The Facets of Black - Teil 3

Autor: Ai
veröffentlicht am: 07.12.2012


Taylor
»Hey Mann!«, sage ich zu Georg und klopfe ihm auf die Schulter, als ich in sein Zimmer komme.
»Hey Alter«, grüßt er zurück und legt den Kontroller seiner Playstation weg. »Was tut sich so?«
Ich zucke mit den Achseln. Der erste Schultag war nicht gerade ein Highlight. Nach Mrs. Parkers Geschichtestunde stand für mich zuerst Biologie und dann Englisch auf dem Stundenplan. Für Bio und Mr. Queens hatte ich gar keine Nerven, also hatte ich beschlossen, diese Unterrichtsstunde komplett ausfallen zu lassen. Zuerst habe ich mich eine viertel Stunde bei den Getränkeautomaten rumgedrückt, bis ich beschlossen habe, dass es wieder Zeit wäre, Eine rauchen zu gehen. Also bin ich zum Innenhof marschiert und als ich da die Tür aufmachen wollte, hörte ich schon so ein seltsames Schluchzen. Ich sah das rothaarige Mädchen neben der Tür an die Wand gelehnt sitzen und heulen. Da beschloss ich dann, dass es wohl besser wäre, wenn ich mir einen anderen Platz zum rauchen suchen würde. Etwas angepisst war ich ja schon. Sie hatte mir heute schon zum zweiten Mal den Spaß am einsamen Innenhof verdorben. Trotzdem fragte ich mich, was sie wohl so zum Weinen gebracht haben musste. Aber eigentlich war es mir auch egal. Ich beschloss also, den Bereich vor der Schule zu nutzen, um meine Sucht zu befriedigen.
Draußen vor der Schule standen ein paar Typen rum, die ich von Partys kannte. Ich wusste zwar nicht mehr, wie ihre Namen waren, trotzdem fing ich an, mit ihnen zu quatschen und es stellte sich heraus, dass sie meinen Namen noch wussten. Ich habe sie trotzdem nicht nach ihren gefragt.
Als ich gerade mit einem der Typen – er trug ein schwarzes Käppi mit roten Streifen – darüber diskutierte, ob ein größerer oder ein kleinerer Busen bei Frauen attraktiver war, kam dieses Mädchen aus der Schule gestürmt und rannte wortlos an uns vorbei. Keinem schien sie aufgefallen zu sein, außer mir. Ein eigenartiges Mädchen.
»Nicht besonders viel«, antworte ich schließlich. Georg sieht mich skeptisch an. »Was ist?«, frage ich verunsichert.
»Lass uns GTA zocken«, schlägt er plötzlich, total aus dem Zusammenhang gerissen, vor und wirft mir den Kontroller hin. Etwas überrumpelt fange ich das Ding gerade noch auf. »Wie läuft es eigentlich mit dieser Tiffany?«, fragt er, als er gerade dabei ist, die Optionen im Spielmenü einzustellen.
Ich sehe in verwirrt an. »Welche Tiffany?«, frage ich mit gerunzelter Stirn.
Er lacht spöttisch. »Na du weißt schon, die Kleine von Samstag.«
»Ach so. Ich dachte die hieß Tina oder so.«
»Alter!«, sagt Georg tadelnd und schlägt mir mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter. Ein erstickendes Geräusch kommt aus meiner Kehle. Er schlägt ganz schön fest zu. »Du solltest die die Namen der Tussen, mit denen du rumvögelst, merken.«
»Ich kann mich doch nicht um Alles kümmern«, gebe ich lachend zurück. »Außerdem habe ich nicht mit ihr rumgevögelt.«
»Ach nein? Was habt ihr denn dann auf der Toilette getrieben?« Georg zieht skeptisch eine Augenbraue hoch und sieht mich erwartungsvoll an.
Ich kratze mich am Hinterkopf und überlege, wie ich das am besten formulieren soll. »Wir haben nur ein bisschen gefummelt«, sage ich achselzuckend.
Georgs skeptische Mine ist noch nicht aus seinem Gesicht verschwunden. »Ja klar.«
»Was wir das hier?«, frage ich gespielt entrüstet. »Ein Verhör oder was? Ich dachte, wir wollten Bier trinken und Playstation spielen. Wo ist überhaupt Finn?«
»Der kommt später, muss noch was für seine Mum erledigen«, sagt Georg grinsend. Finn, dieser alte Waschlappen. Seine Mutter ist eine fette Furie mit fünf Kindern von drei Vätern. Ich frage mich immer wieder, wie sie es mit dem Aussehen geschafft hat, sich von drei verschiedenen Männern schwängern zu lassen, denn sie ist bei Gott keine Schönheit, selbst wenn sie dünn wäre, sähe sie immer noch aus wie ein eingetretener Mülleimer. Und das weiß ich ganz genau, ich habe Fotos gesehen.
Ich würde so eine Frau ja nicht einmal mit der Kneifzange anfassen, geschweigenden, ihr ein Kind machen. Aber Finns Vater ist Alkoholiker. Vielleicht hat er sich die Alte schön gesoffen. Das würde einiges erklären.
»Gut, wenn er noch ein bisschen Muttersöhnchen spielen will, fangen wir derweil ohne ihn an«, sage ich und drücke die Start-Taste.
GTA ist ein angenehmes Spiel. Entweder du erfüllst Missionen, oder du fährst einfach mit irgendeiner Karre durch die Gegend, fährst Leute um oder lieferst die eine Verfolgungsjagt mit der Polizei.
Es ist schon fast halb sieben, als Finn endlich eintrudelt. »Man Alter! Wir hatten vier ausgemacht«, sagt Georg genervt, als Finn das Zimmer betritt.
»Ja, ich weiß. Aber Mum brauchte meine Hilfe mit den Einkäufen und dann musste sie nochmal kurz weg«, versucht Finn sich zu entschuldigen, doch dieser Quatsch zieht bei uns nicht mehr. Schon zu oft haben wir genau das, oder etwas Ähnliches gehört.
»Man Finn, irgendwo in deiner Hose müssen doch Eier sein«, tadle ich ihn. »Könntest du sie mal bitte finden und deiner Mutter einmal sagen, dass sie ihren Scheiß alleine machen soll, wenn du verabredet bist?!«
»Ja sorry man. Aber du weißt doch wie meine Mum ist. Die lässt kein nein gelten.«
Allerdings weiß ich das und zwar genau seit dem Tag, als ich das erste Mal bei Finn zu Hause war. Wir waren zehn, hatten uns erst vor wenigen Wochen kennen gelernt und Finn hatte mich zu sich eingeladen. Seine Mutter war zu dem Zeitpunkt gerade mit Kind Nummer vier schwanger. Sie sah aus wie ein Walross, wie sie da in dem Campingsessel saß und ihr Fett durch jede Ritze quoll. Finn war das zweite Kind, er hat noch einen zwei Jahre älteren Bruder namens Henri. Nach Finn kam dann noch seine vier Jahre jüngere Schwester Abigail, dann kam Cecilia, mit der seine Mutter zu dem Zeitpunkt gerade schwanger war und als letztes war da noch Derik, der zwei Jahre nach Cecilia geboren wurde. Henri, Finn und Abigail hatten denselben Vater. Kaum zu glauben, dass dieser Typ es mit dem fetten Walross acht Jahrelang ausgehalten hatte. Er muss wirklich viel getrunken haben, anders kann ich mir das nicht vorstellen.
Auf jeden Fall saß seine Mutter da, in ihrer ganzen Fettheit und ließ sich von Henri und Fin bedienen. Abigail war zu dieser Zeit ihr größter Schatz, sie durfte machen, was sie wollte und das tat sie auch. Alles, was sie in ihrer Zerstörungswut kaputt oder dreckig machte, durften Henri und Finn ausbaden. Irgendwie kann ich schon verstehen, warum Finn seiner Mutter nicht einmal die Meinung sagt. Wer hätte nicht Angst, von dieser Dampfwalze überrollt zu werden. Ich kann ihre viel zu männliche Stimme jetzt noch rufen hören: »Henri! Mach die Küche sauber!« »Finn! Häng gefälligst die Wäsche auf!« Und trotzdem sah das Haus aus, wie eine Müllhalde.
»Ja schon klar, Alter«, sagt Georg genervt. »Können wir jetzt endlich weiter spielen?«
»Klar«, sagt Finn erfreut und lässt sich zwischen Georg und mich auf die Bettbank fallen.
Wenn ich so über Finns Eltern nachdenke, bin ich eigentlich ganz zufrieden mit meinen. Auch wenn meine Mutter mir im Moment tierisch auf die Nerven geht. Aber daran bin ich wohl selbst schuld. Sie hat aber auch einfach nichts Besseres zu tun, seit Francis, mein drei Jahre älterer Bruder, ausgezogen ist. Ja, ich bin das Nesthäkchen. Leider.
Meine Mutter arbeitet, seit der Geburt meines Bruders, nicht mehr. Aber das muss sie auch nicht. Sie kommt aus einem ziemlich reichen Elternhaus. Mein Großvater war ein angesehener Anwalt, ebenso wie es mein Vater jetzt ist. Dafür kommt mein Vater aus einer durchschnittlichen Familie. Nicht besonders arm, aber auch nicht besonders reich. Eben der Durchschnitt, genau wie bei Georgs Familie.
»Wie spät ist es?«, fragt Finn, als wir eine kurze Spielpause einlegen.
»Kein Plan Alter«, mein Georg und lässt sich nach hinten in die Kissen fallen.
Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und sehe auf die Uhr. »Oh Fuck«, stöhne ich. »Es ist halb zehn.«
»Scheiße was?!« Finn springt erschrocken auf. »Ich muss in einer halben Stunde zu Hause sein!«
»Bleib cool Alter«, sage ich beschwichtigend. »Ich hätte schon vor einer halben Stunde zu Hause sein sollen.«
Nervös tänzelt Finn im Zimmer herum. »Fuck, ich bin nie in einer halbe Stunde zu Hause«, sagt er nervös.
Ich stehe auf und packe ihn an den Schultern. Manchmal bringt er mich echt zur Weißglut. »Finn, bitte!« Er sieht mich mit seinen großen, braunen Augen verschreckt an. »Ich bin mit dem Wagen da. Ich kann dich heim bringen.«
»Wirklich?«, fragt er und sieht mich noch immer an, wie ein verschrecktes Reh.
»Ja Mann, jetzt hör endlich auf zu spinnen.« Ich lasse seine Schultern los, in der Hoffnung, dass er jetzt endlich aufhört, wie ein Irrer herumzuspringen.
»Danke Alter«, sagt er erleichtert und klopft mir auf die Schulter.
»Dann lass uns gehen, sonst dreht mir Mum noch den Hals um«, sage ich und schiebe Finn Richtung Zimmertür. »Bis dann Mann!«, verabschiede ich mich noch von Georg.
»Bis dann«, sagt er nur und hebt eine Hand zum Grüß, während er wie gebannt auf den Fernsehbildschirm schaut.
»Staisy ist in meinem Mathe-Kurs«, sage ich, als wir von der Haustür zu meinem Wagen gehen.
»Was?! Was hat sie gesagt?«, stammelt er. Ich verstehe bis heute nicht ganz, warum die Beiden eigentlich Schluss gemacht hatten. Soviel ich weiß, ist nichts vorgefallen und so wie ich das sehe, stehen sie noch total auf einander.
»Sie hat mich über dich ausgefragt«, sage ich grinsend. Wohl wissend, dass ihn diese Nachricht freut.
»Und was hast du gesagt?«, fragt er und fängt schon wieder an, herumzutänzeln.
»Die Wahrheit«, sage ich etwas aggressiv. »Und Finn, bitte hör auf so rum zu hüpfen, du machst mich wahnsinnig!«
»Entschuldigung«, sagt er und lässt traurig den Kopf hängen. Wenigstens hüpft er jetzt nicht mehr herum.
»Sag mal«, durchbreche ich das Schweigen, dass sich in meinem Wagen ausgebreitet hat. »Kennst du ein Mädchen mit roten Haaren, ziemlich still, schwarz angezogen?«
Finn runzelt die Stirn. Ich kann die Zahnräder in seinem Kopf fast klicken hören. »Rote Haare«, überlegt er laut. »Nein, sorry, nie gesehen.«
Hätte ich mir denken können. Warum habe ich überhaupt gefragt? Was interessiert mich dieses komische Mädchen?
»Danke, bis dann Mann«, verabschiedet sich Finn von mir und schlägt die Autotür hinter sich zu.
Ich wende und fahre nach Hause, wo ich schon genau weiß, was mich erwarten wird. Unser Haus liegt in einem nobleren Stadtviertel als das von Georg. Die Häuser sind riesig, die Gartenzäune perfekt gestrichen und die Hecken perfekt gestutzt. Alles ist perfekt, sogar die Katzen laufen hier mit Diamant-Halsbändern durch die Gassen. Die Hunde haben ihren eigenen Frisör und Hundehütten, die den Häusern ihrer Herrchen in nichts nachstehen.
Diese Welt hier ist absolut makellos, ganz anders als ich. Ich passe hier überhaupt nicht hinein. Ich gehöre viel eher in die Welt von Georg und Finn, als in diese. Ganz im Gegensatz zu meinem Bruder, der diese Welt, die Etikette und die aufgesetzte Höflichkeit über Alles liebt, genau wie meine Mutter. Ich hingegen schätze diese falsche Scheinwelt kein Stück. Natürlich hat das Geld auch seine Vorteile. Einer davon ist der Wagen, in dem ich gerade sitze. Der Audi hier hat 270 PS und meine Eltern knappe 67.000 Dollar gekostet. Ein Geschenk zu meinem 16. Geburtstag.
Das automatische Tor zu der Einfahrt unseres Hauses schwingt lautlos auf, als ich vorfahre. Der Rasen ist grün, die Hecken in Kugelform gestutzt. Das große Haus erstreckt sich fast schon wie ein Palast über den kleinen Hügel, auf dem es steht. Das Gelände ist riesig. Großer als vier Fußballfelder. Natürlich dürfen da ein riesiger Pool und ein Tennisplatz nicht fehlen. Meine Mutter spielt für ihr Leben gerne Tennis und natürlich konnte mein Vater nichts anderes tun, als ihr diesen Wunsch zu erfüllen.
Mein Vater hatte Glück, dass er so erfolgreich in seinem Beruf war und ist, denn sonst hätte sie ihn im Leben nicht geheiratet. Sie ist und war wohl schon immer ein verzogenes Gör, so hart das klingen mag. Aber sie war nie etwas anderes als Luxus gewöhnt und deshalb hat sie auch immer von Dad erwartet, dass er ihr genau das bietet. Gut, ich bin diesen ganzen Tamtam auch schon mein Leben lang gewähnt, trotzdem brauche ich ihn nicht so sehr wie sie.
Ich parke direkt vor dem Eingang. Eigentlich sieht meine Mutter das nicht gerne, aber sie wird ohnehin schon sauer auf mich sein, also wozu sich noch Mühe geben?
Als ich in den Salon eintrete, erwartet mich Eiseskälte und damit meine ich nicht die Raumtemperatur. Meine Mutter sitzt, mit einem Buch auf dem Schoß, in dem großen Lehnsessel vor dem Kamin und sieht starr in die Flammen, die über das Holz züngeln. Mein Vater hat auf dem Sofa links von der Tür, gleich neben der Bar, Platz genommen und hält ein Glas Brandy in der Hand.
»Taylor«, sagt meine Mutter mit einem unheilvollen Unterton in der Stimme. Sie wendet den Blick jedoch nicht vom Feuer ab.
»Ja Mutter?« Ich weiß genau, was jetzt kommt. Diese Art von Gesprächen oder besser gesagt, Diskusionen hatte ich schon sehr oft mit ihr.
»Wie spät ist es?« Arroganz schwingt in ihrer Stimme mit.
Ich werfe einen Blick auf die große Pendeluhr gegenüber von mir. »Kurz nach zehn, Mutter.«
Jetzt erst wendet sie ihren Blick vom Feuer ab und sieht mich mit ihren kalten, grauen Augen an. »Und warum kommst du jetzt erst?« Ihre Stimme ist ruhig und gefasst, ich weiß aber genau, dass sie innerlich kocht.
»Ich habe die Zeit vergessen.« Es ist eine lausige Entschuldigung, aber die einzige, die ich parat habe.
»Ich habe das Gefühl, du hast zu viele Freiheiten, Taylor. Du weißt, was wir besprochen hatten?« Sie ist die Eiskönigen persönlich. Wie ich ihr erhabenes Getue hasse, als wäre sie um so vieles besser als ich.
»Ja.«
»Ja was?«
Ich seufze resignierend. »Ja, das weiß ich, Mutter.«
»Und warum warst du heute Nachmittag nicht in der Schule?« Ich kann genau hören, wie überlegen sie sich fühlt. Woher weiß sie das nur?
»Ich gehe jetzt auf mein Zimmer.« Mit diesen Worten wende ich mich zum Gehen ab.
»Taylor!«, ihre Stimme ist laut, durchdringend, wütend. Ich sehe über meine Schulter zu ihr zurück. Sie ist von dem Lehnsessel aufgesprungen und sieht mich wütend an. Das Feuer hinter ihr lässt es fast aussehen, als würde sie brennen, wie der Teufel, der sie ist. »Wenn du dich nicht zu benehmen weißt, wird das Konsequenzen haben! Hast du mich verstanden?!«
Ich seufze. Immer das gleiche und nie hält sie ihr Wort. »Ja Mutter.«
»Es fängt damit an, dass du mir den Schlüssel für deinen Wagen gibst«, ich kann die Freude in ihrer Stimme deutlich hören. Fuck, sie meint es diesmal wirklich ernst.





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