Badefrauen - Teil 2

Autor: Carly
veröffentlicht am: 17.06.2013


Mal wieder ertönten die Glocken vom Kirchturm und ich wachte auf. Ein neuer Tag sollte beginnen. Doch was war jetzt? Die Kälte hatte meinen Körper in einen kalten Eisklumpen verwandelt. So fühlte er sich zumindest an. Mies. Hoffentlich wurde ich nicht krank. Meine Mutter brauchte mich! Ich zwang meine müden Gelenke zum Aufstehen und blickte mich um. Der Brunnen! Verdammt! Hoffentlich war es nicht zu spät! Hoffentlich würde Kaiserchen erst so gegen zehn ankommen! Ich packte schnell wieder die Schrubberbürste und begann zu reiben, als ginge es um mein Leben. Na ja, das ging es ja indirekt auch. Ich wollte meinen Arbeitgeber nicht schon wieder enttäuschen. Dieses Mal nicht! Doch mein Körper gehorchte mir nicht so recht. Ich fühlte mich etwas schlapp und ausgelaugt. Ich durfte nicht krank werden. Nicht jetzt. Hoffentlich hatte ich nicht bereits Fieber, denn ein leichtes Schwindelgefühl stellte sich ein.
Weiter schrubben! Schrubben, schrubben, schrubben! Ich arbeitete in einem Tempo, dass für mich heute eigentlich nicht gut war. Es war der vierte Tag an dem ich arbeitete, als gebe es keinen Morgen mehr.
Und überlegt mal! Ich arbeitete sowieso das ganze Jahr über jede Menge. Mein Leben bestand nur aus Arbeit. Und da soll mal jemand so einen Arbeitgeber zum Mann angeln. Aber solche Geschichten gab es sowieso nur in den Märchen, die ich meinen Geschwistern als Gute-Nacht-Geschichten auftischte.
Doch die endeten stets in vollkommener Harmonie. Wo Mann und Frau vereint waren und weder von Krieg noch Arbeit voneinander getrennt wurden.
Ja, wie bereits erwähnt: Ich war eine hoffnungslose Romantikerin.
Plötzlich läuteten alle Glocken der internen Türme der Badehäuser. Wovon sie jedoch übertönt wurden, waren meine Alarmglocken! Oh, Schande!
Schnell rannte ich zur Tür, stolperte unterwegs über meine Utensilien und flitzte zum Eingangsbereich.
Durch die weiten Fenster konnte ich sehen, dass die ganze Stadt davor lungerte und die Ankunft des Kaisers, dessen Name mir wieder komplett missfallen war, ich wusste nur noch, dass ein „von“ drin vorkam, erwartete. Ich sah mich um und stellte mich schnell zu Nena. Sie war gar nicht wieder zu erkennen. Sie hatte ihr straßenköterblondes Haar hochgesteckt, als gehörte sie selbst zum Adel und hatte sich ihre teuerste Schminke aufgelegt. Ihr Kleid war schwarz mit weitem Ausschnitt und weißer, kleiner Schürze über dem Rock. „Wie siehst du denn aus?“ Ihre durch die pummelige Figur geprägten Beine wurden von diesem Kleid leider ungünstig betont, doch dennoch sah sie schön aus. So ausgeruht und bereit ihre große Aufgabe entgegen zu nehmen.
„Das sollte ich eher dich fragen!“, zischte sie mir entgegen. Ja, okay, sie hatte Recht. Ich konnte gut reden. Mir fehlte eine Dusche, ich war total übernächtigt, eingefroren, schlapp, ungekämmt und einfach unvorbereitet. Ob der Kaiserin mein wüster Naturlook gefallen würde? Ich kicherte in mich hinein. Meine Strubbelfrisur war bestimmt auch nicht kleiner als ihre Krone. Immerhin hatte ich sowieso dickes Haar, und ungepflegt war es eine wahre Strohlandschaft aus Korkenzieherlocken. Also im Prinzip immer. Wir hatten kein Geld für Pflegemittel. Dafür waren sie mir dennoch mittlerweile bis zum Steiß gewachsen.
So würde ich also dem Mann entgegentreten, der mir meinen Vater bereits neunzehn Monate genommen hatte. Eine Zeit, die uns keiner mehr zurückgeben konnte. Ein selbstgefälliges Grinsen legte sich über meine tiefe Trauer. Ich vermisste ihn so unendlich.
Die Masse vor dem Eingang verbeugte sich. Es war nicht gerade schwer zu schlussfolgern, dass der Kaiser nun angekommen war. Diese großen Fenster waren praktisch! Und mit genug Übung konnte man sogar durch sie hindurchschauen. Ihr müsst wissen, dass waren Kirchenfenster. Viele bunte Gläser zusammengesetzt zu einem Bild. Bei dem in der Eingangshalle des siebten Badehauses rätselten wir schon lange, ob es ein Schmetterling oder die weiblichen Geschlechtsorgane darstellte. Ich war für die Schmetterlingstheorie. Ich meine, wer setzt sich schon Geschlechtsorgane ins Fenster ein? Wobei, bedenkt man den Brunnen, ist das gar nicht mal so abwegig.
Die Türen wurden aufgehalten und ein Mann trat in einem Gang hier rein, der bestimmt fünfzig Jahre hartes Training repräsentierte. Seine Frau in einem Kleid, unter dem Kinder Verstecken spielen konnten. Mit einem Teint, da werden auch die Nixen im Garten neidisch. Wow! Eine Schönheit war sie tatsächlich. Ihren Namen hab ich nie gewusst, fiel mir da gerade mal so beiläufig ein.
„Anna.“, wisperte mir Nena zu und bewies mir, dass die letzten Tage wirklich nur am Stress gelitten hatten. Sie konnte meine Gedanken doch noch weitläufig lesen. „Kaiserin Anna von Hohenzollern?“, flüsterte ich so leise wie möglich und sie nickte kaum merklich. Ich nickte dankbar und musterte das Kleid. Ein hellblaues Kleid mit mehr Verzierungen als unsere Gardinen zu Hause. Damit konnte man ja glatt den Betrachter hypnotisieren!
Doch genug davon. Jetzt war Kaiserchen dran. Ein großer Fehler! Mein körperlicher Zustand war alles andere als stabil und dieser Anblick schnürte mir nicht nur sprichwörtlich die Luft ab! Der stellte doch tatsächlich unseren Arbeitgeber in den Schatten. Ich röchelte nach Luft und blickte zu Helena auf, die genauso nach Sauerstoff rang, wie ich.
Ein blonder stattlicher Mann, mit starkem Kreuz und offenherzigem Gesicht. Seine Gesichtszüge waren etwas markant, dennoch weich. Ein interessantes Spiel zweier Gegensätze. Seine Augen waren groß und wachsam in einem nie vorher gesehenen Azurblau. Sie waren so auffällig, dass ich das von meinem taktisch ungünstigen Platz aus sehen konnte.
Selbst als ich mich verbeugte, ließ ich meine Augen auf ihm Ruhen. Das war eine Verführung verpackt in eine Kaiserliche Uniform. Ich lief Rot an und mein Körper taute endlich wieder auf. Mein Herz machte Überstunden und pumpte mir die Scharmesröte ins Gesicht. Er war doch noch so Jung!
Ich weidete mich in meinen Schwärmereien und seufzte leise vor mich hin. Man, war das kindisch, es war mir bewusst und dennoch egal.
Herr von Cratz begrüßte beide zu allererst mit einem Lächeln, welches der Kaiser erwiderte. So im Vergleich wirkten selbst Cratz Grübchen nicht. Vielleicht sollte ich doch lieber die Kaiserin fragen, wo ich meine Angel auszuwerfen hatte. Der Kaiser hatte gerade, weiße Zähne, seine Lippen waren wie von Aphrodite zum Küssen entworfen.
Nun wendete sich unser Arbeitgeber der Kaiserin zu und küsste wehmütig ihre Hand.
Das würde definitiv mal blonde Kinder geben. Beide hatten ein sauberes, glänzendes Blond auf dem Kopf. Eine schöne Haarfarbe, wie ich fand.
„Ich freue mich außergewöhnlich, die Hoheiten in unserem bescheidenen Badehaus begrüßen zu dürfen.“ Alles klar, dritte Person!, gab ich mir selbst Unterricht, wie man mit den beiden zu reden hatte. Wenn ich die Kaiserin begrüßte, musste ich ihr auch als Frau die Hand küssen? Hm, wahrscheinlich. Oder? Neh! Eigentlich…nein. Das würde ich gewiss bleiben lassen.
Das restliche Gelaber von Cratz überhörte ich, da meine Gedanken mich mal wieder in Beschlag nahmen. Ob andere auch so viel denken, wie ich?
Helena riss mich an der Hand mit sich und zeigte mir damit, dass wir also bereits in seiner Rede gefallen waren.
„Bettina von den Eichen und Helena von Verdenz stehen Euch zur Verfügung, Euer Majestät.“ Die Beiden Frauen machten einen Filmreifen Knicks und lächelten dem Kaiser im Chor zu.
„Für Euch, Kaiserin Anna von Hohenzollern, haben wir eine ganz besondere Arbeitskraft, Katharina Hengest“ Ich ging einen Schritt weiter auf sie zu, gerührt von den süßen Worten unseres Geldgebers. Doch kaum hatte ich mich ins Rampenlicht begeben, sah ich einen kleinen Splitter von Missbilligung in seinem Gesicht, was wohl nur ein geschulter Kenner dieses Mannes, zu denen ich mich ganz offensichtlich zählen konnte, sah.
Ich ahmte diesen Knicks nach und erntete eine Musterung der beiden Hoheiten. Kurze Zeit hatte ich das Gefühl, das Muttermahl über der Lippe der Kaiserin würde sich bewegen, bevor ich ihren abfälligen Blick wahrnahm. Sie verabscheute mich…Und ich sie noch wesentlich mehr. Vielleicht sollte ich ihr mal „aus Versehen“ so fest auf ihr Kleidchen treten, dass sie in königlicher Unterwäsche vor versammelter Mannschaft steht.
Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Welch köstliche Vorstellung!
Was mich überraschte war, dass sich das gleiche Lächeln bei dem Kaiser widerspiegelte. Er erwiderte mein Lächeln? Oh! Wow! Ich musste aufpassen, nicht zu stolpern und der Dame tatsächlich das Kleid vom Leibe zu reißen. Das durfte ja wohl nur der Kaiser. Wäääh! Welch widerlicher Gedanke. Er schüttelte mich fast. Hoffentlich hatte das keiner gesehen.

Ich führte die Kaiserin in ihr Zimmer. War irgendwie schon komisch, dass die Hoheiten in verschiedenen Zimmern übernachteten. Aber jedem das seine. Ich bin da eher für gemeinsame Schlafzimmer. So weiß ja jeder was abgeht, wenn sich die Kaiserin mal NICHT in ihrem Schlafgemach befindet. Oh, man.
Wie ich das von allen Adligen gewohnt bin, redete die Kaiserin kein Wort mit mir. Sie waren wohl doch wie alle anderen Fatzken, die so durch die Gegend rennen und glauben, die Welt würde sie lieben. Irgendwann würde ich diesen Irrglauben mal aufdecken. Wenn die wüssten, was wir in der Küche immer alles über sie reden. Die würden sich nicht mehr raus trauen. Unsere Hauseigenen Köche waren immer äußerst interessiert, wer nun wieder zu einer Massage bei uns abgestiegen war.
„Ich muss Euch leider alleine lassen, Euer Hoheit, ich habe noch etwas überaus Wichtiges zu erledigen“, war das nicht vornehm? Ich bin überrascht über mich selbst. Ich ignorierte den schockierten Blick der Kaiserin und eilte zurück in den Innenhof, in dem meine Sachen noch verstreut waren und nahm meine Brunnenarbeit wieder auf. Eigentlich hatte das Arbeiten auch etwas Gutes. Ich konnte unbefangen meinen Gedanken nachhängen. Langsam kam auch tatsächlich die Sauberkeit durch. Wurde auch langsam Zeit. Ich war viel zu jung, um mein ganzes Leben an diesem Teil rumzubürsten.
Und nun war die Zeit gekommen den Kaiser Revue passieren zu lassen. Er war wirklich überaus schön! Das Wort hübsch klang hier schon beleidigend. Er war schön. Wunderschön! Nur sein Hinterteil war mir tatsächlich durch die Lappen gegangen, das musste ich nachholen. Irgendwas musste Chefchen ja haben, womit er den Kaiser ausboten konnte. Wobei von Cratz zweifelsohne ein sehr hübscher und attraktiver Mann war, den ich sicherlich auch nicht von der Bettkante schubsen würde.
Trotz aller Schmachtereien für den Kaiser behielt ich stets vor Augen, dass er für das Unglück und die Armut meiner Familie verantwortlich war. Bevor er gekrönt worden war, ging es uns gut. Mein Vater hatte einen normalen Beruf gehabt und wir konnten eine unbeschwerte Kindheit ausleben. Die Wut kochte wieder in mir auf. Ich war die Letzte, die glaubte, dass mein Vater noch am Leben war. Meine Mutter und mein Bruder hatten die Hoffnung schon aufgegeben und die Kleinen verstanden die Situation gar nicht. Wie wohl es mir bei dem Gedanken ginge, zu wissen, dass sie auch so eine schöne Kindheit hätten.
„Katharina!“, schallte plötzlich die unverwechselbare Stimme meines Arbeitgebers. Er legte mir ebenfalls dieses Schwarze Kleid auf die Bank und musterte mich prüfend. „Wieso hast du das getan?!“ „Was genau?“ „So bei dem Empfang aufzutauchen? Es war eine Schande! Aber aller höchsten Grades. Ich weiß nicht mal, ob du so noch tragbar für das Badehaus bist!“ Mein Mund öffnete sich selbstständig und ich starrte ihn schockiert an. Selbst das tolle Gefühl größer als er zu sein, weil ich mitten auf dem Brunnen saß, konnte nicht bezwecken, dass ich mich in diesem Moment stark fühlen konnte.
Dann putzt Ihr mal einen Brunnen im Dunkeln, macht echt Spaß! Hätte ich am Liebsten geantwortet, doch dann hätte ich den Zettel, den ich eh nicht lesen konnte, gleich in der Hand. Verdammt, ich brauchte diese Arbeit.
Ich schluckte den Satz herunter und sah ihn entschuldigend an. „Jetzt zieh dich um, kämme dich ein wenig und kümmere dich um die Kaiserin.“ „Und der Brunnen?“ „Den machst du in der Nacht fertig.“ „Was? So ab und zu brauche ich auch etwas Schlaf.“, ich versuchte so weich zu klingen, wie möglich und trotzdem klar zu machen, was mein Problem war.
„Du hast die letzte doch geschlafen, sonst wärst du schon längst fertig.“ Autsch, voll erwischt.
Ich nickte und wendete meinen Blick von ihm ab. Hoffentlich wollte er mich nicht feuern. Das wäre das Ende. Ob ich woanders so schnell etwas finden konnte?
Zum Glück ging Herr von Cratz weg, ohne ein weiteres Wort. Ich schluckte und schluchzte und schmiss den Schrubber auf die Wiese, um runterzuklettern.
„Soll ich Euch herunterhelfen?“, eine unbekannte Stimme. Gesiezt. Das war nicht an mich. Ich versuchte weiter von der Nixe herunterzukommen, ohne ihr dabei das Näschen abzubrechen. Oder die sprudelnde Brustwarze.
Als ich mich an ihrer Schwanzflosse festhalten wollte, streckte mir jemand seine Hand entgegen. Ich richtete meinen Blick und kaum hatte ich die Azurblauen Augen erblickt, stolperte ich auch schon und fiel direkt von der Nixe ins Wasser. Ich kämpfte mich aus dem Nass und rieb meinen schmerzenden Hintern. Boar, das hatte gesessen. Ich biss mir auf die Lippen und schaute wie ein begossener Pudel zum Kaiser auf. Seine blaue Uniform war nass. Klasse, toll gemacht! Ich rannte schnurstracks auf die Kündigung zu. „Das tut mir Leid!“, wimmerte ich schnell und begann mit dem Kleid, welches ich eigentlich anziehen sollte, über seine Brust zu reiben. Eine harte Wand zeichnete sich unter dem weichen Stoff ab.
„Das ist schon in Ordnung“, hielt er meine Hände mit seinen großen auf und ich lief schon wieder rot an. Verdammte Scharmesröte.
Er ließ mich los und musterte den Brunnen. Was er wohl gerade dachte? Sein markantes Kinn hatte etwas unbeschreiblich Männliches. Hilfe! Denk dran, ein Idiot!
Ich wendete meinen Blick von ihm ab. „Wer hat diesen Brunnen entworfen?“, fragte er ohne mich anzusehen. „Jost oder wie dieser Architekt heißt. So wie alles hier.“ „Dann stellen die Fenster in der Eingangshalle also tatsächlich Geschlechtsorgane dar.“ „Das Auge eines Betrachters reinen Herzens würde dieses Bildnis als Schmetterling ansehen.“, oh, jetzt mach mal halblang, warnte ich mich selbst.
Doch der Kaiser begann zu lachen. Ein offenes, schönes Lachen.
„Das war eine klare Aussage. Diese Interpretation war mir gar nicht in den Sinn gekommen. Bin ich tatsächlich schon so verkommen?“ AAAAhhh, der redete mit mir doch nicht ernsthaft über seine sexuelle Reife?! Ich als überzeugte Jungfrau war da definitiv der falsche Gesprächspartner für.
„Ich glaube nicht, dass ich es mir erlauben würde, darüber zu urteilen.“ Er streckte plötzlich seine Hand nach mir aus: „Wie ist Euer Name?“ „Katharina“ Er zog die Augenbrauen hoch und wartete, dass ich meine Hand in seine legte.
„Die ist nass.“, sagte ich und wollte meine Hand hinter meinem Rücken verstecken, doch da hatte er sie schon ergriffen.
„Und weiter?“
„Hengest. Katharina Hengest. Seid mir bitte nicht böse, Euer Hoheit, aber ich weiß Euern Namen auch nicht.“ „William Johannes Max…“ „Eh, das reicht für den Anfang, bevor ich den Rest wieder vergessen habe.“, kicherte ich nervös.
Er erwiderte erneut mein Lachen. Hach, wie ich das genoss. Endlich mal ein Mensch, der mich amüsant fand und er nahm mich sogar wahr. Und ich lernte ihn nicht wie Aschenputtel in Prinzessinnenkleid kennen, sondern in dem wohl unmöglichsten Outfit der Weltgeschichte.
„Gut, nennt mich einfach William von Hohenzollern.“ „Ich gebe mir Mühe.“ Er ließ meine Hand wieder, schenkte mir ein letztes, kleines Lächeln und wendete sich zum Gehen. Ich wollte gerade den Hinterntest machen, als er sich noch einmal umdrehte. „Ich werde Herrn von Cratz ausrichten, dass der Brunnen hervorragend aussieht und keine weiteren Arbeiten benötigt.“ „Danke.“, murmelte ich und war überwältigt. Das konnte nur ein Traum sein. Was für ein Mann! Und dieses starke Kreuz! Ich war kurz vorm Schmelzen. Seinen Podex nun zu betrachten wäre tödlich. Aus diesem Grund sammelte ich meinen Krempel ein und verschwand im Pausenraum, um mich zu duschen und diesen Minifummel anzuziehen. Meine nassen Haare band ich zu einem Dutt, damit sie nicht tropften, schminkte mich ein wenig und lief zur Kaiserin.
Vielleicht könnte ich sie nun mit anderen Augen sehen.
Ich musste nur noch raus finden, warum der Kaiser diesen Mist in Punkto Krieg veranstaltete und dann konnte ich ihn unter Umständen vielleicht sogar ein klein wenig sympathisch finden.
Ich klopfte an und öffnete vorsichtig die Tür. Die Kaiserin saß umgeben von drei schicken Damen und schien sich mit ihnen zu unterhalten.
„Da bist du ja!“
Pah, die duzte mich! Na gut, tat jeder bis auf die eine Ausnahme… „Kaum wieder zu erkennen.“, sie wendete sich ihren Klatschfreundinnen zu, „ihr hättet mal sehen müssen, in was für einem Zustand sie mir vorgestellt wurde.“ Hallo? Ich kann Eure königliche Majestät hören!
„Kann ich etwas für Euch tun, Eure Hoheit?“, fragte ich höflich und verharrte in meiner vornehmen Haltung.
„Ja, ich würde gerne vor dem Essen das berühmte Salzbad testen. Du weißt was zu tun ist?“ „Sehr wohl“, ich verbeugte mich und verließ ihr Zimmer. Dieses war echt ein Traum. Moderne Möbel aus teurem Holz, Gardinen in frischen Farben und ein internes Bad. Nur Haus sieben hatte die integrierten Bäder, in denen jedes Zimmer sein eigenes Bad hatte. Natürlich die aus Marmor.
Die anderen Bäder waren alle dicht an dicht nebeneinander gereiht.
Ich ließ das Salzwasser einlaufen und überprüfte die Temperatur. Helena hatte hier wirklich gründlich sauber gemacht. Nirgends was zu entdecken. Sie hatte es sich echt verdient den Kaiser waschen zu dürfen. Bei dem Gedanken, dass sie ihn nackt sehen würde, kam ein klein wenig Neid bei mir auf, der wohl daher zeugte, dass ich ja bereits eine kleine Kostprobe seines harten, durchtrainierten Körpers hatte fühlen dürfen.
„Ist das Bad endlich fertig?“, kam eines dieser drei Frauen herein und blickte auf die Wanne. „Diese hier ist besonders groß, da dauert es etwas länger, bis sie voll gelaufen ist.“, erklärte ich und blickte wieder auf den Beckenrand. Die Frau nickte und verschwand wieder. Diese Ungeduld! Ich hatte den Raum doch kaum verlassen.
Ich beeilte mich extra mit den Vorbereitungen, Tücher bereitlegen und Seifen raussuchen, um die Kaiserin so schnell wie möglich hereinbitten zu dürfen. Sie schaute die Wanne an und ein kleines Lächeln war doch glatt auf ihrem Gesicht zu erkennen. Ich dachte, dieser muffige Gesichtsausdruck war bereits eingewachsen.
Sie stellte sich hin und wartete schweigend, bis ich begann ihr Kleid aufzumachen. Ich zog es ihr aus und legte es zusammen. Es hatte ein beträchtliches Gewicht. Kein Wunder, dass man davon schlechte Laune bekam. Ihr Unterrock und Reifrock hatten noch mal ein zusätzliches Gewicht. Ich war so froh, als ich sie endlich überall herausgeschält hatte und sie sich in die Wanne legte, um zu entspannen. Ich stellte mich neben das Fenster und schaute auf die Mosaikgöttin an der Decke.
„Du darfst ruhig beginnen.“, sagte die Kaiserin und schaute auf den Schwamm. Ich nickte und begann sie zu waschen. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass sie das Salzwasser erst mal eine Weile genießen wollte.
Obwohl ihr wissen müsst, dass man beim ersten Mal nicht lange im Wasser bleiben darf, da dass heiße Salzwasser dazu führen kann, dass der Kreislauf absinkt und man in Ohnmacht fällt. Deswegen darf man erst von Mal zu Mal länger baden. Aber das Gute an diesem Salzwasser ist, dass es eine heilende Wirkung hat. Viele kranke Menschen kamen nach Bad Nauheim und erhofften sich durch die heißen Quellen Heilung. Diese hatten meist einen kleineren Geldbeutel und nahmen die Dienste der Badefrauen nicht in Anspruch. Dazu hatten wir in jedem Raum ein Seil, welches von der Decke hing. Wurde jemandem Schwindlig oder er verlor das Bewusstsein, konnte er daran ziehen und eines der Frauen kam, um ihn herauszuziehen. Eine der Aufgaben, zu der mich Pralle gerne verdonnerte. Sie genoss es, dass ich zu zierlich war und mir einen abkämpfte, bis ich so einen Mann da raus gehoben hatte.
Kaiserin Anna hatte sehr weiche Haut, doch ich erkannte schon Ansätze zur Cellulite. Ob man so was einer Kaiserin sagen sollte?
Ich war lang genug in diesem Beruf, um zu wissen, dass man Cellulite vorzeitig bekämpfen muss, sonst wird man es nie mehr los. Ist es erst einmal da, ist es da.
Ja, ich glaube, ich sollte es ihr sagen.
„Eure Hoheit, wenn ich eine kleine Aussage machen dürfte? Ihr habt am rechten Oberschenkel Ansätze zur Cellulite, das solltet Ihr vorzeitig behandeln.“ Die Kaiserin drehte sich wetternd zu mir. In einer Geschwindigkeit, die ich ihr gar nicht zugetraut hatte.
„Was sagst du da?!“
„Ja, ich meine ja nur.“, ich meinte es wirklich nur lieb! Ganz ehrlich… „Das ist doch nichts schlimmes, ich werde es Euch mit bestimmten Ölen einreiben und dann ist es schon so gut wie weg.“, versicherte ich und lächelte sie etwas beschämt an.
„Mach deine Arbeit, für die du bezahlt wirst!“, zischte sie und versuchte sich zu beruhigen. Ich hatte gar nicht vorgehabt sie aufzuwühlen. Immer kommt das, was ich sage total verkehrt an.
„Ich möchte hier raus!“
„Sehr wohl.“
Sie stand selbstständig auf und ich trocknete sie ab. Ich holte das neue Kleid und kleidete sie an. Das andere tat ich wie immer in meinen Wagen. Da hatten unsere Waschfrauen viel zu tun. Ich war immer wieder dankbar, dass wir nur die Tücher und Bettwäsche selbst waschen mussten.
„Nach dem Mittagessen will ich eine Massage und jetzt holst du mir den Kaiser! Sofort, und du kommst auch noch mal mit hier rein.“ Ich nickte und verbeugte mich. Ich eilte in das andere Zimmer, klopfte an und öffnete die Tür. Im Zimmer war er nicht zu sehen. War er im Bad? War ja schon interessant. Vielleicht sollte ich naiv einfach hineinstürmen und einen kleinen Blick erhaschen? Nein. Ich klopfte schüchtern an die Badtür und lauschte. Helena öffnete die Tür einen Spalt und späte hindurch. Ihr Kopf war rot angelaufen und ihre Augen leuchteten. Ich konnte mein fettes Grinsen nicht verbergen.
„Was machst du denn hier?“, presste sie leise heraus. „Die Kaiserin wünscht ihren Mann zu sehen.“, ich zog die Augenbrauen in die Höhe, amüsiert darüber, dass ich ihr die Tour vermasselte. Aber sie hatte ja noch zwei Tage, um ihn genau unter die Lupe zu nehmen. „Ich werde es ihm ausrichten.“ „Gut, ich warte hier.“ Sie schüttelte den Kopf und verschwand wieder hinter der dunklen Tür. Es dauerte noch um die zehn Minuten, bis der Kaiser, Bettina und Helena herauskamen. Beide Frauen mit etwas schwammigen Schritten, der Kaiser gewohnt gelassen.
„Was wünscht Eure Hoheit?“, fragte er. Seine blauen Augen ruhten auf mir und ein süffisantes Grinsen umspielte seine Lippen. Wenn die da grade einen flotten Dreier hatten, heul ich!
„Euch zu sehen. Sehnsucht, schätze ich.“, antwortete ich Schulter zuckend. „Das wäre mir neu. Dann bringt mich hin, Fräulein Hengest.“ Der Kaiser ging vor, wodurch ich genug Zeit hatte, Nena selbstgefällig die Zunge herauszustrecken. Sie machte einen Kussmund und zwinkerte. Deuten konnte ich diese Gestik nicht, aber das würde sie mir später sicher noch einmal ganz genau erläutern.
Will – ich nannte ihn zumindest in meinem Kopf gerne so, William klingt so groß - ließ mich vorgehen, wodurch ich gezwungen war, der Kaiserin zuerst unter die Augen zu treten. Sie hob ihre spitze Nase in den Himmel und schenkte ihrem Mann nicht mal das kleinste Lächeln. Sie erhob sich, wodurch ihre drei Klatschgesellen es ihr gleich taten. Sie würdigte mich keines Blickes, bis sie ihre Hand erhob und mit ihrem Finger auf mich zeigte. „Könnt Ihr Euch das vorstellen? Sie hat mich entehrt und beleidigt!“ Sie siezt ihn?! Moment! Und sie meint mich?!
Meine Ladeklappe schlug fast auf dem Boden auf. Will sah auf mich herab – Hilfe, er war einen Kopf größer als ich – und dann wieder zu seiner Anna.
„Was hat sie getan, Liebling?“, fragte er. Seine Hände ruhten an seinem Rücken und sein Atem ging ruhig. Ich fühlte mich wie auf einem Kreuzverhör. Sollte sie doch an ihrer Cellulite ersticken. Unglaublich!
„Sie hat mein Aussehen in den Dreck gezogen!“, sie wurde richtig aufbrausend und zu allem Übel traf mich nun auch der zornige Blick des Kaisers.
Ich wich einen Schritt zurück.
Warum hatte sie mir das eigentlich nicht gleich gegen den Latz geknallt? Ah, ich weiß! Hoheit braucht doch Zuschauer…Das Schlimme daran war, dass ihr meine Absicht dahinter komplett missfallen war.
„Aber das ist doch überhaupt nicht wahr! Das würde ich niemals wagen!“, die Gesichter blieben hart. Klar, wieso sollte man einer dummen Putze glauben?!
„Es ging mir nur um Euer Wohl, Eure Hoheit.“, versuchte ich es mit übertriebener Freundlichkeit, „Es ist nichts, wofür es sich zu schämen lohnt. Mit ein bisschen Öl und der richtigen Pflege wird diese kleine Misere schnell in Vergessenheit geraten.“ „Worum geht es?“, Will schaute uns nacheinander an. „Um Cellulite.“, antwortete ich und erwartete das allergrößte Donnerwetter. Wieder blickte Herr von Hohenzollern zu seiner Frau und machte zwei Schritte auf sie zu, um seine Hand über ihre Wange gleiten zu lassen. „Geniert Euch nicht, Anna. Ihr seid eine wunderschöne Frau und wenn Öl die letzte kleine Verbesserung zur Perfektion ist, dann nehmen wir sie dankend an.“ Boar! So möchte frau doch mal angehimmelt werden!
„Ich möchte trotzdem eine neue Badefrau!“ „Natürlich, die bekommt Ihr.“, er küsste sie auf die Wange und wendete sich zum Gehen. „Wir sehen uns beim Abendessen.“ Er machte mir durch eine Kopfbewegung klar, raus zu gehen. Ich gehorchte und ging langsamen Schrittes auf den Aufenthaltsraum für Angestellte zu. Dass dieser Vorfall von Cratz nicht mehr gut stimmen würde, musste ich wohl nicht erläutern oder? Wenn mir nicht einmal Höflichkeit den Popo gerettet hatte, konnte ich auch ruhig wieder patzig sein. Ich ärgerte mich so! Nie wurde meine Mühe auf irgendeine Art belohnt. Ungerechte Welt!
Diejenigen, die gleich in eine goldene Wiege geboren werden, erleben ein Leben voller Glück. Wo hatten die denn bitte für ihr Glück etwas getan?
„Katharina, bitte wartet.“, nicht schon wieder! Entpuppte sich der hübsche Mann etwa als Klette und Nervensäge? Ich blieb trotzdem stehen und drehte mich ihm zu. Dennoch verschränkte ich die Arme und blickte ihn missmutig an. „Wenn ich Euch belehren dürfte. Es ist niemals ratsam einem Adligen irgendwelche Schönheitsfehler offen dar zu legen, egal ob es guter Gedanken entsprang oder nicht.“ „Wenn ich das richtig verstehe, ist es höflicher sich der Heuchelei zu bedienen?“ „Ja, könnte man so sagen.“ „Ich verstehe, dieses System ist nicht nur ein Mittel der Politik.“, Oh, wenn ich da mal nicht den Mund zu voll genommen hatte! Das Gesicht des Kaisers verhärtete sich.
„Was sagt Ihr da?! War das gerade eine versuchte Kritik an meiner Regentschaft?“ „Was für eine Antwort wünscht Ihr? Heuchelei oder gut gemeinte Gedanken?“, er hatte mich herausgefordert. Ich konnte gar nichts dafür. Doch langsam schien er außer sich zu sein. Ich hatte schon fast Angst, dass er sich gleich in ein Frauenfressendes Monster verwandelte mit Klauen und Zähnen. Bevor er über mich herfiel, ließ ich ihn lieber alleine und flüchtete, da er seinen Mund bereits zum Angriff geöffnet hatte. Es sei denn es handelte sich um vollkommene Bestürztheit, die ihm der passenden Worte entzog. Wie dem auch sei…meine Kündigung war somit ganz offiziell besiegelt!
Im Aufenthaltsraum traf ich Helena und Bettina an, die gerade Pause machten und mit Wasser anstießen. „Kathi! Komm, feiere mit uns!“, rief Helena aus.
„Was gibt es denn zu feiern?“, fragte ich, nahm mir ein Glas und setzte mich zu ihnen an den massiven Holztisch.
„Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie der Kaiser NACKT aussieht.“, sie hauchte das Wort „nackt“ so leise aber betont, dass niemand sie sonst verstehen konnte. Unnötig, da wir uns alleine in diesem Raum befanden.
„Will ich mir auch gar nicht vorstellen.“, ich ließ meinen Kopf auf die Tischplatte sausen und seufzte. „Jetzt sei nicht beleidigt und freue dich doch mal für uns.“ „Ein Hoch auf die zwei Mätressen!“, erhob ich mein Glas und trank es auf Ex. „Kathi, gehst du nicht ein Stückchen zu weit?!“ „Ja, der hatte gar kein Interesse an solchen Sachen.“, nickte Betti. „Schade.“, wisperte Nena, wodurch die Beiden wieder losgackerten und die Gläser aneinander klirrten. Sicher, dass da kein Alkohol drinnen war? Ich hatte mir eindeutig den falschen Ort ausgesucht, um meine Seele einfach mal baumeln zu lassen. Und sie musste mal sehr ausgiebig baumeln, bis ich wieder auf dem Dampfer war.
Ich stand auf. Ich musste mir eindeutig einen neuen Platz suchen. Vielleicht sollte ich mal den Koch besuchen? Er war zwar ein dünnes Hemdchen und äußerlich alles andere als mein Typ, aber irgendwie war er eine Seele von Mensch. Zumindest sagte mir das meine Menschenkenntnis, von der ich aber leider momentan nicht so überzeugt war. Ich meine, die einzigen zwei Männer, die ich mehr als attraktiv fand, waren Welten über mir und dazu die größten Idioten aller Zeiten. Wobei ich mir bei Cratz noch immer sicher war, dass er auch unter dem Stress litt, denn eigentlich war er einfach toll. Ich himmelte ihn immerhin schon total lange an. Kaiserchen war dagegen ein sturer Bock, der die Augen vor seiner schlechten Politik verschloss. Wenn er nicht mal in der Lage war, zu sehen, dass sein Volk leidet, sollte er echt abdanken.
„Sag mal, Kathi, ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Helena plötzlich und blickte mich mitleidig an. Ich schien wirklich bemitleidenswert auszusehen. Na gut, was erwarte ich? Ich stand vom Tisch auf, machte aber keine Anstalten mich auf irgendeine Weise weiter zu bewegen.
„Nein, nein, ich will eure Feierlaune nicht drüben.“, indem ich euch erzähle, wie euer toller Kaiser wirklich ist, ergänzte ich in Gedanken und ging raus. Am Besten war es wohl, wenn ich mich jetzt wieder voll und ganz auf meine Arbeit konzentrierte. Ich war von Cratz sicher schon ein Dorn im Auge und diesen galt es schnellstmöglich zu entfernen. Ich musste herausragende Arbeit leisten. Immer schön daran denken, dass meine Familie mein Geld brauchte. MICH brauchte. Ja, dort gehörte ich hin, dort war mein Platz. Ein tiefer Seufzer durchfuhr mich. Warum sehnte ich mich eigentlich nach mehr? Was war es denn, wonach ich mich genau sehnte? Wenn ich das nur wüsste!
Aber jetzt musste ich zu allererst meinen Beruf behalten. Außerdem würde mich das Arbeiten sicherlich ablenken und auf neue Gedanken bringen.
Ich legte das Kleid ab und zog wieder meinen normalen, weißen Arbeitskittel an. Nicht sonderlich attraktiv, aber wenigstens praktisch. Dazu gab es hier niemanden zu beeindrucken und so würde jeder auch gleich sehen, dass ich nicht hier war um das Königspärchen zu umsorgen. In meinem Wagen hatte sich bereits die dreckige Wäsche gestapelt und ich konnte nur ahnen, dass Pralle etwas damit zu tun hatte. Umso besser. Dann gab es wenigstens etwas für mich zu tun. Es hieß mal wieder: Luft anhalten und unterirdischen Stadtbummel machen!









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