Crystal - Teil 6

Autor: Yana328
veröffentlicht am: 14.06.2013


Tut mir leid, dass es dieses Mal etwas länger gedauert hat.
Ich freue mich auf eure Kommentare!

5. Kapitel
Im seelenruhigem Tempo wandte ich meiner Mutter den Rücken zu und ging die Treppe nach oben. Ich ignorierte das, was sie mir hinterherwarf, blendete sie vollkommen aus.
In diesem Moment war sie einfach für mich gestorben. Sie war mir auf einmal so fürchterlich egal, dass ich nicht einmal Hass für sie empfinden konnte. Es war, als hätte ich mit ihr abgeschlossen, als würde ich sie nur noch als irgendeinen Menschen betrachten, als einen fernen Bekannten, einen Fremden.
Als ich die Tür zu meinem Zimmer aufstieß – ich wollte einfach nur schnell eine kalte Dusche nehmen und dann ins Bett – sah ich, dass sich Jason auf meinem Bett tummelte und durch das Fernsehprogramm zapfte. Wie konnte Mann so unglaublich aufdringlich sein? Ich schüttelte darüber den Kopf, zu müde, um mich ernsthaft darüber aufzuregen. Jason selbst grinste mich spitzbübisch an, als erwartete er nur ein wütendes Geschrei meinerseits. Doch als ich einfach an ihm vorbei in mein kleines Bad ging und ihm keine weitere Beachtung schenkte, verzog er überrascht das Gesicht. Erst nach ein paar Minuten folgte er mir und lehnte sich an den Türrahmen des Badezimmers.
„Alles klar bei dir?“, fragte er und beobachtete mich dabei, wie ich mit einer Bürste grob durch meine Haare fuhr.
„Klar“, entgegnete ich. Ich hörte selbst, wie leer meine Stimme klang.
„Ich hatte erwartet, dass du mich anschreien würdest“, erklärte er.
„Dieses Mal nicht.“
Daraufhin schwieg er eine Zeit. Ich konnte in dem Spiegel erkennen, wie er die Augen leicht zusammenkniff und nachdenklich in meine Richtung starrte, bis er schließlich mit den Schultern zuckte und sagte: „Ich wollte mich wegen heute Mittag entschuldigen.“ „Okay.“ Nun sah er vollkommen verwirrt aus. „Okay?“, hakte er nach. „\'Okay, dann leg mal mit deiner Entschuldigung los, vielleicht verzeih ich dir\' oder \'Okay, alles in Ordnung\'?“ „Zweites.“ Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Ich bin verblüfft“, gab er zu. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach wird.“ Ich seufzte, legte die Bürste beiseite und wandte mich zu ihm um. Mit den Händen auf den Rand des Waschbeckens abgestützt sagte ich: „Ich muss zugeben, dass das heute Mittag wirklich kindisch war – sowohl von dir als auch von mir. Wir haben uns angeschrien wie kleine Kinder und ehrlich gesagt habe ich da keine Lust mehr drauf. Ich habe andere Probleme.“ Ich schnitt ihm mit einer wirschen Handbewegung das Wort ab, als er mich unterbrechen wollte. „Mir bleibt nichts anderes übrig als zu akzeptieren, dass du die nächste Zeit mit deiner Familie hier wohnen wirst und ich werd lernen über deine selbstgerechte Art und deine provozierende Kommentare hinwegzusehen. Ich habe nicht vor, mir meine Ferien von dir verderben zu lassen.“ Nach einer kurzen Pause fügte ich hinzu: „Vielleicht schaffen wir es, miteinander klar zu kommen. Melinda zumindest ist wirklich sehr nett, dann musst du auch wenigstens einen positiven Charakterzug haben.“ Jason erwiderte nichts. Er musterte lediglich mein Gesicht, als suchte er eine Antwort darauf, ob ich es wirklich ernst meinte.
„Wo hast du sie eigentlich schon wieder gelassen?“, wollte ich wissen. Fragend runzelte er die Stirn. „Melinda“, erklärte ich.
„Ach“, er lächelte schief. „Sie ist bei meiner Mutter und schlürft wahrscheinlich schon ihren dritten Cocktail leer.“ „Und du verzichtest?“ „Ich wollte erst das mit dir klären“, teilte er mit und sagte weiter: „Wahrscheinlich hast du da noch nicht drüber nachgedacht oder hieltst es für unvorstellbar, aber ich bin auch nicht gerade darauf aus, meine Ferien damit zu verbringen, mich mit dir zu bekriegen. Ich bin, wie ich bin – die spöttischen Kommentare gehören genau so zu mir wie mein Charme.“ Dieses Mal wollte ich ihn unterbrechen und darauf hinweisen, dass ich von seinem angeblichen „Charme“ noch nichts mitbekommen hatte, doch er fuhr einfach fort und redete meinen Einwand in Grund und Boden: „Dass du mit meiner Art nicht klar kommst konnte ich nicht riechen – ich bin es gewohnt, dass Menschen Humor haben und nicht alles persönlich nehmen, was ich von mir gebe.“ In diesem Moment kochte in mir erneut die Wut hoch und ich wollte aufbrausen. Doch genau so schnell wie dieses Gefühl in mir aufgekeimt war, verschwand es auch wieder. Seine gesamte Körperhaltung, aber auch sein Tonfall machten mir deutlich, dass er dies keines Falls beleidigend gemeint hatte. Es war lediglich eine Erklärung, vielleicht sogar eine Entschuldung für seine beleidigende Art.
Ich seufzte. „In Ordnung. Ich habe deine Entschuldigung angenommen.“ Und dann sagte ich etwas, was ich mir vor ein paar Stunden noch nicht hätte vorstellen können: „Es tut mir ebenfalls leid, dass ich mich so zimperlich verhalten habe.“ Wieder schenkte er mir ein schiefes Lächeln und linste mit leicht gesenktem Kopf unter seinem schwarzen Pony in meine Richtung. „Frieden?“, fragte er, trat einige Schritte auf mich zu und streckte mir seine Hand entgegen. Nach kurzem Zögern erwiderte ich sein Lächeln und hob meinen Arm, um seine Geste zu erwidern.
Dieser Moment war... nein, nicht magisch, so konnte man ihn ganz bestimmt nicht beschreiben. Er war... verwirrend. Verstörend, aufwühlend. Als ich in seine Hand einschlug und sich unsere Haut berührte, durchfuhr mich ein Schlag, der durch meine Fingerspitzen über meine Handfläche, meinen Arm und über meine Schulter schließlich durch meinen gesamten Körper fuhr. Es schien, als könnte ich jede kleinste Nervenfaser in meinem Körper spüren, die anfingen zu vibrieren und zu zucken. Es war nicht schmerzhaft, wie es bei einem richtigen Stromschlag gewesen wäre. Doch er war unangenehm. Unangenehm, weil ich so etwas noch nie erlebt hatte und nicht wusste, was es zu bedeuten hatte. Mein gesamtes Innere war aufgewühlt, mein Gehirn war umnebelt und meine Organe schienen für einen kurzen Moment ihre Funktion einzustellen. Mein Herz setzte einige Schläge aus und die Luft wurde aus meiner Lunge gepresst.
Ich schnappte nach Luft und zog mit einem Ruck meine die zurück, presste sie gegen meine Brust und konzentrierte mich darauf, ruhig zu atmen. Und als ich die Augen wieder öffnete und in die smaragdgrüne Iris Jasons sah, meinte ich, Verwirrung in seinem Blick lesen zu können. Doch es war nur für einen kurzen Moment, für nicht einmal eine achtel Sekunde. Dann blitzte wieder der Schalk in ihnen auf und er trat einen Schritt zurück.
„Dann hätten wir das ja geklärt“, seine Stimme klang normal.
Ich konnte nur nicken und schluckte, um den Klos in meinem Hals loszuwerden. Ich trat aus dem Bad, darauf bedacht, ihn kein weiteres Mal zu berühren, und ging zu meinem Bett, um mich zu setzen. Jason selbst wandte sich zur Zimmertür und wollte gehen, doch dann überlegte er es sich noch einmal anders und drehte sich zu mir um. „Ich habe gehört, du hast dich verirrt?“ Seine weiße Zähne blitzten auf, als er bis zu beiden Ohren grinste und sich ein kichern verkniff. „Idiot!“, sagte ich, packte ein Kissen und warf es in seine Richtung. Er fing es gekonnt auf und ich musste lachen.
Die seltsame Spannung, die ich wahrzunehmen gedacht hatte, war verschwunden. Und bevor ich eine weitere Attacke auf Jason starten konnte, schlüpfte er aus der Tür und schloss sie mit einem leisen klacken.

Die nächsten Tage verstrichen wie im Flug. Ich verbrachte viel Zeit mit Melinda und Jason. Zu einem Streit kam es nicht mehr und ich lernte mit der Zeit, über die Kommentare von ihm zu lachen und sie nicht weiter persönlich zu nehmen. Ich konnte sogar sagen, dass wir drei uns gut verstanden.
Doch das war auch schon alles. Melinda war zwar ein super nettes Mädchen – ein richtiger Schwiegertochtertraum – doch dicke Freundinnen würden wir nie werden, da war ich mir ziemlich sicher.
Ich wusste selbst nicht, warum mir das mit jedem Tag, den ich mit ihr verbrachte, immer klarer wurde.
Mit Jason sah das alles etwas anders aus – weniger kompliziert. Wir verstanden uns mehr als gut, lernten uns nach und nach besser kennen Ich musste sogar zugeben, dass ich mich in seiner Nähe mittlerweile wohl fühlte – vielleicht war das auch schon vorher so gewesen, und ich hatte es nur nicht bemerkt, weil ich quasi auf Krieg mit ihm aus gewesen war. Wir lachten viel zusammen, alberten miteinander rum und hatten Spaß.
Doch das alles nur mit zwei kleinen Einschränkungen: Solange wir nicht alleine waren, solange immer Melinda in der Nähe war, war alles in Ordnung. Und solange ich darauf achtete, immer einen fetzen Kleidung zwischen unserer beider Haut zu haben, konnte man meinen – im übertriebenen Sinne - wir wären beste Freunde.
Doch sobald wir zu zweit waren, meinte ich eine seltsame angespannte Atmosphäre wahrzunehmen. Ob Jason selbst dies auch so empfand, konnte ich weiß Gott nicht sagen. Ich wusste einfach nie, was sich in seinem Kopf abspielte. Er wirkte oftmals furchtbar verschlossen und ernst – obwohl er meist ein schiefes Lächeln auf dem Gesicht hatte. Hin und wieder erwischte ich ihn sogar dabei, wie er ins leere starrte und wirkte, als wäre er in einer ganz anderen Welt. Einmal sogar, als wir für einige Minuten zu zweit gewesen waren, hatte ich ihm gerade von der letzten Mail meiner besten Freundin erzählt, in der sie schwärmerisch von dem herrlichen Strand in Florida und davon, wie sie einen – ich zitiere - „hotten Sunnyboy“ kennengelernt hatte, und ihn kurz darauf gefragt, ob er auch schon einmal in Florida gewesen war, da hatte er mich einfach mit einem undefinierbaren Blick angestarrte und erst nach einigen für mich endlos wirkende Sekunden auf meine Frage geantwortet.
Für mich war das sehr seltsam gewesen, doch er hatte so getan, als wäre nichts gewesen und alles ganz normal.
Am Tag vor der Rückkehr von Miriam entschloss ich kurzerhand eine Poolparty für sie zu schmeißen. Ich war mir sicher, sie würde sich tierisch darüber freuen und es war eine super Gelegenheit unsere Schulfreunde mal wieder zu sehen.
Nachdem ich also alles mit meinen Eltern abgeklärt hatte – mein Vater war sofort einverstanden gewesen, solange ich mich selbst um alles kümmern würde und dafür sorgte, dass der Gartenbereich am nächsten Morgen wieder sauber war, und meine Mutter hatte natürlich sofort dagegen gewettert, doch was sie sagte, war mir sowieso egal – schickte ich über das Internet einige Einladungen los. Danach schwang ich mich gut gelaunt die Treppe runter in die Küche, wo Jason sich gerade einen Muffin stibitzte.
„Erwischt“, sagte ich, klaute ihm das Teil aus der Hand und biss herzhaft hinein.
„Hey!“, sagte er gespielt beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust.
Ich lachte. „Da sind sicherlich noch genug im Kühlschrank. Bedien dich ruhig.“ „Ich hatte nichts Anderes vor“, erwiderte er mein Lachen.
„Hmm-mmmh“, schmatzte ich und schluckte den letzten Bissen hinunter. „Hast du gerade was vor oder hast du Zeit mir deine Fahrkünste zu borgen?“, fragte ich.
Er hob eine Augenbraue und musterte mich fragend. „Was hast du denn vor?“ „Poolparty“, erklärte ich und grinste. „Miriam kommt morgen wieder und ich brauch noch ein paar Sachen aus der Stadt. Darunter Getränke und vielleicht etwas zu Knabbern. Da ich selbst noch nicht volljährig bin...“ Ich zuckte mit den Schultern und ließ den Rest des Satzes offen.
„Kein Problem“, sagte er und fischte den Schlüssel aus seiner schwarzen Jeans. Ich wunderte mich immer wieder darüber, dass er in den langen Hosen, die er täglich trug, nicht einging.
„Super, danke. Soll ich Miriam bescheid sagen? Vielleicht möchte sie mit“, fragte ich.
Er winkte ab. „Sie liegt gerade am Pool. Ich will sie nicht stören.“ „Öhm, okay“, ich kratzte mich an der Stirn. Es war mir nicht ganz wohl dabei mit Jason so lange alleine zu sein. Ich hatte fürchterliche Angst davor, dass die komische Spannung zwischen uns immer schlimmer werden würde, je länger wir zu zweit waren.
\'Was soll schon schlimmes passieren\', dachte ich.

Während der Fahrt lief das Lied „Radioactive“ von Imagine Dragons in Dauerschleife, denn Jason war – wie ich feststellen musste – ziemlich altmodisch und hatte dieses Lied auf eine Kassette gespielt, welche nun in dem uralten Gerät feststeckte, das er sich extra in sein Auto hat einbauen lassen. Das erinnerte mich augenblicklich an eine Fernsehserie die immer lief – mir wollte weiß Gott nicht mehr einfallen, welche das war – in der genau dasselbe auch passiert war. Mir war nur noch bewusst, dass das Lied „500 miles“ hieß.
Jason selbst grölte das gesamte Lied auf und ab immer und immer wieder mit. Er konnte zwar nicht sonderlich gut singen, doch er wippte mit dem Kopf die Melodie des Songs nach und dabei fiel ihm sein schwarzes Haar immer wieder in die Stirn, was – zugegeben - verdammt heiß aussah. Ich musste mich mit ganzer Gewalt zusammen reisen, ihn nicht die ganze fahrt anzustarren. Doch hin und wieder ließ es sich einfach nicht vermeiden, ihm einen Blick zuzuwerfen.
„Warum verwendest du nicht so etwas wie CDs?“, wollte ich wissen.
„Ich steh auf alten Kram“, erklärte er.
Ich nickte. „Hat Melinda auch schon gemeint. Wenn du magst zeig ich dir demnächst mal den Dachboden.“ „Liebend gerne“, sagte er und lächelte freudig. Dann verzog sich sein Mund zu einem breiten Grinsen und er stellte die Musik lauter. Wieder warf ich ihm einen Blick zu und beobachtete ihn, wie er im Takt der Musik mit dem Kopf wippte. Es schien, als würde er dabei – wie so oft – in einer anderen Welt versinken, als würde er jeden Ton mit all seinen Sinnen in sich einsaugen und mit Haut und Seele spüren.
Als er bemerkte, dass ich ihn beobachtete, schaute er in meine Richtung. In seinem Blick lag etwas Trauriges, das im Gegensatz zu seinem Lächeln stand. Aber er war gleichzeitig auch sanft, ja, schon fast liebevoll, sehnsüchtig... Hastig wandte ich mich von ihm ab, starrte aus dem Fenster und lenkte meine Gedanken in eine andere Richtung. Ich sollte aufhören, mir irgendetwas einzubilden.
Tief atmete ich ein und aus und sagte schließlich laut genug, um die Musik zu übertönen: „Am besten du parkst hinter dem Einkaufszentrum. Dort werden wir alles bekommen, was wir brauchen.“ Als ich vorsichtig zu ihm rüber linste, sah ich, dass er gerade erst den Blick abwandte, um seine Aufmerksamkeit der Straße zuzuwenden. Ein Wunder, dass er den Wagen so lange auf der Spur hatte halten können, ohne abzukommen...
„Einverstanden.“
Es dauerte geschlagene zwei Stunden, bis wir alles beisammen hatten, was wir für den nächsten Tag brauchten. Neben Salzstangen, Chips, Flips und anderem Zeug, das man als Jugendlicher gerne mal neben einem alkoholischen Getränk in sich reinschüttete, besorgten wir Bier, Wein und Sekt. Auf hochprozentiges verzichteten wir absichtlich, damit der Abend nicht eskalierte. Zudem fanden wir sogar einige bunte Girlanden, Fackeln, die man in den Rasen stecken konnte, Teelichter, Pappteller und -becher.
Zu meiner Überraschung war es diesmal sogar ziemlich angenehm gewesen, mit Jason alleine zu sein – abgesehen von dem Ereignis im Auto. Wir verstanden uns prächtig, alberten rum und hatten jede Menge Spaß. Am Ende der Einkäufe gönnten wir uns sogar noch ein Eis und setzten uns auf den Rand eines Brunnens.
„Ich hoffe, wir haben nichts vergessen“, sagte ich und ging im Kopf nochmal alles durch.
„Und wenn schon“, entgegnete er. „Die Party wird ein Hin und Notfalls“, er lächelte schief, „und Notfalls: ich bin ein Meister der Improvisation.“ Ich lachte auf und boxte ihm gegen den Arm. „Du solltest aufhören dich immer selbst zu loben. Sonst werde ich die Ansicht niemals los, dass du ein selbstgerechter, eingebildeter Schnösel bist.“ „Wer weiß“, sagte er gleichgültig. „Vielleicht bin ich das auch.“ Herzhaft biss ich in die Waffel hinein. „Gut, dass du das endlich mal zugibst“, neckte ich ihn.
„Pass ja auf was du sagst“, sagte er, die Stimme spielerisch böse verstellt.
„Was erwartest du denn?“, fragte ich. „Dass ich dir widerspreche?“ Ich kicherte. „Glaub mir, das mache ich bei jeder anderen Gelegenheit gerne, aber was das angeht, stimme ich dir nur zu gerne zu.“ „Ha“, er lachte auf und aß den letzten Rest seiner Waffel. „Widersprich mir nur so oft du willst. Letztendlich wirst du merken, dass ich immer Recht habe und es schlauer wäre, mir zuzustimmen.“ „An deiner Stelle“, erwiderte ich „würde ich aufpassen, dass ich nicht zu oft den Macho lasse, denn das kann deine Mitmenschen fürchterlich schnell vergraulen.“ „Naja“, er fuhr sich mit einer kurzen Bewegung durch sein verwuscheltes schwarzes Haar, das in der Mittagssonne einen silbernen Glanz hatte, der mir zuvor noch nie aufgefallen war. „Dich vergrault so schnell sicherlich nichts mehr“, sagte er selbstsicher. Wie gern ich ihn mittlerweile auch mochte, er war und würde für immer ein eingebildeter, arroganter Macho bleiben.
„Achja?“, fragte ich. „Was macht dich da so sicher?“ „Wollen wir wetten?“, stellte er mir eine Gegenfrage.
Ohne nachzudenken, entgegnete ich: „Na klar!“, was ich in den nächsten Sekunden noch bitter bereuen würde. Als ich sein spitzbübischen, schelmisches, verschmitztes Grinsen sah wurde mir mein Fehler sofort bewusst. Er sprang mit einer leichtfüßigen Bewegung auf und hatte mich so rasch auf die Arme genommen, dass ich gar keine Gelegenheit hatte, in irgendeiner Weise zu reagieren. Es ging alles so schnell, dass ich nicht einmal eine Chance hatte zu schreien, oder mich an ihm festzukrallen. Von einem auf den nächsten Moment fand ich mich im Wasser des Brunnen wieder.
Einen kurzen Moment blieb ich regungslos sitzen, zu erschrocken um irgendeine Reaktion von mir zu geben. Ich blieb so lange leblos sitzen, dass ich merkte, wie Jasons Gesicht sich plötzlich zu einer besorgten Maske verzog. Doch dann war ich wieder Herr meine Selbst.
Haltlos schrie ich ihn an: „Du verdammter Mistkerl! Was denkst du dir eigentlich? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Weißt du eigentlich wie scheiße Kalt das Wasser ist? Bist du verrückt? Wieso wirfst du mich einfach da rein, weißt du wie eklig das eigentlich ist? Weißt du wie viel Menschen hier täglich ihren Abfall reinwerfen oder was auch immer mit dem Wasser hier machen? Ich bin doch keine Puppe mit der du machen kannst was du willst, die du einfach hier und da hin werfen kannst, wie es dir beliebt? Jetzt guck mal wie ich aussehe!“, zornig stand ich auf und zeigte auf meine triefenden Klamotten. Zu meinem Leidwesen hatte ich heute auch noch ein weißes Kleid an, sodass er nun ohne Hindernis meine Unterwäsche bestaunen konnte. Als er lachte, fuhr ich fort: „Jaaa, das gefällt dir, was?“ Mein Blick wanderte zu ihm, dann wieder an meinem triefenden Körper hinab und wieder zu ihm. Dann verpuffte mein Ärger und ich fiel in sein schallendes Gelächter mit ein.
Als mir der Bauch weh tat und mir schon die Tränen liefen, hievte ich mich am Rand des Brunnen entlang und ergriff Jasons helfende Hand, um wieder sicheren Boden unter die Füße zu bekommen. Als ich schließlich vor ihm stand, schmiss ich mich an seine Brust und machte ihn damit zumindest halb so nass wie ich selbst war.
„Hey“, sagte er immer noch lachend. „Das war jetzt echt nicht fair!“ Mit einer sanften Geste schob er mich von sich.
„Achja?“, fragte ich und schob das Kinn nach vorne. „Und das was du gemacht hast, war fair, oder wie?“ Er senkte ein wenig den Kopf, um den Größenunterschied zwischen uns auszugleichen und meinen Blick zu erwidern. „Du bist auf die Wette eingegangen und ich wollte sie gewinnen.“ Mir blieb der Atem weg, als ich bemerkte, wie dicht unsere Gesichter beieinander waren. Statt zu antworten versank ich in den Details seiner Gesichtszüge, die selbst aus der Nähe makellos zu sein schienen. Alle Proportionen schienen bei ihm zu stimmen – seine Wangenknochen stachen hervor, aber nicht zu weit, sodass sie knochig aussahen, seine Nase war gerade und nicht zu weit nach außen oder innen gebogen, seine Stirn breit, passend zu seinem markanten Kinn, dass sich plötzlich zu verhärten schien. Und das smaragdgrün seiner Augen war so bannend, dass ich mich am liebsten in ihnen verloren hätte.
Doch bevor das wirklich hätte passieren können, gelang es mir, mich zu räuspern und den Bann zu brechen.
„Wir sollten fahren“, sagte ich und Jason nickte.








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