No way out - Es gibt kein zurück - Teil 3

Autor: Anny
veröffentlicht am: 04.02.2014


Also Leute, diesmal ein etwas längerer und glaube ich langweiligerer Teil, da ich erstmal viel aufklären musste :P Ich bitte um Feedback, Verbesserungsvorschläge und Meinungen. Trotzdem viel Spass beim lesen :)

Ich atme schwer, sehe mich einfach nur selbst an. Es ist still im Krankenwagen, niemand spricht. Der Junge an den ich mich anlehne hat seine Arme auf seine Knie gestützt und legt den Kopf in seinen Schoß. Das einzige Geräusch ist dieser Bildschirm, der anzeigt ob man lebt oder nicht. Es ist dieses warnende Geräusch, was ich aus Greys Anatomy und Emergency Room kenne, dieses Geräusch, wenn man den Patienten verloren hat. Ich lege meine Hand auf die Schulter des Jungen, ich möchte ihn trösten, ihm Halt geben, so absurd es auch klingt. Plötzlich springt er auf und stürzt zu meinem regungslosen Körper. Er hämmert auf meinem Brustkorb herum und schreit immer wieder „Laurie, du kannst mir das nicht antun! Das bist du mir schuldig. Du bist es mir schuldig zu leben!“. Ich spüre die Verzweiflung in ihm und seine Wut. Ich verstehe nicht, warum ich ihm so wichtig bin. Ich versteh nicht einmal was wir miteinander zu tun haben, woher wir uns kennen. Die Sanitäter versuchen ihn sie beruhigen, sind jedoch unfähig ihn von mir wegzuziehen. Es ist ein heilloses Durcheinander, ein tragischer Schicksalsschlag. Ich verstehe nicht, warum wir immer noch fahren. Wir müssen doch langsam mal am Krankenhaus angekommen sein. Nun stehe auch ich wieder vor mir. Ich sehe mich an und kann es nicht fassen. Ich streiche mir die Strähnen aus dem Gesicht, streiche sanft über meine Lippen und tatsächlich, ich fühle es! Ich, ich kann das Gefühl auf meiner Haut spüren! Es ist unfassbar. Jetzt hämmere auch ich wie wild auf meinen Körper ein und ich spüre jeden einzelnen Schlag. „Wach verdammt noch mal auf!“ schreie ich mich an und schlage mir ins Gesicht. Das kann es nicht gewesen sein, ich spüre immer noch etwas, also ist es noch nicht vorbei. Der Ton, er setzt wieder ein. Der gute Ton, der sagt dass man lebt und die Linie auf dem Bildschirm ist nicht mehr eine Gerade, sondern gewellt. Ich hab es geschafft. Schlagartig drehe ich mich um und schau direkt in das Gesicht des Jungen. Er reißt sich von den Sanitätern los und stürzt auf mich zu. Seine Augen sind gerötet, sie glitzern und eine Träne hängt noch am unteren Lid. Seine Haare sind zerzaust und auch sein T-Shirt ist noch nass. Alles läuft wie in Zeitlupe ab und erst jetzt bemerke ich, dass er nicht auf mich zukommt, sondern durch mich hindurch gleitet. Und das Beste daran ist, ich hab es gespürt. Er bleibt stehen und dreht sich um, er steht jetzt genau vor mir und sieht verwirrt aus. Es ist so als ob er etwas suchen würde. Geht es ihm etwa genauso? Ich glaube ja. Kann so etwas tatsächlich passieren? Gerade noch verlor ich mich in den Augen dieses Jungen und im nächsten Moment verschwimmt alles und das Bild vor mir verfinstert sich. Ich nehme nichts mehr wahr, bin wie benommen…
„Hmm…“, ich atme ruhig, liege in einem Bett. Ich öffne die Augen und starre an eine weiße Decke, schaue einfach gerade nach oben. Ich kann meine Hände bewegen, ja auch meine Zehe. Lasse meinen Blick schweifen. Alles ist weiß und steril, ich muss es wohl ins Krankenhaus geschafft haben. Ich sehe einen Schrank, einen Tisch mit drei Stühlen, aber nicht mehr diesen Jungen. Hab ich mir ihn vielleicht eingebildet, ich meine ich war bestimmt schwer verletzt. Nicht mal eine Spur von meinen Eltern. Dies wundert mich aber fast weniger, als dass irgendein Junge nicht an meinem Krankenbett wacht. Meine Eltern sind so gut wie nie Zuhause. Meine Mutter ist Model und reißt ständig um die halbe Welt um für irgendwelche Modelinien zulaufen und mein Vater ist nur mit seiner Firma beschäftigt und gerade in Dubai unterwegs. Es war also keine Überraschung sie nicht hier zu sehen, obwohl es mich trotzdem ein wenig verletzte. Vor meinem Unfall hätte ich jetzt Witze darüber gemacht, alles ins Lächerliche gezogen und wahrscheinlich schon eine neue Luxushandtasche gekauft, um meinen Schmerz zu verbergen. Aber jetzt lief mir tatsächlich eine Träne die Wange herunter. Ich merke jetzt, was für ein trauriger Mensch ich eigentlich bin und dass ich allein war. Niemand war hier und niemand hatte Blumen oder ähnliches gebracht. Es klopfte an der Tür, ich war gespannt wer das sein könnte. Zugleich aber auch angespannt, weil es vielleicht nicht die Person ist, die ich gerne sehen will. „Miss Clark, sie sind ja endlich wach.“, lachte mich ein etwa 50 jähriger Mann mit Dreitagebart an. Er trägt einen weißen Kittel und ein Klemmbrett mit vielen Unterlagen. „Nun, wie geht es ihnen?“, fragt er freundlich und setzt sich auf einen Stuhl neben mein Bett. „Gut denke ich.“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Prima, dann werden wir jetzt mal nach den Verbänden schauen.“, lächelte er. Welche Verbände? Ich hatte doch nur einige Schnittwunden und an meinem Kopf war auch nur ein großes Pflaster, aber kein Verband. Ich sah ihn verwirrt in seine dunklen braunen Augen und war ganz schön irritiert. „Sie erinnern sich an nicht mehr viel oder?“, fragte er etwas besorgt. Ich schüttelte nur mit meinem Kopf und er faltete seine Hände. „Nun Miss Clark, sie hatten einen schweren Autounfall. Ein anderes Auto raste ihnen seitlich in ihren Wagen und sie verloren die Kontrolle und landeten direkt im Moon-Lake an der 88. Dabei sind sie fast ertrunken, aber jemand hat sie herausgezogen und den Krankenwagen gerufen. Als man sie am Straßengraben vorfand hatten sie einen Herzstillstand, aber man konnte sie wiederbeleben. Im Krankenwagen wurde dann festgestellt, dass sie eine große Platzwunde am Kopf, viele Schnittwunden und innere Blutungen hatten. Die inneren Blutungen waren stärker als gedacht und sie hatten erneut einen Herzstillstand. Man hat versucht sie wiederzubeleben, aber jeder Versuch war hoffnungslos. Sie waren für einige Minuten tot, aber wie durch ein Wunder kamen sie ins Leben zurück. Im Krankenhaus angekommen konnten wir die inneren Blutungen durch eine Notoperation stoppen, jedoch mussten wir sie aufgrund der schweren Verletzungen ins künstliche Koma versetzen. Heute, nach 22 Tagen sind sie aufgewacht. Sie sind eine Kämpferin Miss Clark.“, erzählte er. Mir stockt der Atem, ich habe das Gefühl mich nicht bewegen zu können. Ich kann das Gesagte im Moment nicht verkraften und auch nicht antworten. Ich sah den Arzt nur geschockt an. „Schon gut, das ist nicht einfach, aber sie haben überlebt und sind wohlauf. Nun schauen wir aber wirklich mal nach den Verbänden.“, sagte er erneut. Er zog meine Decke weg und bat mich mein Oberteil hochzuschieben, damit er meinen Bauch betrachten konnte. Mein kompletter Bauch war mit Verbänden bedeckt. Der Arzt, welcher übrigens Mr. Monti hieß, dies stand zumindest auf seinem Schildchen am Kittel, nahm die Verbände ab und ich sah eine etwa 20cm lange Narbe über meinem Bauchnabel. Ich war geschockt und jede Faser meines Körpers zitterte. Erst jetzt begriff ich eigentlich, wie haarscharf ich dem Tod entgangen war. „Sieht alles gut aus, ich komme dann heute Abend zur Visite noch einmal.“, lächelte der Arzt und wollte aufstehen, aber ich hielt ihm am Ärmel zurück. „Hat mich jemand besucht?“, fragte ich erwartungsvoll und gleichzeitig mit Tränen in den Augen. Er schüttelte nur mit dem Kopf. „Wer hat mich aus dem Wasser gezogen?“, fragte ich. „Wissen wir nicht, als der Krankenwagen ankam, war dort niemand.“ „Okay… Wann kann ich nach Hause?“, fragte ich ernüchtert. „Wahrscheinlich in 3 Tagen.“, sagte er ruhig und versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht so recht, da er merkte wie traurig ich war. Wenn man die Gewissheit von einer Sache hat, die man eh nicht anders erwartet hat tut es trotzdem weh, es ändert nichts daran. Dann war ich eben mal wieder allein, auf mich selbst gestellt. „I don’t care.“, sagte ich als Mantra vor mir her. Ich begann wieder diese Hülle aus Ignoranz und Gleichgültigkeit aufzubauen. Drei Tage später durfte ich dann auch endlich nach Hause, wo mich eh niemand erwartete. Ich hätte genauso gut hier bleiben können, da hatte ich zumindest noch Mr. Monti und die Krankenschwestern. Natürlich fuhr ich mit dem Taxi, es war ja niemand da, der mich abholen könnte. Meinen Kopf lehnte ich an die Scheibe und beobachtete die Menschen. Da waren glückliche mit einem Lachen im Gesicht, eine Frau Hand in Hand mit ihrem Partner, welcher kaum die Augen von seiner hübschen blonden Freundin lassen konnte. Da waren genervte mit bösem Blick, die zügig und an allen vorbei durch die Straßen hetzten ohne Weg und ohne Ziel. Ich musste an mich selbst denken, wie ich wohl durch die Straßen laufen würde. Wahrscheinlich mit zehn Einkaufstüten und einem selbstgefälligen Blick, niemand anderen würdigend und mit den Dollarzeichen in den Augen. Ja, genau so. Aber jetzt in dem Taxi sah ich mir jeden Menschen genau an, die gut gestylten, wahrscheinlich Reichen genauso wie die traurigen oder schlecht angezogenen. „Stopp!“, rief ich lauter als ich eigentlich wollte. „Ich laufe den Rest.“, sagte ich zum Taxifahrer und drückte ihm sein Geld in die Hand. Ich stieg aus und lief durch die Straßen. Ich fühlte mich verloren, klein und verlassen. Ich versuchte selbstbewusst einen Fuß vor den anderen zu setzen und den Blick aufrecht zulassen. Auf den Weg nach Hause kam ich an einem Park vorbei und beschloss mich einfach auf die grüne und saftige Wiese zu legen. Gesagt getan. Ich blickte in den Himmel, eine leichte Brise war zu spüren. Ich schloss die Augen, breitete die Arme aus und genoss jeden Atemzug. Ich spürte, dass ich am Leben war. Egal ob allein oder verloren, das sein zählte. Lächelnd richtete ich mich wieder auf und stand auf, lief weiter meinen Weg. Für die anderen mag das vielleicht merkwürdig ausgesehen haben, aber es war mir egal. Zuhause angekommen öffnete ich die Haustür, ich trat herein und wie erwartet war niemand da. Ich lege meine Schlüssel auf den kleinen Tisch, der direkt neben der Haustür stand und blickte in den Spiegel neben der Garderobe. Ich sah mich nicht, nur durch mich hindurch. Ich war ein Schatten meines Selbst und doch so viel mehr als je zuvor.
Im Wohnzimmer angekommen sah ich zahlreiche Pakete. Sicherlich von meinen so liebevollen Eltern. Ich packte alle nacheinander aus, ein neues IPhone, neue Klamotten, Schuhe, sogar ein Blumenstrauß und, und, und. Das war mal wieder klar, Geschenke gegen Liebe. Für Sie der perfekte Deal. Ich konnte bis jetzt immer ganz gut damit leben, was man nicht kennt vermisst man schließlich nicht. Richtig? Als nächstes schaltete ich mein neues Handy an und richtete alle nötigen Dinge ein. Die Nummer war die Selbe, ich erkannte es daran, dass ich zahlreiche Nachrichten und Anrufe hatte. Dass die Nummer die Gleiche ist haben meine Eltern nicht getan, damit meine Freunde meine Nummer noch hatten oder dass es für mich einfacher ist, sondern einfach nur aus dem Grund, dass meine Eltern sich schon kaum mein Geburtsdatum merken konnten, wie dann wohl eine neue Handynummer? Es gibt schon schwierige Dinge im Leben… Alle Nachrichten waren von meinen Freunden und meinem Freund. Ich hab sie zwar gelesen, aber bedeutet haben sie mir nichts. Auch zurück geschrieben habe ich nicht, ich wüsste auch gar nicht was ich ihnen zu sagen haben. Sicherlich machten sie sich Sorgen um mich, aber ich nahm es nicht ernst, da sie nicht mein wirkliches ich kennen, sondern nur die Rolle die ich spielte. Es ist so als würde man einen Film schauen, indem die Hauptfigur verletzt wird und man auf der Couch sitz und richtig mitfiebert, ob die Person überlebt. Es ist so, wie wenn man nach seiner Lieblingsserie weint, weil eine gemochte Person stirbt oder nicht mehr mitspielt. Das Problem ist, man fühlt mit der Rolle, die von der Filmindustrie erschaffen wurde, aber niemals mit dem Schauspieler, mit der realen Person. Diese reale Person kennt man nämlich gar nicht, sie hat nichts mit der Rolle zu tun und man spürt keine über viele Staffeln hinweg entstandene Bindung oder Vertrautheit. Man ist dieser Person schlichtweg fremd und genau so fremd bin ich in Wirklichkeit meinen Freunden. Ich lass meinen Blick ins Leere schweifen und denke drüber nach, was ich alles noch regeln muss. Ich muss mein Leben ordnen, ganz systematisch entfernen, was ich nicht mehr brauche und das loswerden, was ich nicht mehr bin. Das Vibrieren meines Handys riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah auf den Display und es war eine unbekannte Nummer. Merkwürdig. Ich öffnete die SMS und las nur, *Hey. Schön, dass du am Leben bist.* Mein ganzer Körper kribbelte und mein Herz raste förmlich. Ich hatte eine Ahnung von wem die SMS war oder besser gesagt hoffte ich zu wissen, dass die SMS von ihm war. Vom ihm, der im Krankenwagen um mich weinte und so für mich gekämpft hat. Vom ihm, mit diesen unbeschreiblichen Augen und dem schwarzen glänzenden Haar. Allein diese Hoffnung zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht.






Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz