Die Revolution der Madison Denver

Autor: emeliemia
veröffentlicht am: 08.04.2014


Hier ist meine zweite Geschichte :) Ich hoffe sie gefällt euch! Mit Voiceless geht es natürlich weiter.
Viel Vergnügen!

DIE REVOLUTION DER MADISON DENVER



VORWORT


Wir leben in einer gespaltenen Welt. In der des Reichtums, der Macht, des Wahnsinns und in der des wahren Lebens, mit den Höhen und Tiefen. Die meisten von uns leben in der ersten Welt, denn sie bietet mehr Sicherheit als die andere: die Welt der Städte. Die andere Welt, ist die im Wald, die der Wilden, der Unzivilisierten. Sie sind die Bösen, die Unwissenden, die Zurückgebliebenen, die Unterbelichteten. So nennt sie jeder.
Dabei sind wir die Bösen.
Wir haben ihnen seit langer Zeit ihr Zuhause weggenommen, es uns unter den Nagel gerissen. Wir sind dabei es zu zerstören. Und nennen es den Fortschritt.
Kann man das Vernichten einer Kultur den Fortschritt nennen?



EINS


Das Rattern des Zuges ist so leise, dass ich mich wirklich konzentrieren muss, um es genau zu hören. Der Wald rast nur so an uns vorbei, ein Gemisch aus dunklen Stämmen, Zweigen und Blättern.
Schräg gegenüber von mir, am Gang, sitzt meine Freundin Sharleen, die sich auf ihrem Sitz räkelt und dabei immer wieder den Rücken in ein Hohlkreuz drückt, damit ihre Brüste noch größer erscheinen, als sie es eh schon sind. »Jay Clinton schmeißt am Freitag \'ne Party. Er kam vorhin persönlich zu mir und hat uns alle eingeladen.«, verkündet sie lautstark, damit jeder in unserer Nähe mitkriegt, wie beliebt sie ist.
Kimberly fängt prompt an zu kreischen und fällt Sharleen um den Hals. Kimberly ist meine andere Freundin. Sie ist so etwas wie meine beste Freundin, da ich mit ihr viel mehr unternehme, als mit Sharleen. Sie schüttelt ihr langes, pechschwarzes, mit pink- und lilafarbenen Strähnen versehenes Haar hin und her, während sie sich wieder auf ihren Sitz neben mir niederlässt.
»Ich glaub es nicht.«, grinst sie, hebt die Arme in die Luft und tanzt ein wenig auf ihrem Sitz her. Dabei hat sie ihre rosafarbenen Augen geschlossen.
»Wie steht\'s mit dir Madison?«, richtet Sharleen sich an mich und hebt eine perfekt gezupfte Augenbraue hoch. »Kommst du?«
Ich lächele entschuldigend. »Wahrscheinlich nicht. Partys sind nicht so mein Ding, das wisst ihr doch.«
»Och komm schon, Madison. Das wird bestimmt witzig!«
Ja, es ist bestimmt witzig, wenn deine Freundinnen schon in der ersten halben Stunde einen Typen aufreißen, dann mit ihm für den Rest des Abends in irgendeinem Hinterzimmer verschwinden und du dann alleine bist, denke ich mir. Nein, danke. Einmal war genug.
Ich schüttele den Kopf. »Nein, Kimmy. Sorry.«
Kimberly seufzt. Dann fragt sie Sharleen: »Was ist das Motto? Oder gibt es keines?«
Sharleen grinst dreckig und ich ahne, dass es mal wieder eine von diesen Partys sein wird, wo jeder mit jedem rummacht, egal ob Single oder nicht. Sie ist ein bisschen pervers und nimmt kein Blatt vor dem Mund. Es kümmert sie nicht, was andere Leute von ihr denken. Sie senkt den Kopf und ihre gelben Augen leuchten auf. Eine Strähne ihrer platinblonden Haare, fällt ihr in die Stirn.
»Weiß. Wie die Unschuld.«, raunt sie und gackert los. Kimberly gackert mit, aber nur für einen Bruchteil einer Sekunde. Dann erstarrt sie und reißt ihre rosa Augen weit auf. Sie sind voller Entsetzen. Es würde nicht mehr viel fehlen und sie wird anfangen zu weinen.
»Was ist los, Kimmy?«, frage ich schnell.
»Ich hab kein Kleid.«, flüstert sie und ihre Unterlippe fängt an zu zittern. »Ich hab keine Idee, was ich anziehen soll.«
»Also ich habe eines.«, erwidert Sharleen, die Kimberlys Zustand völlig kalt lässt. Aber so ist Sharleen schon immer gewesen. Deswegen bin ich ja da.
»Ich kann morgen nach der Schule noch ein bisschen in Metropolis bleiben, Kimmy. Wenn du willst, können wir ein Kleid für dich suchen.«, schlage ich vor und werde gleich danach mit Umarmungen und Küsschen überhäuft.
»Oh Gott, Maddi, du bist meine Rettung!«, seufzt sie in mein Ohr. »Was würde ich nur ohne dich machen?«
Ich halte die Luft an, um von ihrem Parfüm keine Atemnot zu bekommen.
»Kein Problem.«
Jetzt, wo Kimberlys Problem geklärt ist, widmen sich meine Freundinnen anderen Themen zu, bei denen ich nicht mitreden kann und will. Das war schon immer so. Solche Sachen wie Mode oder Schminke interessieren mich einfach nicht. In unserem Trio bin ich der vernünftige, der ruhige Teil, der immer einen guten Rat parat hat. Kimberly braucht jemanden wie mich, der ihr bei Problemen hilft und ihr wirklich zuhört, wenn sie etwas erzählt. Sharleen ist nicht so. Sie ist der Typ, mit dem man gut über Mode und all so\'n Zeugs reden und mit dem man hervorragend Party machen kann, der sich aber kein Stück für die Probleme der Anderen interessiert.
Ich klinke mich aus dem Gespräch aus, lehne meinen Kopf gegen das kühle Fenster des Zuges und schaue hinaus. Kimberlys und Sharleens Stimmen verschwimmen im Hintergrund und schon bald höre ich sie nicht mehr.
Metropolis, genauer gesagt Neo Metropolis, ist die Hauptstadt dieses Landes. Alle gehen dort zur Schule oder zur Universität, weil es in unseren Städten, die viel kleiner sind, so etwas nicht gibt. So hat das die Regierung beschlossen. Die Städte sind nur mit Zügen verbunden. Straßen und Autos gibt es nicht, nur innerhalb der Städte. Der Zug ist ein Teil meines alltäglichen Lebens, ich kann ihn mir nicht mehr wegdenken.
Wir lassen das „Neo“ oft weg, da jede Stadt damit anfängt. Die Stadt, in der ich wohne, heißt Neo Soul. Sharleen wohnt in Neo Ber, einer Stadt wo die reichen Leute und die Ranghöchsten in der Regierung wohnen. Ihr Vater ist der Bürgermeister von Metropolis, was bedeutet, dass Sharleen unglaublich reich ist. Kimberly wohnt in Neo Angelies, nah bei der Küste. Sharleen muss zuerst aussteigen, dann ich und dann Kimberly. Die Fahrt von Soul nach Metropolis dauert ungefähr anderthalb Stunden.
Plötzlich blitzt etwas zwischen den Bäumen auf. Es scheinen zwei kleine Lichter zu sein. Verwundert drücke ich mein ganzes Gesicht gegen das Fenster. Da, schon wieder. Was war das? Es ist doch verboten in den Wald zu gehen, aufgrund der Gefahren, die dort lauern! In den Wald hinein zu gehen, ist praktisch Selbstmord.
Ich blinzele angestrengt und versuche genauer hinzuschauen.
Es sind Augenpaare. Unglaublich viele Augenpaare. Mir wird mit einem Mal eiskalt. Halluziniere ich? Ich reibe mir die Augen und blinzele erneut. Nein, sie sind immer noch da. Sie scheinen den ganzen Wald zu schmücken.
Das Ächzen und Rattern der Jalousien lässt mich heftig zusammenfahren. Kimberly und Sharleen hören auf zu reden und blicken ebenfalls nach draußen.
»He, wieso lassen die die Jalousien hochfahren?«, haucht Kimberly verwirrt und ihre Augen nehmen einen ängstlichen Ausdruck an. Ein verwirrtes Raunen geht durch den Waggon, überall wird wild geflüstert.
Ich presse wieder mein Gesicht gegen das Fenster und sehe wieder das Blitzen der Augen.
Mein Herz rast. Was passiert hier gerade? Angestrengt versuche ich mehr zu erkennen, doch die Jalousien schließen sich und ich sehe nur noch metallische Platten.
Es knackt in der Lautsprecheranlage und augenblicklich wird es still im ganzen Zug.
»Meine Damen und Herren, liebe Gäste.«, ertönt eine Männerstimme. »Es besteht kein Grund zur Sorge, unsere Geräte haben gemeldet, dass in wenigen Augenblicken ein Unwetter mit gefährlichem Hagel über uns hereinbrechen wird. Bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen sitzen, solange der Hagel währt. Ich wiederhole, es besteht kein Grund zur Sorge. Wir werden Ihnen die Fahrt so angenehm wie möglich gestalten und danken Ihnen für ihr Verständnis.«
»Gott sei Dank, es ist nur Hagel.«, atmet Kimberly erleichtert auf und Sharleen nickt. Auch sie wirkt erleichtert. Die Gespräche werden wieder aufgenommen.
Und dann prasselt irgendetwas auf den Zug ein. Unaufhörlich.
Für einen Moment wird es wieder still, doch dann unterhalten sich die Passagiere wieder. Ich schließe die Augen und lehne mich zurück. Panik steigt in mir auf und schnürt mir die Kehle zu.
Das ist kein Hagel.
Das ist ein Angriff.
Ein Angriff der Einheimischen.
Ich öffne die Augen wieder und lasse den Blick über die Menschen schweifen. Vielleicht hat ja noch jemand außer mir, die Augen gesehen?
Hastig betrachte ich alle Gesichter. Bis ich dann an einem hängen bleibe.
Seine Augen sind stechend und durchbohren mich, jedoch kann ich meinen Blick nicht von ihm abwenden. Ich kenne ihn. Er geht auf meine Schule und sein Name ist Noah Livsey, er ist vielleicht ein oder zwei Jahre älter als ich. Ein Einzelgänger. Man trifft ihn immer alleine auf dem Flur oder in der Cafeteria, was seltsam ist, denn sein Vater ist die rechte Hand des Bürgermeisters und normalerweise haben alle Kinder, deren Eltern in der Regierung sind, einen großen Freundeskreis. Noah, jedoch, scheint sich die Einsamkeit selbst ausgesucht zu haben.
In seinen Augen liegt ein seltsames Funkeln.
Es beginnt, scheinen sie mir zu sagen. Und da wird mir klar, dass auch er weiß, dass das kein Hagel ist. Dass es die Einheimischen sind. Und er weiß auch, dass ich sie ebenfalls gesehen habe.

Kurz bevor wir die erste Stadt, Neo Ber, erreichen, hält der Zug urplötzlich an. Das heftige Prasseln hat schon seit mindestens über einer halben Stunde aufgehört. Wieder erklingt eine Durchsage: »Sehr geehrte Fahrgäste, wir halten für einige Minuten, damit Fachleute den Zug wegen eventueller Schäden untersuchen können. Wir bitten um Ihre Geduld und Ihr Verständnis, vielen Dank.«
Ich spüre Noahs Blick auf mir ruhen, aber ich habe nicht den Mut ihn anzusehen. Das, was eben geschehen ist, ist höchst verwirrend und beängstigend. Mir ist immer noch schlecht. Zum Glück sind Kimberly und Sharleen momentan nur mit sich selbst beschäftigt.
Sharleen holt ihre Tasche von der Gepäckablage runter und legt sie sich auf den Schoß. Sie gähnt und hebt ihre Hand mit gespreizten Fingern an den ihren roten Mund. Ihre Nägel sind schwarz mit silbergrauem Leo-Muster lackiert und spitz gefeilt. Sie erinnert mich ein wenig an eine Katze.
»Okay. Man sieht sich, Kimmy. Tschüss Maddi.«, sagt sie, erhebt sich und setzt zum Gehen an. Noah muss auch hier aussteigen. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie er sich erhebt, sich aber in die andere Richtung dreht und verschwindet. Gott sei Dank.
»Ciao, Sharleen. Bis morgen!«, flötet Kimberly. Mir ist immer noch nicht Wohl zumute. Die Furcht sitzt immer noch in meinen Knochen. Und so bringe ich nur ein schwaches »Tschüss« zustande.





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