Erinnerungen am Wasserfall - Teil 9

Autor: dreamy
veröffentlicht am: 15.07.2014


Da wir sowieso nichts besonderes taten, folgten mir die anderen. Auch wenn sie anscheinend keinen Plan hatten, was ich wollte. Zwischen Wurzeln und Blätter versuchte ich mir den Weg zurück zu kämpfen. Die beiden Jungs stimmten währenddessen irgendein Lied ein und ich sehnte mich schon danach endlich meine Schuhe auszuziehen. Am Zeltplatz ging ich gleich zu unserem Zelt rüber und holte einige Essensvorräte raus. Meine Schuhe warf ich in die Ecke.
„Könnt ihr ein Feuer machen?“
Timo und Paul schauten mich beide an.
„Klar, ich muss nur die Grillsachen holen.“, antwortete mir Timo.
Mir ging es nicht ums Essen. Ich wollte einfach ein bisschen dieses Gefühl haben, dass wir dasitzen und gemeinsam Lieder singen oder so was. Einfach was tun. Bevor wir uns langweilen und nur rumgammeln, muss schon einiges schiefgegangen sein. Mittlerweile schienen die anderen von meiner Euphorie angesteckt zu sein und machten mit.
Um das Feuer haben wir ein paar Baumstämme stehen gehabt, auf denen wir saßen, und versuchten das Essen zu bruzzeln. Dann mussten wir eigentlich nur abwarten. Wieder war sie da, die Stille. Doch dann wandte sich Paul zu mir.
„Du scheinst echt viel von all dem zu halten. Warum ist es dir so wichtig, dass das was besonderes wird?“
Damit hatte ich nicht gerechnet. Mein Blick verriet, dass mir die Frage nicht gefiel. Was soll man denn antworten? Ja, mir war das wichtig. Ich wollte ein wenig frei sein und so was ist nun mal etwas besonderes. Vor allem, wenn man mit Leute zusammen ist, die einem wichtig sind.
„Sowas macht man nicht jede Woche und ich hab Spaß an all dem.“
Einen kurzen Augenblick dachte er nach und lächelte mir dann zu.
„Ich freu mich auch, euch alle wiederzusehen. Ich meine als Gruppe. Immerhin bin ich mit euch aufgewachsen.“
Genau so hab ich mir das vorgestellt. Endlich können wir wieder die Freunde sein, die wir früher waren. Ich holte mir ein wenig gegrilltes Gemüse und knabberte daran. Dann bemerkte ich Timo’s Gesicht. Etwas löste in mir ein Mitleidsgefühl aus. Trotzdem konnte ich es nicht einordnen. Die letzte Viertelstunde war er total ruhig.
„Als ich erfuhr, dass ich hierherziehe, hab ich daran gedacht, wie es früher war. Und was ihr jetzt so macht. Ich wusste nicht mal, ob ihr überhaupt noch hier wohnt.“, fügte er dann endlich hinzu.
Mir war gar nicht klar, dass nicht nur ich einen Gefühlswirrwarr erlebte. Aber bei Timo konnte ich momentan solche Schlüsse nicht ziehen.
Elli, die als einzige ein Lächeln als Antwort gab, blickte mich danach ziemlich müde an. Dann blieb es wieder still, sozusagen, als Mitfühlen von diesem Herzensgespräch. Dann merkte ich, was Elli eigentlich von mir wollte. Mittlerweile war es stockdunkel und auch ich wurde ziemlich schläfrig. Wir aßen noch den Rest auf, warteten bis das Feuer erlosch und gingen in unsere Zelte.
Drinnen war es ziemlich schwierig sich Schlafklamotten anzuziehen. Nach vollendeter Tat legte ich mich ziemlich erschöpft in meinen Schlafsack.
„Ich hätte nicht gedacht, dass Timo so viel an uns liegt.“
Elli kuschelte sich neben mir ein.
„Ist ja immerhin etwas spezielles, wenn man Menschen aus seiner Kindheit wieder trifft.“, antwortete ich.
„Trotzdem kam es sonst nicht so rüber.“
„Dramatisier das doch nicht so, ist doch schön, wenns so läuft.“
Eine Weile war es dann ruhig. Draußen hörte man nur ein paar Tier- und Waldgeräusche. Dann wurde mir klar, wie alleine wir waren. Nicht tatsächlich sondern eher gefühlsmäßig.
Nicht auszudenken, wenn hier jemand herumlungern würde.
Elli drehte ihren Kopf wieder zu mir.
„Hey, und wenn heut Nacht etwas ins Zelt hereinkrabbelt?“
Ich wollte jetzt nicht ausrasten, dafür war ich viel zu müde.
„Einfach ruhig sein und ignorieren.“
Sie lachte kurz auf.
„Sagt sich so leicht.“
„Zur Not kannst du ja immer noch brüderliche Unterstützung holen.“
Erst war sie kurz still, senkte dann aber ihren Blick.
„Ich bin groß genug, das alleine hinzubekommen. Man warum hab ich nur solche verrückte Gedanken?“
Ich wollte diesen Ausflug genießen und sagte nichts. Stattdessen rollte ich mich zur Seite und seufzte leise. Elli schien es mir nicht gleich zu tun. Zwar war sie dann still, aber irgendwie wollte sie doch noch nicht schlafen.
„Ich wollte dich noch etwas fragen.“
Meine Augen waren offen, aber ich bewegte mich nicht. Trotzdem wollte ich wissen, was sie wollte. Sie schien zu verstehen, dass ich zuhörte.
„Du bist in letzter Zeit so anders. Ich kann mir schon denken, dass dich das alles bewegt, aber es ist doch mehr oder? Ich meine bei Timo wirkst du so, als ob da noch mehr in dir ist, dass du aufarbeiten musst.“
Jetzt war ich hellwach. Wie kam sie darauf? War das so klar?
„Wie kommst du gerade auf Timo?“
Ich richtete mich auf und saß ihr jetzt gegenüber.
„Ist doch offensichtlich, dass er dir immer noch am Herzen liegt.“
„Ja, er ist mir wichtig. Aber du verstehst immer nur oberflächlich. Ich bin so anders, weil sich so viel verändert und ich den Kopf nicht dazu hatte, das alles zu klären.“
Elli sitzt weiter ruhig da und schaut mich an.
„Ich mache mir halt Sorgen.“
Warum wird alles nur so emotional? So traurig, als wäre etwas furchtbares in Sicht.
„Elli. Brauchst du doch nicht, ich freu mich doch.“
Ich gab ihr eine Umarmung. Jetzt seufzte sie.
„Ok, dann ist alles gut. Gehen wir schlafen.“
Damit war ich einverstanden und rollte mich wieder ein.
Die Nacht war erholsam, was einen ein wenig überraschen mag. Aber am Morgen streckte ich mich, zog mir was anderes über und ging nach draußen. Die Luft war total frisch und ich genoss einen Moment diese klare Aussicht. Ich wusste nicht, wie spät es war, trotzdem wollte ich mir ein wenig die Füße vertreten. In der Nähe der Zelte lief ich von einem Baum zum anderen und wartete bis die anderen aufstanden. Elli schaute dann auch endlich aus dem Zelt. Dann verschwand sie wieder und kam dann gekleidet heraus.
„Voll schön gerade. Da hat man gleich Lust wandern zu gehen.“
Ich schaute sie wehleidig an.
„Bitte nicht wandern. Lass den Morgen erstmal etwas ruhig werden.“
Sie zuckte mit den Mundwinkeln und schaute in der Gegend herum.
Eigentlich wollte ich wissen, was es noch so in diesem Wald gibt. Wenn man schon hier ist, kann man sich ja die Tiere und ein paar Pflanzen anschauen. Schaden kann das nicht. Aber ob die anderen schon ausgeruht sein werden, bezweifelte ich. Dann bekam ich langsam Hunger und wollte nachsehen, ob wir noch etwas im Zelt hatten, da bewegte sich etwas im Nachbarszelt und kurz darauf schaute Timo ziemlich verschlafen nach draußen.
„Morgen. Wie kann man jetzt schon wach sein?“
Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. So wirr hatte ich ihn noch nie gesehen.
Er atmete einmal tief durch und versuchte die Müdigkeit aus seinem Gesicht zu bekommen.
„Sind die schon etwa draußen?“
Timo schaute wieder ins Zelt. Anscheinend war Paul auch aufgewacht.
„Wird ja was. Wir wollen frühstücken.“, entgegnete Elli.
„Steh auf Paul.“, stimmte Timo ein.
Kurz darauf schlüpfte ein schlaftrunkener Paul aus dem Zelt. Er streckte sich kurz und gähnte noch mal tief.
„Also ich kann jetzt noch nicht essen. Aber helft mir mal das Zeug raus zu holen.“
Während wir ein paar Brötchen vorbereiteten, machte Timo sich ans Feuer. Nachdem die Funken große Flammen schlugen, konnten wir endlich essen und auch Paul nahm sich was, denn das alles machte ihn anscheinend hungrig.
„Hat jemand einen Plan für heute?“, fragte er dann.
Ich überlegte noch, während ich an meinem aufgewärmten Brötchen kaute. Elli kam mir dann zuvor.
„Bisschen rumlaufen, Sachen anschauen. Hier gibts bestimmt noch ein paar sich lohnende Anschauungsobjekte.“
„Ok, denn langsam fehlt mir die Bewegung.“, antwortete ihr Bruder.
Ich genoss die wohlige Wärme des Feuers und saß ansonsten ruhig da. Eigentlich wollte ich, dass wir mehr ins Gespräch kamen. Aber das konnte man ja nachholen. Wir aßen noch, räumten auf und zogen uns etwas mehr an. Konnte ja noch regnen. Ich packte noch ein paar Sachen ein und wollte dann auch schon los. Viel laufen wollte ich nicht, aber wir legten viele Pausen ein, worüber ich froh war. Hin und wieder kamen wir an ein paar Tieren vorbei und irgendwann tauchte auch mal ein Haufen Holzscheite auf. Dort machten wir wieder Rast. Der Boden war feucht und fühlte sich total weich an. Ich trank einen Schluck und wollte mich zurücklehnen, da bemerkte ich wie Paul sich an einigen Scheiten zu schaffen machte. Er stapelte sie nebeneinander und sprang dann darüber. Er hatte tatsächlich ein paar Sachen fürs Sport machen gefunden. Ich war nahezu begeistert über das, was er anstellte. Er war auch sportbegeistert, wenn er nur wollte. Immer wieder sprang er über höhere Holzstapel. Irgendwann schloss sich auch Elli an und versuchte sich langsam an einigen Brettern. Dann packte mich die Motivation und ich wollte mitmachen. Sogar Timo ließ sich drauf ein. Wir mussten wie Kinder ausgesehen haben. Aber das war der größte Spaß, denn ich seit langem hatte. Am Ende lachte ich so sehr, dass ich aufhören musste. Die anderen waren auch schon außer Atem. Wir setzten uns wieder auf unsere Plätze und verschnauften kurz. Timo blickte uns mit einem Grinsen an.
„Ihr seid ja voll schräg drauf.“
Ich war empört.
„Du hast selbst mitgemacht und hattest sichtlich Spaß daran.“
Dann schaute er mich direkt an.
„Mit euch muss es ja.“
Dann war ich still. Ich lehnte mich einfach zurück und lauschte den anderen. Irgendwann tippte Elli mir auf die Schultern.
„Hey, wir wollen weitergehen.“
Die Zeit schien ziemlich schnell vorüber zu gehen. Aber ich wollte noch unbedingt etwas finden. Die Vorstellung, jetzt schon ins Zelt zu gehen und rumzugammeln ist nicht gut für meine Stimmung. Also übernahm ich sogar die Führung und wartete nur darauf eine Stelle zu finden, die uns lange davon abhält. Die Stimmung war schon mal gut und die Füße schienen mich so dahinzutragen. Irgendwann machten wir dann wieder eine Pause. Es war eine schöne Stelle, deshalb wollten wir etwas länger bleiben.
„Hier könnte man eigentlich gut biken.“, meinte Paul.
Ich achtete eher auf Elli, die an ihrer Kleidung rumzupfte. Ich wollte gar nicht wissen, wie ich aussah. Dann beobachtete ich einige Vögel. In diesem Moment fühlte ich mich so frei. Hier draußen war man so unabhängig.
„Elli, ich glaube ich könnte hier länger bleiben.“
Sie lachte.
„Miet dir doch gleich einen Dauerplatz.“
„Ne, was soll ich hier alleine?“
Sie blickte mich an.
„Hast recht.“
Nach einer Weile war es mir dann genug.
„Sollen wir umkehren?“
Die anderen schauten mich kurz an und nickten dann. Auf dem Rückweg versuchte ich mir so viele Eindrücke wie möglich zu bewahren. Ich wollte das alles schätzen. Auf dem Zeltplatz merkten wir dann unseren Hunger.
„Ich schau mal, was wir noch haben.“
Ich war schon fast im Zelt, da bemerkte ich wie erschöpft sich die anderen hinsetzten. Ich ließ es dann bleiben und ging auf sie zu. Eine kleine Erholung war echt nicht schlecht.
„Das hat heute richtig gut getan.“, meinte Paul. „Einfach sich auspowern.“
„Aber bitte lasst uns heute nur noch ausruhen.“, sagte Elli dann.
Ich gab ihr Recht. Eigentlich wollte ich nur noch Essen und ein bisschen plaudern.
„Wir brauchen noch Holz. Ich sags nur ungern, aber wir müssen welches suchen.“
Mit müdem Blick schaute ich Timo an. Doch bevor ich zu seufzen anfing, rappelte ich mich auf und wollte schon losgehen.
„Wart kurz. Ich geh mit dir mit und Elli und Paul gehen gemeinsam.“
Mir war es gleich, also gingen wir los. Zuerst gingen wir dann aber doch zusammen auf die Suche. Elli und ich sammelten schon ein paar Äste auf. Dann bemerkten wir, dass es zu unübersichtlich wurde. Also gingen doch Timo und ich zusammen Holz suchen und Elli und Paul gingen zu einer anderen Stelle. Ich wartete vor allem darauf große Holzbretter zu finden. Timo wandte sich mir dann zu.
„Freut mich, dass du Freude an der Natur hast.“
Ich schaute ihn erstaunt an.
„Wieso das denn?“
Er lächelte kurz.
„Ich mag es, wenn Menschen sich noch für etwas begeistern können.“
Ich fand die Entspannung in dem Moment genau richtig. Aber ich konzentrierte mich dann wieder aufs Holzsammeln. Nach einer Weile entdeckte ich dann endlich einen Holzstapel.
„Komm hilf mir mal.“
Wir sammelten ein paar Klötze auf und gingen dann weiter. Mit der Zeit wurden die aber schwer und ich setzte mich.
Timo drehte sich zu mir um.
„Lass dir aber nicht zu viel Zeit, wir sollten so schnell wie möglich wieder zurück sein.“
Was machte er jetzt nur so einen Stress? Ich war nicht voller Muskeln und konnte so locker einen ganzen Stapel tragen. Ich versuchte mich dann aufzurappeln. Es kam immer mehr Holz dazu und ich konnte schon fast nichts mehr tragen. Trotzdem gefiel es mir im Wald total. Timo hatte da aber anscheinend etwas anderes im Sinn und kehrte mir den Rücken zu.
„Was ist denn? Wir werden schon ausreichend da haben.“
„Ja, ich will nur sicher gehen.“
„Gehen wir zurück.“
Jetzt drehte er sich um.
„Ich dachte, du wolltest Pause machen?“
Ich schaute ihn erstaunt an.
„Nein, das geht schon klar.“
Wieder ging er voran. Ich versuchte ihn einzuholen. Was denkt er sich eigentlich? Dann erreichte ich ihn endlich.
„Warum spielst du hier den Waldführer? Du kannst mich ruhig normal behandeln.“
Er schaute mich direkt an.
„Ich spiele hier niemanden, ich will nur das Holz zum Platz bringen und trage halt auch meinen Teil zu all dem bei.“
Sofort lief er weiter. Ich stoppte ihn dann wieder.
„Timo, wir müssen da lang.“
Er drehte sich wieder um.






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