Merancyia - Dämonen der Nacht - Teil 6

Autor: BobbySmitty
veröffentlicht am: 23.07.2014


Hier, endlich das nächste Kapitel. ^^ ich hoffe es sind diesmal nicht viele Fehler. :/
Kapitel Vier

Mason

Nachdem ich aufgewacht war, sprang ich sofort an Jearas Seite. Sie schlief noch tief und fest. Zwar hatte sie nichts schwerwiegendes, aber ich wurde immer etwas über vorsorglich, wenn die Rede von meiner Kleinen war. Mit steifen Fingern, die noch den Schlaf in sich trugen, strich ich ihr eine zerzauste Strähne hinters Ohr. Der Arzt sagte, sie wäre in Ohnmacht gefallen. Woran es lag, möge wohl an starken Kopfschmerzen liegen. Ich wusste dass es an ihrem Schlafmangel lag und wenn man den Stress in der Schule mit einberechnete, überraschte mich nicht. Doch am Morgen ging es ihr doch noch prächtig. Schließlich wollte sie mit dem Fahrrad zur Schule fahren, was sie sonst selten über sich ergehen ließ. Doch es könnte auch im Unterricht plötzlich aufgetaucht sein. Na ja, wichtig war, dass es ihr jetzt besser ging. Das war zumindest das was ich mir im Stillen erhoffte, erfahren würden wir das wen sie von ihrem Tiefschlaf aufwachen würde. Sie sah so zerbrechlich aus, sanft und süß. Gestern im Bett war sie um die Nase rot gewesen und dunkle Augenringe, hatten ihr Gesicht verdüstert. Jetzt waren ihre Wangen von der Hitze im Raum rötlich und die Ringe unter ihren Augen kaum zu sehen. Ein Tag durchschlafen und Jearinne wäre wieder fit wie ein Turnschuh. Ich beobachtete sie und ich seufzte wohl. Seit meiner Umkehr vor Jahren, wegen dem Tod meiner Eltern, bekam ich nicht genug von ihrem Anblick. Meine Schwester und Michael erinnerten mich am meisten an die wunderbare Zeit zusammen mit unserem Vater und unserer Mutter. Mein Magen knurrte, mein Hungergefühl erinnerte mich daran Nahrung zu mir zu nehmen. Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn und lief zur Cafeteria nach unten. An der Theke nahm ich mir sechs Stücke Pizza auf den Teller und Wasser. Ich aß so schnell ich konnte.
Als ich mich satt gegessen hatte, musste ich Jearinne wach rütteln. Ich lief zu ihrem Krankenbett und beobachtete sie. Behutsam strich ich ihr eine Strähne hinters Ohr, das sich auf ihrer rechten Wange breit gelegt hatte. Da fiel mir die Platzwunde auf, die sich an ihrer Augenbraue ausbreitete. Mein Magen zog sich zusammen. Wie konnte sie das bloß anrichten? Ich seufzte, dass sie sich das von einem Stolpern hinzugefügt hatte, war wohl nicht überraschend, jedoch machte ich mir langsam Gedanken und Sorgen um sie.
„Jearinne, wach auf.", sanft rüttelte ich sie an den Schultern.
„Du sollst mich Jeara nennen.", nuschelte sie und öffnete darauf ihre Lieder und schaute mich schlaftrunken an. Meine Mundwinkel zuckten merklich nach oben.
„Wir gehen nach Hause. Deine Sachen liegen bereit.", Sie bemühte sich, sich aufzurichten da half ich ihr auf. Man konnte ihr ansehen, dass sie etwas ausgelaugt war und Kopfschmerzen hatte. Und ich litt mit ihr. Ständig erhoffte ich mir, sie würde glücklich werden, lachen wie es Mädchen in ihrem Alter es machten. Seitdem letzten Mal, als sie melodisch und fröhlich gelacht hatte waren vier Jahre vergangen. Eine verdammt lange Zeit, um traurig zu sein. Sie erfreute sich sonst ständig am Leben. Kostete jede einzelne, kostbare Minute aus. Versuchte sich selber glücklich zu machen, und die Menschen um sich herum auch. Jedoch nach dem Unfall änderte sich alles schlagartig. Ich bekam den Anruf von dem Polizeirevier nach New York, da wohin ich umgezogen war. Nachdem Anruf, stand ich zuerst mal geschockt an der Selben Stelle. Wie angewurzelt, nicht fähig nur einen Schritt zu wagen. Ich flog gleich mit dem ersten Flug nach Boston zu Jearinne und Michael. Man hatte mir berichtet sie läge im Krankenhaus, mit einer Wunde die nicht zu deuten war. Sie berichteten mir sie wäre noch im Tiefschlaf, weil sie erst neu aus dem O.P. gekommen war. Sie wurde am Nacken operiert. Anscheinend hatte sich eine lange Glassplitter ans Werk gemacht und beim Unfall ihr eine Wunde, die von ihrem ganzen Nacken bis hin über ihren Rücken verlief, zugerichtet. Nachdem sie am Morgen aufwachte und noch ganz benommen von der Narkose war, wollte sie sich gar nicht mehr von mir lösen. Sie weinte nicht. Sie motzte nicht. Sie redete nicht, und blieb stumm. Schließlich, wurde sie vom Krankenhaus entlassen und wir fuhren nach Hause. Als wir ins Wohnzimmer angelaufen kamen, stand da ein Erdbeerkuchen auf dem Tisch. Daneben war ein Luftballon, das anscheinend mit Helium aufgeblasen wurde, denn es hing nur schlaff zu Boden, daher es an die alte Stehlampe gebunden gewesen war. Darauf hatte gestanden 'Willkommen Zuhause, unser Engel.'
Jeara fing an zu flüstern es sei ihre Schuld, weil sie wegen ihr zurückgekehrt waren. Sie redete sich ein sie hätte ihre Eltern getötet. Und sie änderte sich, wurde traurig, so wie ich Jearinne nie kannte. Ich beschloss in Boston, in der Harvard University zu studieren, weil sie mir einen Platz frei gehalten für alle Fälle. Jeara fühlte sich dadurch nur noch schlechter, doch ich besänftigte sie und sagte ich möchte bei ihr und Mickie bleiben und bei keinem anderen sonst, für immer. Es war kein Geheimnis, welch ein Familienmensch ich war.
„Gehen wir?".
Jearinne riss mich aus meinen Gedanken, verwirrt schaute ich sie an. Sie stand in zerknitterten Klamotten vor mir und rieb sich die Augen.
„Ehm... klar.".
Zwanzig Minuten Autofahrt, das kam doch sonst nie so lang vor. Dieses Mal war es mir so, dass sich alles in die Länge zog. Jearinne saß die ganze Fahrt nur stumm in ihrem Sitz und hatte ununterbrochen aus dem Fenster geschaut. Der Ausdruck in ihren Augen verriete mir, dass mit ihr etwas nicht stimmte.
„Willst du, dass ich langsamer fahre?",fragte ich, aber sie schüttelte den Kopf.
Es war bestimmt nicht leicht für sie mit dem Auto zu fahren, nachdem Trauma den sie erlitten hatte. Der Wagen machte einen Halt. Meine Hände klammerten sich fester um das Lenkrad, als würde ich um mein Leben bangen. Meine Knöchel traten weiß hervor. Meine Augen suchten nach ihren. Leicht hob sie den Kopf, so, dass wir uns ansehen konnten. Trauer war, wie eine Fackel in der Dunkelheit, in ihren Augen zu sehen.
"Alles okay?".
Sie nickte.
Frustriert schaute ich aus dem Fenster raus. Hupend rasten die Autos an uns vorbei.
„Mason, du fährst mich seit Jahren mit dem Auto, daran liegt es nicht.", Nie hatte ich mit meinen Befürchtungen über Jearinnes Gedanken richtig gelegen. Ich war total blind, ihr trauriges Gesicht, ihre abweisenden Wort und tote Haltung, blendete mir die Sicht. Unsere Augen trafen sich, sie lächelte mich an. Mir wurde bewusst, dass sie sich zusammen reißen musste.
"Liegt es an Krankenhäusern? Strengen sie dich sehr an?", tastete ich mich langsam vor.
"Ja, aber wenn du, Michael, Mary, Phil oder Tyson und Dick dabei seid, dann macht es mir nicht viel aus. Außerdem muss ich man daran gewöhnen, wenn ich einen großen Bruder als Chirurg habe.", flüsterte sie und lächelte mich an. Jetzt dämmerte es mir. Das Einzige was sie gebraucht hätte, war eine Aufmunterung meinerseits.
„Das wird schon, Kleines.“, zwinkerte ich und startete den Wagen noch mal neu, das Auto gab sich einen Ruck und er schlitterte nach vorn. Ich schaltete einen Gang runter, nicht um Jearinnes Willen, sondern wegen meinen gemischten Gefühlen. Etliche Gedanken, an die ich so oft Zeit verschwendet hatte, schwirrten mir nun durch den Kopf. Wie war es für Jearinne gewesen, als sie den Unfall hatte? Den Mut dazu ihr Fragen zu stellen, die sich auf das Unglück von vor vier Jahren bezogen, nie aufgebracht.
Wo nun endlich, das Haus in Sicht war, überkam mich heitere Erleichterung. Denn drinnen brannte Licht. Das hieß, dass Marilyn und Phillip alles ohne Ach und Weh geregelt hatten. Vom Beifahrersitz kam ein Erleichtertes Seufzen. Jearinne befreite sich von ihrem Gurt und grinste mich an. Das musste ich erwidern.
„Schon besser.", sagte sie und strich sich das Haar aus dem Gesicht.
"Geht mir genauso.".
Den Wagen parkte ich dieses Mal in die Garage. Ich löste den Gurt und stieg aus. Auf der anderen Seite schwang sie sich hoch und geriet dabei ins Schwanken. Bereit ihr zur Hilfe zueilen, hob sie beschwichtigt die Hand. „Mir geht es gut. Bin nur leicht aus dem Gleichgewicht geraten.", typisch für das Mädchen. Ich nahm noch das Gepäck aus dem Kofferraum und stemmte es mir auf den Arm. Jearinne hielt mir die Tür zur Hilfe auf. Ich nickte ihr dankbar zu und quetschte mich an ihr vorbei. Da kam ein schepperndes Geräusch aus der Küche.
„Wer ist da?", rief Jearinne und eilte den Flur entlang. Gelächter drang aus der Küche und Jearinne hielt auf halbem Wege inne, wo sie schließlich erkannte wer sich da befand. Die Tür hinter mir fiel ins Schloss und ich lief rechts den Flur entlang zur Küche. An der Wand war ein viereckiges Loch, wo durch man in die Küche lugen konnte. Phillip und Marilyn räumten hektisch das Geschirr und die Lebensmittelwaren in die Schränke ein. Das Gepäck, das ich sich auf meinen Armen schwer machte setzte ich neben einem Tischchen, worauf ein Bild von Jearinne, Michael und mir eingerahmt stand. Dies bewies, wie unterschiedlich wir alle drei aussahen. Meine schwarzen kurzen Haaren, die zerzaust in alle Richtungen abstanden. Türkisblaue Augen, lebendig und fröhlich. Michael mit seinem geschorenem Schädel und den lachenden grünen Augen. Genau das Gegenteil von Jearinne. Ihre Haare fielen glatt auf ihre Schultern. Blaue Augen die funkelten wie Sterne am Nachthimmel, jedoch so traurig und leblos aussehen, die sich quälten glücklich auszusehen. Ein so dünnes, zerbrechliches Gesicht blass wie ein Vampir. Meine und Mickies Haut waren im Gegensatz zu ihrem bräunlich. Dieser Anblick sollte mich fröhlich machen, was wir zusammen unternommen hatten, war wunderschön gewesen, doch ihr Gesichtsausdruck erzählte mir eine andere Geschichte als die, dass sie lächelte. Ich wusste nicht einmal mehr, wann sie zuletzt gelacht hatte. Gelächter drang zu mir herüber und holte mich aus meinem Trübsal raus. Ich wandte mein Blick vom Foto und lief in de Küche wo die drei Freunde innig in einer Umarmung standen. Schließlich lösten sie sich und ich musste halbherzig lachen. Verwirrt drehten sie sich zu mir um.
„Jearinne, versteh mich bitte nicht falsch, aber du bist im Gegensatz zu Marilyn so klein.", dadurch breitete sich ein so großes Lächeln auf ihrem Gesicht, dass ich mir ein Kichern verkneifen musste. Marilyn und Phillip fielen in schallendes Gelächter, Jearinne schaute mich empört, jedoch amüsiert an.
„Entschuldigen sie sich bei mir, für ihr unangebrachtes Benehmen.", sie hob ihr Kinn hoch und stemmte die Hände auf die Hüften. Dabei schloss sie gespielt arrogant die Augen. Mit einem langen Schritt war ich bei ihr und hob sie hoch. Sie machte schlapp auf meiner Schulter und schlug mir sachte auf den Rücken.
„Schon gut, du musst dich nicht entschuldigen.“, sagte sie und gähnte.
„Sie ist sehr müde. Ich bring sie ins Bett. Danke, dass ihr alles sauber und den Einkauf gemacht habt. Habt ihr eure Matratzen in ihrem Zimmer breit gemacht?".
„Das haben wir gern gemacht.", gab Phillip zurück.
„Alles ist schon in ihrem Zimmer.", bestätigte Marilyn.
„Ich bin immer noch anwesend. Übernachtet ihr hier? Wie schön. Trägst du mich hoch, Mason?". Es überraschte mich, wie auch Jearinnes Freunde, dass sie so schnell müde wurde. Ich erinnerte mich, an die Sachbücher, die ich einmal gelesen hatte, dass der Menschen durch zu viel Energie Aufwendung, wegen den Medikamenten aus den Krankenhäusern, auf einmal Kraft verloren. Oftmals nannte man das kurzen Energieschub. Jearinne war keine Ausnahme. Mit einem Nicken gab ich Marilyn und Phillip das Zeichen, dass nichts Außergewöhnliches dran lag. Sie liefen voraus, gingen, oder besser schlichen die Stufen hinauf. Jearinne lag nun schlaff in meinen Armen, tief in ihrem Schlaf. Mein Magen zog sich zusammen, ein Schmerz machte sich in meiner Brust breit. Jearinnes Glieder hingen schlaff herunter, was ihr Gewicht erschweren sollte, aber nichts dergleichen. Sie musste verdammt noch mal mehr essen. Meine Hand könnte wahrscheinlich, die ganze Breite ihrer Wade umschlingen. Was fehlte war nur noch, dass ihr gesamter Körper zu einem Skelett mutierte. Sie wog 47 Kilogramm, von der letzten Untersuchung, die ich jeden Monat mit ihr machte. Es überraschte mich immer, dass der Therapeut, bei jedem unserer Besuche früher, sagte sie wäre nicht magersüchtig, wäre einfach zu dürr. Ein Glück, dass sie kein Sport trieb. Darin war sie nämlich die totale Niete. Marilyn öffnete die Zimmertür, eine Nachttischschlampe erhellte den Raum mit weichem, gemütlichem, grünem Licht. Zwei Matratzen lagen mitsamt Decken und Kissen auf der großen freien Fläche zwischen Jearinnes Bett und ihrem blumengemustertem Sofa. Phillip half mir in dem er die Decke zur Seite hielt. Behutsam legte ich das Mädchen auf ihr Bett. Sobald sie lag, breitete sie ihre Beine und Arme aus. Ich lächelte. Sanft legte ich die Decke auf ihren Körper und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Das Verhältnis zwischen mir und meiner Schwester war außergewöhnlicher als die der Anderen. Michael hielt nicht viel von solchen Verhältnissen, weil er sich dadurch bedrängt fühlte. Jeara und ich gingen schon immer so bedacht und vertraut miteinander um. Einen Streit gab es sehr selten zwischen uns, außer den Üblichen wie, um die Fernbedienung kämpfen, wer zuerst auf die Toilette geht, wenn die Cornflakes schon aufgegessen waren. Doch Humor und Spaß drängten sich immer in unsere "Konflikte", so nahmen wir es nie ernst. Schließlich legten sich auch Phillip und Marilyn auf ihre Matratzen. Phillip lag auf der Matte neben dem Sofa und Marilyn neben dem Bett, worauf Jearinne schon schlummerte. Ich wollte kehrt machen, da stupste Marilyn mich an.
„Wie ging es ihr heute im Krankenhaus? Wann ist sie aufgewacht?", auch Phillip drehte sich zu mir um. Sie sahen mich erwartungsvoll an.
„Ihre Kopfschmerzen ließen durch die Medikamente etwas nach. Als ich von der Cafeteria kam, war es...", ich überlegte kurz nach. „Der Zeiger stand circa auf 15.40. So etwa um 50 nach drei.", sagte ich, so weit ich mich erinnerte.
„Der Doktor, sagte uns er wolle sie bis Samstag im Krankenhaus behalten, wieso also Tage ein früher?", brachte Phillip nun ein.
„Er meinte sie wäre bloß in Ohnmacht gefallen, was von Schlafmangel verursacht werden konnte. Hey, ihr würde es dort noch schlechter gehen, also konnte ich sie mit nach Hause nehmen. ".
Ich hoffte nur, dass sie einfach mal ihre Ruhe hatte. Ich schaute sie wieder an.
„Morgen ist der Tag lang, also bleibt nicht so lange wach. Für morgen habe ich mir schon etwas ausgedacht.", dabei zwinkerte ich ihnen zu. „Gute Nacht.".
„Gute Nacht.", wünschten sie mir gleichzeitig und zogen ihre Decken bis hoch ans Kinn. Die Tür zog ich hinter mir zu und marschierte in mein Zimmer. Meine Klamotten streifte ich mir ab, legte mich mit Boxershorts und T-Shirt ins Bett. Die Decke schlug ich zur Seite, legte mich hin und zog sie über mich. Ob es Jearinne morgen besser gehen würde? Würde sie sauer sein, wenn sie erfahren würde, dass Marilyn und Phillip ihre anderen Freunde für den morgigen Tag auch eingeladen hatten? Immerhin berichteten sie mir, sie wären seit Schulbeginn ziemlich gute Freunde geworden. Das bezweifelte ich nicht. Jearinne hatte mir oftmals von Ereignissen erzählt, die sich entweder in den Schulstunden oder in den Pausen wieder gaben, die sie mit ihnen verbrachte. Wie nannte sie, sie doch gleich noch mal. Seattlers? Genau, so nannte sie sie. Worum es sich um diese Namensgebung handelte verriet sie mir nicht. Gewisserweise verstand ich es auch nicht. Ich meine, wer wurde aus Jearinne denn schon schlau? Na, jeden Falls ich nicht. Bevor ich in das Land der Träume driftete, fragte ich mich, wo Michael bloß steckte?

Am nächsten Morgen wurde ich von Gepolter aufgeweckt. Die Decke war mir runter gefallen, was besser war, daher ich schwitzte. Verschlafen sah ich auf die Uhr. Fünf Uhr morgens. Wer war um diese Uhrzeit schon wach. Ich setzte mich auf und rieb mir verschlafen über die Augen. Mit müden Gliedern kam ich auf die Beine und taumelte auf meine Tür zu. Doch der Flur war ruhig und das Zimmer von Jearinne geschlossen. Ein Stöhnen ertönte von unten und ich verdrehte genervt die Augen. Michael. Ich schlich die Stufen hinab und entdeckte ihn zusammen gesunken auf Couch. In der Küche hatte er die leere Pfanne vom Tisch gefegt.
Mein Bruder hustete und stöhnte weiter, während ich die Pfanne wieder auf den Herd legte und zu ihm lief. Er lag bekümmert auf dem Sofa, stank so übel, als wäre er in ein Schnapsfass gefallen. Ihm hing etwas Speichel am Mundwinkel und seine Augen waren blutunterlaufen. Ohne es vermeiden zu wollen, rümpfte ich die Nase und zog missbilligend die Brauen in die Höhe.
„Siehst wirklich prächtig aus, Michael. Tolle Leistung.“, höhnte ich und kniete mich seufzend zu ihm runter, als etwas Kotze auf seinem auf seinem T-Shirt landete. Vom Couchtisch nahm ich eine Schachtel Taschentücher und tupfte ihm grob den Mund ab. Michael rieb sich erschöpft über die Augen.
„Tut mir leit, Masson. Tu mir l...leit“, nuschelte er und kniff die Augen zusammen. Ich gab keine Antwort. Nach der Beerdigung unserer Eltern hatte das ganze angefangen. Am Anfang war es noch normal, aber nach einer zeit, wurde es kritischer. Einmal mussten wir ihm, im Krankenhaus den Magen auspumpen, weil er irgendein Textil aus Versehen mit seinem Bier vertauscht hatte und es getrunken hatte. Seitdem hatte er sich ein gekriegt, aber ab und zu kam es jedoch vor. Es war nun mal unvermeidlich.
Phillip erschien gähnend auf den Treppen. Als er meine Lage sah und mein Schütteln wahrnahm, nickte er und torkelte wieder die Treppe hoch. Phil hatte schon oft genug – ich könnte es nicht an meinen Händen abzählen – solche Situationen gesehen. Ich hievte Mickie auf meine Schulter und ächzte unter seinem Gewicht. Mit wackeligen Schritten lief ich die Treppen hoch.
Schließlich kamen wir in seinem Zimmer an, das seit Wochen unordentlich war und sich in jeder Ecke Wäsche stapelte. Wie alt war er? Acht? Mit einem Ächzen ließ ich ihn vorsichtig auf sein Bett nieder. Ich ging in sein Bad, nahm ein Handtuch, füllte ein Eimer mit Wasser und drückte Aspirin aus dem Päckchen. Ich legte sie auf sein Nachtisch und kramte in seinen Schubladen frische Klamotten. Eine Jogginghose, ein T-Shirt von seiner Arbeitsstelle und ein Unterhemd. Mit zusammen gepressten Lippen, zog ich ihm das vollgereiherte Oberteil über den Kopf und er fiel wieder stöhnend in sein Kissen. Ich nahm das Handtuch, tauchte es in den Eimer und wischte über seinen verschwitzten Oberkörper, während meine Gesichtsmuskeln immer grimmiger wurden, aber die altbekannte Sorgenfalte auf meiner Stirn erschien. Dann wischte ich ihm das ganze Gesicht ab. Anschließend holte ich von den Pappbechern die achtlos auf dem Boden lagen, daher Michael nie Lust hatte, Geschirr runter und hoch zu bringen. Ich zog ihm sein Unterhemd und dann das T-Shirt an und befreite ihn aus der Jeans. Mit Mühe führte er seine Füße in die Hosenbeine ein.
„Mason?“, fragte er und hörte sich total fertig an und ich wusste sofort er brauchte einen Eimer. Ich rannte mit dem Eimer voller Wasser ins Bad, leerte ihn und hielt ihn sofort zu Michael, der beugte sich vor und kotzte. Würgte, hustete und kotzte weiter. Ich klopfte ihm etwas mitleidig auf den Rücken. Seine Finger griffen nach dem Handtuch und er wischt sich damit den Mund und das Gesicht ab. Er ließ sich in sein Kissen zurück sinken, aber lehnte sich diesmal an die Wand und blinzelte. Anscheinend war diese Art der Entleerung eine Besserung.
„Entschuldigung, ich hätte mich zusammen reißen sollen.“, flüsterte er mit kratziger Stimme.
„Abgelehnt.“, sagte ich und brachte ihm aus dem Bad Mundspülung. Er nahm einen Deckel voll in den Mund, spülte sein Mund aus und spuckte es in den Eimer.
Nachdem ich alles in der Toilette wegspülte, setzte ich mich zu ihm. Zwar waren seine Augen gläsern, aber er war bei sich.
„Du brauchst mich nicht so anzusehen, ich weiß, dass ich ein Problem habe.“, sagte er und wandte sich ab.
„Ach? Wirklich? Michael, verdammt, das soll aufhören? Ich will nicht, dass dich Jearinne oder die anderen dich immer in diesem Zustand sehen.“, zischte ich leise und drehte sein Kopf grob zu mir.
„Sieh dich doch an! Was erreichst du damit? Wo warst du überhaupt? Gestern bist du nicht mal Zuhause gewesen, ich wette Jearinne war enttäuscht deswegen.“.
Ich wurde sofort leise, als sich Tränen in Mickies Augen sammelten.
„Unmöglich. Also unmöglich, dass es nicht weh tut, wenn ich ihr in die Augen sehe. Mason, ich weiß, dass meine Gedanken total absurd sind, aber sie sieht Mutter so ähnlich.“.
Ich schluckte trocken und wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Aber er fuhr weiter.
„Ich war alleine, okay? Gestern war ich die ganze Zeit in einem Park, mit Alkohol. Gott, ich hatte scheiß Angst. Schon wieder ein Ereignis im Krankenhaus mit Jearinne. Ich hätte ihren Gesichtsausdruck nicht noch einmal ausgehalten, den, den sie vor vier Jahren hatte. Ich liebe sie, und wie ich es tue, aber es manchmal unmöglich auszuhalten, mit ihr zu plaudern oder große Späße zu machen. Wie früher. Aber wenn sie lacht, höre ich Mum. Wenn sie redet, höre ich Mum. Wenn sie lächelt, sehe ich Mum.“, seufzte er und rieb sich über die Augen.
„Michael, es sind vier Jahre her. Natürlich habe ich Mum und Dad auch geliebt, aber du kannst nicht alles und jeden, mit ihnen vergleichen.“.
„Ich weiß, ich weiß schon. Aber es ist einfach diese Sehnsucht, nach ihnen. Darf ich denn nicht nachtrauern. Einen Tag im Jahr haben, den ich für sich aufheben darf. Sag nicht, dass es keinen Tag bei dir gibt, wo unsere Eltern sehnlichst herbei wünschst und weil das nicht geht, geht es dir grottenschlecht. Gestern war meiner.“, sagte er und hustete. Ich verstand ihn.
„Weißt du, manchmal höre ich sie. Mum. In meinem Kopf. Wie sie morgens in der Küche gesummt hat, extra laut, um Jeara und mich aufzuwecken. Die Lieder die sie im Garten gesungen hat. Fremd für meine Ohren, aber es war so, als kannte ich sie ein Leben lang.“, flüsterte Michael und glättete seine Stirn. „Einmal dachte ich, Papa in der Garage töpfern. Wie er immer 'Voilà' sagte, wenn ihm die Figuren so gefielen, wie er sie sich vorgestellt hatte.“.
„Ich weiß, was du meinst.“, sagte ich und erinnerte mich an diese Tage zurück.
„Natürlich weiß du das. Aber diese Tage, diese Morgende vermisse ich so sehr.“, gestand er.
„Lass mich einfach alleine, Mason, heute Mittag wird das schon.“.
Ohne Widerworte stand ich auf und verließ sein Zimmer. Ich ließ das Ganze in meinem Kopf noch einmal Revue passieren. Als großer Bruder, sollte ich über sein Handeln höchst vertraut sein. War ich aber nicht. Letztes Jahr hatte er nach einer Kneipenschlägerei, von der ich ihn nach hause in sein Bett gebracht hatte, geweint. Wegen unseren Eltern. Wo er vorletztes Jahr war, wusste ich nicht.
Um 13 Uhr waren Mary und Phil schon auf den Beinen und aßen Cornflakes. Dabei schrieb ich ihnen die Einkaufsliste.
„Und vergesst nicht, keine...“.
„Keine Erbsen aus Dosen, schon klar, Mason.“, beendete Phil meinen Satz und räumte die leeren Schalen in die Spüle. Ich nickte. Dann reichte ich Marilyn den Zettel.
„Habt ihr den Jungs Bescheid gegeben?“, fragte ich und warf den Stift in die Schublade und schob sie zurück. Beide bejahten.
„Und ihr seid euch wirklich sicher, dass das Fest an eurer Schule eine Woche hinaus gezögert wurde? Denn ich sollte das wissen.“.
„Ganz sicher. Drei bis vier Lehrer sind krank, die wir bei den Ständen brauchen und es fehlt die Musik-AG. Ohne sich ist alles sonst Unnütz.“, sagte Phil und spielte mit seinen Fäden, an seiner Kapuzenmütze.
„Weshalb?“, fragte ich und stellte Gewürze, Soßen und Brote raus, um sie zu trennen. Manche Soßen waren bestimmt schon abgelaufen.
„Sie beginnen mit der ersten Auflage und sind zuständig für die Musikanlagen, von den manch andere Schüler und Schülerinnen keine Ahnung haben.“, sagte Marilyn und Phil nickte.
„Ist das nicht ein Vorteil für dich? Jearinne hatte mir erzählt, dass du deinen Text nicht ganz auswendig gelernt hast.“.
„Oh ja. Jackson hilft mir, bei den Szenen, an denen es noch hagelt.“, erzählte sie und lächelte. War das ein roter Schimmer auf ihren Wangen?
„Jackson? Einer von den Seattlern?“, fragte ich und sprach den Spitznamen extra betont aus, um meine Belustigung darüber zu unterstreichen.
„Genau. Jackson gehört Marilyn, aber bei Jearinne stehen zwei zur Auswahl. Entweder Ethan, die bessere Wahl, oder Anthony, die geht so Wahl.“, mischte sich Phillip ein und bekam einen Fußtritt von Marilyn. Sie sah ihn grimmig an. Mir blieb jedoch die Spucke im Mund weg.
„Wie bitte?“, fragte ich hoch und heiser. Beide sahen verlegen aus. Aber Marilyn schaute mich entschlossen und etwas sauer an.
„Die Geht-so-Wahl steht aber nicht zur Debatte.“, sagte sie und zog ihren besten Freund mit zur Tür. Jearinne hatte in ihrem Leben doch noch nie etwas mit Jungs am Hut. Hatte sie überhaupt ihre Menstruation?
„Prima.“, erwiderte ich gespielt heiter und begleitete die beiden zur Tür.

Jearinne
„Jeara?", Stimmen aus dem Jenseits.
„Jeara?!", diesmal drang die Stimme zu mir ein, Marilyn rüttelte sanft meine Schulter. Meine Lider öffneten sich noch nicht, immer noch schläfrig von den Medikamenten, die mir verabreicht wurden. Ich stellte mich schlafen und regte, oder blinzelte nicht. Da schlug sie mir auf den Po.
„Spiel nicht den Toten.", doch dies brachte mich nicht vom Bett. Meine Gliedmaßen fühlten sich wie Pudding an. Schlaff lagen sie auf der Matratze und fühlten sich einbetoniert an.
„Mason hat den Grill schon aufgestellt, also komm und hilf mir beim Kartoffelsalat.", sie rüttelte nun an meinem Rücken. Igitt. Kartoffelsalat. Ich hasste Essen das kalt anstatt warm war. Genau wie einen Nudelsalat, dass ich auch nicht runter schlucken konnte.
„Die Gäste treffen bald ein. Mach mal Zack.". Welche Gäste? Ich nahm ein Geräusch war. Die Tür wurde aufgerissen. Ich wollte durch blinzeln, doch das konnte ich nicht riskieren. Daher Marys Augen mit die eines Adlers vergleichbar waren.
„Steh auf, Soldat.". Phil durchbrach die Stille und hörte sich genauso an wie die Männer in den Kriegsfilmen. Ich musste mich zusammen reißen, um nicht, wie ein Trottel zu grinsen.
„Na schön. Aber merkt dir eins. Du wolltest das so.", drohte Marilyn. Was meinte sie denn damit. Doch bevor ich weiter grübeln konnte, bekam ich auch schon die Antwort auf meine Frage. Marilyn packte mich unter den Achseln, Phillip stemmte meine Füße auf seine Hüften und beide hoben mich hoch.
„Hey! Lasst mich runter!", schrie ich erschrocken, was sie nur zum Lachen brachte.
„Wer ist hier am schlafen?!", rief Phil. Lachend trugen sie mich raus. Ich versuchte mich frei zu strampeln, doch vergeblich besaß ich schwächliche Muskeln, die höchstens ein Kleinkind, beim Armdrücken, besiegen könnten. Bestimmt sah ich aus wie ein Idiot, die dachte sie könne sich schlafen stellen, bis ihre Freunde sie auf Übelste verrieten. Da kam uns die Treppe entgegen, wo man ja Bange bekam, die Treppen runter zu stürzen. Doch sie stolzierten einfach weiter.
„Lasst mich runter! Ihr seit ja totale Hooligans!", rief ich. Meine „ach so tollen“ Freunde trugen mich durch die Küche zur Tür, die uns zu unserem großen Garten führte. Ich erblickte Mason, der einen großen Schirm aufgebaut hatte. Darunter brutzelte er Steaks und schaute amüsiert zu uns. Mit einen wütenden Schnauben gab ich ihm das Zeichen, sich wieder an die Steaks zu widmen. Da dachte ich sie würden mir endlich einen festen Boden gewähren, doch da schmissen sie mich in den eiskalten Pool, der mir zu meiner Überraschung, heute so tief vorkam. Ich schreckte vor der Eiseskälte zusammen. Das Wasser umhüllte meinen Körper, was sich zwar wohl aber auch stickend anfühlte. Meine Narbe, die von meinem Nacken bis hin zu meinen Rücken verlief, brannte auf meiner Haut, wie es das immer tat, wenn ich mit Wasser in Kontakt kam. Langsam ging mir die Luft aus, ich rang um Luft und schwamm an die Oberfläche, was gar nicht mal so leicht war, wenn man unter Schock und mangelnder Luft stand. Phil und Mary standen am Rand des Beckens, sahen mich mit einem breiten Grinsen an, das sich auf beiden der Gesichter ausbreitete. Falls sie mich bloß wecken wollten, hatten sie ihr Ziel erreicht, dessen waren sie sich auch bewusst, denn in diesem Moment wurde ich hellwach. Nicht nur wegen dem kaltem Wasser, das mich so plötzlich umschlungen hatte, nein, denn vom Augenwinkel erkannte ich Charlie der auf uns zu sprintete mit den restlichen im Anmarsch. Sie alle rannten zu Phillip und Marilyn, die sie begrüßten und auf mich deuteten. Wie in Zeitlupe drehten sich alle Köpfe zu mir um, bis sie in schallendes Gelächter fielen. Da Blut schoss mir ins Gesicht, was mir alles noch erschwerte. Da tauchte plötzlich Anthony auf, dessen Mund auch lächelte. Kam es mir bloß so vor, oder fühlten sich meine Wangen jetzt noch wärmer als vorher an?
Er reichte mir seine Hand, die ich ungern annahm. Als ich er mich hoch ziehen wollte, und ich mich vom glitschigen Rand abstützte, rutschte ich plötzlich aus und tauchte wieder ein. Doch versehentlich zog ich Anthony mit rein. Mein Gesicht, das rot an lief, war bestimmt selbst unter Wasser nicht schwer zu übersehen. So ein Mist. Wieso gerade ich? Gleichzeitig stießen unsere Köpfe übers Wasser. Ich sah ihn schuldbewusst an, doch er grinste. Seine zimtbraunen Haare klebten ihm wirr an der Stirn, Wassertropfen fielen von seinen langen, dichten Wimpern. Leicht und amüsiert schüttelte er den Kopf und fing an zu lachen. Fasziniert beobachtete ich seinen Mund, der nass war und irgendwie glitzerte. Mein Herz stand still, alles um mich verschwamm und ich nahm niemanden oder nichts wahr außer Anthony.
„Schuldige.", murmelte ich, zweifelte daran, dass er mich gehört hatte.
„Ist nicht schlimm.", lachend hievte er sich aus dem Wasser, reichte mir trotz allem die Hand. Mary, Phil und alle anderen hatten das Szenario genauestens beobachtet, die nun los prusteten. Zuerst sah es so aus, dass es nicht lauter oder schlimmer werden konnte. Ich hatte mich geirrt. Jackson und Ethan klopften sich zum Überfluss auch noch auf die Schenkel, Marilyn und Phillip gaben sich beide einen Handschlag und Cameron und Samuel hielten sich an die Bäuche. Ich tippte darauf, dass sie durch das Gelächter Krämpfe bekommen hatten. Beschämt nahm ich die Hand von Anthony, die sich warm anfühlte. Behutsam schlossen sich seine Finger um meine Hand und zogen mich hoch. Als es wieder so aussah, dass ich aus dem Gleichgewicht kam, schnappte Anthony mich an der Taille und zog mich an sich. Wieder stockte mir der Atem, von der plötzlichen Nähe die es zwischen mir und ihm gab.
„Du kleiner Tollpatsch.", flüsterte er mir ins Ohr.
„Selber.", murmelte ich und ihn darauf hinwies, dass auch er vor Nässe triefte. Er ließ mich immer noch nicht los und hielt stets meine Hand. Er lachte.
„Hat doch Spaß gemacht.", hauchte er. Plötzlich schlug man mir leicht auf den Rücken. Ich drehte mich um und sah in Samuels grinsendes Gesicht.
„Womit hast du das verdient?", fragte er amüsiert. Da mischte sich Mary ins Gespräch ein.
„Sie wollte nicht aufstehen. Da haben Phil und ich nach geholfen", kam sie dazwischen und lachte wieder los. Auch sie hatte sich immer noch nicht vom Gegacker erholt. Jetzt fand auch ich es irgendwie lustig. Ich spähte rüber zu Mason dessen Mundwinkel zuckten, und weiter Steaks grillte.
„Ist nicht wahr?", johlte diesmal Cam.
„Klar. Jearinne hat es nicht leicht mit uns.", erwiderte Phil nun.
„Das entspricht voll und ganz der Wahrheit", spielerisch sah ich die beiden sauer an. Mason lief in unsere Richtung, um die Seattlers zu begrüßen. Er gab jedem die Hand, während er nach Name und Alter fragte. Bei Ethan, grinste er schelmisch.
„Freut mich, Ethan.“, sagte er böse grinsend. Der Junge nickte verstört und blickte mich nervös an. Anthony erwischte er total kalt.
„Hallo, Anthony. Auch Geht-so-Wahl genannt, stimmts?“, fragte er und drückte, wie ich es sah, Anthonys Hand stärker. Der jedoch zuckte nicht mal mit der Wimper. Er sah total süß aus, mit den nassen Klamotten und den feuchten Haaren.
„Nein, auch Tony genannt.“, antwortete er und blickte mich genauso wie Ethan verwirrt an.
Doch dann er sah mich von der Seite an. Doch er schaute mir nicht in die Augen, sondern musterte mich peinlich berührt, von oben bis unten. Seine Wangen liefen rot an. Ich sah an mir herunter, und erstarrte. Man sah meine Unterwäsche. Das mussten auch sie bemerkt haben, den alle verstummten. Anstatt mich ruckartig zum Haus zu befördern, stand ich unter Schock und bekam zuerst mal nichts mit. Auch Mason war die plötzliche Stille aufgefallen und schaute mich. Seine Augen weiteten sich, zog seine Schürze aus und wickelte sie um mich. Warnend sah er die anderen an, die sich beschämt und ruckartig umdrehten, bloß Marilyn nicht. Ihre Backen waren aufgeblasen, wohl oder übel unterdrückte sie einen Lachanfall. Mason brachte mich zur Tür, wo ich plötzlich aus meiner Starre erwachte. Das war doch gerade nicht wirklich passiert?
„Ich glaube du ziehst dir was Neues an.", sagte er und grinste.
„Was sollte diese Nummer mit Anthony und Ethan?“, fragte ich aufgebracht. Mason grinste. Humorlos und schelmisch.
„Musst du dich nicht umziehen, Jeara?“, fragte er...nicht, sondern befahl es mir.
Mechanisch nickte ich und rannte die Stufen in mein Zimmer. An der Türschwelle blieb ich hängen und fiel in mein Zimmer, sofort knallte ich mit meinem Bein die Tür zu. An den Moment von gerade eben, musste ich lächeln. Wer hätte gedacht, dass das Aufwecken gar nicht mal so schlecht ausfiel. Natürlich hatte das was mit Anthony zu tun, was mein Kribbeln im Margen verriet. Ich lief ins Bad wo ich mir die Haare trocken föhnte. Langsam nahmen sie wieder ihre langweilige, glatte Form an. Meine nassen Klamotten tauschte ich um. In meinem Schrank fand ein paar bunte, weite Klamotten. Bestimmt glich ich einem Papagei, aber diese Klamotten waren einfach so weich und gemütlich, selbst ich konnte nicht widerstehen. Obwohl ich mich auf schwarz, grau und weiß fixierte. Immerhin war jedes meiner Kleidungsstücke so. Gemütlich, locker und praktisch. Früher hatte ich auch, eher selten, enge Jeans und Tops angezogen. Aber nach einer Zeit, da wollte ich so gut wie möglich genug verstecken. Keiner wollte diese Umrisse von meiner Wirbelsäule sehen oder meinen hervortretenden Schlüsselbein. Weshalb meine Garderobe aus dickeren Sachen bestanden. Ich hörte Schritte aus dem Flur und ein schmatzendes Geräusch. Dann erklang die Stimme meines Bruders Michael.
„Das sind die frischen Klamotten und hier kannst du dich umziehen. Handtücher liegen im Schrank.“, sagte er und ganz kurz war es still, als Anthony antwortete.
„Vielen Dank, wäre unangenehm gewesen, die ganze Zeit in nasser Kleidung herum zu laufen.“, lachte dieser und Mickie stieg mit ein. Dann verschwanden Schritte und eine Tür wurde geschlossen. Mein Herz pochte mir bis zum Hals und ich schluckte den dicken Klos runter. Anthony stand keine drei Meter weit von mir in meinem Haus. Vor meinem Zimmer befand sich ein Gästezimmer, was hieß dass er sich da drinnen umzog. Mit eiligen Schritten rannte ich ins Bad und putzte mir die Zähne von einem unerklärlichen Drang. Zum ersten Mal seit langer Zeit beobachtete ich mich im Spiegel, um zu sehen ob ich gut oder schlecht aussah. Was mir entgegen schlug, vertrieb mir die Luft aus den Lungen. Ein Mädchen mit sanften rosa Wangen und leuchtenden Augen stand vor mir. Keine Augenringe mehr und keine Stirn, die sich immer wieder kräuselte. Ich band meine Haare zu einem unordentlichen Knoten, als es an der Tür klopfte.
Eine Millisekunde blieb mein Herz stehen. Mit großen Schritten kam ich an der Tür an und öffnete sie. In zu großen Shorts und einem überdimensionalem T-Shirt stand Anthony vor meiner Tür. Seine Haare waren schon am trocknen und ein Wassertropfen lief seine Wange hinunter und verschwand im Ausschnitt. Er sah mich überrascht und verlegen an.
„Ich dachte mir schon, dass das dein Zimmer ist.“, sagte er und kratzte sich am Nacken.
„Woher denn?“, fragte ich verwirrt und lugte kurz über meine Schulter um sicher zu gehen, dass mein Zimmer kein Chaos war.
„Es war die einzige Tür im Stock, die geschlossen war. Brauchst du noch lange?“.
„Nein, nein, komm doch kurz rein...äh, ich muss nur noch....dieses eine Ding...wie heißt das noch gleich?“, stotterte ich und suchte nach einer plausiblen Antwort. Anthony schüttelte den Kopf im gleichen Takt meines Fingers, der Kreise in Luft zeichnete und ich angestrengt nachdachte.
„Socken anziehen!“, rief ich und stürmte zu meiner Schublade. Im Augenwinkel sah ich Anthony eintreten und wie er sich im Zimmer umsah.
„Eine legendäre Bibliothek.“, sagte er beeindruckt und lief auf die drei riesigen Regale zu, die in der Ecke am Ende des Zimmers standen. „Alice im Wunderland, Dracula, Shakespeare. Sogar Frankenstein. Gehören die alle dir?“, fragte er erstaunt und zog einen Wälzer aus dem Schrank, mit heraushängenden gelben Blättern. Eindeutig Moby Dick.
„Nein, sie haben meinem Vater gehört, aber nachdem er gestorben ist...“, ich räusperte mich.
„...habe ich meine Lieblinge hierher in mein Zimmer genommen.“.
„Gute Entscheidung.“, lächelte er und wackelte mit dem Buch. „Moby Dick, häh? Wollte ich schon immer mal lesen.“.
„Nimm es mit. Ich habe ihn schon um die zig mal gelesen.“.
„Sicher? Was sind diese Blätter?“.
„Das sind bloß Merkzettel von meinem Vater. Lass sie einfach drinnen.“.
„Okay, danke. Erinnere mich daran.“, sagte er und legte das Buch auf mein Schreibtisch.
Ich nickte. Schließlich nahm er meine Kommode mit den Bildern in Begutachtung und griff nach einem Foto. Mit wackeligen Füßen lief ich auf ihn zu. Es war das mit meinem Vater und meiner Mutter. Wir waren alle im Garten. Meine Eltern, Mason, Michael, Mary und Phil, Tyson und Dickson und Onkel Roys. Sie saßen alle im Hintergrund, nur Mary nicht, sie schoss das Foto. Meine Eltern und ich im Vordergrund. Ich trug eine Latzhose und ein buntes Tuch, das ich mir meine Mum um den Kopf gewickelt hatte. An meinen Füßen die alten Gummistiefel meines Bruders. Meine Mutter kniete im Beet und hielt Karotten in die Luft, an denen angeknabbert wurde und darunter eins, dass nur aus grünen Blättern bestand. Sie sah sie schockiert und lachend zugleich. Mein Dad lag ausgestreckt auf dem Matsch und hatte die Arme unter seinem Kopf angewinkelt. Wir trugen die gleiche Latzhose, nur seine war viel, viel größer. Er lachte, hatte die Augen zusammen gekniffen und man sah sein weißen Zähne. Die sanfte Lachfalte um sein rechten Mundwinkel, lag wie selbstverständlich auf seiner Wange. Und dann ich. Mein Lächeln erreichte jede Lachfalte im Gesicht, jeden Nerv und Muskel. Ich war in der Hocke und hielt den Hasen im Arm, den wir in diesem Moment an unseren Karotten knabbern sahen.
Unweigerlich legte sich ein Schmunzeln auf meine Lippen.
„Du siehst unglaublich glücklich aus.“, murmelte Anthony und strich mit den Daumen über mein früheres Ich.
„War ich auch.“, gestand ich leise und erinnerte mich an den Moment zurück.

„Hey, Jeara, mein Schätzchen, sieh dir das an!“, brüllte meine Mutter aufgeregt und winkte mich zu sich. Ich reichte Dickson den Krug, mit der Limonade und zog meinen Vater mit, der Tyson mit seinem Wissen über Pflanzen vollquatschte. Ich liebte die Tage, an denen er mit mir in das Gewächshaus in die Stadt fuhr und mir alle Einzelheiten über alle Blumen aufzählte. Es waren immer andere. Er joggte lachend mit mir und wir blieben vor meiner Mutter stehen. Sie saß auf den Fersen und hielt einen weißen Büschel im Arm. Einen Hasen.
„Oh mein Gott, sieh dir den an, Daddy!“, johlte ich und bückte mich zu dem Hasen.
Er fühlte sich unglaublich weich und leicht an in meinen Händen. Seine Nase zuckte unaufhörlich und schaute mich aus großen Augen an. „Na, wenn haben wir denn da?“.
„Sieht dir sehr ähnlich.“, bemerkte mein Vater und kraulte dem Hasen das Fell hinter seinen Ohren. Ich lachte.
„Und wie.“.
„Der hat sich an unsere Karotten zu schaffen gemacht.“, rief meine Mutter und hielt die angeknabberten Stücke in die Höhe. Mein Vater beugte sie zu meiner Mum und küsste sie auf den Kopf.
„Ich pflanze dir neue.“, versicherte er und meine Mutter strahlte.
„Habt ihr nicht den besten Daddy der Welt, meine Katzen?“, fragte meine Mum laut und richtete die Frage auch an Mason und Michael, die zusammen mit Phillip und seinem Vater einen Grill aus Steinen bauten. Obwohl Phil nur den Eimer mit dem Zement in den Händen hielt.
„Den Besten!“, kam die übliche Antwort aus unseren Mündern. Dabei legte mein Dad seine mächtige Hand auf meinen Nacken, womit er immer ausdrückte, wie sehr er stolz auf uns war.
„Mary, Liebling, kommst du bitte, mit deiner Kamera hierher!“, schrie meine Mutter. Sie war immer laut, wenn wir alle beisammen waren und es ihr prächtig ging. Marilyn saß zusammen mit Tyson auf der Bank, während sie von Ty-Pie Fotos schoss, der immer wieder die Pose wechselte. Sie nickte und rannte auf uns zu. Als sie den Hasen in meinen Händen sah, weiteten sich ihre Augen. „Darf ich ihn auch mal halten?“, fragte sie aufgeregt und ich nickte lachend, nahm ihr vorsichtig die Kamera aus den Händen, während ich dabei versuchte ihr den Hasen zu geben.
„Der ist so weich, oder?“, sagte sie verträumt und kraulte ihn.
Meine Eltern inspizierten die restlichen Karotten und als einer nur mit den grünen Blättern herausgezogen wurde und die gesamte Karotte fehlte, fiel mein Vater lachend zu Boden, streckte sich aus und wieherte vor Lachen.
„Na, los! Ich mache ein Foto!“, sagte Marilyn und drückte mir sanft das Tier in die Arme und nahm die Kamera.
Ich ging in die Hocke und lächelte so sehr, dass mir die Wangen schmerzten, während meine Mutter die Karotten hochhielt, und mein Vater gar nicht mehr aus seinem Lachen herauskam.

Anthonys sanfte Berührung an meinem Ellenbogen holte mich zurück in die Realität. Entschuldigend sah ich zu ihm auf.
„Tut mir leid, ich habe gerade nur daran zurück gedacht.“, sagte ich und sah, dass er das Bild wieder an seine übliche Stelle gestellt hatte.
„So etwas sollte dir nicht leid tun. Ich meine, es ist doch schön, sich trotzdem an Erinnerungen und Bildern festzuklammern und zu wissen, man vergisst sie nicht.“, flüsterte er und sah mich an. Ich erwiderte den Blick.
„Du hast Recht.“.
Daraufhin grinste er.
„Wir sollten, runter gehen, sie erwarten uns bestimmt schon.“, sagte ich.
„Natürlich.“. Als er sich umdrehte um aus der Tür zu laufen und ich meinen Mund zum Sprechen öffnete hielt ich inne, als seine Hose plötzlich runter rutschte. Dabei kam sein Hintern in den Boxershorts zum Vorschein, doch Anthony zog sie schnell wieder über, aber der Bund blieb unter seinem Po hängen. Ich fing an zu lachen und hielt mir den Bauch. Anthony lachte mit und schubste mich mit seiner Hüfte zur Seite.
„Ja ja, ich will dich mal sehen, wenn dir so etwas passiert.“, sagte er und ein Grinsen nahm Besitz von seinen Lippen.
„Wenigstens passen mir meine Hosen.“, sagte ich, obwohl ich ja wusste, dass sie entweder Mickie oder Mason gehörte.
Anthony legte den Kopf schräg und beäugte meinen Körper.
„Du passt perfekt auf meine Schulter, Jeara.“, sagte er und bevor ich mich dem Kribbeln auf der Haut hingeben konnte, als er meinen Namen aussprach, hatte er mich hochgehoben und mich über seine Schulter geworfen. Mir entschlüpfte ein kleiner Schrei und ich fing an zu lachen. Er rannte mit mir auf die Treppe zu und der Flur ging vor meinen Augen auf und ab. Ich stützte mich auf seinem Rücken ab, was schwer war, daher mein Gesicht direkt vor seinem Hintern schwebte. Sein Kopf drückte sich fest an meine Seite und seine Hände umklammerten meine Schenkel. Mir wurde ganz schwummerig und warm. Als er die Stufen hinab joggte, festigte sich der Griff um meine Beine. In der Küche ließ er mich runter und manövrierte mich nach vorne. Lachend kamen wir draußen an. Tyson und Dickson waren da und redeten mit Phillip, Charlie und Cameron. Michael stand gekrümmt bei Mason und half ihm mit dem Fleisch. Marilyn saß zusammen mit Samuel, Ethan und Jackson auf dem Gras und plauderten. Mary saß ungewöhnlich nah an Jackson. Als würde ich den verliebten Blick nicht sehen, den sie ihm zuwarf.
„Wen haben wir denn da?“, bellte Dickson wütend und stampfte auf uns zu. Ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen, als er versuchte Anthony einzuschüchtern. Einer von den anderen hatte ihn bestimmt in irgendwas eingeweiht. Tony zuckte zusammen und machte einen zögernden klitzekleinen Schritt nach hinten, aber stand dann gleich wieder an der selben Stelle. Dickson war so ein Schrank, dass selbst ich mich manchmal erschreckte, wenn er einfach so hinter mir auftauchte.
„Ich mach Spaß, Junge. Willkommen bei den Walkers.“, lächelte Dick freundlich und schüttelte Anthony die Hand und Ty gleich auch. Wir gesellten uns zu den anderen. Während Anthony fragend meine Hand drückte.
„Ein echter Misch Masch von Freunden und Familie, oder?“, grinste ich. Er nickte heftig und stimmte mit ein.





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