Haben Sie sonst noch Wünsche? - Teil 2

Autor: Valenzia
veröffentlicht am: 16.02.2013


Für alle, die mehr über Eva wissen wollen :)

Eva überlegte kurz, was sie damit meinte, dann erinnerte sie sich und nickte.
„Was geht los?“, schaltete sich Jonas interessiert ein. „Doch wohl nicht auf die Reeperbahn, oder? Da lass ich euch beide nämlich nicht hin.“
Elena knuffte ihn lachend in die Seite und er zog sie näher zu sich.
„Keine Sorge, Jonas. Du wirst deine Herzdame schon nicht an einen zweitklassigen Gigolo verlieren“, sagte Eva grinsend. Ihre Laune begann, sich zu heben. „Was Elena meint ist meine erste Kreuzfahrt.“
„Du machst eine Kreuzfahrt?“, fragte Jonas überrascht.
„Ja, aber leider nur als Angestellte. Bei der AIDAcara.“
„Ach, ob Angestellte oder nicht, das ist doch purer Luxus.“
„Da muss ich dir widersprechen“, warf Elena ein. „Meine Cousine ist als Küchengehilfin auf der MSArtania gewesen. Sie hat mir erzählt, wie schrecklich viel Arbeit ihr aufgehalst wurde, wie sie ausgenutzt und schlecht bezahlt wurde und noch nicht mal in der spärlichen Freizeit an Deck gehen durfte, weil das angeblich die Passagiere gestört hätte.“
„Na wundervoll, nach der Erzählung habe ich gleich doppelt so viel Lust“, brummte Eva.
„Bist du auch Küchenhilfe?“, fragte Jonas.
„Nein, um Gottes willen! Ich bin ausgebildete Masseurin und angehende Hotelfachfrau, aber da ich gerade in der Anfangsphase bin, werde ich wahrscheinlich noch diverse andere Arbeiten tun müssen.“
Elena lächelte aufmunternd. „Aber immerhin bist du auf der AIDA, genieß die Zeit einfach. Wann genau geht’s los?“
„Übermorgen. Für drei ganze Wochen! Ich werde euch vermissen.“
„Wir dich auch, Süße.“
Jonas musterte seine Freundin eine Weile, und sagte dann: „Wie wär`s, wenn wir so was auch mal machen?“
Elena lachte trocken. „Eine Kreuzfahrt? Weißt du eigentlich wie teuer das ist?“
Jonas hob nur die Schultern. „Wir kriegen bestimmt den Rabatt für besonders schöne Menschen.“ Dabei zwinkerte er Eva grinsend zu und sie erinnerte sich an ihren Kommentar von vorhin.
Elena gab ihm einen Klaps. „Du bist bescheuert.“ Dann küsste sie ihn. „Aber ich liebe dich.“
Eva sah die beiden sehnsüchtig an. Ja, Elena hatte Glück gehabt, sie hatte ihren Traummann schon mit achtzehn gefunden und war nun drei Jahre mit ihm zusammen.
Ich bin ein hoffnungsloser Fall, dachte Eva deprimiert. Zwanzig Jahre alt und noch nicht einmal einen Jungen, geschweige denn einen Mann geküsst. Manche Frauen haben in meinem Alter schon ein Kind!
Was dann geschah, hätte die junge Frau eigentlich nicht wundern sollen, aber es passierte so unerwartet, dass ihr die Luft wegblieb.
„Schatz“, sagte Jonas und sah seine Freundin ernst an. „Wir sind nun schon fast drei Jahre zusammen und das waren die drei wundervollsten Jahre meines Lebens.“
Er stand auf und zog Elena sanft bis auf die Kante ihres Stuhls. Diese lächelte etwas verwirrt. Da das Café an diesem Nachmittag recht gut besucht war, gab es auch viele Leute, die auf Jonas aufmerksam wurden. Es waren hauptsächlich ältere Menschen, aber auch ein paar junge Leute und Familien waren dabei.
„Du weißt, wie sehr ich dich liebe“, redete er weiter und Eva meinte, in Elenas Gesicht eine leichte freudige Erregung zu erkennen.
„Eigentlich wollte ich das hier erst heute Abend machen, aber jetzt und hier scheint mir eher der richtige Augenblick zu sein.“
Eva bemerkte, wie ein junges Mädchen ihr Handy aus der Tasche zog und begann, die Szene zu filmen. Ein Raunen ging durch das Café- sämtliche Augen waren nun auf das Pärchen gerichtet- als Jonas einen kleinen, quadratischen Gegenstand aus der Jackentasche zog.
„Das ist der Grund, warum ich gerade zu spät gekommen bin.“
Er ließ sich vor Elena auf ein Knie nieder und öffnete das in rotem Samt eingeschlagene Kästchen. Ein paar kleine Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, äußerlich blieb er bei dem nächsten Satz aber ganz ruhig.
„Elena Kraikos… willst du meine Frau werden?“
Jetzt zeigten die Leute offen ihre Überraschung, so etwas hatten sie sicherlich nicht an diesem ruhigen Nachmittag erwartet. Alle Augen waren nach wie vor auf die beiden gerichtet, Totenstille.
Elena fiel die Kinnlade herunter, als sie den Inhalt des Kästchens sah. Ihre Augen wurden glasig und es vergingen ein paar unendlich lange Sekunden der Stille und des Wartens, bis sie einen kleinen Freudenschrei ausstieß und ihrem baldigen Ehemann, der immer noch vor ihr kniete, mit einem lauten „Ja, natürlich!“ um den Hals fiel.
Nun löste sich auch die Angespanntheit der unfreiwilligen Zuschauer und lud sich in lautem Klatschen aus. Die meisten standen von ihren Stühlen auf, um das junge Paar zu beglückwünschen, während Jonas, der glücklich aussah wie nie zuvor, seiner Verlobten den wunderschönen Diamantring an den Finger steckte. Die beiden nahmen die Beglückwünschungen dankend entgegen und lagen sich danach gefühlte fünf Minuten in den Armen, bevor Elena sich löste und auf Eva zukam, die wie versteinert die Szene beobachtet hatte.
In dem kurzen Moment, als Elena auf sie zuging, zuckte Eva nur ein Gedanke durch den Kopf: Bloß nicht durchdrehen. Sie wollte den wohlmöglich schönsten Augenblick im Leben ihrer Freundin nicht durch einen frustrierten Satz verderben. Auch wenn es sie ziemlich deprimierte, dass Elena schon heiraten würde, während sie selbst noch nicht einmal eine Beziehung gehabt hatte, breitete sich in ihr eine ehrliche Freude für ihre beste Freundin aus.
„Eli…herzlichen Glückwunsch“, brachte sie noch heraus, bevor ihr Trauer- und Freudentränen kamen und die beiden Mädchen sich in den Armen lagen.
Sie wischten sich gegenseitig die Tränen weg, Elena hielt den funkelnden Ring hoch. „Ist er nicht zauberhaft?“, fragte sie und zog ihren Verlobten zu sich.
„Wen meinst du? Den Ring oder Jonas?“, lachte Eva.
Elena sah letzteren voller Liebe an. „Beide.“

Als Jonas Elena mit der Entschuldigung, noch etwas mit ihr vorzuhaben, aus dem Café entführte, hatte Eva auch kein Bedürfnis mehr dort zu bleiben. Auf dem kurzen Nachhauseweg wurde ihr- mehr oder weniger weil sie es so wollte- etwas klar.
„Ich brauche gar keinen Mann“, sagte sie überrascht zu sich selbst, als hätte sie gerade eine weltbewegende Epiphanie gehabt. „Ich werde sowieso nie jemanden finden, der so ist wie Jonas, also warum noch weiterhin so depressiv sein?“
Sie beschloss, es einfach hinzunehmen. Das Leben war zu kurz, um sich über so etwas unnötig Gedanken zu machen.
In ihrer kleinen zwei- Zimmer Wohnung warf sie erst mal einen Blick in den Spiegel. Sie versuchte, ihr Gesicht, ihre Figur so objektiv wie Elena zu betrachten. Na gut, gewisser Weise hatte ihre Freundin schon recht, Eva war nicht gerade hässlich. Lange, braune Haare, die in völligem Kontrast zu ihren zahlreichen Sommersprossen standen, und schöne, dunkelgrüne Augen.
„Hmm…ein bisschen mehr Selbstbewusstsein könnte mir wirklich nicht schaden“, murmelte sie, während sie ihren flachen Bauch inspizierte.
Aber wie sollte sie selbstbewusst sein, wenn ihre Freundin soeben einen Heiratsantrag bekommen und sie selbst wie ein Mauerblümchen daneben gesessen hatte? Warum, verdammt nochmal, interessierte sich bloß niemand für sie?

Den folgenden Tag, der Tag vor der Abreise, verbrachte Eva ausschließlich mit dem Besorgen der letzten wichtigen Dinge für die Kreuzfahrt.
Am Abend packte sie dann einen kleinen Koffer und noch eine Handtasche und fiel dann völlig erschöpft aufs Bett.
Ihr Blick fiel auf den Brief von AIDA Cruises. Sie hatte sich mit eigentlich ziemlich geringer Hoffnung auf Annahme dort beworben. Umso mehr hatte es sie überrascht, als der Postbote die Zusage vor zwei Wochen brachte.
Ohne viel Erklärung zwar, aber das war nicht schlimm. Eva war vor Freude wie verrückt auf ihrem Bett herumgesprungen, immerhin wurde ihre allererste Bewerbung angenommen! Na ja, Glück im Beruf, Pech in der Liebe. Man kann nicht alles haben, und Eva war sowieso eher die Karrierefrau.
Aber sie wusste, dass das kein Grund war. In dieser Nacht lag sie allein in ihrem Bett und sehnte sich wieder einmal nach einem wärmenden Körper an ihrer Seite, der ihr Sicherheit und Geborgenheit gab.

„Scheiße!“
Der ursprünglich verschlafene Blick auf den Wecker endete in einem vulgären Ausruf. Es war zehn vor sechs Uhr morgens, in zehn Minuten würde das Taxi vor der Tür stehen. Eva sprang aus dem Bett, zog sich schnell eine Jeans und ein Top über und putzte sich hastig die Zähne. Fürs Schminken würde keine Zeit bleiben, entschied sie nach einem ernüchternden Blick in den Spiegel. Egal, das konnte sie im Taxi erledigen.
„Verdammt!“ Sie hörte, wie das Taxi draußen hielt und hievte mit einiger Mühe den Koffer die Treppe runter. Der Tag fing ja gut an!

„Sie wissen noch, wo es hingehen soll?“, fragte sie den Taxifahrer, einen Mann mittleren Alters, der seinen Job gern zu machen schien.
„Klar. Seebad am Hafen, Rostock.“
Er steckte sich ein Kaugummi in den Mund und hielt ihr die Packung hin. Eva nahm dankend an.
„So, die AIDA, was“, sagte er nach einer Zeit. Da es wie eine Frage klang, bejahte sie.
„Passagier?“
Eva lachte trocken. „Sehe ich so aus, als könnte ich mir das leisten?“
Der Fahrer musterte die rasch übergeworfenen Klamotten und die dunkel umrandeten Augen. „Nö, nich wirklich.“
Na danke, dachte Eva. Sie hatte sich eine gegenteilige Antwort erhofft, warum auch immer. Seine Antwort erinnerte sie allerdings an ihr unordentliches Äußeres. Sie klappte den Schminkspiegel über ihrem Kopf auf und tat daraufhin genau das, was der Name schon sagte. Der Fahrer quittierte das mit einem Grinsen.
Die Fahrt dauerte zwei ganze Stunden, während denen Evas Nervosität stieg. Aber immerhin wurde ihr die Taxifahrt von der Reederei bezahlt, das war schon mal ein Vorteil.
In der restlichen Zeit passierte nicht sonderlich viel. Die Landschaften und Städte flogen im Durchschnittstempo von rund hundert Kilometern pro Stunde an Eva vorbei, der Fahrer war nicht besonders gesprächig.
Schließlich erreichten sie den Hafen Seebads und die junge Frau stieg aus. Sie fand, dass sie mittlerweile ganz annehmbar aussah, und nicht, als wäre sie gerade aus dem Bett gefallen.
Während der Taxifahrer ihr Gepäck auslud, wurde Eva von dem Anblick des riesigen Luxusdampfers geradezu erschlagen.
Mit einer Länge von fast 195 Metern und rund 30 Metern Breite hatte die AIDAcara für fast 1340 Passagiere Platz. Das Schiff mit den einladenden roten Lippen erhob sich imposant vor dem Anlegeplatz des Hafens und verfehlte nicht seine Wirkung auf die Passagiere, die in riesigen Massen mit ihren Koffern vor der Schiffsbrücke auf Einlass warteten.
Eva bedankte sich bei dem Taxifahrer und beeilte sich, zu dem unauffälligen, kleinen Angestellteneingang zu kommen.
Dort herrschte, im Gegensatz zu dem Passagiereingang, gähnende Leere. Ein einziger Mann in klassisch weißer Angestelltenuniform stand davor und teilte ihr mit einem missbilligenden Blick mit, dass sie sich verspätet hatte.
„Da sind Sie ja endlich“, brummte er. „Noch fünf Minuten und wir hätten den Eingang geschlossen.“
„Tut mir leid“, meinte Eva, nahm ihre in Plastik eingeschweißte Namenskarte entgegen und staunte nicht schlecht. Immerhin gab es auf der AIDAcara an die 320 Angestellte und trotzdem wusste ihr Gegenüber offensichtlich genau, wer sie war und zu welcher Abteilung sie gehörte.
„Super Organisation hier“, versuchte sie, die angespannte Atmosphäre etwas zu lockern, aber selbst wenn der Mann sie gehört hatte, sprang er nicht darauf an, sondern öffnete kommentarlos die Tür und führte sie durch einen kleinen Raum in einen engen Korridor.
„Das ist die unterste unserer fünf Etagen, und nur für das Dienstpersonal. Ihre Zimmernummer steht auf der Namenskarte, Angestelltenversammlung in zehn Minuten im Personalraum E25.“
Und weg war er. Eva stand allein in dem langen, schummrigen Korridor und studierte ihre Karte.
EVA SCHREIBER
Body & Soul Spa
E11
Sie hievte ihren Koffer hoch und fand nach einigem Suchen auch schon ihr Zimmer.
Die Tür war gefühlte vierzig Zentimeter eng. Nachdem sie sich erfolgreich durchgezwängt hatte, war sie von der Größe des Zimmers noch weniger angetan. Zwei Doppelbetten auf engstem Raum, ein winziges Schränkchen, kein Bullauge.
Dazu noch ihre drei Zimmergenossen, die es sich gerade auf ihren Betten mehr schlecht als recht gemütlich gemacht hatten.
Die Augen der zwei Mädchen und des jungen, dunkelhäutigen Mannes richteten sich sofort auf Eva, die sich gerade auf das letzte Bett fallen ließ.






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