Melt Caramel - Teil 2

Autor: Peri
veröffentlicht am: 15.04.2013


Noch immer zitterte ich vor Wut und musste zu meinem Leidwesen feststellen, dass es auf einmal mucksmäuschenstill im Caramel geworden war. Alle Augen starrten uns an und meine Wenigkeit war einzig auf mein Gegenüber fixiert. Mein Herz schlug schmerzhaft gegen meine Brust und obwohl es das letzte war, was ich im Moment gebrauchen könnte, spürte ich wie sich meine Augen mit Tränen füllten. Bevor sie aber ausbrechen konnten, kam Florence von der Küche herbei geeilt und im nächsten Moment sah ich wie Elias mich mit dunklen Augen betrachtete und Florence aufgeregt und erschrocken zugleich, fragte, was denn los sei. Als Geschäftsinhaberin war sie natürlich nicht gerade begeistert über diese ungewohnte Stille in ihrem hübschen Café.

„Enri, was ist los?“, zischte sie mir von der Seite aus zu.

„Das wüsste ich auch gerne. Woher nimmst du dir das Recht, mir eine Ohrfeige zu verpassen?“, presste er gefährlich ruhig hervor, wobei seine Kiefermuskulatur deutlich angespannt war.

„Ohrfeige? Enri, was ist das?“, fragte mich meine Chefin. Ein Wort, das in ihrem Wortschatz nicht existierte.

Ich kochte vor Wut. Wie konnte er nur so tun, als würde es gar keinen Grund für mein Handeln geben? Er war einfach der letzte. Bevor ich hier in Tränen ausbrechen würde, wandte ich mich von ihm ab, eilte in die Küche, entledigte mich meiner Schürze und passierte den Hintereingang und gelang somit in die Freiheit.
Auf den Regen, der mir mit eisigem Wind entgegenschlug, war ich nicht vorbereitet. Zwar wusste ich, dass das Wetter mal besser mal schlechter wurde, aber im Moment hatte ich wirklich keinen Kopf für klimatische Gegebenheiten. Ich wollte einfach nur nach Hause und wenn das bedeutete, dass ich wie ein begossener Pudel mein Heim erreichen würde, musste ich das in Kauf nehmen. Unmöglich könnte ich jetzt umdrehen, um mir meine Jacke und mein Regenschirm zu holen und mit großer Wahrscheinlichkeit auf den größten Arsch, den ich je in meinem Leben kennen gelernt hatte, zu stoßen. Nein, das wollte ich wirklich unter allen Umständen vermeiden. Schlimm genug, dass er mir ausgerechnet hier in Paris, hunderte Kilometer von Deutschland entfernt, begegnet war.

Warme Tränen, gepaart mit kaltem Regen flossen mir übers Gesicht. Mein Herz hämmerte immer noch schmerzhaft gegen meine Brust und schnürte mir die Kehle zu. Warum hatte ich ihn wieder sehen müssen? Langte es nicht, was er mir damals angetan hatte? Ich hasste diesen Mistkerl! Ich wollte ihn nie, nie, nie, nie wieder sehen! Ein lautes Schluchzen verließ meine Lippen, meine Klamotten klebten bereits fest an meinem Körper und mein Zittern hatte immer noch nicht aufgehört. Ich weinte hemmungslos und konnte nicht verhindern, dass ich Schluckauf bekam. Das war immer so, wenn ich weinte. Ich konnte dann nicht mehr aufhören, nicht so lange ich mich nicht beruhigt hatte, was mir dummerweise das Atmen erschwerte. Schwer atmend und keuchend trottete ich vor mich hin, setzte einen Fuß vor den anderen.
Manche Menschen, die einen beschützenden Regenschirm hatten, starrten mich an, als wäre ich geistig gestört und machten sogar beinahe einen Bogen um mich. Was musste ich für ein erbärmliches Bild abgeben?
Als hätte mich das Schicksal nicht genug leiden sehen, wurde ich obendrein von einem Auto, das mit rasendem Tempo über eine Wasserlache fuhr, nass gespritzt. Ich schrie wie am Spieß und weinte nur noch mehr. Ich wollte um mich treten, etwas kaputt machen! Hatte ich einen Spiegel zerbrochen oder war mir am Morgen eine schwarze Katze über den Weg gelaufen? Womit hatte ich all das verdient.
So ging ich dann auch nach Hause. Nass, verheult, zitternd, psychisch labil und noch dazu von Bauchkrämpfen geplagt.

Ich hatte den Mann meiner Alpträume wieder gesehen.

Als ich die Türe meiner Wohnung öffnen wollte, begegnete ich noch zu allem Überfluss meiner garstigen Vermieterin. Sie schien, wieder auf der Lauer zu sein und beobachtete meine Tür. Sofort sprang die gegenüberliegende Tür auf und Madame Charvet fiel regelrecht mit der Tür ins Treppenhaus.

„Moment“, rief sie auf Französisch hervor. „Die Miete für den letzten Monat hast du noch nicht gezahlt. Ich möchte mein Geld sehen. Warte, warte lass mich raten. Du hast gar nicht vor zu zahlen. Du hast gesagt, du würdest arbeiten, aber wer kommt denn so früh von der Arbeit zurück? Und wie siehst du überhaupt aus. Willst du etwa dafür sorgen, dass kein anderer nach dir die Wohnung bezieht? Du warst dich bestimmt amüsieren und hast gar nicht vor die Miete zu zahlen. Ich hab Recht, nicht wahr. Na los, gib es zu, du…“ Du irgendetwas. Wahrscheinlich ein französisches Schimpfwort, das ich verständlicherweise nicht kannte. Sie hatte mal wieder ohne Punkt und Komma geredet. Erstaunlich wie eine 73-jährige Frau, wie sie, so viel Energie besaß. Ihr konnte ruhig mal der Atem ausgehen und… Na ja, weiter wollte ich nicht denken.

Ich war es leid, mir die feindlichen Anschuldigungen ihrerseits anhören zu müssen. Sie war so eine verdammte, geldgierige Hexe, die dachte, jeder würde ihr etwas Böses wollen, weil sie ja so von sich als guter Mensch überzeugt war. Und so tolle Menschen wie sie, würde man schließlich nur ausnutzen wollen.
War das ein Grund, gleich ihre Miete zu verlangen? Gut ich hatte diesmal zwei Wochen Verspätung. Ich hatte bisher nur zwei Monatskautionen gezahlt gehabt und so richtig Geld verdient hatte ich nicht. Ich war diesen Monat nun mal knapp bei Kasse. Das Geld, das ich mir in Deutschland angespart hatte, neigte sich dem Ende. Schließlich wohnte ich hier im Herzstück von Paris und die Mieten waren schier unbezahlbar. Dennoch hatte ich eine winzige Wohnung gefunden, die meinem Budget entsprach. Auch wenn sie recht klein war mit einem Zimmer, einer Küche und einem Bad, konnte ich darin leben und daheim blieb ich ja auch hauptsächlich zum Schlafen oder zum Entspannen. Ich war zu beschäftigt auf der Arbeit oder genoss meine Freizeit draußen, aber nicht in der Wohnung.

Da die Hexe immer noch mit zornigem Gesicht abwartend vor mir stand, zwang ich mich zu einer Antwort. Ein Glück, dass sie dachte, ich könnte kaum Französisch. Mit ein paar Worten und einer selbst erfundenen Gebärdensprache versuchte ich ihr klar zu machen, dass ich sie nicht verstand.
Darüber regte sie sich noch mehr auf und hielt mir ihre flache Hand entgegen. Ich tat so, als hätte ich sie endlich verstanden und versuchte ihr zu erklären, dass ich schnell rein gehen würde, um das Geld zu holen.
Sie ließ mich endlich in meine Wohnung. Es war zwar gemein sie einfach so stehen zu lassen, aber sie sollte sich nicht so anstellen. Ich hatte ihr Geld ja nicht gefressen und würde es auf den Cent genau zahlen.

Langsam musste ich aber das Geld finden. Mir fehlten noch 250 Euro, um das Mietgeld beisammen zu haben. Ich hätte vielleicht etwas sparsamer mit dem Geld umgehen sollen, das ich mir extra gespart hatte, aber bei der Arbeit verdiente ich gerade mal so viel wie ein gut verdienender Azubi in Deutschland. Ich hatte keine allzu große Berufserfahrung und eine Ausbildung schon gar nicht. Deswegen musste ich mich mit einem Helfer-Gehalt zufrieden geben.
Ein Blick durch den Spion bestätigte meinen Verdacht, dass Madame Charvet immer noch an Ort und Stelle stand und vor sich hin schimpfte. Ich wusste, dass das was ich tat, wirklich gemein war, aber ich nahm mir vor, in den nächsten Tagen das Geld ausfindig zu machen. Die Gute hatte mich ja nicht einmal gefragt, was los war. Wäre ich vergewaltigt worden, hätte sie mir wahrscheinlich noch die Schuld in die Schuhe geschoben. Egal, was ich machte, es war ihr nicht Recht und daran würde sich auch nichts ändern.

Als erstes musste ich mich von diesen schrecklich nassen Klamotten befreien. Ich blickte mich in meiner Ein-Zimmer- Wohnung um. Ein unbequemes, braunes Schlafsofa befand sich direkt vor mir. Dem gegenüber war mein Schrank mit meinen wenigen Habseligkeiten darin. Ein Tisch in der Mitte von beidem und sogar ein kleiner Fernseher, der wahrscheinlich aus dem letzten Jahrhundert stammte. Aber was sollte ich schon großartig erwarten. In Paris zu leben, war nicht günstig und eine günstige und möblierte Wohnung zu finden, glich der Suche einer Nadel im Heuhaufen.

Ein kleines Chaos herrschte in meiner Wohnung, was mich nahezu noch mehr deprimierte. Ich nahm mir vor mein Gehirn vorerst auf Standby zu stellen um mich meinen Problemen später stellen zu können.

Ja, flieh nur vor deinen Problemen Henri. Das kannst du schließlich sehr gut, flüsterte mir eine innere Stimme zu, aber ich ignorierte sie geflissentlich.

Nachdem ich mir ein entspannendes Bad genehmigt hatte und mich schon um Welten besser fühlte, ging ich mit einem Handtuch um meine Brust und mit einem Turban um meinen Kopf gewickelt wieder in mein Wohn- und Schlafzimmer zurück. Noch bevor ich mich setzen konnte hörte ich ein Klingeln.
Genervt atmete ich geräuschvoll aus. Ich hatte nicht vor, dieser Schreckschraube zu öffnen, daher rubbelte ich meine langen, braunen Haare trocken. Sofort bildeten sich leichte Wellen.

Nach zwischenzeitlich guten zwei Minuten ertönte immer noch der penetrante Ton der Klingel. Diese Charvet konnte aber auch überhaupt nicht locker lassen.
Gerade wo ich es geschafft hatte mich von meinen nervenaufreibenden Gedanken zu befreien. Genervt stand ich auf, ging zur Tür und öffnete sie energisch.

„Was ist denn?“, fragte ich genervt auf Französisch.

Wie vom Blitz getroffen sah ich geschockt und mit weit aufgerissenen Augen nicht wie erwartet meine Vermieterin.

Es war Elias…








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