Au revoir mon chèrie

Autor: pineapple
veröffentlicht am: 23.05.2013


Verdammt schon am ersten Tag zu spät! Wieso musste das ausgerechnet ihr passieren? Warum stellte sie sich diese dumme Frage überhaupt, sie wusste ganz genau wieso sie jetzt rannte als wäre ein gestörter, sie töten wollender Psychopath hinter ihr her. Vielleicht hätte sie nicht so lange für ihr Make-up brauchen dürfen, jetzt war es ja auch egal. Aurelie fegte regelrecht durch die Orangestreet, welche zu dem grossen, modernen etwas einschüchternden Gebäude führte, dass die ab heute ihren Arbeitsplatz nennen durfte. Zumindest jetzt noch. Sie brauchte den Job mehr als nur dringend. Wie sollte sie sonst ihre Miete bezahlen? Und wie um Himmels Willen sollte sie ihren geliebten Französischen Pitbull Clement über die Runden bringen wenn sie es nicht einmal bei sich selbst schaffte. Ausserdem sollte man von einer dreiundzwanzig jährigen Französin sehr wohl erwarten können, dass sie es schafft ihr Leben auf die Reihe zu kriegen und nicht gleich am ersten Arbeitstag zu spät zu kommen. Mittlerweile hatte sie die riesige, silbern-graue Tür erreicht welche den Fahrstuhl verschloss. Mach schon, mach schon, mach schon. Ping Ping sie zählte mit jedem Stockwerk mit, dass der ihren gerade gnadenlos langsam erscheinenden Fahrstuhl zurücklegte. DING. Na endlich. Noch in derselben Sekunde in der sich die schweren Eisentüren öffneten, hechtete sie hinein, ohne auch nur einen Blick hinein zu werfen um sicherzugehen das sich keine weiteren Leute im Fahrstuhl befanden. Leider, wie es an diesem Morgen mysteriöser Weise schon fast zu oft vorgekommen war, befand sich eine nicht gerade kleine und zierliche Person darin. Oh nein, denn wie es das Pech nun mal wollte war der Mann nahezu eine Maschine. Prompt lag sie auf ihm und ihre Aktentasche aus Wildleder neben ihnen. „Es tut mir wirklich furchtbar Leid, Sir.“ Verzweifelt versuchte sie auf zu stehen, doch oh nochmal das Pech es wollte ihr einfach nicht gelingen. Was war heute bloss los mit ihr? Heute sollte ein grandioser Tag werden und was machte sie daraus einen Heute-blamiere-ich-mich-abgrundtief-damit-ich-mich-morgen-hier-nicht-mehr-blicken-lassen-kann-weil-ich-gefeuert-bin-Tag? Auf einmal legten sich zwei, sie wusste es seien Männerhände, um ihre Hüften und hoben sie ihrer Meinung nach etwas zu grob hoch. Unsanft wurde sie von ihrem Retter aus dieser nahezu endlos peinlichen Situation abgesetzt. Sie räusperte sich verlegen als der Mann, denn sie anscheinend mit voller Wucht umgeworfen hatte sie aufrappelte und sie etwas verwirrt ansah. Fast schon so als wäre sie nicht mehr ganz recht im Kopf und gehörte in eine Irrenanstalt. Sie entschuldigte sich nochmals bei ihm und er nahm ihre Entschuldigung an, höflich wie es sich gehörte für einen gut erzogenen amerikanischen Staatsbürger. Als er verschwunden war viel ihr plötzlich wieder ein das sie heute arbeiten musste. So ein Mist! Schnell wollte sie in den Fahrstuhl rennen als ihr dann noch in den Sinn kam das sie ja einen Gehilfen hatte der sie wenn auch nicht ganz so sanft wie man es sich von einem Gentleman wünschen würde hoch gehoben hatte. Im Fahrstuhl drehte sie sich nochmals um und bedankte sich freundlich.

Angekommen in ihrem Bürokasten warf sie sich sofort auf ihren Stuhl und schaltete denn neuen Apple Computer ein. Ganz ruhig Aurelie . Vielleicht würde es ja niemand bemerken, dass sie zu spät gekommen war. Dies bezweifelte sie allerdings stark, denn schon als sie die Tür zu ihrer neuen Abteilung geöffnet hatte, hatten sie alle angestarrt. Das war sicher nur weil sie neu hier war und sowieso war sie nur sieben Minuten zu spät gewesen. Was bitteschön hätte sie in sieben Minuten machen können, wenn überhaupt sollte sie froh sein, denn wer weiss was sie in diesen sieben Minuten alles hätte falsch machen können? Um nicht noch mehr Zeit zu vergeuden stürzte sie sich auf ihre Arbeit, welche sich Stapelweise auf ihrem Schreibtisch häufte. Aurelie war so in ihre Arbeit vertieft, das sie erst ein paar Minuten später die Stimme realisierte welche ihnen verkündete das nun Mittagspause wäre und sie für zwei Stunden heim gehen könnten. Doch nicht mit Aurelie oh nein sie würde nicht noch einmal nach Hause gehen ohne dass dieser gottverdammte Tag nicht vorbei war. Sie hatte keine Lust noch einmal zu spät zu kommen und war äussert erfreut darüber, dass offensichtlich niemand ihre Verspätung heute Morgen mitbekommen hatte. Doch wie immer hatte an diesem verflixten Tag das Pech die Oberhand und ehe sie sich versah wurde sie noch ehe sie auch nur einen Schritt aus ihrem Büro in ihre Mittagspause annähernd hätte machen können in das Büro ihres Chefs zitiert. Dort sass er, der Mann der in diesen Minuten mehr Macht über ihre Zukunft und ihre berufliche Laufbahn hatte als sie. Aurelie spürte seinen Blick welcher in ihre eisblauen Augen gerichtet war. Ja wirklich in ihre Augen nicht auf sondern in. War das normal? Vielleicht sollte er sich mal untersuchen lassen, vielleicht eine Brille tragen. Ihr Chef, genannt Roderick McKibbon, war schon über die Fünfzig gerutscht, was man vor allem an seinen schwer gegrauten Haaren erkennen konnte. Sein Jackett war weiss, genau wie seine Hose und sein blaues Hemd spannte sich über einen dicken Bierbauch. Sehr wahrscheinlich war es einer, denn eine Krankheit vermutete sie nicht bei ihm da er sehr rote Wangen hatte. Aurelie vermutete, anhand des Gläsernen Kruges gefüllt mit einer braun-gelblichen Flüssigkeit im Inneren, dass er schon einige nicht allzu kleine Gläser Scotch intus hatte. Die Lachfältchen in seinem Gesicht liessen in freundlich wirken, was aber auch schon wieder alles war, was ihn zu einer Persönlichkeit machte die man sympathisch fand. Hätte er noch einen Cowboyhut aufgehabt, hätte er ausgesehen wie ein Cowboy aus den frühen Fünfzigern. „ Miss Chevallier, wenn ich ihren Namen so richtig ausspreche, wie mir heute zu Ohren gekommen ist haben sie sich um circa zehn Minuten verspätet. Nun wie erklären sie mir das, zumal heute ihr erster Arbeitstag ist?“ Oh nein oh nein oh nein. Was sollte sie bloss tun? Sie konnte ihm doch schlecht sagen das sie sich einfach nicht zwischen dem roten und dem grauen Kostüm entscheiden konnte geschweige denn dass sie einfach nicht wusste was für Lippenstift und was für Lidschatten zu ihrem Outfit passten. Zumindest hatte sie etwas gefunden mit dem sie sich durchaus sowohl auf der Strasse als auch auf der Arbeit blicken lassen konnte, nämlich einen schlichten, roten Rock welcher ihr bis über den Bauchnabel reichte in dem ein enganliegendes blau-weiss gestreiftes Trägertop steckte. Dazu trug sie noch eine weisse Strickweste, da es heute Morgen ein wenig kühl war. Ihre grauen High-Heels hatte sie in ihrer Eile einfach aus dem Schrank gezogen. „ Es tut mir wirklich ausserordentlich Leid Mr. McKibbon, es kommt ganz bestimmt nicht mehr vor. Ich weiss, es ist unverzeihlich an seinem ersten Arbeitstag zu spät zu kommen, doch ich versichere ihnen, dass das das erste und letzte Mal war.“ Roderick schaute sie prüfend an, nicht wie ein Chef seine Angestellte sondern wie ein Vater der herausfinden wollte ob seine Tochter auch ja die Wahrheit sagte wenn sie versprach nie mehr zu spät nach Hause zu kommen. „Mitch, was sagst du dazu?“ Erst jetzt bemerkte sie, dass sich noch eine weitere Person im Raum befand, der Mann sie schätzte ihn neunundzwanzig oder auch jünger, sah Mr. McKibbon ähnlich, wenn auch nicht stark so bemerkte man zumindest auf den zweiten Blick, dass sie verwandt waren. Vermutlich war es sein Sohn. Er hatte blonde Haare welche ungefähr fünf Zentimeter lang waren und er war gross. Gross und muskulös, so um die eins neunzig. Er hatte im Gegensatz zu seinem Vater kein Jackett an sondern ein weisses Hemd welches nur bis zum dritt obersten Knopf zu geknöpft worden war und eine braune Hose die im bis in die Kniekehlen reichte. Eine Muschelkette baumelte lässig um seinen Hals und eine Pilotenbrille bedeckte seine Augen. Sein linkes Ohr war übersäht mit Pircings, während sein rechtes von der Nadel offensichtlich verschont geblieben war. Das Leinenhemd war bis in die Armbeuge hochgekrempelt so dass man seinen muskulösen, Unterarm betrachten konnte, welcher von einem Anker-Tattoo verziert wurde. Er entfernte sich von der Ecke in der er bis jetzt gestanden hatte und trat neben sie. Es war schier unglaublich wie seine Präsenz den Raum füllte. „Dad „ , aha er war also sein Sohn, „ du kannst doch von einer zwanzig jährigen, jemandem der fast noch ein Kind ist nicht erwarten, dass sie alles so ernst nimmt was man ihr sagt und das jemand der noch nie wirklich richtig gearbeitet hat über die Konsequenzen für sein Handeln denkt.“ Arroganter Arsch. Wie konnte er es wagen sie bloss zu stellen, auch noch vor ihrem Chef? Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte ihm eine schmerzende Ohrfeige gegeben. Doch eine Dame aus dem Hause Chevallier beherrschte sich und so steckte sie ihre Empörung einfach weg. „ Ich kann sehr wohl erklären weshalb ich mich heute verspätet habe!“

Jetzt war Mitch aber mal gespannt. Er hatte ja schon viele Ausreden gehört, sowohl gute als auch schlechte. Und diese Frau vor ihm schien ausserordentlich lange dafür zu brauchen, um sich eine gute zu Recht zulegen. Er musste zugeben, dass es schon süss aussah wie sie so vor ihm sass und mit ihrem Ohrläppchen spielte. Aber zum Glück stand er nicht so auf den Typ Geschäftsfrau. Er selbst war ja auch kein Geschäftsmann sondern ein Profisurfer. Er hatte nie in einem Büro gearbeitet, es hatte ihn schon eingeengt seinen Vater nur zu besuchen. Die Freiheit war das, was er brauchte und Geschäftsfrauen kannten keine Freiheit. Geschäftsfrauen wollen immer etwas ernstes, deswegen sein Grundsatz halt dich fern von Geschäftsfrauen. Die Meisten Frauen wollten sowieso nur seinen Körper oder sein Geld. Seinen Körper gab er gerne her, denn wenn sie Spass hatten hatte auch er seinen. Und grundgütiger er hatte oft seinen Spass, nur nicht mit Geschäftsfrauen. Mitch sah wieder zu Miss Chevallier hinunter. Sie war klein und zierlich, ja schon fast winzig im Gegensatz zu ihm. Ein weiterer Minuspunkt den die meisten Geschäftsfrauen hatten. Sie waren klein und Mitch mochte grosse Frauen mit langen Beinen, keine Zwerge oder Gnome. Dafür gefiel ihm ihr Haar. Die blonden Locken schimmerten im Sonnenlicht, sie hatte sich einen Zopf gemacht aus dem vorne ein paar Strähnen hinaus hingen. „Nun ja, um ehrlich zu sein konnte ich mich nicht entscheiden was ich anziehen sollte.“ Typisch für eine Geschäftsfrau, sie müssen immer perfekt aussehen und alles perfekt machen. Das Büro fing an ihn zu erdrücken und er sehnte sich nach dem Meer. Am liebsten würde er jetzt surfen aber er hatte seinem sturen Vater versprechen müssen mit ihm zu Mittag zu essen. Und so kam es dann auch eine halbe Stunde später dazu, dass er mit seinem Vater in einem Restaurant gegenüber des Bürohauses sass und genüsslich in seinen Cheeseburger biss.

Aurelie war fassungslos als Mr. McKibbon sie ermahnte. Es waren sieben Minuten. Sieben dämliche Minuten. Sie dachte an ihre Mutter Veronique Chevallier, sie hatte einmal gesagt: „Ma petite Chèrie, die Welt da draussen ist nicht einfach und schon gar nicht fair, du musst gut auf dich aufpassen.“ Na toll und was machte sie? Sie hatte nichts Besseres zu tun als ihren Job schon am ersten Tag aufs Spiel zu setzten. Aurelie wartete bis die Ampel grün wurde dann lief sie über die dreispurige Strasse auf das kleine Restaurant zu, das den Namen Le petite France trug. Hoffentlich gab es dort Crêpes, sie liebte Crêpes über alles. Clement übrigens auch. Ihr Hund frass eigentlich alles aber am meisten nervte er wenn Aurelie Besuch hatte. Nicht das Clement beissen wurde oh nein es war nichts Derartiges. Einfach gesagt Clemont war sehr anhänglich. Er wollte immer gestreichelt und am Bauch gekrault werden. Sie betrat das Lokal und alle Blicke richteten sich auf sie. Ausgerechnet das noch. Offenbar war dies ein Restaurant das nur Einheimische Gäste kannte und alle anderen nicht willkommen waren. Sie liess ihren Blick durch das kleine aber gemütliche Lokal schweifen und stellte fest, dass es ihr gefiel. Die Tische und Stühle waren aus dunklem Holz und weisse Kissen mit Rosen darauf machten das Sitzen angenehm. Durch die grossen Fenster wirkte es hell und geräumig und die Bilder von Paris in verschiedenen Jahreszeiten sprachen ihr zu. Manchmal vermisste sie ihre Heimat, obwohl sie nicht direkt aus Paris kam, sondern dort nur studiert hatte lösten die Bilder in ihr eine gewisse Sehnsucht aus. Es war zum Weinen heute ging einfach alles schief und dann auch noch Heimweh, am liebsten hätte sie sich den nächsten Flug gebucht und wäre abgeflogen. Aber woher sollte sie sich das Geld nehmen? Etwas erregte ihre Aufmerksamkeit. Es war Mitch McKibbon welcher an einem Tisch sass und sich mit einer aufmüpfigen rothaarigen unterhielt. Ihr Rock war gerade gross genug um ihren Hintern zu bedecken und ihre grossen Silikonbrüste lagen auf dem Tisch wie Melonen. Anscheinend kannte Mitch McKibbon keinen Skrupel, denn er starrte ihre Brüste regelrecht an und ihr gefiel es. Sie merkte erst jetzt, dass sie immer noch stand und suchte sich schnell einen Tisch wo noch ein freier Platz war. Der besagte Tisch stand natürlich direkt neben dem von Mitch McKibbon. Toll, das auch noch. Schnell huschte sie an dem Sohn ihres Chefs vorbei ohne das der sie auch nur bemerken konnte und versteckte sich hinter der Speisekarte. Aurelie bestellte einen Crêpe mit Zimt und Äpfeln und einen mit Nutella. Nachdem sie sich gesättigt hatte schaute sie auf die Uhr um sicher zu gehen das sie nicht noch einmal an diesem verfluchten Tag zu spät kam. Aurelie freute sich, als sie sah das sie noch mehr als eine Stunde Zeit hätte und sie überlegte was sie tun könnte. Das Wetter war sehr schön und sie hatte den Strand noch nicht bewundern dürfen. Wieder überquerte sie die grosse Orangestreet und lief einen kleinen Pfad zum Strand hinunter. Die Leute hatten Recht wenn sie sagten, das Miami Beach atemberaubend war, denn es war atemberaubend. Das Meer schien mit dem Horizont eins zu werden. Es tummelten sich viele Leute hier, vor allem Kinder und Jugendliche. Ein wenig weiter draussen auf dem Meer sah sie Surfer. Aurelie war noch nie gesurft obwohl sie an der südfranzösischen Küste aufgewachsen war, sie hatte nie das Bedürfnis gespürt sich mit einem Brett über Wasser zu halten. Doch musste sie zugeben dass es schon cool aussah, also ging sie etwas näher um sich das Ganze genauer anzusehen. Die vier Männer waren mittlerweile aus dem Wasser gestiegen und machten Dehnübungen am Strand, als Aurelie kam. Sie hatte ihre High-Heels ausgezogen und trug sie in der Hand, zu dem hatte sie ihren Zopf aufgemacht und ihre Strickjacke ausgezogen. Etwa zwanzig Meter von den Surfern entfernt legte sie ihre Schuhe und die Strickjacke ab und setzte sich hin. Es war ein wirklich schöner Tag und zum ersten Mal heute konnte sie das geniessen. Die Surfer waren gut trainiert und es sah verdammt sexy aus wenn sie sich streckten. Zu ihrem Vorteil hatte Aurelie eine grosse Sonnenbrille auf, so konnten die Männer nicht sehen ob sie sie oder das Meer anschaute. Um kurz vor zwei betrat sie ihr Büro mit neuem Tatendrang. Aurelie war äussert fleissig, denn es wurde ihr schon als kleines Kind immer gesagt, dass man nur etwas erreicht in Leben, wenn man fleissig ist und lernt. Sie war stolz auf das was sie bisher erreicht hatte. Und nichts auf der Welt würde ihr noch diesen Job wegnehmen, denn eine Aurelie Chevallier kann alles schaffen. Auch diesen beschissenen Job!






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