Deep Obscurity - Teil 10

Autor: Noa
veröffentlicht am: 15.07.2013


Kapitel 10

Mein Puls schnellte in die Höhe. Schritte ertönten hinter der Tür und ich schritt zurück. Wer würde öffnen? Am liebsten sollte Snow vor der Tür stehen und ich könnte ihm sofort in die Arme fallen. Ich hatte so lange auf ihn gewartet und endlich wäre der Augenblick gekommen ihm zu sagen wie ich mich gefühlt hatte. Aber wenn er tatsächlich hier in diesem Gebäude war, wieso kam er nicht zurück?
Jemand betätigte den Türgriff.
Dann stand er da. In voller Größe, unverändert. Die grauen, leuchtenden Augen, die mich überrascht anblickten. Die hellbraunen, kurzen Haare, dessen Stufen an der Kopfspitze am längsten waren. Seine wunderschöne Alabasterhaut funkelte im gleißenden Schein des Lichts. Seine kantigen Wangen und die vollen Lippen riefen Erinnerungen in mir wach. Er trug ein dunkles Shirt mit einer blauen Jeanshose und schwarzen Chucks. Er begutachtete mich, war genauso schockiert von dem Moment wie ich und schließlich hielten wir beide den Atem an.
Auch wenn sich sein Aussehen nicht verändert hatte, spürte ich dennoch etwas Fremdes an ihm. Vielleicht war er nicht überrascht darüber, dass ich vor ihm stand, sondern wieso ich überhaupt da war. Wahrscheinlich wäre er tatsächlich nie wieder gekommen. Was hatte ihn in den vielen Jahren verändert? Es war nicht mehr Snow, der vor mir stand, sondern jemand den ich nicht kannte.
„Ice?“, fragte er zögernd und er setzte ein knappes Lächeln auf.
Mein Herz pochte ganz wild, als ich seine Stimme hörte. Auch sie hatte sich nicht verändert. Sie klang wie eine Melodie. Vier Jahre waren vergangen und beinahe wäre ihr Klang schon in Vergessenheit geraten.
„Snow...“, hauchte ich und meine Beine waren wie gelähmt. „Was machst du hier?“ Ich konnte nicht anders, ich musste fragen. Auch wenn mir in diesem Moment die Tränen über die Wange laufen sollten, taten sie es nicht. Das Fremde in ihm verhinderte es.
„D-Das...“ Er sprach nicht weiter. Sein Stammeln sagte mir, dass er etwas verheimlichte. Womöglich hatte Billy Recht behalten. Ich hätte nicht klingeln dürfen. „Dasselbe könnte ich dich fragen.“
Ich schluckte, senkte meinen Blick und plötzlich schmerzte es, das meine Theorie stimmen könnte. Snow wäre nicht mehr nach Hause gekehrt.
„Ich habe mich auf die Suche gemacht, um dich zu finden.“
Er stoppte seinen Atem und sein Herz schien schneller zu werden. „Wieso?“
Die Frage war wohl ein Scherz, oder? Nach dem langen Weg, den ich auf mich genommen hatte, fragte er wieso? War das nicht offensichtlich? Oder versuchte er sich gerade herauszureden? Was war bloß aus ihm geworden? Jetzt waren meine Tränen nahe.
„Weil du vor vier Jahren einfach verschwunden bist. Du hast mir versprochen eines Tages zurückzukehren. Und dann habe ich mich auf die Suche gemacht. Ich habe meinen Bruder gefunden und viele andere Freunde wiedergesehen und du fragst zum Schluss wieso?“ Er starrte mich ausdruckslos an. „Snow, ist das dein Ernst?“
Er sagte nichts mehr, sondern schwieg. Hieß das etwa ... er liebte mich nicht mehr? Wenn das wirklich der Fall sein sollte, dann war die ganze Reise umsonst. Meine Hoffnung auf unsere zweite Chance wäre gestorben und am liebsten würde ich am Fenster sitzen. Ich hätte auf seine Rückkehr mein Leben lang gewartet, ohne dabei den Schmerz zu spüren, dass er mich nicht mehr liebte. Ich spürte wie sich ein riesiges Loch in meiner Brust breit machte und immer tiefer wurde. Ohne dass ich es wollte, rannen mir Tränen über mein erstarrtes Gesicht. Ich hatte all die Jahre so sehr gehofft ihn in meinen Armen zu spüren und zu wissen, dass wir zusammen gehörten. Jetzt wurden diese Träume zu Nichte gemacht, ausgerottet. Der Augenblick war einfach nur noch ein Albtraum. Ein Schmerz den ich nie mehr vergessen würde.
„Snow, sag mir dass du mich nicht mehr liebst“, platzte es aus mir heraus und ein leicht hasserfüllter Ton lag in meiner Stimme.
Er zog seine Augenbrauen zusammen, ob ihn diese Frage schmerzte, oder ob er eigentlich auf dieses Thema hinauswollte, wusste ich nicht. Inzwischen bereute ich meine Tat und würde am liebsten die Zeit zurückdrehen. Billy hatte Recht behalten, ich hätte nicht hingehen dürfen.
„Ich liebe dich nicht mehr.“ Seine Stimme klang vollkommen ernst und so schmerzhaft, dass ich glaubte, dass mein Loch in meiner Brust mir den Atem raubte. Es schmerzte ungemein. Wie konnte das sein? Wie oft er mir gesagt hatte, dass er mich liebte und nie wieder verlassen würde. Außerdem trennten sich verliebte Vampire nicht voneinander. Wenn sie einmal ein Paar waren, dann für immer. Genauso ist es bei Schwänen. „Es tut mir leid.“ Dann schloss er die Tür vor meinen Augen, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Aber es erklangen keine Schritte hinter der Tür. Ob er noch immer da war?
Für die nächsten Minuten rührte ich mich kein Stück, sondern ließ die Tränen meine Wange hinunterlaufen. Wie konnte das sein? Wieso? Ich hatte mir so viele Hoffnungen gemacht und dann das? Ich war niemand, der versuchte diese Liebe zu retten, sondern sich umdrehte und davonging. Meine Beine torkelten die kleinen Treppen hinunter, bis ich durch die hohe Wiese lief und einfach umfiel. Zwischen dem Gras weinte ich, zuerst leise, dann lauter.
„Snow...“






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