Dämonisch bissige Liebe - Teil 10

Autor: Noa
veröffentlicht am: 11.02.2013


Das hier ist für Lave ((: Viel Spaß beim Lesen ;)


Noa

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Kapitel 10 – Kleine Anfänge

Ich konnte es nicht wirklich fassen, schon bald ein Teil dieser Organisation zu sein. Viele Phynes gab es tatsächlich? Auf wen würde ich treffen? Das Wochenende war mir noch nie so unwichtig wie jetzt gewesen. Ich wollte, dass der letzte Schultag rasch vorbei ging und ich endlich mit meinem neuen Training beginnen konnte.
Selbst Jaiden ging mir nicht aus dem Kopf. Ständig musste ich an ihn denken, besonders was seine Fähigkeiten anbelangte. Ob er auch diese Kälte spüren konnte und wenn er zur Hälfte ein Vampir war, musste er dann auch Blut trinken? Es gäbe eine lange Liste, wenn ich ihm all diese Fragen aufhalsen dürfte.
Jedoch verbrachte ich mein Wochenende mit Stubenarrest. Vater war völlig außer sich und er hatte mir nun den Geldhahn einen Viertel zugedreht. Aber das machte nichts, noch floss Geld. Was mich eher beunruhigte, war, was erzählte ihm, wenn ich beinahe jeden Tag später nach Hause kam? Ich grübelte schon das ganze Wochenende darüber. Es musste eine plausible Lösung für solch ein Problem geben.
Erst als ich am Sonntagabend gelangweilt Fernsehen schaute, platzte mein Vater herein und warf mir einen bestürzten Blick zu.
»Jolina, es könnte sein, das ich einige Wochen weg muss«, sagte er seufzend.
Ich zog nur eine Augenbraue hoch und blickte ihn erschüttert an. Wahrscheinlich wieder eine mehrwöchige Konferenz, sowie das Jahr zuvor.
Aber erst im Nachhinein musste ich mein Grinsen unterdrücken. Das passte ja wie die Faust aufs Auge. Welches Glück! Aber ohne Dad hier zu wohnen, war wie in einer fremden Umgebung zu leben. Damals hatte er einen Bodyguard für mich positioniert. Er sollte kontrollieren, wohin ich ging, was ich tat und wie ich mich fühlte. Es war grauenhaft.
»Ich werde dich jedoch in Ruhe lassen. Ich möchte wissen, ob du tatsächlich so reif bist. Schließlich bist du keine siebzehn mehr, Jo.«
»Keine Bodyguards, keine Aufpasser, keine Babysitter mehr?«, fragte ich verdutzt nach. Aber er schüttelte den Kopf.
»Morgen früh werden wir uns nicht mehr sehen. Mein Flieger startete um fünf Uhr.«
Ich krabbelte aus dem Bett und schmiegte mich an ihn. »Wohin musst du fliegen?«
»Nach Istrien.« Die Heimatstadt der Vampire. Sofort kam mir Jaiden in den Sinn und die Geschichte über seine Mutter. Ich betrachtete sie nun aus einem ganz anderen Blickfeld. Sie waren alle herzlos. Auch wenn Pierre Lemuar sich als einen perfekten Regierungschef ausgeben mochte, war er dennoch das kalte Wesen, das alle kannten. Es schauderte mich, das er ausgerechnet dort in die Stadt fahren musste.
»Pass auf dich auf, ja?«, sagte ich besorgt und löste mich aus seiner Umarmung.
Er nickte nur, blickte mich ein letztes Mal an und verschwand schließlich aus meinem Zimmer. Einerseits freute ich auf seine unerwartete Reise, aber anderseits machte ich mir auch Sorgen.
Nach wenigen weiteren Stunden legte ich mich schlafen und schlief mit dem Gedanken an Jaiden ein.

Am nächsten Morgen war es tatsächlich so, dass mein Vater nicht mehr im Haus war. Das große Wohnzimmer fühlte sich leer an, als ich darin stand. Ich vermisste ihn jetzt schon.
Aber meine Laune hob sich gleich, als er mir einen wunderschönen Frühstückstisch gedeckt hatte. Er hatte Konfetti darauf gestreut und eine weiße Kerze brannte. Auf meinem Teller waren zwei Spiegeleier, die durch einen Schinkenstreifen zu mir lächelten. Er wusste genau, dass ich solch etwas nicht aß und hatte es nur als Dekoration verwendet. Im Backofen waren frische Brötchen und ich aß selten mit einem Lächeln auf dem Gesicht mein Frühstück.
Es hatte nie besser geschmeckt und rasch nahm ich meine Tasche, fuhr den privaten Fahrstuhl nach unten und wurde von meinem Lieblingsfahrer Jeffrey gefahren. Er war dunkelhäutig, trug meistens eine Sonnenbrille und den dazu passenden Smoking.
»Kannst du mir einen Gefallen tun?«, fragte ich freundlich und schaute auf seine glänzende Glatze auf dem Kopf.
»Jeden«, antwortete er mit dunkler Stimme und blieb dabei gelassen.
»Dürfte ich dieses Mal allein aussteigen?«
Er nickte. Ich hatte auch absichtlich einen Kleinwagen genommen und nicht diese lange Limousine.
In der Schule empfing mich gleich Julia, als ich ausstieg. Wir begrüßten uns mit einer Umarmung und sie erzählte mir von dem heiklen Wochenende und begann mich auszufragen, wo ich denn eigentlich gewesen war? Ich wollte ihr noch nichts davon erzählen. Auch wenn sie wusste, was ich war.
»Ah, du hast Nachhilfe gegeben?«
Ich nickte. »Ja, es war eine alte Grundschulfreundin gewesen. Ich hatte wieder Kontakt mit ihr aufgenommen und gab ihr etwas Nachhilfe.«
»Cool. Kannst du mir auch Nachhilfe geben?«, fragte sie im ernsten Tonfall. Ich lachte zuerst auf.
»Was? Julia, du bist Klassenbeste.«
Sie rümpfte ihre Nase. »Abgesehen von Politik, worin du eine eins hast.«
»Und du hast eine zwei. Reicht das nicht?« Sie schüttelte den Kopf. »Also gut, ich kenne mich jedoch nur in dem Gebiet so gut aus, weil mich mein Vater viel in der Politik gelehrt hat.«
»Super! Immer wenn Arbeiten in Politik anstehen, lernen wir die ganze Woche durch.«
Ich seufzte innerlich. Eine ganze Woche? Reichte nicht ein ganzer Tag? Musste es ausgerechnet eine Woche sein?
In der Pause konnte ich meine Gedanken nicht mit Julia teilen. Jaiden hatte sich zu mir durchgedrungen. Ob er irgendwo hier saß? Allein? Oder er arbeitete wieder an den Scans. Mein Bauch kribbelte ganz schrecklich, wenn ich daran dachte mich heute wieder mit ihm zu treffen. Die Aufregung brachte mich ins Schwitzen. Hitze wollte aus mir herausströmen.
»...oder er bietet es mir an«, vollendete Julia ihren Satz und ich hatte kein Wort davon verstanden. Natürlich nicht, ich hatte auch nicht zugehört. Ich ließ lieber meine Blicke über den Innenhof schweifen und begutachtete die Leute. Aber darunter befand sich kein Jaiden. Zugern hätte ich ihn gesehen.
»Du hörst mir gar nicht zu, stimmt’s?«, fragte sie erneut und ich nickte nur kurz, dabei schaute ich ihr nicht in die Augen, sondern blickte den Flur entlang. »Was ist bloß los mit dir?«
Erst jetzt suchte ich ihren Blickkontakt. »Nichts. Alles in Ordnung.«
Julia wusste, dass ich log. Vor ihr blieb nie etwas verborgen. Sie blieb nur bei ihrem misstrauischen Blick und begann ein neues Thema. Ich atmete aus.

Der Unterricht war tatsächlich schnell vorbei und ich begab mich sofort zum Bahnhof. Aber wo genau sollte ich auf ihn warten? Er war so groß. Wie sollte er mich da finden? Ich blieb einfach auf der Treppe stehen. Die Menschen stießen mich zur Seite, beschwerten sich, dass ich im Weg stand und warfen mir wütende Blicke zu. Von hier oben konnte man mich sehr gut beobachten.
Ich war so aufgeregt, dass mein Kribbeln keinen Halt fand. Er zerdrückte förmlich meinen Magen und setzte dadurch mein Blut in Schwung. Die Adern pulsierten, mein Herz pochte immer heftiger.
Ich drehte mich einige Male um mich selbst. Aber noch immer war in der Menschenmenge einfach kein Jaiden zu finden. Wir hätten uns einen genaueren Treffpunkt nennen sollen. Aber ich blieb noch immer auf der Treppe stehen. Hartnäckig. Denn die anderen Leute schubsten mich weiterhin, warfen mir Ausdrücke an den Kopf und wollten mich von der Treppe zerren.
Aber mein Warten hatte ein Ende, als eine Hand meinen Rücken entlang fuhr, über die Schulter glitt und sich mein Handgelenk schnappte. Jaiden lief vor mir und zog mich mit sich mit. Erst als das Gedränge weniger wurde, umschlang er meine Finger. Er wandte sich noch nicht zu mir und lief einfach in die Richtung des Zuges. Er sprang mit mir hinein, durchlief zwei Waggons und setzte sich mit mir in den menschenleersten Bereich. Erst dann durfte ich seine leuchtenden hellblauen Augen begutachten. Durch sein schwarzes Haar wirkte seine Vampirhaut wie glitzernder Schnee. Er zog mich jedoch erst in seinen Bann als er begann zu lächeln und das setzte er meistens immer auf.
»Das haben wir doch gut überstanden«, meinte er und faltete seine Hände, als er sich nach vorne beugte, die Ellenbogen auf seine Oberschenkel stützte und in einer lässigen Haltung dasaß.
Erst nach drei Atemzügen kam ich zu Wort. »Ja, aber diese Menschenmenge muss ich jeden Tag miterleben.«
»Maggon ist einfach zu groß.«
Ich nickte und blickte aus dem Fenster. Eine bestimmte Frage nagte an meinem Gewissen und ich wollte sie ihm unbedingt stellen. Mit einem unsicheren Blick rollte ich meine Pupillen zu ihm.
»Ich habe dich heute gar nicht in der Schule gesehen.«
Sein Lächeln verwirkte zuerst, die Augenbrauen zogen sich zusammen und er schien zu versuchen eine passende Antwort zu finden.
»Ja, ich war heute auch nicht in der Schule.«
»Warum?«
Er räusperte sich und lehnte seinen Rücken zurück an die Sitzlehne. »Ich wurde einberufen.«
»Einfach so?«, fragte ich misstrauisch. »Ich meine, ich dachte immer Schule steht an erster Stelle. Musstest du dann eine Entschuldigung fälschen?«
Sein Lächeln tauchte wieder auf. »Ja.«
Für mich klang es unmöglich in meinen Ohren, aber anscheinend war es für ihn Alltag. Mein Vater hätte mir damals nie eine Entschuldigung geschrieben, wenn ich keine Lust auf die Schule gehabt hätte oder, in meinem Sinn, besseres zu tun gehabt hätte. Auch jetzt, da ich meine Entschuldigung selbst schreiben konnte, verbot er mir die Schule zu schwänzen. Er setzte jedes beliebige Mittel ein, das mir bessere Noten verschaffen könnte und mir somit eine höhere Chance gab, um einen späteren guten Job zu erhalten. Meine Türen dazu standen alle offen, aber ich lief durch keine einzige.
»Ich habe mir deine Zeugnisse angeschaut.«
Ein eiskalter Schauer lief meinen Rücken hinunter und alles schien in mir zu gefrieren. Oh nein, nicht meine Zeugnisse! Ich war in einem schlechten Notenbereich und natürlich konnte ich viel mehr, aber ein Teil von mir wollte es einfach nicht. Dieses Jahr bekäme ich eventuell sogar eine glatte Fünf, wenn mein Lernen so weiter verliefe. Am liebsten wäre ich im Boden versunken.
»Ich denke, du kannst mehr als auf dem Blatt Papier steht.«
Ich blinzelte ihn an. »Ja, aber ich habe all die Jahre nicht wirklich den Mut dazu gefunden.«
»Ich denke eher der Druck deines Vaters macht dich fertig. Du bist all die Jahre stur geblieben und hast das getan, was du für richtig hieltst.«
Eine Augenbraue hob sich in die Höhe. War er eine Art Menschenkenner? Und woher wusste er so viel zwischen der Beziehung meines Vaters und mir? Meine Blicke wurden immer misstrauischer.
»Ich stöbre eigentlich nicht herum, aber bei dir wurde ich einfach neugierig.« Ich wusste nicht genau, ob ich dies für gut oder schlecht halten sollte. Natürlich erfreute es mich, dass er an mir Interesse zeigte, aber musste er gleich in meine Papiere schauen? »Die Regierung behielt sich eigentlich immer im Hintergrund, aber da du die Tochter eines ziemlich wichtigen Mannes bist, liegt in der Schule eine dicke Akte über dich. Hauptsächlich monatliche Beobachtungen. Wie du dich verhältst, Freunde, Bekannte, Verhältnis zu Lehrern...Es ist eine ganze Menge.«
Ich wusste darüber überhaupt nicht Bescheid. Niemand sagte mir, dass wir alle so streng überwacht wurden. Oder war ich die Einzige in der Schule, die solch eine dicke Akte besaß? Ich blickte ihn wieder an, als ich meiner Fassungslosigkeit entkam.
»Bin ich die Einzige, die beobachtet wird?«
»Streng genommen, ja. Allerdings werden auch einige andere Schüler beobachtet. Aber das Schlimmste vor allen Dingen war der letzte Text, den ich aus der Akte sofort entfernt habe.« Angespannt blickte ich ihn an. Was war es? Seine eisblauen Augen blickten mir tief in meine. »Sie verdächtigen dich als Phyne. Es gab einige Male Situationen in denen du das erkenntlich zeigst. Sie hatten jede Einzelne aufgeschrieben. Sie glauben auch du bist nur so schlecht, weil du eben durch zwei geteilt bist.«
Ich hielt mir die Hand vor den Mund. Ob Vater das schon wusste? Mein Entsetzen hielt noch eine Weile an. Sogar als wir aus dem Zug stiegen, konnte ich nicht fassen beobachtet und als Phyne verdächtigt zu werden. Ging das schon mein ganzes Leben lang so?
Jaiden ergriff wieder meine Hand und wir stiegen noch eine Haltestelle weiter als gestern aus. Dort waren zwar die Häuser beinahe genauso, aber je tiefer man in das Gebiet hineinging, desto schöner wurde es. Hier waren blühende Parks, spielende Kinder, viele Leute und frisch renovierte Häuser.
Er zog seinen Schlüssel heraus und lief mit mir, nachdem wir das Gebäude betreten hatten, nach unten in den Keller. Dort war eine ziemlich modern-technische Tür. Man konnte nur mit einem Hand- und Augenscanner den nächsten Raum betreten. Jaiden blickte mich räuspernd an.
»Reine Vorsichtsmaßnahmen.«
Ich nickte unsicher und er scannte seine Hand und seine Augen ein. Tatsächlich streifte eine neongrüne Lichtlinie die hellblaue Iris und eine aufblinkende Glasscheibe scannte seine Hand. Das rote Licht über der Tür wurde grün und der Eingang wurde geöffnet.
Er lief hindurch und ich folgte. Alle Räume danach waren herkömmlich, einfach. Die Flure wurden mit braunen Fliesen belegt, weiße, frisch angestrichene Wände umgaben mich und Wandlampen leuchteten uns den Weg. Die Atmosphäre wirkte für mich sehr behaglich. Ich fühlte mich wie zu Hause.
Bevor Jaiden eine Tür öffnete, blickte er zu mir herunter. »Also, wir werden jetzt in mein Zimmer gehen. Es ist nicht mein richtiges Zimmer, denn eigentlich sollte ich bloß vorübergehend hier wohnen.«
Ich nickte und schluckte, bevor er die Tür öffnete. Zuerst flog mir eine frische in die Nase. Er hatte dort ein Fenster geöffnet. Anschließend schien ein Sonnenstrahl auf mein Gesicht und kitzelte meine Nase. Erst als ich mit beiden Beinen drinnen stand, begutachtete ich die Umgebung. Das Zimmer war genauso wie indem ich aufwachte. Abgesehen von dem dunklen Holzkleiderschrank, den etwas größeren zwei Fenstern und dem Schreibtisch. Aber es war angenehm hier drinnen zustehen. Im Hintergrund hörte man leise die Kinder lachen. Ich fühlte mich schon gleich dazugehörig. Beinahe so, als wäre das Zimmer wie für mich geschaffen. Ich liebte einfältige Zimmer, die dennoch etwas Gemütliches an sich hatten. Zu Hause hingegen war die Umgebung erträglich. Manchmal störte mich das zu viel Hightech.
Ich lächelte zufrieden und Jaiden tat es mir gleich.
»Gut, dass es dir zu gefallen scheint. Für mich reicht es.«
»Wie lange lebst du denn schon hier?«, fragte ich neugierig.
Seine Augen kreisten zu mir. »Einige Jahrzehnte.«
Ich schüttelte missverstanden den Kopf. Moment! Wie alt war er denn? Durch meinen misstrauischen Blick konnte er meine Frage, die mir im Kopf herumschwirrte und einfach keine Antwort fand, erhaschen.
»Insgesamt lebe ich schon fast sechsundvierzig Jahre.« Bevor ich zu meiner Gegenfrage greifen konnte, sprach er weiter. »Das kommt von meinem Vampirblut. Durch deine Dämonin wird dir das Gleiche passieren. Dämonen und Vampire sind sich in der Hinsicht sehr ähnlich. Sie alter einfach nicht. Wenn die Knochen und alle Organe ausgewachsen sind, wirst du beinahe ewig leben.«
»Beinahe?«, fragte ich nachharkend.
»Natürlich tritt irgendwann das Altern wieder ein, aber das zieht sich über Jahrhunderte. Pierre ist einer der ersten Vampire gewesen und wann die entstanden sind, weißt du ja bereits.«
Ich nickte und holte tief Luft. Pierre Lemuar sah noch jetzt sehr jung aus. Er musste also in einem Zeitraum von sechs- bis siebenhundert Jahre alt sein. Das war ja unglaublich!
»Müsste dann nicht irgendwann eine Überbevölkerung entstehen?« Ich merkte selbst, dass ich zu viel fragte.
»Deshalb gibt es Gesetze. Ein weiblicher Vampir darf ein Kind in seinem Leben in die Welt setzen. Das heißt, es kann nach hundert Jahren erst kommen oder nach sechshundert. Die Rate der Geburten ist so gering, das man keine Rate braucht.« Ich zog überraschend beide Augenbrauen nach oben. »Dasselbe gilt für Dämonen.«
Er lief zu seinen Schreibtisch und suchte in seinem Papierchaos zwei Blätter heraus. »Ich mag vermutlich genauso wenig Papierkram wie du, aber leider muss es sein. Wir müssen wissen, wer du bist und wie wir dich erreichen.«
Ich nickte einverstanden, setzte mich an den Tisch und füllte die Zeilen aus. Es war eine Art Personalbogen und einige Entscheidungsfragen, wie: Was wäre wenn...
Als ich alles ausgefüllt hatte, las er sich meine Antworten auf seinem Bett, bis ins Detail, durch. Nach wenigen Minuten, als er auf der Fragenseite gelandet war, musste er kichern.
»Was wäre, wenn Sie einen Wunsch im Leben frei hätten? Deine Antwort war: Ich würde gerne das Dynamikland besuchen ... Das ist ein Freizeitpark.« Er lachte wieder und kratzte sich dabei am Kopf. Ich zuckte bloß mit den Schultern.
»Mein Dad hatte es mir damals verboten und heute tut er es immer noch. Wegen den Scankontrollen. Da kann ich mich leider nicht durchschmuggeln.«
Er nickte und schüttelte dennoch den Kopf. Ich setzte mich neben ihn und las mir meine Antworten ein drittes Mal durch.
»Was ist ihr größter Traum?« Er blieb an den Zeilen hängen und murmelte die Frage eher, als würde sie ihn verwundern oder interessieren. Ich las mir im Kopf meine Antwort durch. Mit meinem Dad nach Oceanbreakers fahren, an den Strand mit dem goldenen Sand fahren und meine Füße ins Meer tunken. Ich hatte noch nie in meinem Leben das Gefühl von Freiheit gespürt. Aber in diesem Moment, als meine Füße das kühle Wasser spürten, eine Meeresbrise an mir vorbeizog und ich die Sonne untergehen sah, fühlte ich mich zum aller ersten Mal in meinem Leben von allem befreit. Ich wollte nie wieder weg, jeden Tag dieses Gefühl von Freiheit spüren und mir vorstellen, dass die Brise all meine Sorgen mit ins Meer sog. Doch leider war dieser Traum nicht real. Er war bloß eine Empfindung eines Momentes, der nicht länger dauerte als wenige Sekunden.
Jaiden faltete die Blätter ordentlich zusammen und legte sie neben sich auf das Nachtschränkchen.
»Heute machen wir keine Übungen. Ich muss erst die Daten an unsere Zentrale schicken und anschließend wird dir ein Plan erstellt. Wie in der Schule. Nur wird dein Training zweimal die Woche stattfinden und es wird über eins bis zwei Stunden gehen.«
»Klingt anstrengend.«
Er lächelte mich an. »Kleinigkeit. Meinen Lehrgang konnte man als anstrengend bezeichnen.«
Ich stieß mich von der Bettlehne ab und blickte ihn schockiert an. »Bist du so etwas wie mein Lehrer?«
»Abteilungsleiter und Trainer. Ja, so könnte man es nennen. Ich bin ab sofort für deine Sicherheit verantwortlich und für die Waisen, die auch hier wohnen.«
»Das hört sich ja aufregend an.«
Er rümpfte die Nase und sank mit dem Kopf auf das Kissen. Dann blickte er zu mir nach oben. »Der Lehrgang war wirklich hart. Ich musste eine Woche in der Wüste verbringen, ohne eigene Ressourcen. Aber zum Glück fand ich eine Oase.«
Meine Augen weiteten sich. »Ganz allein?«
Er nickte. »Ohne jegliche Hilfe. Sie wollten meinen Kampfgeist prüfen. Ich hatte wirklich Glück gehabt. Denn du musst dich irgendwann an Sternen orientieren. Das war eigentlich mit einer der härtesten Prüfungen.«
»Erzähl mir mehr!«, forderte ich neugierig.
Aber er schüttelte den Kopf und setzte sich auf. Seinen Oberkörper drehte er zu mir. »Ich will dich nicht abschrecken. Selbst deine Prüfungen könnten auch für dich heftig werden.« Ich schluckte.
Wir starrten uns eine Weile lang an. Seine Augen gaben mir ein wohltuendes Gefühl. Ich konnte die Eiskristalle in seinen Augen förmlich sehen. Sie glitzerten und mussten durch meinen feurigen Blick zu schmelzen beginnen. Ich hatte die Sekunden nicht gezählt in denen wir einander anschauten, aber es setzte ein Kribbeln in mir frei.
Erst als er begann zu blinzeln, was er vorher nicht tat, bemerkten wir die Fesselung. Ich löste mich ihr, indem ich auf die Bettdecke starrte.
»Kannst du kurz deine Hand senkrecht zu mir strecken?« Zuerst blickte ich ihn verwirrt an, tat jedoch was er befahl. »Keine Angst. Ich will nur etwas ausprobieren.« In seiner Stimme lag Neugierde.
Mit seinen drei längsten Fingern berührte er meine Handfläche und ich spürte die eisige Kälte. Es war das gleiche Gefühl, als wenn ein Eiswürfel auf meine Haut gleiten würde. Aber dann spürte ich einen Druck in seinen Fingern. Sein Ausdruck war konzentriert. Nach einigen Sekunden zog er blitzschnell die Hand weg und ballte sie zu einer Faust. »Autsch!«, fluchte er dennoch leise und konnte seine Augen nicht von meiner Handfläche lassen. Wie es aussah, hatte er versuchte seine Kälte auf meine Hitze zu übertragen. Die Spannung wurde zu groß und er bekam eine Art Stromschlag.
»Warum fasziniert dich ein Dämon so?«, fragte ich.
Er senkte seinen Blick und schaute, wie ich vorhin, zur Bettdecke. »Ich weiß es selbst nicht. Mich fasziniert alles was mir neu ist. Wie ein kleiner Junge. Seit mich Kyla verbrannt hatte, wollte ich immun gegen die Hitze werden. Es brachte mir allerdings nur Brandblasen und weitere Schmerzen.«
Ich hob verstehend den Kopf. »Ah. Naja, jetzt weißt du ja wie es sich anfühlt, wenn man immun ist.« Damit meinte ich unsere vorherige Berührung. »Auch wenn ich kein echter Dämon bin.«
Er lachte. »Das stimmt.«






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