Crystal - Teil 7

Autor: Yana328
veröffentlicht am: 24.06.2013


Hier ein etwas Kürzerer Teil:)

Jasons BMW bog in die Einfahrt zu meinem – unserem – zu Hause ein, parkte geschickt zwischen den anderen dort stehenden Autos und stellte den Motor ab. Bevor wir von der Stadt aus losgefahren waren, hatten wir uns noch einige Minuten in die pralle Sonne gesetzt, um wenigstens etwas zu trocknen. Doch der Sitz des Autos unter meinem Po war trotzdem triefend nass.
„Der Tag war wirklich gelungen“, sagte er plötzlich, bevor ich die Tür öffnen könnte und blickte in meine Richtung.
„Find ich auch“, entgegnete ich und lächelte ihn vorsichtig an. Bevor er noch etwas hätte erwidern können, klopfte es plötzlich an die Scheibe des Wagens und Melindas Gesicht tauchte auf. „Da seid ihr ja“, hörte ich ihre durch die Fenster gedämpft klingende Stimme. Sie strahlte uns an und wir hievte uns aus dem Auto. Jason nahm seine Freundin liebevoll in den Arm und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. „Hey“, brummte er und vergrub seine Nase in ihrem Haar. Ich wandte mich schnell ab, öffnete den Kofferraum und lud mir so viel wie möglich auf die Arme.
Melinda half Jason und mir alles in dem Gartenhäuschen zu verstauen, das einige Meter vom Pool entfernt zwischen ein paar gewaltigen Kiefern stand. Darin befanden sich ein großer und ein kleiner Kühlschrank, in die wir so viel Getränke wie möglich kaltstellten. Für das Knabberzeug holte ich aus der Küche Schüsseln.
Viel konnten wir nicht für den nächsten Tag vorbereiten, also verabschiedete ich mich von den Beiden, die dauernd miteinander rum turteln mussten und verschwand in mein Zimmer. Da es in einer Stunde Abendessen geben würde, nahm ich nur schnell eine kalte Dusche, wusch mir die Haare und stylte mich.

Als ich nach unten ging, saßen Paul, Sarah und meine Eltern bereits am Tisch und redeten aufgeregt durcheinander. Als ich eintrat warf mir lediglich Paul einen längeren Blick zu und nuschelte: „Reizend, reizend.“ Angewidert verzog ich das Gesicht und beeilte mich, mich zu setzen, damit er nicht auf meinen Hintern starren konnte – was ich ihm durchaus zutraute. Ich mochte ihn nicht sonderlich. Und das lag nicht nur an seinem ungepflegten, ekligem Aussehen, sondern auch zum einen an seiner Art zu reden – er spuckte die Worte förmlich vor sich hin und machte oftmals anzügliche Kommentare meiner Mutter und mir gegenüber – und zum anderen gafften er mit seinen großen Froschaugen immer gierig auf Regionen meines Körpers, die für ordentliche Männer tabu waren.
Auch seine Frau Sarah war sehr... eigen. In den vergangenen Tagen hatte es keinen Moment gegeben, in dem sie nicht akkurat herausgeputzt irgendwo aufgetaucht war – ob am Pool, beim Frühstück oder Abendessen. Ihre Haare saßen stets perfekt, ihre Lippen waren immer rosig geschminkt. Ich war mir mittlerweile sogar ziemlich sicher, dass sie selbst im Bett Make-up trug. Auch ihre Haltung spiegelte ihren peniblen Fimmel für Sauberkeit und Ordnung wider. Man konnte sogar so weit gehen und behaupten, dass sie einen krassen Gegensatz zu ihrem Mann bildete – und das nicht nur äußerlich. Die beiden schienen sich in keinem Charakterzug und in keiner menschlichen Eigenschaft zu ähneln. Während sie eine eher zurückhaltende Frau war, die mit ruhiger, gesenkter Stimme und wohlbedacht sprach, wirkte Paul eher wie ein Bauer aus dem achtzehnten Jahrhundert.
Auch Jason passte irgendwie nicht so ganz in die Familie hinein. Er hatte weder Sarahs Eigenschaft geerbt, bescheiden und zurückhaltend zu sein, noch die ekelerregende Art seines Vaters.
Normalerweise war ich eine sehr aufmerksame Beobachterin, fand immer irgendwelche Ähnlichkeiten zwischen Vater und Sohn oder Mutter und Tochter. Doch in diesem Fall fiel mir nicht einmal eine Geste Jasons auf, die darauf aufmerksam machte, dass er mit diesen Leuten verwandt war. Nur die Haarfarbe schien darauf hinzudeuten, dass er und Sarah annähernd dieselben Gene besaßen. Doch während ihr Haar matt und glanzlos war und eher einen Rotstich zu haben schien, war das von Jason viel dunkler und hatte diesen merkwürdigen silbernen Schimmer im Sonnenlicht.
Heute war der erste Abend an dem mir so richtig auffiel, was für eine merkwürdige Familie das eigentlich war. Es schien zwischen ihnen nicht die übliche Vater-Mutter-Sohn-Beziehung zu existieren. Aber es war auch nicht so, dass sie sich alle gegenüber kühl und distanziert verhielten, im Gegenteil. Sie redeten zwar nicht sonderlich viel miteinander am Abendtisch, doch wenn sie das taten, dann schien es, als würden sie es mit einem gewaltigen Verständnis gegenüber des anderen tun, das für mich und meine Mutter unvorstellbar wäre – zumindest schien dies so zwischen Jason und Sarah zu sein. Paul wirkte eher wie ein Ausstehender, wie der Kopf, der Versorger der Familie, der diese besondere Mutter-Sohn-Beziehung verstand und akzeptierte, doch um die er sich selbst niemals bemühen würde.
„Lasst uns anstoßen“, sagte meine Mutter mit einem kühlen Lächeln im Gesicht, als auch Jason und Melinda Platz genommen hatten. Sie hob ihr Sektglas und blickte auffordernd in die Runde. Als ihr Blick an mir hängen blieb, starrte ich sie nur emotionslos und kalt an, zeigte keine Gefühlsregung. Das schien sie zu verwirren – wahrscheinlich erwartete sie wütende, verletzte Blicke.
„Oh, sehr gerne!“, stimmte Fett-Bierbauch alias Paul zu und streckte sein Weinglas in die Höhe. „Auf eure durchaus nette Gastfreundschaft“, dabei schaute er mein Vater und meine Mutter an, „und auf ihre reizende Tochter, die sich so gut um meinen Sohn und seine Freundin kümmert“, er blinzelte in meine Richtung und zeige die Zähne. In diesem Moment war ich schrecklich froh, keinen größeren Ausschnitt angezogen zu haben.
Als dann auch mein Vater mit erhobenen Glas noch eine feierliche Rede über gelungene Geschäfte und die Arbeit und weiß Gott was alles gehalten hatte – ich hatte nach den ersten paar Minuten einfach abgeschaltet – brachte unsere Köchin schon die Vorspeise – Schnecken. Ich musste schlucken. Na lecker.
„Scheint nicht gerade dein Lieblingsessen zu sein?“, fragte Melinda, der meine Reaktion nicht entgangen war.
„Nein“, erwiderte ich. Ganz und gar nicht. Auf diese zwar nicht mehr schleimigen, aber eigensinnig schmeckende Dinger konnte ich nur zu gut verzichten. Ich war eher der Typ Mensch, der auf schlichtes Essen stand.
Sie grinste. „Ich find die gar nicht so übel. Aber darüber, dass sie als Delikatesse gelten, bin ich auch echt verwundert.“ Als niemand der Erwachsenen in ihre Richtung schaute, lud sie die Hälfte ihrer Schnecken auf Jasons Teller. „Lass es dir schmecken, Schatz“, sagte sie und drückte ihm noch schnell einen Kuss auf den Mund.
Während Jason reinhaute, als hätte er noch nie etwas Besseres gegessen, pickte ich nur angewidert auf meinem Teller herum. Auch Melinda war nicht sonderlich überzeugt von der Pampe und überließ das Reste-vernichten ihrem Freund.
„Ich weiß gar nicht was ihr habt“, meinte er, als er schließlich auch meine Portion in sich rein geschaufelt hatte. „Hauptsache sie sind nicht roh und machen einigermaßen satt – was will Mann mehr.“
Liebevoll tätschelte Melinda sein Arm und grinste. „Jason isst einfach alles. Manchmal glaube ich, dass er zwei Mägen hat, oder mehr, wie so eine Kuh. So viel wie er an einem Tag in sich reinhaut, esse ich in einer Woche.“ Ihrer Figur nach zu urteilen war das wohl eine etwas größere Übertreibung.
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte und lächelte einfach nur, während Jason seiner Freundin sanft über das Haar fuhr. Genervt, dass die Beiden das Turteln nicht einmal beim Abendessen lassen konnten, wandte ich mich von ihnen ab und vertiefte mich in das Gespräch der Erwachsenen.
„Hach“, seufzte meine Mutter gerade und lehnte sich zufrieden auf ihrem Stuhl zurück. „So einen entspannten Tag wie heute hatte ich schon lange nicht mehr. Dieses Wellnesscenter im Zentrum ist einfach herrlich, nicht wahr, Sarah?“
Diese nickte sachte. „Es ist sehr... abwechslungsreich.“
„Dass ihr Frauen nichts Anderes als Wellness im Kopf habt“, mischte sich mein Vater lächelnd ein. „Nehmt euch ein Beispiel an uns: Wir sind richtige Männer. Wir arbeiten hart, Tag und Nacht, verdienen das Geld, das ihr für eure Maniküren und Pediküren ausgebt.“ Jeder am Tisch wusste, dass er dies nicht vorwurfsvoll meinte, sondern dass er nur die Frauen damit aufziehen wollte.
„Ach, was soll\'s!“, Pauls Stimme klang in meinen Ohren viel zu laut. „Schließlich haben wir auch was davon, wenn unsere Frauen hübsch und erholt am Abend zu uns ins Bett springen“, er grinste widerlich. „Dafür können sie gerne ein bisschen Geld ausgeben.“ Er schaute in meine Richtung. „Habt ihr nicht auch mal Lust mitzugehen? Melinda? Catherine?“ Er lachte laut auf, als hätte er gerade einen Witz gerissen. „Dann könnte ich meinen Sohn zumindest für ein paar Stunden aus euren Fängen befreien und ihn in unsere Geschäfte einweihen.“ Jason sah nicht sonderlich begeistert aus.
Ich überlegte einen Moment was besser war: Fett-Bierbauchs Angebot strahlend anzunehmen und somit Jason ein wenig leiden zu lassen, oder es auszuschlagen, was mir eigentlich lieber war, denn erstens konnte ich Paul nicht leiden und zweiten hatte mich sein schreckliches Grinsen sowieso abgeschreckt.
„Mal schauen“, nahm mir Melinda die Wahl ab und fügte höflich hinzu: „Vielleicht kommen wir auf das Angebot zurück.“

Der restliche Abend verlief nicht viel anders. Paul wurde von Glas zu Glas immer heiterer, er begann zu schwitzen und seine Haut zu glänzen, seine Witze wurden immer zweideutiger und seine Kommentare anzüglicher. Auch meine Mutter wurde ziemlich unerträglich und überdreht. Als dann endlich alle den Nachtisch aufgegessen hatten, sprangen selbst Melinda und Jason erleichtert in die Höhe und verschwanden schnell in das Zimmer, das sie miteinander teilten.
Ich selbst ging ebenfalls nach oben, kämmte meine Haare, putzte die Zähne und machte mich für das Bett fertig. Als ich dann endlich im Dunkeln lag und nochmals den vergangenen Tag revue passieren ließ, fiel es mir ein: „How I Met Your Mother“, flüsterte ich in die Stille hinein. „Wie konnte ich das nur vergessen.“ Wahrscheinlich hätten mich tausende von Fans attackiert, wenn sie mitbekommen hätten, dass ich eine solche Stelle aus einer so genialen Serie hatte vergessen können. Ich suchte das Lied „500 Miles“ auf meinem Handy, schaltete es an und schlief schließlich ein.





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