Haben Sie sonst noch Wünsche? - Teil 4

Autor: Valenzia
veröffentlicht am: 22.02.2013


„‘tschuldigung, ich wollte nur mal schauen-“ begann sie, aber ihr Gegenüber, ein vielleicht Mittzwanziger mit schwarzen Haaren, unterbrach sie lächelnd: „Keine Sorge, ich kann dir versichern, dass das Zeug von guter Qualität ist. Einhundert Milliliter kosten rund Hundertzwanzig Euro, aber du hast dir auch eins von den teureren genommen.“
Eva schauderte bei der Vorstellung, sie hätte den zerbrechlichen Behälter fallen lassen können. Allerdings wollte sie diese Anzweiflung ihrer Fähigkeiten nicht ungestraft auf sich sitzen lassen.
„Verzeihung, aber ich weiß, was ich tue“, sagte sie mit einem leicht ironischen Unterton. „Ist nicht so, dass ich ein Anfänger wäre.“
Ihr Gegenüber zog unbeeindruckt eine Augenbraue hoch. „Du sagst nicht oft jemandem die Meinung, oder?“, fragte er belustigt und wartete gar nicht erst eine Antwort ab, sondern ging zu der kleinen Rezeption und holte einen schwarzen Ordner hervor.
Eva war zu sehr überrascht von seiner Antwort, als dass sie etwas entgegnet hätte, also folgte sie ihm.
Er zückte einen Stift.
„Name?“
„Kannst du nicht lesen?“, kam es bissig von Eva. Sie zuckte leicht zusammen, hatte sie doch selbst nicht mit einer solchen Reaktion gerechnet.
Aber der Schwarzhaarige grinste nur und heftete seinen Blick auf das Namenskärtchen, welches an ihrer Brust hing.
„Eva Schreiber“, murmelte er langsam, während er ihren Namen in den Ordner eintrug. „Masseurin, nehme ich an.“
Eva nickte. Sie sagte lieber nichts, sonst wäre ihr wieder irgendetwas Unpassendes herausgerutscht.
Er klappte das Buch wieder zu und ließ ein Lächeln sehen, als wäre nichts gewesen.
„Ich bin Sascha und leite die Abteilung hier“, sagte er. „Du, ich und mein Kollege sind die Massage- Truppe hier. Schau dich am besten einfach um, ich muss eben runter.“
Als er bereits an der Tür war, blieb er noch einmal stehen und sagte mit einem etwas gelungeneren, ironischen Unterton, als er bei Eva der Fall war: „Ach ja, und versuch bitte, bei den Passagieren nicht denselben ersten Eindruck zu hinterlassen wie bei mir.“ Damit ließ er Eva stehen.
„Scheisse“, entfuhr es ihr. Der erste Tag, und schon hatte sie es sich mit ihrem Leiter versaut.
Trotzdem blieb ein kleiner Rest Tatendrang und sie schaute sich in der Massageabteilung um. Die verschiedenen Öle und Cremes kannte sie aus ihrer Ausbildung. Zwar wurden dort nicht derart luxuriöse Artikel verwendet, aber das Prinzip war immer dasselbe. Gesichtsmasken, Rücken- und Schulteröle, Haarkuren und Beincremes.
Die Hot Stones fühlten sich glatt und hochwertig an, der kleine Ofen war raffiniert in die Wand eingelassen.
Eva hätte gerne auch die Sauna gesehen, aber die würde sie wahrscheinlich nie zu Gesicht bekommen. Von dem Sonnendeck ganz oben konnte sie ohnehin nur träumen.
Gerade trat ein weiterer Mitarbeiter mit Tasche, der sich wie Sascha durch ein schwarzes Satinhemd auszeichnete, durch die Tür. Er sah schon älter und erfahrener aus, vielleicht Ende dreißig, mit bereits ergrauendem, blondem Haar und grauen Augen, die sich auf Eva hefteten. Sein Körper war untersetzt und sah sehr trainiert aus.
„Hey“, sagte er locker. „Du bist wohl die dritte im Bunde.“
Sie schüttelte lächelnd seine Hand. Wenigstens war er ein freundlicher Mensch. „Richtig. Ich bin Eva.“
„Joe. Freut mich.“
Die junge Frau musterte seine dicken Muskeln und die starken Arme.
„Werde ich auch so aussehen, wenn ich ein paar Jahre massiert habe?“, fragte sie grinsend.
Joe erwiderte es. „Das wollen wir mal nicht hoffen“, meinte er und stellte seine kleine Tragetasche ab. „Bleib lieber so schlank und hübsch wie jetzt.“
Eva wurde rot, das spürte sie sofort. Wie gut es tat, so ein Kompliment aus dem Munde eines netten Menschen zu hören.
„War Sascha schon da?“, fragte Joe und legte ein paar Kohlen in den Ofen.
Eva beschränkte sich auf ein neutrales ja. Sie musste auch gar nicht ausführlicher werden, denn Joe stand gerade wieder auf und musterte die um einen halben Kopf größere junge Frau.
„Sag mal, wie alt bist du?“
„Zwanzig, wieso?“
Joe runzelte die Stirn. „So jung…“
Eva wurde langsam ärgerlich. Sah sie aus wie ein kleines Mädchen mit null Ahnung, oder wie?
Aber im nächsten Moment erschien auf Joes sonnengebräuntem Gesicht wieder ein Grinsen. „Dann kann ich dich ja Kleine nennen, was?“
Eva stutzte. Das hatte sie nicht erwartet.
„Klar doch“, meinte sie. „Wenn du dich dann größer fühlst.“
Joe sandte ihr einen gespielt grimmigen Seitenblick. „Ich bin klein aber oho, sag ich dir.“
Eva lachte. Joe war korrekt.
In dem Moment kam Sascha wieder zurück.
Die beiden Männer begrüßten sich mit einer klassischen Männerumarmung, die Eva wahrscheinlich erdrückt hätte.
„Dann wollen wir mal was essen, bevor es an die Arbeit geht“, meinte Sascha.
Eva stimmte ihm stumm zu. Es war schon kurz vor zwölf und ihr Magen meldete sich bereits.
„Wo gibt es das Essen?“, fragte sie.
Sascha rollte mit den Augen. „Was denkst du denn? In der Präsidentensuit.“
Eva schaute ihn ärgerlich an. „Entschuldige die Frage.“
„In der sogenannten Gesindelküche oder auch Sklavenküche, unten im E-Deck“, sagte Joe grinsend, dem die Spannung zwischen seinen beiden Kollegen nicht entgangen war.
„Vielen Dank, Joe, für die Info!“, bedankte sich Eva überschwänglich.
Sascha reagierte auf diesen Seitenhieb mit einem Stirnrunzeln.
Mistkerl!, dachte Eva, sagte aber nichts.

„Mittlerweile sind bestimmt alle Gäste an Bord und laben sich an einem reichhaltigen Luxusbuffet. Mit Gold überzogene Hummer, Kaviar und Champagner, Eiscreme und Schokoladenkuchen…“
Tara gab Tom einen Knuff in die Seite, und er verstummte sofort.
Eva und Eliza lachten angesichts des verträumten Ausdrucks, der sich für einen Moment auf das Gesicht des Schwarzen gestohlen hatte.
Die vier saßen in der ironisch genannten „Sklavenküche“, der Essensraum für die Angestellten. Hier gab es zwar keinen Kaviar und keine Eiscreme mit Goldblättchen, aber dafür einige riesige Töpfe mit wohlriechendem Eintopf. Personal durfte eben nicht wählerisch sein.
In dem großen Raum war es wahnsinnig laut und die drei Köche an den gigantischen Töpfen wurden geradezu belagert.
Die vier hatten sich schon einen Teller ergattert. Eva fand, der Eintopf war gut und einfach wie das Brot, und dazu noch sättigend.
„Und?“, wandte sich Eliza an Eva. „Wie findest du’s?“
Eva erzählte den drein von ihren ersten Eindrücken, wobei sie Sascha nicht erwähnte. Aber die Begeisterung für den neuen Arbeitsplatz stand ihr eindeutig ins Gesicht geschrieben.
„Mir gefallen meine Tanzpartner diesmal auch viel besser“, sagte Tara mit einem anzüglichen Grinsen, was allgemeines Gelächter auslöste.
„Warte mit deinem Urteil lieber, bis du ein paar Passagiere bedient hast“, unterband Eliza Evas Enthusiasmus.
Diese wollte das Thema auf sich beruhen lassen.
Stattdessen fragte sie: „Wo geht es denn als erstes hin?“
„Zu den Bermudas, an die Hauptstadt Hamilton“, antwortete Tom. „Wenn wir Glück haben, dürfen wir sogar für zehn Minuten an Land.“

Eva war leicht schockiert.
Als sie nach kurzer Zeit wieder über die Personaltreppe in die B-Etage ging, waren auf den Korridoren schon einige Passagiere. Der größte Teil von ihnen sah schon älter aus, viele Pärchen waren auch dabei. Aber sie hatten alle eines gemeinsam: abschätzende Blicke nach dem Motto: Was will eine Angestellte auf unseren Fluren?
Eva versuchte, die Blicke zu ignorieren. Eine junggebliebene Frau mit gräulichem Haar grüßte sie sogar freundlich im Vorbeigehen, aber der größte Teil der Gäste strotzte nur so vor Dekadenz.
„Wo bin ich hier gelandet?“, murmelte sie und versuchte, sich unsichtbar zu machen.
Das Body & Soul Spa war scheinbar sehr beliebt, denn einige Gäste relaxten bereits im Swimmingpool und ließen sich von dem Personal von der Bar Cocktails und allerlei andere exotische Drinks bringen. Bei der Massage war allerdings noch niemand, was Eva gerade Recht kam, denn sie musste noch eingehend die Wellnessangebote studieren. Vitalmassage, Ayurveda, Camouflage, Permanent Make-up und Fango; all diese Begriffe und noch viele mehr waren Eva geläufig. Am liebsten mochte sie die Fango- oder auch Schlammbehandlung mit dem vulkanischen Thermalquellenschlamm. Sie hatte es selbst einmal ausprobiert und es war wahnsinnig wohltuend.
„Schon eingelesen oder brauchst du Hilfe?“, fragte Sascha leicht spöttisch und musterte die Blätter mit den Erklärungen in Evas Hand.
Hilfe? Pah! Wenn Sascha nicht ihr Abteilungschef gewesen wäre, hätte ihm Eva die Antwort, die ihr auf den Lippen lag, mit Genugtuung ins Gesicht geschleudert. Aber sie hatte Angst, gefeuert zu werden, bevor überhaupt das Schiff ablegte.
„Nein, alles klar.“
Sascha schien etwas beleidigt, dass sie sich nichts Schlagfertigeres hatte einfallen lassen. Sein bedröppeltes Gesicht verschaffte Eva die gewünschte Befriedigung.
Joe machte gerade den Ofen und die Badewannen bereit, und Sascha kümmerte sich um die Elektronik, also stellte sich Eva an die Rezeption.
In dem Moment ertönte eine gut vertonte Stimme aus der Sprechanlage.

„Sehr geehrte Passagiere, hier spricht Kapitän Hornbacher. Ich hoffe, Ihre Anreise hat Ihnen keine Umstände gemacht. Wir werden in wenigen Sekunden ablegen und unser erstes Ziel, die Bermudas, ansteuern. In voraussichtlich drei Tagen werden wir dort anlegen. Bis dahin stehen Ihnen zahlreiche Unterhaltungseinrichtungen zu Verfügung. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.“

Eva schaute aufgeregt durch eines der Bullaugen und klappte es auf. Die laute Schiffshupe ertönte gerade und der riesige Luxusdampfer setzte sich butterweich in Bewegung. Wie aufregend!
Ein ungeduldiges Räuspern riss sie aus dem Staunen und sie knallte schmerzhaft mit dem Kopf gegen das Bullauge.
An der Rezeption wartete schon die erste Passagierin. Eva fand die klischeehaft aussehende ältere Frau auf Anhieb unsympathisch. Roter Lippenstift auf welken Lippen, zu viel Puder auf runzligen Wangen und zu schwere Klunker an hängenden Ohrläppchen. Allerdings sah sie noch sehr rüstig aus. Die stinkt förmlich nach Geld, dachte Eva und setzte ein freundliches Lächeln auf. Immerhin war dies die erste Kundin in ihrem Leben.
„Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“
„Tja, das frage ich Sie. Ich habe nämlich keine Ahnung von dem ganzen Unsinn hier. Meine Tochter hat mir eine Massage empfohlen, sie findet, ich sei zu verspannt.“ Das ganze sagte sie mit einer Bissigkeit, die Eva der alten Dame gar nicht zugetraut hätte. Sie war überrascht, hatte sie doch eine blasierte Schreckschraube erwartet.
„Na ja, äh…“, stotterte sie ziemlich unprofessionell. „Ich kann Ihnen gerne unsere Angebote vorlesen, und Sie suchen sich einfach eins aus.“
„Dann lass mal hören, Kindchen.“
Eva zählte routiniert die Massagebehandlung auf.
„Also, da hätten wir die Ayurveda- Behandlung, wozu Stirn- Ohr und Kopfmassage gehört. Dann das Camouflage zur Abdeckung von Feuermalen, Krampfadern und Muttermalen, das Permanent Make- up, Augenbrauenzupfen, das Fango- Schlammbad, Hot Stones-“
„Ja ja Kindchen, red dir nicht den Mund fusselig. Ich versteh davon sowieso nichts. Ich nehme mal dieses Aloe Vera Zeug, das klingt ganz gut.“
„Die Ayurveda Behandlung also“, sagte Eva verbessernd. Die brüske Art der alten Dame gefiel ihr irgendwie.
„Wie auch immer der Quatsch heißt.“
„Dann folgen Sie mir bitte.“
Sie führte die Frau zu einer der Kabinen und bat sie, ihr Oberteil auszuziehen und sich ihres Schmucks zu entledigen.
Als sie zu dem Regal mit den Produkten ging, begegnete sie Sascha.
„Welches Öl für Ayurveda?“, fragte sie hektisch.
Auf Saschas Gesicht erschien ein genugtuerisches Grinsen. „Aha, die Anfängerin braucht also doch Hilfe.“
Als er ihren flehenden Blick sah, verschwand das Grinsen jedoch wieder. Er führte sie zu den Ölen. „Also das kommt auf den Hauttyp an. Wenn der Kunde eine trockene Haut hat, nimmst du das Seva-Wildrosenöl, bei normaler Haut das Nasya-Kräuteröl und bei fettiger Haut das Sesamöl. Den Ablauf kennst du aber, oder?“
Eva nickte, nahm die drei Glaskaraffen und bedankte sich.
Die alte Frau hatte sich bereits ausgezogen und saß auf der Liege. Eine kleine Feuerstelle und gedämpftes rotes Licht sorgte für ein schönes Flair. Das war wichtig für das Wohlbefinden des Kunden.
Als Eva die obenrum nackte Frau sah, wandte sie aus Reflex den Blick ab.
„Oh…äh…“
„Was ist los, Kindchen? Hast du noch nie eine ältere Dame mit Hängebrüsten behandelt?“, fragte sie belustigt.
„Nein…ehrlich gesagt sind Sie meine erste Kundin mit Hän-“
Eva hielt inne, als ihr klar wurde, was sie da im Begriff gewesen war, zu sagen. „Oh, Verzeihung!“
Aber die alte Frau ließ nur ein lautes Raucherlachen hören.
„Ehrliche Menschen sind mir die liebsten, Kindchen. Davon gibt es viel zu wenige auf der Welt.“

Eva erwärmte auf warmen Steinen ein paar weiche Frotteehandtücher. Da die Frau eine recht trockene Haut hatte, entschied sie sich für das Wildrosenöl und erhitzte auch die Karaffe mit der wertvollen Lotion leicht.
Die junge Frau war ein wenig aufgeregt. Sie hätte sich niemals träumen lassen, dass ihre allererste Kundin gleich eine reiche, ruppige Dame werden würde und sie wollte um keinen Preis etwas falsch machen.
Als die Kundin jedoch auf der Liege lag und mit den warmen Tüchern bedeckt wurde, schwand Evas Nervosität. Sie wusste genau, was zu tun war.
Während sie sich hinter die Liege stellte und das Gesicht der Frau von Schminke reinigte, sagte sie:
„Ich muss Sie darüber informieren, dass die Ayurveda-Behandlung, sowie auch das Fangobad noch mal einen Aufpreis haben. Die anderen Angebote sind natürlich im Reisepreis inbegriffen.“
Auf dem faltigen Gesicht ihrer Kundin breitete sich ein Grinsen aus.
„Ganz schön gewitzt, mir das erst jetzt zu sagen.“
Eva erschrak, sie hatte gar nicht an ein abzockerisches Motiv gedacht.
„Oh, nein, ich äh-“
„Beruhige dich, Kindchen, ich bin deswegen nicht sauer. Etwas Egoismus und Geschäftssinn sind die natürlichen Bestandteile eines erfolgreichen Berufslebens. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.“ Sie zwinkerte Eva zu.
„Außerdem kann ich mir das schon leisten.“
Evas Interesse war geweckt.
„Darf ich fragen, wie Sie ihr Glück gemacht haben?“
Die Frau schürzte die Lippen. „Das ist kein Geheimnis. Du kennst doch bestimmt die Firma Ambrosia GmbH & Co KG.“
„Sie meinen diese irre teuren Schmuckgeschäfte? Klar, die kennt doch jeder. Ich habe ein Goldarmband von dort.“
„Genau die. Der Schmuck ist feiner als bei CHRIST, teurer als bei Swarovski, und mein Eigentum.“
Eva war zu der Heizplatte gegangen, um die Karaffe mit dem Öl zu holen, blieb aber nun mit offenem Mund stehen.
„Die Firma gehört Ihnen? Wow, da haben Sie aber ein paar wahnsinnig tolle Geschäfte!“
„In Deutschland sind es fünfhundert Filialen, Kindchen“, sagte die Frau belustigt. „Ja, ich, Roxanne Ambro, hab mir einen Namen gemacht und bade jetzt in Reichtum.“ Beim letzten Satz klang ihre Stimme sehr sarkastisch, was Eva gar nicht verstand. Während sie das Öl vorbereitete, sagte sie:
„Freuen Sie sich doch. Ist es nicht erstrebenswert, so viel Reichtum zu besitzen?“
Ein trockenes Lachen. „Ja, solange dir kein nerviger Sohn und eine noch nervigere Tochter am Arsch kleben und darauf warten, dass du endlich stirbst, damit sie das ganze Erbe kassieren.“
Die ungalante Art, mit der die Millionärin das sagte, ließ Eva unwillkürlich lächeln.
Während sie ihr eine- wie Eva fand- sehr gelungene Gesichtsmassage verabreichte, erzählte die alte Frau, dass ihr Mann, mit dem sie seit dreißig Jahren verheiratet war und der ihre Erfolgsgeschichte somit hautnah miterlebt hatte, vor zwei Jahren gestorben war. Seitdem lebten die zwei eigentlich schon berufstätigen Kinder bei ihr, aus-wie sie jedenfalls behaupteten- Sorge, ihrer Mutter könne allein etwas zustoßen.
„Aber das einzige, was sie in meinem Haus machen, ist, auf meine Kosten zu leben und zu warten, bis ich endlich in der Badewanne ausrutsche oder einen Herzinfarkt kriege.“
„Das glaube ich nicht, Frau Ambro“, sagte Eva, während sie das warme Öl über die Stirn der alten Dame laufen ließ und die Schläfen massierte. „Zwischen Müttern und ihren Kindern herrscht immer eine Liebe, die durch nichts zu brechen ist.“
„Außer durch Habgier, Kindchen. Helen und Gordon lecken sich schon die Finger nach meinem Geld, sie können es kaum abwarten, dass ich den Löffel abgebe. Du musst wirklich noch viel lernen. Wie alt bist du? Anfang zwanzig vielleicht?“
„Ich bin zwanzig Jahre alt“, sagte Eva und fragte sich mittlerweile wirklich, ob sie wie ein Kind aussah.
„Sag ich doch. Du bist noch unverdorben. Gordon ist neunundzwanzig, Helen einunddreißig und beide führen sich schon auf wie Multimillionäre. Sie haben mich hier mitgeschleppt, weil sie meinen, ein Luftwechsel würde mir guttun. Aber in Wirklichkeit wollen sie nur die Zeit bis zu meinem Tod möglichst luxuriös überbrücken.“
Eva war beeindruckt. Scheinbar war die Dame zwar schon recht alt, aber trotzdem noch sehr scharfsinnig. Die Masseurin konnte die junge Geschäftsfrau Ambro regelrecht vor sich sehen, ein so klares Bild hatte sie von ihr vor Augen.
Als Eva fertig war, richtete sich die alte Frau auf.
„Das hat wirklich sehr gut getan, Kindchen. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Massagequatsch was helfen würde, aber meine Kopfschmerzen bin ich jedenfalls los.“
„Gern geschehen“, sagte Eva lächelnd und wischte sich die Hände trocken. „Ich hätte auch nie gedacht, dass es hier Passagiere gibt, die offen und aufgeschlossen sind. Kommen Sie jederzeit wieder, wenn Helen und Gordon Ihre Nerven wieder überstrapazieren.“
Frau Ambro zwinkerte ihr zu. „Mach ich, Kindchen.“






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