Dafür hasse ich ihn - Teil 10

Autor: Wolfskatze
veröffentlicht am: 19.03.2014


Ein paar Tage später beschließe ich morgens spontan in die Innenstadt zu gehen. Normalerweise meide ich belebte Orte, aber nach drei Wochen Einsamkeit im Internat zieht es sogar mich unter Menschen. In Top, kurzer Hose und Flipflops mache ich mich also zu Fuß auf den Weg. Nach etwa zwanzig Minuten erreiche ich Einkaufsstraße. Es ist inzwischen zehn Uhr und es sind zunehmend Leute unterwegs. Erst schlendere ich durch die Straßen und sehe mir ein paar Schaufenster an, betrete aber keinen Laden. Shoppen ist einfach nicht mein Ding und außerdem habe ich eh kein Geld dafür.
Schließlich setze ich mich auf eine Bank unter einem Baum und beobachte die vorbeiziehenden Leute. Da sind Geschäftsleute in teuren Anzügen, die an mir vorbei eilen ohne etwas von ihrer Umgebung zu bemerken. Dann gibt es noch die Mütter mit quengelnden kleinen Kindern, die ihre Brut von einem Geschäft ins nächste schleifen.
Ich entdecke eine Gruppe Mädchen, die lachend und mit Einkaufstüten behängt an mir vorbei gehen. Erst auf den zweiten Blick erkenne ich sie als meine Mitschülerinnen, sind sie doch im Internat nicht ganz so aufreizend gekleidet und geschminkt. Wäre mein Leben anders verlaufen, wäre ich jetzt vielleicht eine von ihnen. Ich wäre unbeschwert und hätte viele Freundinnen. Aber das Schicksal hat anders für mich entschieden und je eher ich das akzeptiere, desto besser.

Inzwischen ist einige Zeit vergangen und ich sitze in der prallen Sonne, da der Schatten des Baumes hinter mir weitergewandert ist. Mir ist wirklich warm und so beschließe ich etwas zu tun, was ich sonst nie tue. Ich werde mir ein Eis kaufen. Mein letztes Eis muss Jahre her sein, aber jetzt habe ich einfach Lust darauf.
Also steuere ich ein kleines Eiscafe an und setze mich in die hinterste Ecke. Von dort aus kann ich fast alles beobachten ohne selbst gesehen zu werden. Als die Bedienung kommt, bestelle ich ein Spaghettieis, das auch rasch kommt. Während ich das ungewohnt süße Zeug esse und gedanklich ganz woanders bin, schrecke ich durch ein Geräusch auf.
Ich sehe wie Finn lachend das Cafe betritt. Ich ärgere mich schon hergekommen zu sein, denn ihm wollte ich heute nicht begegnen, als ich noch etwas feststellen muss: er ist nicht alleine.
Und als ich dann noch sehen muss mir wem er seine Zeit verbringt, ist mein Tag gelaufen. Es ist Claudia, eine derjenigen aufgeblasenen Tussis, die mir so oft wie möglich das Leben schwer machen. Und das nur, weil sie neidisch auf mich sind, weil sie nicht so gut kämpfen können und schlecht in der Schule sind. Obwohl das eigentlich kein Wunder ist, wenn man sich mehr für Mode und Jungs interessiert als für die Schule.
Noch hat Finn mich nicht entdeckt. Er lacht gerade über irgendeine Bemerkung von Claudia, während sie den beiden einen Platz aussucht. Ich bin mir sicher, dass sie mich gesehen hat. Warum sollte sie sonst einen Tisch in meiner Hörweite aussuchen und Finn mit dem Rücken zu mir positionieren, sodass er mich nicht sehen kann?
Ich esse weiter. Es geht mich doch gar nichts an. Eigentlich passen die beiden ja auch zusammen, denke ich ironisch, schließlich ist sie eine meiner größten Feindinnen und er mein Erzfeind. Und wie sagt man so schön? Gleich und gleich gesellt sich gern.
Aber ich hätte ihm doch einen besseren Frauengeschmack zugetraut. Ist er wirklich so oberflächlich? Ich meine sie hat echt eine tolle Figur und sieht in ihrem Minirock und dem bauchfreien Top echt sexy aus. Aber ihr tiefer Ausschnitt sieht bei ihrer Oberweite schon fast nuttig aus und zieht sämtliche Männerblicke auf sich.
Bei mir sieht das anders aus. Im Vergleich zu den meisten Gleichaltrigen habe ich winzige Brüste. Das ist nicht weiter schlimm, eigentlich ist das sogar ganz praktisch, weil ich dadurch im Kampf eine viel größere Bewegungsfreiheit habe.

"Ich finde das echt ungerecht," höre ich nun Claudias Stimme, "du bist der süßeste Junge der Schule." Finn und süß? Naja, nicht wirklich. "Aber warum musst du immer gegen diese doofe Saphira antreten?" Ist da etwa jemand eifersüchtig auf mich? Aber ich kann jetzt nicht anders und muss weiter zuhören. Ich bin genauso gespannt auf seine Antwort wie Claudia selbst. "Naja, die Kleine ist einfach die beste Kämpferin von euch, das muss man ihr lassen." Mein Herz macht einen erfreuten Hüpfer, als ich das Lob aus seinem Mund höre. Aber mir entgeht nicht der Hass in ihrem Blick und ihm anscheinend ebenso wenig. "Aber ich würde doch nie etwas mit einem Mädchen anfangen. Sie ist doch noch ein halbes Kind. Ich brauche schon eine richtige Frau."
Das tat weh. Ich habe vorerst genug gehört und wende mich meinem inzwischen geschmolzenen Rest von einem Eis zu. Claudia soll nicht auch noch sehen, dass ich mit den Tränen kämpfe.
Als ich wieder aufblicke, sehe ich direkt in ihre triumphierenden Augen.
Während sie Finn küsst.
Dafür hasse ich ihn.
Die beiden lösen sich wieder voneinander, als die Bedienung ihnen ihr Eis bringt. Ich lege Geld auf den Tisch, stehe auf und gehe Richtung Ausgang. Als ich an ihrem Tisch vorbeigehe, drehe ich mich kurz um, fixiere Finn und sage "Guten Appetit!".
Ich sehe noch seinen erschrockenen Blick, als ihm wohl klar wird, dass ich das ganze Gespräch mitgehört habe, während ich mich schon wieder abwende und weitergehe. "Saphira warte..." setzt Finn an, als Claudia ihm ins Wort fällt "Ach lass sie doch."
Dann bin ich außer Hörweite.
Erst auf dem Heimweg wird mir klar, dass das unsere erste Begegnung war, bei der wir nicht gekämpft haben. Im Internat angekommen verkrieche ich mich bis zum Abendessen im Bett, weil ich mich ganz und gar nicht wohlfühle. Und daran ist allein Finn Schuld.





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