Deep Obscurity - Teil 9

Autor: Noa
veröffentlicht am: 15.07.2013


Kapitel 9 – Freunden vertraut man

Seine Aussage war wie ein Schlag ins Gesicht. Wie konnte er so etwas behaupten? Klar, an Hero hatte ich meine Zweifel, aber er würde nie in seinem Leben ein Dust sein. Das wäre dasselbe, als wenn ich Snow aufgeben würde. Es war außerhalb der Möglichkeiten.
„Hör zu, Blue, du kannst von Glück reden, das Crystal dich gerettet hat, aber so etwas Lächerliches zu behaupten, ist absurd.“
Er seufzte. „Ich wusste, dass du mir nicht glaubst. Deshalb zähle ich dir einige Beweise auf. Wann sind die vielen Dust-Angriffe aufgetaucht?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Seit wir losgegangen sind?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Erst als wir das Anwesen Cavalenia verlassen hatten und Hero uns begleitete. Jeder hat einen Grund dir zu folgen, wieso Hero nicht?“
Ich kam mir wie in einem Quiz vor. Rate oder verliere. Aber auch wenn ich vorher zweifelte, beinhalteten tatsächlich seine Fragen plus die Antworten etwas Wahres. Aufmerksam wartete ich auf die Nächste ab.
„Okay, nächstes Beweisstück. Als wir alle auf das Schlachtfeld zuliefen, rannte Hero am schnellsten und beschützte dich vor einem Dust, der deine Anwesenheit nicht weniger als in einer Sekunde bemerkt hatte. Hero stach zu diesem Zeitpunkt zu. Das ging ziemlich schnell nicht?“
Ich seufzte genervt. „Er wollte mich nur beschützen.“
„Um dir zu beweisen, dass er nichts im Schilde führt, praktisch eine Tarnung!“, wies er mir seine Fakten auf. Noch immer war ich unsicher und wollte nicht wirklich an seinen Worten teilhaben. Aber trotzdem erinnerte mich das misstrauische Gefühl daran einen Verräter in meiner Gruppe zu haben. Hero und Blue standen zu Beginn zur Auswahl. Crystal sagte, das Blue die Wahrheit sprach und somit hatte er sich etwa leicht aus der Sache herausgeholt oder jedes einzelne Wort von ihm war wahr. Eine Entscheidung nun zu fällen, wäre einer meiner größten Fehler.
„Außerdem hatte er meinen Arm am kraftvollsten zugepackt. Er wollte einen Schuldigen finden, damit er fein aus der Sache draußen blieb.“
Ich seufzte dieses Mal und schüttelte den Kopf. „Blue. Ich brauche handfeste Beweise und nicht deine eigene Meinung. Fakt ist, dass hier etwas tierisch faul ist, sei es du oder Hero. Verzeih mir, wenn ich das sage, aber vertrauen tue ich dir noch immer nicht.“
Er verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte hoffnungslos den Kopf. „Gut. Dann lassen wir das. Aber wenn später dein Leben auf dem Spiel steht und ich dich vorher gewarnt hatte, dann werde ich dir nicht helfen.“
„Wie aufmerksam von dir, Blue.“
Mit einem Grinsen verließ ich den Raum. Er begleitete mich zurück zum Zimmer. Wir trennten uns, als ich mich zu Stone und Rain begab. Meine beiden Brüder blickten mich aufmerksam an. Dachten sie im Ernst ich würde ihnen nun das Gespräch erzählen? Ich vertraute meiner Familie, aber Privatangelegenheiten waren noch immer meine Sache. Seufzend legte ich mich ins Bett, wusste, dass Stone und Rain mich noch immer anstarrten und versuchte, trotz ihrer Blicke, zu schlafen.
Die Nacht brach schnell heran. Meine Lider schlugen auf, als ich bemerkte, dass Dunkelheit in den Raum einkehrte. Mit raschen Zügen verließ ich die Pension, allerdings ohne Bezahlung. Mit einem sogenannten Vampirblick konnte ich die Menschen in den Schlaf hypnotisieren.
Draußen angekommen schmolz der Schnee und der Boden wurde rutschig und feucht.
„Ice, wohin nun?“, fragte Stone und blickte kurz zur restlichen Gruppe.
„Richtung Heerlen. Wo sonst.“
Die Gruppe folgte mir als begann zu Rennen. Mir tobten Fragen im Kopf, was mich erwarten würde, wenn ich in der Stadt Heerlen ankam. In meinem ganzen Leben war ich erst einmal dort gewesen. Es war eher ein großes Dorf, umfasst von Wiesen, Wäldern und einer großen Kirche. Sie bedeutete das Zentrum der Stadt. Drumherum waren kleinere Häuser, arme Bauern und reiche Adlige. Mit ihren Karossen und seltsam gebauten Modellen, die nicht von Tieren angetrieben wurden, fuhren sie durch die gewölbten Straßen. Aber mit der Technik der Menschen hatte ich herzlich wenig zu tun. Meine Jagd machte ich viel lieber auf primitivere Dörfer. Die Leute glaubten wenigstens noch an böse Dämonen und fürchteten sich vor ihnen. Das machte die Jagd einfach spannender. Aber ich tötete keine Menschen. Lediglich nahm ich mir eins bis zwei Schlucke ohne dass sie etwas merkten.
Wir kamen schließlich in der Stadt an. Die kleinen, engen Straßen waren mit Pflastersteinen versehen. Schwarze altmodische Laternen gaben ein schwaches Licht ab. Ruhe herrschte im Ort.
„Hast jemand eine Idee wo wir suchen könnten?“, fragte ich meine Gruppe ohne mich zu ihnen umzudrehen.
„Wir teilen uns besser auf“, schlug Rain vor und ich drehte mich zu ihnen um.
„Gute Idee.“
„Wir sind zu sechst. Dann machen wir drei Zweiergruppen. Wer geht mit wem?“, fragte Rain die anderen, aber niemand meldete sich. Ich musste die Gruppen geschickt wählen. Rain und Stone sollten als Brüder zusammen gehen. Vielleicht finden sie Vater hier oder andere Hinweise, was unsere Familie betraf. Crystal sollte mit Hero gehen. Ich wusste, ich konnte ihr vertrauen und der Junge brauchte einfach ein gutes Auge. Schließlich blieb nur Blue übrig.
„Okay, Stone und Rain, Crystal und Hero und Blue kommt mit mir.“
Meine zwei Brüder freuten sich darüber zusammenarbeiten zu dürfen. Crystal grinste ihren Bruder an, aber er warf mir einen misstrauischen Blick zu, den ich eiskalt ignorierte. Blue blieb hingegen neutral.
Ich klatschte in die Hände. „Gut. Nachdem das geklärt ist, suchen meine zwei Brüder in der Kirche nach Hinweisen und die Cavalenia-Geschwister versuchen es im Rathaus. Blue und ich schauen in den Kneipen nach. Momentan sollte dort fiel zu los sein. Also los, Leute!“ Mit dem letzten Satz verschwanden sie auch blitzartig vor meinen Augen und Blue kam zu mir.
„In Kneipen?“, fragte er skeptisch.
„Ich kenne dort einen alten Freund.“ Mein Blick fiel zur Straße. „Ich glaube, er weiß mehr als ich.“
Mit dieser Anspielung verschwanden wir zwei in die berühmteste von allen. Schon von draußen konnte ich lautes Lachen, amüsierende Geräusche und tobende Menschen hören. Sie würden nicht einmal merken, dass wir den Raum betraten.
Ich nahm noch einen kräftigen Atemzug, bevor ich die Tür öffnete und der Eingang schon von einer Gruppe blockiert wurde. Ich versuchte ein wütendes Knurren zu unterdrücken und lief weiter hinein. Dabei musste ich mich an mehr Menschen vorbeidrücken als ich gedacht hatte.
Vor mir war eine Gruppe von Männern die amüsierend lachte. Sie schielten zu mir, versuchten es sich aber nicht anmerken zu lassen und gerade in dem Moment als ich an einen von ihnen vorbeischlängelte. Spürte ich eine Hand an meinem Hinterteil. Sie kniff kurz zu und schlagartig blieb ich stehen. In mir begann es zu kochen. Langsam drehte ich mich zu den lachenden Männern um und funkelte sie erzürnt an.
„Wer von euch perversen Dreckskerle hat mir an den Arsch gefasst?“, knurrte ich außer mir. Blue stellte sich schützend vor mich und lächelte die Männergruppe an.
„Lasst lieber die Finger von ihr, sonst gibt’s Ärger“, versuchte er noch teilweise nett zu klingen. Sanft drückte Blue mich von der Gruppe weg, auch wenn ich ihnen liebend gern eine verpasst hätte. Als wir wieder Luft hatten, fasste er mich an den Schultern und schaute mich besorgt mit seinen grauen Augen an.
„Ice, wir sind hier unter Menschen, vergiss das nicht.“
Ich biss wütend auf meine Zähne. Aber in solchen Situation sah ich einfach nur rot. Früher hatten viele Männer mich schon angefasst und mich machte es einfach wütend.
„Ja...“, gab ich ungern zu und lief durch einen kleinen, verdunkelten Flur zum nächsten Raum. Dieser war weniger voll. Von weitem konnte ich Billy erkennen, den Mann, den ich suchte.
Wir setzten uns zu ihm. Er grinste und seine buschigen Augenbrauen schienen mir noch grauer geworden zu sein. Er war kein Vampir, sondern ein Mensch. Einer der wenigen denen ich vertraute. Er hatte dunkelbraune Augen, tiefe Falten unter den Augen und am Mund. Er hatte sich einen grauen Bart wachsen lassen, der um seinen Mund verlief.
„Ice, lange nichts mehr voneinander gehört. Vier Jahre? Für dich ein Klacks, für mich der Eintritt zum Grab“, lachte er zum Schluss, verschluckte sich jedoch und begann laut zu husten.
„Und du, Billy? Noch immer der alte Säufer?“
Er lachte auf. „Was soll ich anderes tun? Meine Frau ist tot, meine Tochter ist abgehauen und ich bin allein auf dieser Welt. Er gibt nichts was mich daran hindern könnte ... egal! Genug der Worte. Was kann ich für dich tun?“
Ich lächelte knapp und blickte zu Blue. „Ich suche Snow. Er soll vor wenigen Wochen hier gewesen sein. Hast du ihn gesehen?“
Meine Anspannung verstärkte sich. Billy hatte überall Augen und Ohren. Wenn Snow tatsächlich hier gewesen wäre, musste er ihn gesehen haben. Dafür gab es keine andere Erklärung. Aber Billy verzog eine bedrückte Mimik und ließ sich zurück in den Stuhl fallen.
„Ice, vielleicht ist es besser, wenn du Snow vergisst.“
Ich ballte meine Fäuste. Das konnte nicht sein Ernst sein! „Was? Wieso? Billy! Rück schon raus mit der Sprache. Was ist passiert?“
Er schüttelte nur den Kopf und nahm einen Zettel aus seiner Westentasche. Er befeuchtete den Stift, den er ebenfalls aus seiner Jacke entnahm, mit der Zunge und schrieb eine Adresse darauf.
„Ich möchte damit nichts zu tun haben. Gehe zu diesem Anwesen und sieh selbst nach. Aber Ice ...“ Er beugte sich nach vorne und blickte mich mit einer ernsten Mimik an. Seine Stimme klang leiser. „...sieh dich vor.“
Mein Atem stockte und ich bekam kaum Luft. Was sollte das? Was verheimlichte er mir?
„Billy!“
Blue zog warnend an meinem Arm, da durch mein lautes Gebrüll einige andere auf mich aufmerksam geworden sind. Er stand auf, hob mich nach oben und nickte Billy dankend zu. Blue und ich verschwand schnell nach draußen und ich hielt zitternd den Zettel in der Hand. Was ist mit Snow? Wieso bedrückte Billy das?
Als wir uns auf eine Bank gesessen hatten, wollte ich meine Tränen unterdrücken, da ich mir die schlimmsten Bilder im Kopf hervorrief. Ob er tot war? Es machte mich beinahe wahnsinnig. Ich kannte den Ort. Er war hier in Heerlen. Am Fuße der Stadt gab es ein großes Anwesen. Dieses musste es sein. Ich glaubte sogar, dass Snow sich in jemand anderen verliebt haben könnte. Ob er mich vergessen hatte?
Erschrocken erhob ich mich vom Stuhl und rannte einfach los. Blue holte mich ein, wollte nach meinem Arm greifen, aber ich stoppte nicht.
„Ice, du weißt nicht was auf dich zukommt. Lass uns erst die anderen holen.“
„Nein! Ich will jetzt zu ihm“, entgegnete ich ihm und kam schon am Anwesen an. Es befand sich oben auf dem kleinen Hang. Ein geschlängelter Kiesweg zeigte den Weg bis nach oben zur Tür. Mein Herz pochte wild und mein Atemrhythmus wurde wilder. Blue stand neben mir und schaute wenige Mal zurück, als ob er hoffte, dass die anderen unsere Situation mitbekommen hätten.
„Ice, lass uns umkehren.“
„Ich zwinge dich nicht bei mir zu bleiben. Du kannst frei entscheiden zu gehen. Wenn du dein Sonnenmittel haben möchtest, sprich noch einmal mit Billy. Er weiß bestimmt wo Vater ist.“
Er ballte seine Fäuste. „Du verstehst es einfach nicht! Ich bin doch nicht nur heiß auf das blöde Sonnenmittel. Ich mache mir Sorgen, Ice. Vielleicht läufst du ins offene Messer.“ Er warf mir tatsächlich einen betrübten Blick zu. Aber wenn dies meine Chance wäre Snow wieder zu sehen, ergriff ich sie um jeden Preis.
„Tut mir leid, Blue. Aber das könnte meine einzige Chance sein.“
Er wollte erneut nach meiner Hand greifen, aber ich zog sie schnell weg. Mit wenigen Schritten befand ich mich mit hohem Puls vor der Tür.






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