In my Life - Teil 17

Autor: MarieCurie
veröffentlicht am: 30.05.2014


Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und wähle eine Nummer.
Es ertönt 4-5 Mal der Wählton.
„Hallo?“
„Darius.“ Ich kann ein Zittern in meiner Stimme nicht mal vermeiden.
„Lu, was ist los? Hör mal ich bin gerade in einer Vorlesung und..“
„Es tut mir leid, ich weiß nur nicht wen ich sonst anrufen sollte. Mein Dad liegt im Krankenhaus. Tut mir leid, das war blöd von mir.“ Eine kleine Weile bleibt alles Still, dann höre ich ein kratzen und eine Tür zuschlagen.
„Ich bin gleich da. Wo bist du?“ Ach Scheiße. Erst sage ich ihm er hat viel zu viel Freizeit als Student und dann ruf ich ihn mitten in einer Vorlesung an und heule ihn voll.
„Nein, bleib da. Ich wollte nur reden. Ist in Ordnung.“
„Wo bist du?“ Er geht gar nicht darauf ein.
„Noch bei der Psychiatrie.“
„Bleib wo du bist, ich komme dich abholen.“ Dann legt er auf.

20 Minuten später sehe ich seinen schwarzen Wagen. Er steigt aus und bedeutet mir einzusteigen.
„Du hättest das nicht tun müssen.“, meine ich als ich mich angeschnallt habe.
„Ich tu das gerne, wirklich. Es macht mir nichts aus.“
„Ok, ich will trotzdem nicht das du deine Vorlesungen versäumst wegen mir.“
„Die sind sowieso langweilig. Mach dir kein Kopf.“, meint er nur und schaut konzentriert auf die Straße.
„Warum ist er im Krankenhaus?“, fragt er dann.
„Herzinfarkt..Ich wusste das er sich kaputt macht. Aber er hat sich ja nichts sagen lassen.“ Ich seufze und schaue auf die Straße.
20 Minuten später stehen wir vor dem Krankenhaus.
Ich schnalle mich ab und Darius tut es mir gleich.
„Ich warte hier auf dich, ok?“ Nein, es ist nicht ok. Er hat schon zu viel für mich gemacht.
„Nein, komm mit rein. Vielleicht ist er ja wach und ich kann ihn dir vorstellen, oder so.“ Er nickt und lächelt leicht.
Wir steigen aus und laufen zum Eingang. Am Empfang frage ich nach meinem Vater und werde zur Neurologie geschickt. Wir gehen auf den Aufzug zu und ich drücke den Knopf des Aufzuges. Ich werde irgendwie schrecklich nervös. Ich verdamme mich im Moment gedanklich in die Hölle wegen meiner sich im Moment häufigen Gefühlsausbrüche. Gott bin ich eine Frau oder eine Maus?

Darius ergreift meine Hand als wäre es das selbstverständlichste dieser Welt. Und ich mag das Gefühl, das er bei mir ist.
Ich habe keine Ahnung was mich gleich erwarten wird. Aber er ist da und er beruhigt mich.
Auch als wir in den Fahrstuhl einsteigen, lässt er meine Hand nicht los und auch nicht als wir wieder aussteigen. Wir laufen zum Schwesternzimmer und kündigen unseren Besuch an, dann laufen wir zum Zimmer meines Vaters.
„Wartest du noch einen Moment hier draußen?“, frage ich ihn leicht lächelnd.
Er nickt und lässt meine Hand los. Ich klopfe an die Tür und öffne sie im selben Moment.
Dad liegt im Bett und ist wach. Jedenfalls sind seine Augen geöffnet und erleichtert atme ich aus.
„Dad..“ Er richtet sich etwas auf und schaut mich an. Ich gehe auf ihn zu und umarme ihn einfach nur. „Was machst du nur für Sachen, Dad?“, flüstere ich.
„Es tut mir leid, Lucy.“
„Dad dafür kannst du jetzt wirklich nichts..“ Ich umarme ihn fester und er beginnt zu schluchzen.
„Ich will dich nicht allein lassen, aber mein Herz ist ein Wrack. Die Ärzte meinten vorhin, dass ich, wie es jedenfalls im Moment aussieht, nicht sehr alt werden werde. Ich meine nachdem ich versucht habe mir mein Leben zu nehmen und wir uns wieder besser verstehen, will ich es nicht wegschmeißen. Ich will hier bleiben und sehen, was du aus deinem Leben machst.“
„Dad, hör auf dich fertig zu machen, das schadet dir nur noch mehr. Wie geht es dir jetzt?“ Ich löse mich von ihm und schenke ihm ein kleines lächeln.
„Wieder besser. Andreas war eben da. Also auch schon in der Psychiatrie. Er war der Auslöser des Herzinfarkt..jedenfalls für mich.“ Ich runzele die Stirn und plötzlich schleicht sich eine kleine Vorahnung in meinen Kopf und lässt mich nicht mehr los.
„Du bist suspendiert?“, frage ich leise.
„Ja, er konnte nichts für mich tun. Es stand alles schon fest. Wie...wie soll ich jemals wieder richtig leben können, wenn ich nicht mal einen Job habe. Ich will kein Harz4 oder andere Hilfen. Ich habe diesen Job geliebt..“
„Es wird alles wieder gut, Dad.“ Wie kann ich meinen eigenen Vater nur so belügen?
Ich sitze hier bei meinem Dad im Krankenhaus, umarme ihn und erzähle ihm irgendwelchen Stuss. Er hat keine sonstige Ausbildung. Er wird erst einmal das Arbeitslosengeld annehmen müssen und sich dann umschauen. Ich werde ihm auf jeden Fall dabei helfen. Ich lasse ihn nicht mehr einfach so alleine, wie ich es damals oft getan habe. Ich bin es ihm schuldig.

Mir fällt ein, das Darius noch draußen steht. Ich werde ihn damit wieder aufheitern. Nicht viel, aber wenigstens etwas..
Ich tätschele meinem Vater die Hand, schaue ihm ins Gesicht und meine „Wisch dir die Tränen weg. Draußen ist Jemand, den ich dir vorstellen will.“
Er wischt sich die Tränen weg, setzt sich aufrecht hin und lächelt leicht. „Wen? Hast du jemanden kennengelernt?“
„Ja Dad, aber nicht so wie du jetzt vielleicht denkst.“
Ich gehe zur Tür und bedeute Darius, dass er eintreten kann.
„Dad das ist Darius. Du weißt ich habe wenige gute Freunde und ich bin mir sicher ihn bald dazu zählen zu können. Weil du Jani und Stevie gut kennst, will ich einfach das du ihn kennenlernst.“
Darius geht auf meinen Vater zu und gibt ihm die Hand. Mein Vater ganz in seinem Element.
„Nenn mich Rainer.“, meint er begeistert. Er ist bei Steve schon damals begeistert gewesen, wieso sollte es bei Darius auch anders sein? Er freut sich immer riesig, wenn ich ihm von meinen Freunden erzähle. Und ich habe das Gefühl, dass er ihn mag.

Nach ungefähr zwei Stunden verlassen Darius und ich das Krankenhaus. Die frische Luft bläst mir entgegen und ich denke an das Gespräch zurück, dass mein Vater mir noch gedrückt hat, als Darius schon aus dem Zimmer gegangen war.

„Er ist nett, halte dich ran..“, hatte er gemeint und mir zugezwinkert.
Daraufhin habe ich nur geseufzt, habe ihn leicht gegen den Arm gestupst und mich dann verabschiedet.

Darius hat es sich natürlich nicht nehmen lassen, nachdem ich aus dem Zimmer kam, meine Hand zu nehmen. Ich habe nie verstanden, wieso sich die Menschen an den Händen fassen. Jetzt kann ich es ungefähr nachvollziehen. Darius Hand ist warm und sein Daumen streichelt mir hin und wieder über den Handrücken. Kaum zu glauben, dass ich solche Berührungen zu lasse. Tommy hätte ich damals verprügeln können, als er meine Hand des öfteren ergreifen wollte.
Die Beziehung mit Tommy war etwas merkwürdig, umso mehr konnte ich das mit Diane nachvollziehen. Vielleicht hat er das getan, weil er verzweifelt war, aber dann wäre er nicht mit Diane zusammengekommen. Eigentlich ist es mir auch egal.

„Hast du Lust, etwas zu unternehmen?“, reißt mich Darius aus meiner Gedankenwelt.
Warum nicht?
„Klar doch. Was willst du machen?“, frage ich.
„Mh, was magst du denn so? Ich hab bei dir immer das Gefühl, dass ich nichts über dich weiß, obwohl du mir viel erzählt hast.“, meint er lächelnd.
„Ich hab irgendwie Lust auf Eis. Eis ist mein bester Freund, wenn Stevie nicht da ist.“, lächele ich zurück. Ja ist stehe verdammt noch mal auf Eis, viel Eis. Eis, Zocken, Bier und Metal. Mein Leben wäre perfekt, vollkommen perfekt..
„Alles klar, Eisprinzessin.“, schmunzelt Darius.
„Witzig..“ Ich verdrehe die Augen, boxe ihm in den Bauch und gehe zu seinem Wagen.
Im Wagen betrachte ich mich im Außenspiegel und stelle fest, dass ein Besuch beim Frisör wieder von Nöten ist. Mein Ansatz ist schon wieder leicht schwarz und müsste nach gefärbt werden. Ich hasse Frisörbesuche. Es gibt nichts schlimmeres als Fremde, die in deinen Haaren rumfummeln und dich über dein Leben ausfragen.
„Auf geht\'s“ Darius setzt sich auf den Fahrersitz und lächelt mir noch einmal zu.
Irgendwann wird ihm Dieses noch vergehen, wenn er weiterhin mit mir befreundet bleibt. Er wird bestimmt genauso ein schlecht gelauntes Etwas wie ich es bin. Armer Kerl, dabei mag ich sein Lächeln sehr. Er strahlt eine Unbekümmertheit und Freude aus, sodass sich meine Mundwinkel des öfteren auch in die Höhe verirren. Allein die Tatsache, dass ich zuerst ihn statt Jani oder Steve angerufen hab, zeigt mir, dass ich ihm Vertraue und er mich auf eine unbestimmte Art so etwas wie „Glücklich“ macht. Er schafft es nur durch seine Anwesenheit mich meine Gedanken vergessen zu lassen. Ich sollte ihm irgendwann einen Presentkorb mit eine „Du machst mich Happy“-Karte zukommen lassen. Bei der Vorstellung daran muss ich laut loslachen, was mir wiederum einen total doofen Gesichtsausdruck von Darius einbringt und ich noch mehr lachen muss. Was daran so witzig ist, weiß ich nicht genau, denn verdient hätte er es schon.
„Schon gut.“, sage ich schnell und grinse ihn an. Er muss ja nicht jetzt direkt erfahren, dass es mir gut geht, wenn er da ist. Dieses Gefühl ist so absurd und unwirklich, dass man meinen könnte, ich sei über Nacht von Aliens überfallen und ausgetauscht worden.
Darius parkt und steigt mit mir aus. Seine Hand findet Meine und blablabla. Man kennt es doch aus diesen total übertrieben kitschigen Lovestorys à la Kathrine Heigl.
„Wieso lässt du das eigentlich zu?“, fragt Darius als hätte er meine Gedanken gelesen und für einen kurzen Moment habe ich den Verdacht, dass er wirklich aus mir lesen könnte wie aus einem Buch.
„Wieso sollte ich es nicht?“, stelle ich die Gegenfrage.
Er schmunzelt nur und zieht mich zur Eisdiele.
Es ist angenehm warm und die Sonne zeigt was sie hat. Wir sitzen uns in meinem Lieblingseiscafé gegenüber und schauen in die Karten. Eigentlich ein super duper toller Tag, wenn mein Dad keinen Herzinfarkt gehabt hätte. Hätte, hätte Fahrradkette..
Augenblicklich ziehen sich meine Mundwinkel nach unten. Das wiederum fällt meinem Gegenüber sofort auf, legt die Karte weg und nimmt meine Hand.
„Alles klar?“, fragt er und nimmt mir nun auch meine aus den Händen.
„Ja, ich dachte nur gerade an meinen Vater. Schon ok, wirklich.“
„Es wird ihm wieder besser gehen. Er erscheint mir als wäre er ein Kämpfer, so wie du.“, zwinkert er mir zu. Ich nehme meine Karte wieder an mich und versuche mich für ein Eis zu entscheiden.
Letzten Endes entscheidet sich mein Heißhunger für einen Schokobecher mit Erdbeeren. Darius nimmt ein Spagetthieis.
„Wie läufts mit dem Studium?“, frage ich nachdem der Kellner abgezischt ist.
„Alles im grünen Bereich. Da gibt es nichts zu erzählen. Und wegen der Vorlesung heute...die war eh langweilig und den Großteil der Notizen kann ich mir ja von Mitstudenten ausleihen oder so. Ist also wirklich nicht schlimm.“, lächelt er mich an.
„Ok. Noch eine Frage.“
„Ja bitte?“ Er schaut mich interessiert an und hat sein lächeln nicht verloren. Noch nicht.
„Wieso zum Geier lächelst du eigentlich immer so viel? Das muss doch immense Krämpfe im Gesicht auslösen. Ich bin ja kein Arzt, aber so viel lachen kann nicht gesund sein. Ich habe da die These, dass man dir als Kind irgendetwas in die Flasche getan hat.“, meine ich kopfschüttelnd.
Und Darius lacht mal wieder. Und ich mag es wenn er lacht.
„Du bist der Hammer, Lu.“, meint er als er sich ein wenig beruhigt hat.
„Danke, weiß ich.“ Ich strecke ihm die Zunge raus und alle scheint so ungezwungen. Ich bin gern mit ihm hier und er scheint auch gern mit mir hier zu sein. Der Kellner kommt mit unserem Eis und wie eine Wilde stürze ich mich auf meinen Schokoeisbecher.
„Eigenlob stinkt, Luce. Ich hätte nie gedacht, dass du so über dich denkst.“, neckt er mich und zwinkert mir zu. Ich eigentlich auch nicht und ich weiß auch nicht was mich dazu getrieben hat, so etwas zu sagen, aber es kam einfach so über meine Lippen.
„Du wolltest am Wochenende etwas mit mir unternehmen. Wie wäre es mit Samstag?“, wechsele ich das Thema.
Er denkt angestrengt nach, sodass sich seine Stirn etwas in falten legt.
„Mh, mir wäre Freitag lieber. Samstag habe ich eine Verabredung mit einer Mitstudentin. Sie ist im ersten Semester und neu in Köln. Ich soll ihr die Gegend zeigen, danach wollten wir noch ins Kino.“, lächelt er. Ich lächele auch. Gezwungenermaßen. Denn irgendwas macht sich in mir gerade selbstständig. Ein drückendes Gefühl, ein Gefühl das mir einen Stich in die Magengegend versetzt.
Ich habe so etwas noch nicht gespürt. Ich bin auch sehr froh darum.
Ok, lass dir nichts anmerken. Du lächelst schon eine Weile zu lang. Das muss jetzt echt scheiße aussehen, also mach was, sag was, irgendwas..
„Klar, Freitag klingt gut. Wir können ja Steve und Jani fragen und vielleicht auch Tommy.“, meine ich.
Tommy? Luce was sagst du da nur? Der Letzte den du fragen würdest, wäre Tommy.
Er nickt.
Ich schaue auf die Uhr. 18 Uhr. Zeit um reiß aus zu nehmen.
„Darius? Ich muss nach Hause. Meine Katze vermisst mich bestimmt schon.“
Er blickt ebenfalls auf die Uhr und stimmt mir zu. Wir bezahlen, stehen auf und gehen in Richtung Auto. Diesmal nimmt er nicht meine Hand. Und es stört mich. Es stört mich, dass er meine Hand nicht nimmt.






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