Crystal - Teil 3

Autor: Yana328
veröffentlicht am: 29.05.2013


Hey ihr lieben!
Hier ein ein bisschen längerer Teil. Und vorhin ist mir aufgefallen, dass bei dem davor einige Grammatikfehler vorhanden sind, ich hoffe es hat euch trotzdem Spaß gemacht ihn zu lesen! (hoffe dass ich hier keine Fehler übersehen habe).
Ich freue mich über eure Kommentare!

2. Kapitel
Ich selbst hatte in meinem Leben schon unendlich viele Liebesgeschichten gelesen – vom jugendlichen Teenager-Liebesgeschnulze über Liebesdramen bis hin zur Liebestragödie – und doch, immer wenn solche unvorstellbare Dinge beschrieben wurden, die mir in meinem bisherigen Liebesleben noch nie untergekommen waren, hatte ich immer wieder mit der Hand gewedelt und „Ach, so ein Quatsch“ gedacht. Ich habe nie daran geglaubt, dass es so etwas wie einen „Blitz“ gibt, der einen durchfahren könnte.
Und ich hatte noch nie daran geglaubt, dass ein Mensch eines anderen Geschlechts eine so unglaublich große Anziehungskraft auf eine andere Person ausüben könnte, sodass diese sich am liebsten direkt in dessen Arme geschmissen hätte.
Doch genau dies war gerade der Fall als seine smaragdgrüne Augen meinen Blick erwiderten. Es schien, als wäre ich gelähmt. Als hätte ich nicht nur die Kontrolle über meine Muskeln sondern auch über jeden einzelnen noch so kleinen Nerv in meinem Körper verloren.
Dafür konnte ich umso stärker das Klopfen meines Herzens verspüren, das wie wild hämmerte und aus meiner Brust zu springen drohte, das meinen Puls auf Hochtouren brachte und es mir unmöglich machte meine Lunge mit Luft zu füllen. Es war als wäre ich in einer Art Trance gefangen, einer Trance, die es mir nur gewährte den Jungen vor mir wahrzunehmen, der mich mit ruhigem Blick beobachtete. Meine Außenwelt war für mich vollkommen verschwunden. Ich nahm niemand anderen mehr wahr, als hätten sich meine Sinne alleine auf ihn konzentriert, als hätten sie keine andere Aufgabe mehr außer ihn von oben bis unten zu erkunden, als hätten sie und somit ich noch nie etwas Schöneres, Aufregenderes gesehen, wahrgenommen als diesen jungen Mann, der einige Meter von mir entfernt stand.
Es kam mir vor wie eine gefühlte Ewigkeit, bis ich wieder dazu in der Lage war, etwas Anderes wahrzunehmen als diesen Jungen mit seinen pechschwarzen Haaren, die ihm lässig in die hohe Stirn fielen. Ich spürte zuerst das warme Gefühl, das sich in mir ausbreitet, dann die Schauer die mir sekündlich über den Rücken schossen und mich zittern ließen.
Und dann merkte ich, wie alles um mich herum schwarz wurde, meine Beine unter mir nachgaben und ich wie ein schwerer Sack voller Kartoffeln zu Boden sackte.

„Catherine, mein Schatz, ist alles in Ordnung bei dir?“ Als ich die Augen öffnete sah ich in das besorgte Gesicht meines Vaters, der sich über mich gebeugt hatte. Da ich immer noch an demselben Fleck lag, an dem ich zu Boden gegangen war, nahm ich an, dass ich nicht besonders lange ohnmächtig gewesen sein konnte. Statt einer Antwort bewegte ich probehalber meinen kleinen Finger an der rechten Hand.
Eines stand fest: dieser peinliche Auftritt hatte zumindest dafür gesorgt, dass ich wieder die gesamte Kontrolle über mich und meinen Körper zurückerlangt hatte. Mein Herz schlug wieder regelmäßig und meine Lunge füllte sich mit Luft.
„Alles in Ordnung“, sagte ich schließlich und rappelte mich etwas auf. „Das Kleid war wohl etwas zu eng geschnürt. Ich hab keine Luft bekommen.“ Ich war sicher, dass mir niemand diese kleine Lüge übel nehmen würde. Schließlich war es zum Teil die Wahrheit, denn Luft hatte ich wirklich keine bekommen – was allerdings sicherlich nicht die Schuld des Kleides gewesen war – und ohne Luft konnte man schnell mal die Besinnung verlieren. Dass ich einfach vergessen hatte zu atmen und vollkommen die Kontrolle über mich verloren hatte, musste wirklich niemand erfahren. Die ganze Situation war auch schon so peinlich genug. „Geht schon wieder.“
Mein Vater runzelte noch kurz sorgenvoll die Stirn, musterte mich nicht gerade überzeugt und nickte schließlich. „Am besten wir gehen zu Tisch. Etwas zu Essen wird deinen Kreislauf in Schwung versetzen.“ Er zwang sich zu einem Lächeln und half mir auf.
Ich nickte. Zu mehr war ich nicht in der Lage, denn ich schämte mich für meinen mehr als peinlichen Auftritt.
„Doch zuvor... Catherine, das ist Paul und seine Frau Sara.“ Ich setzte ein höfliches und wahrscheinlich sehr gequält wirkendes Lächeln auf und schüttelte den Beiden die Hände. „Und das sind Jason und seine Freundin Melinda.“ Er deutete zu den Beiden rüber, die immer noch dort standen, wo ich sie – besser gesagt ihn – angestarrt hatte.
Als erstes hatte ich Angst, ein weiteres Mal in seine Richtung zu schauen, denn ich hatte die Befürchtung wieder dermaßen die Fassung zu verlieren und einen weiteren peinlichen Auftritt hinzulegen. Doch dann raffte ich mich zusammen, lugte vorsichtig in seine Richtung und als ich feststellte, dass ich Herr meiner eigenen Sinne blieb, brachte ich es sogar zustande, mein Lächeln aufrecht zu erhalten. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, überlegte es sich allerdings anders und nickte einfach nur in meine Richtung. Seine Freundin Melinda sagte höflich „Hallo“, sodass ich sie jetzt zum ersten Mal richtig wahrnahm. Sie hatte wasserstoffblondes, schulterlanges Haar, einen schrägen Pony und schokoladenbraune Augen. Sie war nicht wie die klassischen blondierte Mädchen, nicht wie die in meiner Klasse, die große Brüste und lange Beine hatten und aufgetakelt durch die Gänge watschelten. Im Gegenteil. Sie war eher klein und ich konnte erkennen, dass sie ein wenig pummelig war. Doch trotz allem war sie schön. Und sie wirkte sympathisch.
Eigentlich hätte ich mich darüber freuen sollen, keine arrogante, verwöhnte Ziege wochenlang an der Backe zu haben. Doch aus irgendeinem Grund machte es mich wütend. Es nervte mich, dass ich sie wahrscheinlich mögen würde, würde ich ihr eine Chance geben. Irgendwie wäre es mir lieber gewesen, wenn die Freundin dieses unglaublich gut aussehenden, heißen, sexy, rattenscharfen, megatollen, grandiosen, unwiderstehlichen, sportlichen, mit Muskeln übersäten Typs eine nervtötende Furie gewesen wäre.
Ich schüttelte den Kopf, um mich selbst daran zu hindern, mir weitere Adjektive auszudenken, die diesen Kerl annähernd beschreiben würden.
„Jetzt reis dich mal zusammen, Catherine Hunington!“, rügte ich mich im Stillen selbst, während ich den beiden Familien nach draußen in den Wintergarten folgte.
Der restliche Abend verlief weitgehend unauffällig. Anfangs mied ich den direkten Blickkontakt zu Jason, doch je weiter das Essen voranschritt, desto sicherer wurde ich, dass mir so ein Aussetzer so schnell nicht noch einmal passieren würde. Mein Blut war so schnell abgekühlt wie es sich erhitzt hatte, als er im Salon das erste Mal meinen Blick aufgefangen hatte und dadurch gelang es mir einen kühlen Kopf zu bewahren, meine verwirrten Gefühle in den Hintergrund zu drängen.
Es wäre auch gelacht, wenn mich ein wildfremder Kerl so dermaßen aus der Bahn hätte werfen können. So etwas konnte und wollte ich erstens nicht zulassen und zweitens wollte ich immer noch nicht daran glauben, dass man die Kontrolle über sich und seine Gefühle verlieren konnte.
In dieser Hinsicht war ich ein sehr rational denkender Mensch. Ich war der Meinung, dass man alles steuern konnte und somit auch seine eigene Gefühle. Es war nur eine Frage der eigenen inneren Stärke.
Miriam hatte schon oft über meine Sicht der Dinge den Kopf geschüttelt und sie als „Verdrängung“ und „nicht-wahr-haben-wollen“ bezeichnet. Doch ich war der Meinung, dass dies wieder zwei andere Dinge waren. Verdrängte man Tatsachen und Geschehnisse, so war es nur eine Frage der Zeit, bis einen die Erinnerungen und Gefühle überrannten und in die Knie zwangen. Ich dagegen konnte von mir selbst behaupten, dass ich mit den vergangenen Jahren gelernt hatte meine schlechten Erinnerungen und Erfahrungen in etwas Positives umzuwandeln. Ich akzeptierte die Tatsache, dass vieles in meinem Leben so wie in den Leben aller anderen Menschen sicherlich schief gegangen war. Doch genau aus diesen Ereignissen lernte man. Genau durch diese Ereignissen wurde man zu dem Menschen, als der man irgendwann sterben würde.
Aus allem nur das Positive entnehmen – das war der Schlüssel zu einem meiner Meinung nach fröhlichem Leben. Dass auch ich mich über manche Geschehnisse zutiefst aufregen konnte, konnte ich nicht leugnen. Meistens war dies der Fall, wenn ich überhaupt keinen Grund sah, daraus etwas Positives abzuleiten und meistens betraf es familiäre Angelegenheiten oder Zeiten, in denen ich mich ungerecht behandelt sah.
Doch manche Situationen waren für mich rational nicht erklärbar – daher versuchte ich darüber einfach nur die Schultern zu zucken.
Und genau dies tat ich nun auch mit diesem seltsamen Vorkommnis im Salon. Ich schaffte es darüber die Stirn zu runzeln, mir im Verlauf des abends deswegen immer weniger Gedanken zu machen und schließlich sogar recht kühl Jasons Blicke zu erwidern ohne dabei das geringste zu empfinden – zumindest nicht mehr oder weniger, als wenn ich damals Pickelfratze-Joe beobachtet hatte, was wahrlich nicht oft vorgekommen war.
Ich war wieder vollkommen Herr meiner selbst und mein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Gut, der Junge sah verdammt gut aus. Gut, er war auch total mein Typ. Aber vielleicht war er charakterlos, ein verzogener, eingebildeter Schnösel. Ich wusste es nicht, schließlich kannte ich ihn nicht und daher war eine so übertrieben gefühlsmäßige Reaktion auf ihn vollkommen unlogisch.
Als dann schließlich das Abendessen zu Ende war, zog ich mich so schnell wie möglich in mein Zimmer zurück, fuhr meinen Laptop hoch, schwang mich im Schneidersitz auf mein Bett und öffnete das Mailprogramm um Miriam kurzen Bericht zu erstatten – so wie sie es mir bei unserer Verabschiedung in der Schule abverlangt hatte.

Hey Miri,
hier wie versprochen einen kurzen Bericht über den Abend. Paul und Sarah, so heißen Dads Geschäftspartner und dessen Frau, sind, wie soll ich sagen, recht gewöhnungsbedürftig. Sarah redet die ganze Zeit nur von dem neusten Trend in der Modebranche, vom besten Lippenstift und dem teuersten Make-up. An sich passt sie super zu meiner Mutter, sie scheinen sich auch recht gut zu verstehen. Dad und Paul reden stattdessen den ganzen Abend nur über Geschäfte und irgendwelchen Kram, von dem ich eh keine Ahnung habe.
Ja, und Jason, der hat natürlich seine Freundin mit im Gepäck gehabt. Beide wirken eigentlich recht sympathisch und haben mich während dem Essen gefragt, ob wir morgen etwas unternehmen – sie wollte natürlich in die Stadt, durch die Geschäfte bummeln, er wollte dann doch lieber einen Ausritt an den See unternehmen, von dem er irgendwo irgendetwas gelesen hatte. Zu einer Diskussion kam es dann aber doch nicht, da er schnell abwehrend die Hände hob und ihr ihren Willen lies.
Mir war das alles sowieso piep egal.
Über alles andere reden wir morgen. Ich hoffe du stehst um Punkt neun bei mir auf der Matte, um mir seelischen Beistand zu leisten?!
Schlaf gut!
Cat

PS: „Fettleib-Stinke-Hans-Peter“ trifft als Beschreibung nicht so direkt auf Jason zu.
















3. Kapitel
Am nächsten Morgen hatte mein Wecker nicht einmal die geringste Chance zu klingeln, mich zu wecken und somit seine Pflichten als nervendes Etwas zu erfüllen. Stattdessen stürmte meine Mutter bereits um sieben Uhr mit ohrenbetäubenden Lärm in mein Zimmer.
„Catherine Hunington, du liegst ja immer noch im Bett! Mach, dass du aus den Federn kommst!“
„Mum, es ist gerade einmal sieben Uhr. Welcher gesunde Mensch steht in seinen Ferien so früh auf?“, maulte ich und zog mir die Decke über den Kopf, um mich vor den Sonnenstrahlen zu schützen, die auf einmal ins Zimmer fielen als meine Mutter mit lautem Getöse die Rolladen hoch zerrte.
„Jason und Melinda sind auch schon längst wach. Sie sitzen unten am Frühstückstisch. Ich will, dass du ihnen Gesellschaft leistet. Es kann ja nicht sein, dass unsere Gäste alleine speisen!“
„Mum“, jammerte ich, als sie mir die Bettdecke wegzog. Verschlafen richtete ich mich auf und funkelte sie wütend an. „Was macht das denn für einen Unterschied ob ich mit ihnen frühstücke oder nicht. Ich bin sicher ihnen schmeckt das Essen mit und ohne mich genau so gut.“
Als Antwort starrte mich meine Mutter nieder und sagte: „In zehn Minuten bist du unten.“ Mit klackenden Schuhen verschwand sie aus meinem Sichtfeld und ließ mich alleine.
„Na wunderbar“, grunzte ich vor mich hin und tapste genervt in das Bad. „Der Morgen ist schon beschissen, da wird der restliche Tag bestimmt auch nicht viel besser.“
Zehn Minuten später stand ich gekämmt, geschminkt und angezogen im Wintergarten und platzierte meinen Teller mit frischen Croissants neben Melinda, die gegenüber von Jason am Tisch saß und sich Rührei und Speck schmecken ließ.
„Morgen“, sagte ich kurz angebunden und schenkte keinen der Beiden einen Blick.
„Guten Morgen“, zwitscherte Melinda gut gelaunt und strahlte in meine Richtung.
„Hey“, nuschelte Jason mit vollem Mund. „Hast du eine gute Nacht gehabt?“, fragte er höflich als die Gefahr gebannt war, dass er die Hälfte seines Essens quer über den Tisch spucken würde.
„Ganz wunderbar. Vor allem der Morgen war herrlich“, entgegnete ich sarkastisch und warf ihm einen genervten Blick zu. Ich hasste es, am frühen Morgen irgendwelche Gespräche mit irgendwelchen Leuten führen zu müssen. Alles was ich wollte war meine Ruhe und am besten zentnerdick Nougatcreme auf meinem Croissant.
„Morgenmuffel was?“, erkannt Jason und grinste mich an. Wahnsinn, er hatte echt perfekt e, strahlend weiße Zähne.
„Sehr witzig“, zischte ich und blitzte ihn mies gelaunt an. Aus dem Augenwinkel sah ich dass Melinda nach einem kurzen Blick auf mich ihre Hand auf Jasons Arm legte und stumm den Kopf schüttelte. Immerhin eine, die erkannte, dass ich in Ruhe gelassen werden wollte.
Erst nachdem ich zwei Croissants und einen Donut verputzt, eine Tasse Kaffee und eine Tasse Milch geleert hatte, war ich in der Lage einigermaßen höflich aufzublicken und den Beiden ein falsches Lächeln zu schenken. „In einer Stunde kommt eine Freundin von mir vorbei. Sie brauch noch einige Dinge aus der Stadt und würde uns daher gern begleiten“, erklärte ich.
Jason fuhr sich durch das verwuschelte schwarze Haar und grinste undefinierbar. „Kein Problem.“
Stumm musterte ich ihn, runzelte genervt die Stirn und überlegte, ob ich ihm auf nicht gerade höfliche Weise klar machen sollte, dass es mir ziemlich egal war, ob er damit ein Problem hatte oder nicht, dass er hier sowieso nichts zu melden hatte und dass wenn er weiter so doofe Kommentare absondern würde, er gleich zu Hause bleiben oder alleine durch die Stadt ziehen konnte, falls er diese überhaupt selbstständig fand.
„Wie auch immer“, sagte ich dann allerdings nur und fuhr mit einer wirschen Handbewegung fort. „Am besten ihr zieht euch noch um.“ Ich deutete auf die langen Hosen, die beide trugen und auf Jasons langärmliges Poloshirt. „Auch wenn es morgens hier ziemlich kühl ist, mittags ist es senkend heiß und ich befürchte, ihr würdet beide binnen fünf Minuten in der Sonne eingehen.“ Was ich allerdings nicht sonderlich schade gefunden hätte. Besonders nicht bei Jason.
„Alles klar“, lächelte Melinda. „Oh Schatz, Ich freu mich ja schon so!“
Darauf konnte ich mir ein kurzes Auflachen nicht verkneifen, das hoffentlich nicht allzu hysterisch und sarkastisch klang. „Ich mich auch“, nuschelte ich und starrte auf die Tischplatte.
„Am besten wir gehen gleich nach oben, Schatz“, mit strahlenden Augen schaute sie zu Jason herüber. Dieser nickte zustimmend, beide erhoben sich und verließen Arm in Arm den Wintergarten.
„Am besten wir gehen gleich nach oben, Schatz“, äffte ich sie nach und zog eine Grimasse. „Und wie man einen Tisch abräumt habt ihr beide wahrscheinlich auch nicht gelernt. Oh man, wie froh ich bin, wenn dieser verdammte Tag vorbei ist!“ Genervt stapelte ich die Teller aufeinander. Sie schepperten laut. „'Oh Schatz, ich freu mich ja schon so!' Blablabla. Und dieses freudige Geschnulze darf ich mir noch mehrere Wochen antun. Grauenvoll.“ In der Küche lies ich in die Spüle Wasser ein und lies die Teller extra laut und klirrend hineinrutschen. „Blödes Rumgesülze. Können die das nicht machen, wenn niemand dabei ist? Da bekommt man ja echt Brechreiz.“ Ich schleuderte mit voller Kraft einen Schwamm in das aufspritzende Wasser. Ich wusste selbst nicht, wieso mir Melindas und Jasons Auftreten so an die Nieren ging. Wahrscheinlich, weil es einfach noch zu früh am Morgen war, um sich in solche Gesellschaft zu begeben. Frau brauchte da einfach ihre Ruhe, um gut gelaunt in den Tag starten zu können.
Also ließ ich meine gesamte schlechte Laune an dem armen Geschirr aus und schrubbte es unsanft sauber. „Wahrscheinlich haben sie alles stehen und liegen gelassen um noch schnell 'nen Quicki zu schieben. Ich will mir nicht vorstellen, was die da oben miteinander treiben. Na hoffentlich stürzt die Bude nicht ein, unter ihrem Geee...“ Hinter mir räusperte sich jemand und ich fuhr erschrocken herum. Dabei glitt mir einen Teller aus der Hand und zersprang in tausend Scherben, als er auf den weißen Fliesen der Küche aufkam. „...stöhne“, vollendete ich den Satz so leise, dass nur ich es hören konnte.
Ups, da stand Jason. Und ich wollte lieber nicht wissen, wie lange er meine Hasstirade schon mit angehört hatte.
„Hab' mein Handy draußen liegen lassen“, erklärte er. Er stand mit verschränkten Armen im Türrahmen der Küche und es war nicht zu verkennen, dass er seine ganze Selbstbeherrschung aufbringen musste, um nicht lauthals loslachen zu müssen. Blöder Idiot, lauschte der etwa öfter irgendwelchen Gesprächen?
„In diesem Fall glich es eher einem Selbstgespräch, und nein, normalerweise bin ich höflich und lausche nicht. Aber du hast mir die Worte ja förmlich ins Gesicht geschrien“, nun konnte er sich ein grinsen doch nicht verkneifen. Ich musste mich unbedingt darauf konzentrieren, nicht immer laut zu denken. „Und zudem brauch Mann nach so einer langen Nacht auch einmal eine Pause“, fügte er hinzu. Bei diesen Worten legte er den Kopf schief und schielte unter seinen schwarzen Haaren in meine Richtung, mit einem gefährlich provozierenden Lächeln auf den Lippen.
Ich brauchte einen Moment um zu kapieren, was genau er damit meinte, doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Schön für dich. „Na dann hoffe ich, dass du beim Frühstück genug Proteine zu dir genommen hast“, zischte ich, wandte mich von ihm ab und machte mich daran, die großen Glasscherben vom Boden aufzuheben. Ich hörte ihn noch kurz auflachen, dann holte er sein Handy und verschwand.

Kurz nachdem ich damit fertig war, die Sauerei in der Küche zu beseitigen, klingelte es an der Haustür. Meine Laune hob sich etwas, als Miriam vor der Tür stand und mir grinsend um den Hals fiel. Sie hatte mich also nicht im Stich gelassen. „Na, du Miesmuschel“, begrüßte sie mich und kniff mir in den Arm. „Deine Mail klang ausnahmsweise mal seeehr pessimistisch. Ein Glück hast du mich! Ich werde dir strahlend gute Laune einbläuen. Und weißt du auch warum?“ Natürlich fuhr sie fort, ohne auch nur eine Sekunde auf meine Antwort zu warten. „Weil wir trotz allem Ferien haben, es herrlichstes Wetter ist und wir daher gar keine Zeit dafür verschwenden dürfen, ein Gesicht zu ziehen. Also, Lächeln!“ Sie schob meine Mundwinkeln mit ihren beiden Zeigefingern nach oben. Nun musste ich wirklich grinsen. „Na also, so gefällst du mir schon viel besser.“ Sie umarmte mich nochmals und schob sich dann an mir vorbei ins Haus. „Habt ihr noch etwas zu Essen da? Ich habe deine Mail erst vor einer halben Stunde gelesen und bin wie eine Irre hierher gefahren, um noch pünktlich zu kommen. Und jetzt habe ich einen tierischen Hunger, weil für Frühstück leider keine Zeit mehr blieb.“ Spielerisch verzog sie ihr Gesicht zu einer traurigen Fratze. Diesmal musste ich laut auflachen. Ich wusste genau so gut wie sie selbst, dass sie auf dem Weg noch schnell beim Becker hätte anhalten können. Doch sie wusste, dass wir fast immer frischgebackenen Kuchen im Kühlschrank stehen hatte – vor allem wenn Gäste im Haus waren. Und unsere Köchin konnte nicht nur unglaublich gut kochen, sondern machte zusätzlich noch die besten Kuchen der Welt. Und Muffins.
„Es sind noch Schokoladenmuffins und eine Erdbeertorte da. Fühl dich wie zu Hause“, fügte ich hinzu als sie schon begeistert in die Küche stürmte und den Kühlschrank plünderte. „Priiiima!“, stieß sie aus und tauchte ihren Finger tief in das riesige Stück Torte, das sie sich gerade auf einen extra großen Teller geladen hatte und schleckte ihn genüsslich ab. „Göttlich!“, hauchte sie, schnappte sich schnell eine Gabel und schob sich ein weiteres Stück schwärmerisch in den Mund. Aufgrund ihrer Ungeduld und Gier blieb natürlich die Hälfte an ihren Lippen kleben, was sie allerdings nicht weiter zu stören schien. „Unglaublich!“, nuschelte sie zwischen der letzten und darauffolgenden Ladung. „Hmmm...“, hauchte sie. „Da bekommt man ja glatt einen Mundorgasmus.“
„Ja so hörst du dich auch an“, kicherte ich und warf ihr eine Serviette zu.
Nachdem Miriam in Rekordgeschwindigkeit fast ein Viertel der Torte verschlungen und zusätzlich noch einen kleinen Schokoladenmuffin verputzt hatte, ließ sie sich gesättigt auf einen Stuhl in der Küche nieder. „Das war gut.“
Kurz darauf kam Melinda in die Küche getänzelt. „Melinda, das ist Miriam. Miriam, das ist Melinda“, stellte ich die Beiden aneinander vor.
„Hey!“, kam von beiden Seiten und dann entstand ein unangenehmes Schweigen.
„Ähm, ja...“, sagte Melinda, um die Stille zu durchbrechen. „Jason meinte, er kommt in fünf Minuten, dann könnten wir eigentlich los, oder nicht?“
„Ja“, sagte ich.
Schweigen.
„Ist es weit bis in die Stadt?“, fragte sie an mich gewandt.
„Geht so“, erwiderte ich.
Schweigen.
Ich sah dass Miriam mir kopfschüttelnd einen tadelnden Blick zuwarf. „Wir werden mit dem Bus fahren und das dauert dann ungefähr eine halbe Stunde, weil er noch an sämtliche Haltestellen anhält. Wären wir ein paar Jahre älter, könnten wir auch das Auto nehmen, aber so...“
„Jason kann uns fahren“, unterbrach Melinda meine Freundin lächelnd. „Wir sind sowieso mit dem Kombi angereist. Das ist sicherlich angenehmer als den Bus zu nehmen.“
„Das wäre natürlich super!“, Miriam klatschte in die Hände, wie ein kleines Kind, das sich über ein neues Spielzeug freute. „Dann sparen wir eine Menge Zeit und können auch innerhalb der Stadt die Buslinien meiden.“
„Prima“, brummte ich nur. An sich hätte es mir nichts ausgemacht den Bus zu nehmen. Im Gegenteil, es wäre mir sogar schon fast lieber gewesen, denn dadurch hätten wir eine Menge Zeit verplempert, die ich neben Miriam auf einem Sitzplatz und nicht mit dem schnulzigen, euphorischen Pärchen in einem Einkaufszentrum hätte verbringen können.
Miriam zog mich ein wenig zur Seite und flüsterte mir zu. „Warum bist du denn so genervt? Sie scheint wirklich ganz nett zu sein und bemüht sich sichtlich, freundlich zu sein.“
Als erstes wollte ich irgendetwas Pampiges entgegnen, doch dann seufzte ich nur kurz auf. „Ich weiß, du hast recht. Mein Morgen war einfach nicht sehr entspannend, und du weißt ja, wie ich sein kann, wenn man mich da nicht in Ruhe lässt.“
„Allerdings“, grinste sie und erinnerte sich wahrscheinlich an unseren letzten gemeinsamen Urlaub in New York, als ich sie mehr als einmal morgens zur Sau gemacht hatte, wenn sie mich zu früh und zu unsanft geweckt hatte.
„Na gut“, sagte ich schließlich und meinte laut zu Melinda: „Und da soll einer nochmal behaupten, dass Männer nicht so lange im Bad brauchen.“ Etwas Besseres fiel mir leider nicht ein. Immerhin lächelte sie kurz darüber, nickte und entgegnete. „Das sind einfach nur blöde Gerüchte über Frauen, die die Männer in die Welt gesetzt haben, um selbst besser dazustehen.“
„Genau!“, stimmte ich ihr zu und wollte noch etwas nachsetzen, doch mir fiel einfach nichts ein, was ich noch hätte sagen können.
Doch in diesem Moment tauchte Jason auf und legte von hinten den Arm um seine Freundin. „Hey“, sagte er. Er trug zwar immer noch lange Hosen, hatte sein langärmliges Shirt allerdings gegen ein schwarzes, kurzes Hemd ausgewechselt. „Kann es los gehen?“





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