Wie eine einzige Sommernacht - Teil 6

Autor: NoNo
veröffentlicht am: 18.02.2013


Chris

Der Bass wummert in den Ohren und ich merke, wie mein Herzschlag sich dem Rhythmus der Musik anpasst. Ich spüre, wie die Bewegungen von selbst durch den meinen Körper fließen und ich spüre den Alkohol in meinem Blut.
Schweiß läuft mir über die Stirn und ich weiß, dass ich es heute Abend übertrieben habe. Aber wirklich gewaltig. Ich war lange nicht mehr so betrunken. Früher war ich es oft – jedes Wochenende. Und dann kam Frieda. Sie macht einen besseren Menschen aus mir.
Die Musik von Kito ft. Reija Lee klingt ab und es ertönt Kaskade. Die Lichter, die in allen Farben leuchten, lassen das Bild um mich herum verschwommen erscheinen und meine Orientierung wird immer schlechter.
Trotzdem sehe ich, dass Joschka sich eine klar gemacht hat. Er schafft es jeden Abend durch Penetranz und Charme. Aber lange bleibt selten eine bei ihm. Und wenn doch, dann will er sie nicht mehr. Typisch Joschi eben.
Mein Blick wandert zu Frieda. Sie tanzt zusammen mit Emmi und in diesem Moment finde ich beide wunderschön. Frieda, meine feste Freundin und Emmi, meine beste Freundin. Beide geben sich der Musik hin.
Wir waren oft auf Rave Veranstaltungen; in Mannheim, Stuttgart – ja sogar nach Köln sind wir deswegen mal gefahren. Oftmals waren auch Drogen im Spiel, worauf ich nicht stolz bin. Chemische Drogen verändern einen. Jeder Trip ist anders und jeder Trip macht einen anderen Menschen aus dir. Auch das habe ich von Frieda gelernt. Sie hat mich damals wieder hochgezogen.
Ich wische mir mit der Hand über meine schweißnasse Stirn und gehe auf die beiden Mädchen zu.
Frieda schaut auf und verzieht das Gesicht: „Puh, du stinkst. So kommst du nicht in mein Au…“
Ich unterbreche sie, indem ich sie einfach küsse. Und sie schweigt tatsächlich, bis ich frage: „Wollt ihr was trinken?“
Die beiden nicken und wir kämpfen uns zu der Bar vor, wo wir Immanuel finden. Er sieht gelangweilt aus mit seinem Glas Cola.
Ich schlage ihm von hinten auf den Rücken und sage: „Man, geile Party. Ich wusste nicht, dass die Italiener das Raven so drauf haben“ schreie ich gegen die Musik und Immanuel zuckt mit den Schulter. Ich weiß, dass er nie ein Fan von diesen Technopartys war. Trotzdem wurde er oft genug mitgeschleift.
Frieda reicht mir ein Bier. Anscheinend hat sie schon bestellt und ich stoße mit ihr und Emmi an und lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. Ich sehe Joschka mit seiner Tusse und Timo, wie er auf dem Podest mit zwei zwielichtigen Italienern tanzt. Doch so betrunken, wie Timo schon ist, hält er beide sicherlich für Frauen. Und ich muss zugeben, ein wenig weiblich sehen sie schon aus.
Ich stupse Frieda an und zeige auf Timo. Sie bricht in Gelächter aus und auch Emmi schmunzelt, bevor sie sich zu Immanuel umdreht und ihm irgendetwas sagt. Worüber sie reden, kann ich leider nicht verstehen, doch ich sehe, wie Immanuel ihr zulächelt. Also brechen die beiden jetzt keinen Streit vom Zaun. Das wäre wirklich das Letzten, was ich jetzt gebrauchen kann.

Ich stolpere hinter den anderen aus der Lagerhalle heraus, in der die Rave Party stattgefunden hat. Es ist bereits halb sechs Uhr morgens und pünktlich zum Frühstücken würden wir wohl in Venedig ankommen. Ich spüre, dass ich einen unsagbar großen Hunger habe.
Ich remple gegen jemanden, ohne es wirklich bewusst wahrzunehmen und merke nur noch, wie ich am Oberarm zurückgezerrt werde.
Vor mir steht ein großer, italienischer Kerl, der beinahe lachhaft aussieht, mit seinen zurück gestylten Haaren. Ich grinse ihn an, schubse ihn von mir, um mich aus seinem Griff zu befreien.
Der Mann schreit mir irgendetwas auf Italienisch zu, wovon ich natürlich kein Wort verstehe, doch seine Mimik und seine Gestik sind aggressiv und ich spüre auch die Wut, die in mir aufkocht.
„Chris, komm!“ Ich spüre Friedas Hand um meinen Unterarm, doch ich merke, wie betrunken ich noch bin und wie ich mich völlig auf diesen italienischen Vollpfosten fixiere. Ich schüttele Friedas Griff ab und ignoriere auch den Ausruf von Timo: „Ey, Alter. Ich hab kein Bock auf diese Scheiße!“
Mir ist in diesem Moment klar, dass es wegen mir oft Ärger und Schlägereien gibt. Ich weiß es sogar im betrunkenen Zustand und trotzdem hole ich zum Schlag aus. Doch bevor ich auch nur irgendwie handeln kann, spüre ich den Schmerz in meinem Gesicht und falle zu Boden. Alles dreht sich und auf einmal scheint die Welt Kopf zu stehen.
Ich sehe nur noch Frieda neben mir und Immanuel, welcher dem Italiener eine verpasst. Ich höre den spitzen Aufschrei von Emmi, merke wie Joschka und Immanuel mich hochziehen und wir zum Bus beinahe rennen.
Ich stolpere hinein, schlage mir den Kopf am Fenster an und merke Friedas Hand an meiner Wange. Meine Lippe blutet, doch ich spüre den Schmerz nicht. Der kommt erst morgen, denke ich und beinahe muss ich schmunzeln.
Timo steigt als Letzter in den Bus, setzt sich nach vorne neben Emmi und Immanuel startet den Motor und murmelt grimmig: „Bloß weg hier. Ich hab keine Lust auf weiteren Ärger“ Kurz reibt er sich über die Knöchel seiner linken Hand. Dann fahren wir mit enormer Geschwindigkeit vom Parkplatz und mir wird schlecht. Bloß nicht kotzen, denke ich und lasse meinen Kopf auf Friedas Schulter sinken und will die Augen schließen, als Timo sich wütend zu mir herumdreht: „Scheiße, man! Musste das sein?! Musste das wirklich sein? Oh, am liebsten würde ich dir selbst auch noch eine verpassen!“
Ich schaue auf: „Sorry, Alter“
„Nichts „Sorry, Alter“! Auf der nächsten Party passiert wieder das Gleiche! Es ist doch immer dasselbe mit dir!“ ereifert sich Timo weiter und ich weiß, das er Recht hat. Doch ich kann meine aufrichtige Entschuldigung nicht mehr mitteilen.
„Timo…“ setzt Frieda an, doch er hört gar nicht auf sie.
„Nee, wirklich! Ich find’s scheiße! Musst du immer…“
Emmi unterbricht ihn, indem sie sein Kinn zwischen ihre Finger nimmt und seinen Kopf nicht gerade sanft zu ihr herumdreht, sodass er sie anschauen muss. „Es reicht jetzt, Timo! Wir reden morgen noch mal darüber“
Er murmelt noch irgendetwas Unverständliches, was keiner verstehen kann und starrt dann grimmig aus dem Fenster. Immanuel lenkt den Bus auf die Autobahn Richtung Venedig.
Frieda streicht mir kurz über den Kopf und ich merke, wie mir die Augen zufallen. Ich höre nur noch, wie Emmi Immanuel fragt: „Wie geht’s deiner Hand?“
Ich bekomme seine Antwort nicht mehr mit. Ich bin schon längst eingeschlafen.






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