemand verlassen würde, den ich mochte.






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