Dafür hasse ich ihn - Teil 3

Autor: Wolfskatze
veröffentlicht am: 22.01.2014


Ich werde unsanft aus dem Schlaf gerissen. Mein Blick fällt auf meinen Wecker. Sonntag, fünf vor fünf Uhr morgens. Zeit aufzustehen. In fünf Minuten würden die Lehrerinnen kommen und uns wecken. Unfreundlich wie immer. Ich schließe noch einmal die Augen und dann ist es auch schon so weit. Meine Tür wird aufgestoßen und das Licht eingeschaltet. "Aufstehen!" Dann ist sie auch schon wieder weg. Aber die Tür ist noch offen. Ich hasse es wenn sie die Tür offen lassen. Man hat hier wirklich keine Privatsphäre.
Ich starre auf die nackte Glühbirne an der Decke. Mein ganzes Zimmer ist sehr einfach und karg eingerichtet. Der Tür gegenüber ist ein kleines Fenster ohne Vorhänge. Darunter steht mein Schreibtisch, auf dem meine Schulsachen verstreut liegen. Davor steht ein Stuhl. An der linken Wand stehen mein Bett und ein schlichter Kleiderschrank. An den nackten weißen Wänden hängt kein einziges Bild und auch sonst besitze ich keine persönlichen Gegenstände. Dies ist kein Ort zum wohlfühlen, aber ich bin ja eh nur zum schlafen und Hausaufgaben machen hier.
Ich öffne den Kleiderschrank, der nur drei verschiedene Outfits enthält. Die Schuluniform für den Unterricht, die Trainingsuniform fürs Kämpfen und meine privaten Sachen für die Freizeit, wobei der letzte Stapel der kleinste ist.
Ich schnappe mir Trainingssachen und ziehe sie an, nachdem ich die Tür geschlossen habe und mache mir einen Zopf, damit meine langen blonden Haare mich nicht stören. Nach einem kurzen Frühstück gehe ich zum Training. Es beginnt pünktlich um sechs. An Wochentagen trainiere ich zwei Stunden vor der Schule und zwei Stunden nach der Schule. Samstags je sechs Stunden vormittags und nachmittags. Sonntags habe ich ab Mittag frei. Heute ist Sonntag. Das Training verläuft wie immer. Nach dem Mittag ziehe ich mich um und gehe in die Stadt. Mein Ziel ist der Stadtpark. In dessen Mitte steht ein dichter dunkler Wald, doch wenn man sich an der richtigen Stelle durchs Unterholz schlägt, gelangt man zu einer kleinen wunderschönen Lichtung.
Das ist mein Lieblingsplatz und ich verbringe hier so viel Zeit wie möglich. Es ist mein kleines Geheimnis.
Doch es gibt ein Problem. Wenn ich dorthin will, muss ich am Jungeninternat vorbei. Und es passiert nicht selten, dass ich dabei Finn treffe. Und jedes Mal, wenn wir uns treffen, müssen wir gegeneinander kämpfen. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz.
Ich habe schon fast den Wald erreicht, als ich ein hämisches "Na wer schleicht sich denn da an mir vorbei?" höre. Finn. Der hat mir gerade noch gefehlt.
Betont langsam drehe ich mich zu ihm um. Er hatte wohl in der Sonne gelegen, schließlich haben wir heute wunderschönes Wetter. Er steht in kurzer Hose und ohne T-Shirt vor mir. Ich kann nicht anders als seinen muskulösen und durchtrainierten Körper zu betrachten. Wie sich seine Haut wohl anfühlt? Als er meinen Blick bemerkt, wirft er mir nur ein spöttisches Lächeln zu. Dieser Kerl weiß genau, wie er mich aus der Fassung bringen kann. "Ich schleiche nicht. Aber was kann ich dafür wenn du dich vor mir im Gras versteckst?"
Für einen Sekundenbruchteil habe ich das Gefühl ihn getroffen zu haben. Doch schon kurze Zeit später bin ich mir nicht mehr sicher. Ich kann seine Mimik einfach nicht lesen. Im Gegensatz zu ihm. Er liest in meinem Gesicht, wie in einem offenen Buch.
"Worauf wartest du?" knurre ich ihn an. Das lässt er sich nicht zweimal sagen. Mit zwei großen Schritten ist er bei mir und der ewige Kampf beginnt aufs neue.
Eigentlich bin ich vom Training noch viel zu erschöpft, um lange durchhalten zu können. Ich muss ihn also schnell fertig machen. Im Kampf fällt mir dann aber auf, dass auch er nicht in Topform ist. Schnell wird es zu einem Gerangel am Boden, bis er plötzlich über mir ist. Sein Gesicht schwebt nur wenige Zentimeter über meinem. Ich sehe seine großen schwarzen Augen, seine schöne Nase und die glatte Haut. Dann bleibt mein Blick an seinen vollen Lippen hängen. Ich stelle mir vor wie es wäre wenn er... Nein! Sowas darf ich nichtmal denken!
Sein Atem kitzelt auf meiner Haut. Ich schließe die Augen und atme tief ein. Mir fällt auf, dass er auch verdammt gut riecht. Als ich die Augen wieder öffne, schaut er mir tief in die Augen. Ich weiß, dass ich ungewöhnlich leuchtende saphirblaue Augen habe, doch er lässt sich davon nicht beeindrucken. Ich starre zurück. Der Moment kommt mir ewig vor, kann aber nur wenige Sekunden
gedauert haben. Dann sagt er ganz ruhig und langsam "Ich hab dich, Saphira.", wobei er jede Silbe betont.
Das bringt mich zurück in die Realität. Ich reiße mich los, schubse ihn von mir weg und springe auf. "Hast du nicht." gebe ich wütend zurück und stapfe davon. "Nicht so schnell Kleines, wir sind noch nicht fertig." Ich spüre wie er mir hinterher kommt. Ständig nennt er mich "Kleines", obwohl ich nur einen halben Kopf kleiner bin als er. Und ein Jahr jünger. Aber das tut jetzt nicht zur Sache. Ich kann es überhaupt nicht leiden "Kleines" genannt zu werden. Dafür hasse ich ihn.
Eine Sekunde später hat er mich erreicht und packt mich an der Schulter, um mich umzudrehen.
Ich schlage seine Hand weg und fauche ihn an "Lass mich in Ruhe! Ich hasse dich, Finn!" Das saß. Irritiert bleibt er stehen und ich nutze die Gelegenheit und flüchte in den Wald. Er kommt mir nicht hinterher.





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