Dämonisch bissige Liebe - Teil 8

Autor: Noa
veröffentlicht am: 25.01.2013


Und weiter ;D Wie versprochen :D

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Kapitel 8 – Neugierig

Es hatte sich wie ein Nickerchen angefühlt. Kurz, guttuend und ungenügend. Als ich langsam zu mir kam, spürte ich erstmals wie meine Brust schmerzte. Meine Knochen fühlten sich noch eingequetscht an. Unter meinem Körper befand sich eine Matratze. Ein Bett! Ob ich bei mir Daheim lag? Mein Vater würde mich wahrscheinlich nach diesem Vorfall nie wieder ohne Bodyguards aus der Tür lassen. Ich hatte es ihm versprochen auf mich aufzupassen, aber anscheinend verschlimmerte sich die Situation von Tag zu Tag.
Ich war noch nicht ganz da, um den Moment besser analysieren zu können. Ein Kribbeln entfachte meine Haut, die sich eiskalt anfühlte. Meine Dämonin war untergetaucht, als ob sie sich vor etwas verstecken würde. Die gebrochenen Stücke versuchte ich zu einem Filmband zusammenzufügen. Der Schmerz sorgte für den Halt zwischen den verschieden Stücken und bald hatte ich das Puzzle fertig. Ich erinnerte mich an meine letzten Momente, die mein Gedächtnis noch aufnahm. Besonders der Schmerz, den der Container und die Wand verursachten, machte mir schwer zu schaffen. Ich hatte so gelitten in diesem Augenblick. Meine Angst war größer denn je und erst als es ausweglos zu sein schien, zog sich meine Dämonin zurück. Es fühlte sich an, als ob ein Dompteur den Löwen vor den Zuschauern gebändigt hätte. Deshalb fiel ich auch in Ohnmacht, da meine Magierin diesem Schmerz nicht mehr standhalten konnte.
Meine Sinne begannen den Raum, in dem ich lag, zu identifizieren.
Mein Tastsinn spürte die warme Matratze unter mir und auch die angenehme Atmosphäre, die mich nicht frieren ließ.
Mein Gehörsinn lauschte der Stille. Ich hörte Geräusche außerhalb des Raumes. Draußen zwitscherten Vögel und ich hörte ein leises Kinderlachen, ganz in der Nähe. Selbst in meinen Nebenräumen schien es still zu bleiben. Es beunruhigte mich, denn ich fühlte mich allein. Das ließ mich in einem Dunkeln stehen und warf Fragen auf.
Mein Geschmackssinn konnte noch das restliche Blut schmecken, das mir in meine Mundhöhle geschossen sein musste, als der Container immer und immer wieder auf mich eindrosch. Selbst jetzt klopften seine Hiebe im gleichen Rhythmus auf meine Brust.
Mein Geruchssinn konnte den Duft von Blumen wahrnehmen. Ich sog unbemerkt mehr Luft ein. Lilien. Sie mussten in einer wundervollen Farbe blühen. Ich liebte außerdem diese Sorte von Blumen. Nach meinem Sinn zu urteilen, sollten sie in der hinteren Ecke meines Raumes stehen. Außerdem kroch eine frische Brise in meine Nase. Ich mochte offene Fenster.
Zuletzt öffnete ich meine Augen, sanft. Ich wusste nicht was mich erwartete. Ich erblickte einen Teil meiner Matratze und ein hellbraunfarbiges Holznachtschränkchen. Darauf stand eine Digitaluhr. Es war kurz nach acht. Im ersten Moment realisierte ich die Uhrzeit nicht wirklich, sondern war viel zu neugierig auf meine Umgebung gewesen. Meine Pupillen glitten an der dunkelbraunen Wand hoch, um zu einem relativ großen Fenster zu gelangen, das weiße Jalousien vor der Scheibe hängen hatte. Sie waren nur zur Hälfte geschlossen. Durch die Rillen konnte ich das Zwielicht erkennen. Ich schloss erneut meine Lider, kniff sie fester zu und bewegte allmähliche meine Muskeln.
Ohne mich vorher umgedreht zu haben, schaute ich erst wieder auf, als ich am Rand des Bettes saß. Meine Schultern hingen erschöpft nach vorne und mein Kopf hatte sich auf meine Brust abgesetzt.
Ich ging im Schnelldurchgang all meine Sinne durch. Fühlte, hörte, sah, schmeckte und roch. Alles blieb beim Alten, aber nur solange, bis ich meinen Kopf hob und weiter nach links schaute. In meinem Augenwinkel entdeckte ich einen Arm, Füße und einen halben Kopf, der mich offensichtlich schon die ganze Zeit beobachtete hatte.
Erschrocken wich ich auf das Bett zurück und hob meine Füße darauf. Es dauerte nur einen kleinen Moment bis ich den Jungen im schwarzen Kapuzenpullover, dunkelblauer Jeans und denselben Turnschuhen, solche, die auch der kleine Junge getragen hatte, entdeckte. Es war der Phyne!
Ich wusste nicht, ob es angebracht war sich zu freuen oder doch erschrocken zu wirken, denn beide Gefühle schossen im selben Moment in die Höhe. Entscheiden konnte ich mich dennoch nicht und behielt meine alte Position bei.
Wie immer stockte meine Stimme und ich blickte lieber weiterhin den Phyne an. Er warf mir ein Lächeln zu, als er merkte, dass ich ihn erkannt hatte.
»Geht es dir besser?«, fragte er freundlich, leicht besorgt. Tatsächlich rutschte mir nur eine einzige Antwort heraus. Es war eher eine Frage, die mich schon seit gestern gequält hatte.
»Das sollte ich eher dich fragen, oder?«, konterte ich und ließ wieder meine Beine auf den Boden aufsetzen.
»Mir geht es gut. Ich kann mir vorstellen, dass du Fragen wegen gestern hast. Aber – Jolina, richtig?«
Ich schaute ihn mit blinzelnden Augen an und warf ihm dabei einen verdutzten Blick zu. Woher in aller Welt wusste er meinen Namen? Musste ich mir jetzt tatsächlich Sorgen machen?
Ich nickte besonnen und krallte mich an der Bettkante fest.
»Tut mir wirklich leid. Ich wollte nicht zu neugierig sein, aber ich konnte nicht anders. In deiner Tasche-« Er deutete mit seinem Blick auf den neben mir liegenden Rucksack. »-hatte ich deinen Ausweis gefunden.«
Mir gefiel es nicht, wenn Leute in meinen Sachen schnüffelten. Egal ob sie meine Retter waren oder Freunde. Niemand hatte darin zu wühlen. Ich rümpfte meine Nase und verschränkte verärgert meine Arme vor der Brust.
»Schon mal was von Privatsphäre gehört? Oder Eigentum?«
Er senkte seinen Kopf und faltete seine Hände zusammen, als er seine Ellenbogen auf seine Oberschenkel stützte und sich nach vorne beugte.
»Das war nicht wirklich meine Absicht, aber aus Sicherheitsgründen musste ich wissen wer du wirklich warst. Es gibt hier zu viele Ratten.«
Ich zog fraglich eine Augenbraue nach oben. »Ratten?«
Er lacht leise. »Ja, Ratten. Personen, die meinen sie müssten etwas in ihre Ohren bekommen, das gar nicht für sie bestimmt war. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.«
Vorsichtig nickte ich, da ich jetzt keinen Streit verursachen wollte, sondern erst auf all meine Fragen eine Antwort wollte. Er würde mir wahrscheinlich nicht alle beantworten. Aber wenigstens ein paar.
»Okay. Es gefällt mir zwar nicht, aber wie es aussieht, bin ich dieses Mal diejenige, die lieber Vorsicht walten sollte.«
Er lächelte und schaute mich schweigend an. Mich durchzuckte es kurz. Irgendetwas an ihm war mysteriös, sowie auch normal. Es musste daran liegen, dass er dasselbe durchmachte wie ich. Ein Phyne zu sein, bedeutete eine große Last für sein restliches Leben tragen zu müssen. Man musste sich praktisch in ein Haus verkriechen, das man nie wieder verlassen durfte, denn ansonsten hätte man den Tod eingelassen. Die Regierung war wie das Auge eines Adlers. Wachend, auf der Hut und kontrollierend.
Da stand er auf und lief zum Nachtschränkchen. Er nahm ein Gerät in die Hand und hielt es vor meine Nase.
»Ich hoffe, du kannst mir ein zweites Mal verzeihen«, sagte er bittend und reichte mir mein Handy. »Es hatte die ganze Zeit über vibriert und machte einen riesen Lärm. Ich dachte, es sei besser, wenn du dich ungestört ausruhen kannst.«
Schnell riss ich es an mich und die Uhrzeit fiel mir wieder ein. Ich drehte mich zu dem digitalen Wecker. Acht Uhr und sechszehn Minuten. Ich sog erschrocken die Luft in meine Lunge. Ich sollte schon seit einer Stunde zu Hause sein. Meine Hand begann zu zittern und ich traute mich nicht die ganzen Nachrichten zu lesen. Dad würde ausflippen, mich wahrscheinlich für immer einsperren. Verkrampft hielt ich es in der Hand und konnte nicht aufhören darauf zu starren.
»Ich bin tot«, hauchte ich piepend. »Mehr als tot.«
»Was meinst du damit?«, fragte er ungewiss.
Ich schaute wieder zu meinem Handy, entsperrte den Bildschirm und las: Sie haben 50 neue Nachrichten. Mein Atem stockte. Jedoch waren nur die ersten sechs SMSen von meinem Vater und der Rest von Julia.

Mein Vater:Verdammt, Jo! Wo steckst du wieder? Na warte, wenn du nach Hause kommst. Hatten wir nicht schon gestern das Thema?

Ich überlas die meisten Nachrichten, da sie dasselbe beinhaltete wie die davor. Dann kam zum Schluss:

Fräulein! Jolina! Komm jetzt sofort nach Hause. Ich hatte dir verboten auf Bens Party zu gehen.

Verdutzt setzte ich eine Augenbraue nach oben. Wie kam er denn auf solch eine Idee? Ich hatte ihm doch gesagt, dass ich dort nicht hingehen werde.
Aber alles klärte sich bei der nächsten Nachricht auf. Denn die Restlichen waren alle von Julia. Die Zwanzigste erläuterte es näher.

Okay, Jo! Ich werd’s dir sagen. Ich habe deinem Daddy gesagt, dass du mit mir auf Bens Party gegangen bist, weil er mich anrief und fragte wo du bist. Da wollte ich dich eigentlich vor etwas beschützen, aber wahrscheinlich habe ich alles nur noch schlimmer gemacht. Es tut mir so mega dolle Leid! Hoffe du kannst mir verzeihen. Aber verdammt nochmal, wo bist du denn wirklich?

Ich musste kurz schmunzeln. Dieses Mädchen war wirklich meine Rettung gewesen. Mein Vater hätte eine halbe Armee losgeschickt um mich zu finden. Aber wieso ortete er mich nicht per GPS? Das war wirklich seltsam.
Ich schrieb Julia zurück und sagte, dass alles in Ordnung sei und sie mir sogar damit einen Gefallen getan hätte. Anschließend formulierte ich die Nachricht an meinen Vater so, dass ich dabei mein Alter erwähnte und meinte, ich könnte tun und lassen was ich wollte. Das schindete ein wenig Zeit. Ich wollte gar nicht nach Hause. Zum Ersten war es hier viel interessanter mit dem Phyne und zum Zweiten hatte ich keine Lust auf den Ärger, der mich erneut erwartete. Schließlich schickte ich sie ab und hatte beinahe vergessen, dass der Phyne noch vor mir saß.
Ich räusperte mich und legte das Handy aus meiner Hand.
Er schaute mich an und lächelte. Für einen Vampir ziemlich ungewöhnlich, dass diese Wesen so freundlich sein konnten. Aber er war ja kein echter Vampir, sondern eine Mischung. Ein Phyne.
»Jolina, hör mal, dir ist gestern sicher etwas aufgefallen, richtig?« Ich nickte zögernd. »Wir beide haben etwas gemeinsam. Etwas, das unser Tod bedeuten könnte, wenn es jemand wüsste. Gestern habe ich es schon im Zug gespürt. Deine Aura war viel zu stark und auffällig. Deshalb war ich auch an dir vorbeigegangen und hatte sie praktisch versucht abzukühlen. Denn einigen Magiern bist du aufgefallen.«
War das tatsächlich so? Deshalb hatte ich die eisige Kälte gespürt. Er hatte einen kühlen Luftzug auf mich zukommen lassen, damit ich verdeckt blieb. Ich wusste wirklich nicht, dass es anderen Magiern auffallen konnte.
»Deshalb ist es wichtig, dass du lernst deine Fähigkeiten zu kontrollieren.«
Diesen Satz hatte ich schon so oft gehört. Mein Vater schickte mir immer illegale Phyne-Trainer. Sie lehrten mich in meiner Kunst, aber es eher zu unterdrücken, als es zu benutzen. Das ärgerte mich an dieser ganzen Geschichte. Phyne-Trainer sollten dazu da sein, die Fähigkeiten des anderen so zu trainieren, dass er sie verdecken und zur rechten Zeit einsetzen konnte. Aber mein Vater war strikt dagegen. Er wollte, dass ich vergesse, dass es noch ein zweites Wesen in mir gab. Deshalb weigerte ich mich weiterhin solch eine Person in mein Zimmer zu lassen. Dieser hier schien ebenfalls einer zu sein.
Ich verschränkte die Arme und blickte ihn misstrauisch an. »Was erwartest du nun von mir?«
Er begann zu grinsen. »Ich möchte dir zeigen, dass es ein Geschenk ist ein Phyne zu sein.«
Ich riss meine Augen auf und warf ihm einen verdutzten Blick zu. Meinte er das im Ernst? Also zum Tode verurteilt zu werden, sollte ein Geschenk sein? Das konnte er nicht ernst meinen.
»Du bist nicht der Erste, der mir solche Blicke zuwirft. Lass dich nicht von deiner Angst leiten, sondern von deinen Instinkten. Ein Dämon zu sein, bedeutete mehr als einfach nur Verantwortung und Schande. Es bedeutet, man ist stärker denn je. Gestern hatte ich gemerkt, dass du dich verwandeln konntest, aber sehr unkontrollierbar. Wenn wir das üben, dann-«
Ich unterbrach ihn, indem ich meine Hand hob und meine Augenbraue hoch zog. »Warte mal! Was? Wir? Üben?«
Er nickte zögerlich und sein Lächeln verschwand. »Magst du denn dein Leben, so wie es ist?«
Mein Kopf senkte sich. Nun ja, wenn ich tatsächlich lernte mich zu wehren, könnte ich eine Chance haben zu überleben. Ich wusste nicht, was mit Phynen passierte, die der Regierung ausgeliefert werden würden. Nur Eines; sie tauchten nie wieder auf.
»Ich kenne dich doch gar nicht.«
Ein Lächeln schlich sich wieder in sein Gesicht. Er kicherte leise. »Na und? Dann lernen wir uns halt kennen. Du wirst bestimmt keine bessere Chance erhalten.«
Jetzt lächelte ich ihn frech an. »Wer sagt denn, dass es niemand besseren gibt?«
Er verschränkte die Arme und lief zum hinteren Teil des Raumes. Von der Wand entnahm er ein Bild und reichte es mir. Ich schaute es mir genau an.
Dort auf dem Foto waren ungefähr dreißig Leute zu sehen. Beinahe jeder mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie standen in Reihen, wie bei einem Klassenfoto. Ganz vorne waren kleine Kinder, zwischen acht bis elf Jahre. Dahinter ältere und ganz hinten die Ältesten. Am Rand stand der Phyne. Er sah genauso jung aus wie jetzt, bis auf seine veränderte Frisur. Die Gruppe stand in einem Garten oder Park. Die Sonne schien hell und ließ das farbige Foto fröhlich wirken.
»Wer sind diese Leute?«
»Phynes.«
Ich starrte weiterhin auf das Foto? Alle? Jeder Einzelne? Ich hätte nie gedacht, dass es von ihnen so viele gäbe. Aber die Säuberung hatte doch alle Phyne beinahe ausgerottet. Am unteren Rand des Bildes entdeckte ich eine Jahreszahl. Es war zwölf Jahre alt und der Phyne wirkte noch ziemlich jung.
»Hast du sie alle trainiert?« Als ich aufblickte, nickte er. Unglaublich. »Wo sind sie alle? Wohnen sie hier?«
»Nein. Sie sind aus verschiedenen Stadtteilen von Maggon. Jedoch wurden schon sechs von ihnen geschnappt...« Er seufzte. »...ich hatte sie nicht retten können.« Er klang dabei sehr enttäuscht und rieb sich seine Augen. »Ich will bloß verhindern, dass eine zweite Säuberung stattfindet. Ich hatte mich mit den Restlichen zurück in die Wüste verzogen und dort abgewartet bis es vorbei war. Alle diese Kinder waren im Alter von sieben bis neunzehn Jahren. Ich baute ihnen ein Leben auf.«
Ich atmete langsamer. Gleichzeitig war ich erstaunt über seine Worte. Er setzte sich für Personen ein, die genauso litten wie ich. Aber was war an ihm anders? Er wirkte ziemlich erfahren. Er war schon interessanter als ein Lexikon. Ich konnte schon beinahe nicht anders, als zuzusagen. Er wirkte sehr vertrauenswürdig und wir konnten uns beide nicht verraten. Er würde genauso gefasst werden wie ich, durch den Genscanner. Ein magisch-technisches Gerät zum Analysieren von Phynes.
»Du hast mir noch gar nicht deinen Namen genannt«, bemerkte ich und stützte meinen Kopf, indem ich meinen Ellenbogen auf mein rechtes Bein aufstellte und meine Hand mein Kinn festhielt.
»Jaiden.«
Für ihn ein wirklich schöner Name. Er passte zu ihm. Besonders hypnotisierten seine hellblauen Augen mich. Es war dieselbe Beziehung wie zwischen einem Schmuckhändler und seinem Diamant. Er faszinierte mich in jeder Hinsicht. Es sollte mehrere Phynes von seiner Art geben. Jeder würde jedem helfen. Vielleicht könnte die Regierung dann auch noch ein Auge zudrücken.
Ich lächelte beschämt. »Bist du hier sozusagen der Boss?«
Er lachte leise. »Warum interessiert dich das?«
»Du wirkst sehr erfahren.«
Das Kompliment musste ihn erfreut haben. »Sagen wir, ich bin eventuell ein unbedeutender Mitspieler einer riesigen Organisation.«
Ich spitzte meine Ohren. »Welche Organisation?«
»Sie ist geheim und unterstützt Phynes. Sie besteht fast nur aus ihnen. Der Anführer ist halb Drache, halb Dämon. Er ist am Stärksten von allen. Du würdest ihn bestimmt interessieren. Dämonengene ist selten.«
»Aber Vampire doch auch, oder?«
»Ja. Sagen wir ziemlich selten. Die richtigen Vampire sind so eingebildet und eitel, dass es ihr Ehrgefühl vernichten würde und sie sich deshalb niemals mit einer anderen Rasse paaren würden.«
Ich fragte nur aus purer Neugierde. Schließlich hatte ich mich noch nie in meinem Leben so intensiv mit einem Phyne unterhalten. »Darf ich fragen wer denn der Vampir war?«
»Meine Mutter. Sie fühlte sich nie wirklich dazugehörig in ihrem kleinen Clan und ging eines Tages ihrem Mann fremd-« Er brach ab und zog beide Augenbrauen zusammen. »Möchtest du das denn wirklich hören? Meine Geschichte ist bestimmt grausamer als deine.«
Ich nickte eifrig. Daraufhin lockerten sich seine Gesichtszüge.
»Sie lernte einen Magier kennen und ließ sich von ihm schwängern. Als ich geboren wurde, erkannte ihr Mann, dass ich anders war. Meine kalte Aura war noch von einer Wärme umzogen, die kein Vampir mehr besaß. Daraufhin wollte er mich töten lassen, aber meine Mutter wehrte sich und rannte davon. Sie stellte mich vor der Tür meines Vaters ab und hatte keine andere Wahl als zurückzukehren. Um ihre Ehre wiederzuerlangen, musste sie sterben. Sie wurde bei lebendigem Leibe in der Sonne verbrannt.«
Ich schluckte und streifte über meine Haut. Das war tatsächlich grausam. Wie konnten die Vampire nur so etwas tun? Aber ihr Stolz war legendär. Sie waren anmutig und einer der ältesten Wesen, das sie dadurch so hochnäsig gemacht hatten. Ihre Lebensweise war in einer Stadt aus Eis, weit oben im Norden, wo die Sonne niemals schien. Das bekannte Schloss war der Sitz des obersten Rates. Das höchste Ratsmitglied gehörte zu der Regierung. Pierre Lemuar. Aber ich gab ihm den Spitznamen Dracula. Passte eher.
»Das tut mir wirklich leid. Das muss grausam für sie gewesen sein. Aber darf ich etwas anmerken?« Er nickte. »Deine Mutter musste dich wirklich geliebt haben, sonst hätte sie nicht alles gegeben, um dein Leben zu schützen.«
Er schaute an mir vorbei und schien sich in der Leere verloren zu haben. Gedanken bewohnten ihn nun und offensichtlich mussten meine Wort bei ihm etwas ausgelöst haben. Sein Unterkiefer spannte sich jedoch an. Nach wenigen Sekunden wandte er sich wieder zu mir.
»Wenn sie mich niemals geboren hätte oder ich als vollwertiger Vampir zur Welt gekommen wäre, würde sie immer noch leben.« Ich verstand. Er gab sich die Schuld für ihren Tod. Aber dafür konnte er nun wirklich nichts. Ich seufzte. Ich und meine große Klappe. Wahrscheinlich waren meine Worte wie ein Schlag ins Gesicht für ihn.
Er setzte sich neben mich und schaute mich an. »Was ist mit dir?« Sollte ich ihm ein bisschen von mir erzählen? Ob das etwas schaden könnte? Ich war keine Person, die gern über sich sprach. Vor allen Dingen nicht was mich anging oder meine Gefühle. Aber ich riss mich zusammen und erzählte meine Version.
»Mein Vater ist ein Magier und meine Mutter ein Dämon. Sie lebt wahrscheinlich noch und ich mag sie nicht, weil sie mir mein Leben damit kaputt gemacht hatte.“ Mein Text klang herzlos und hinuntergerattert. Als ob ich ihm etwas vorgelesen hätte.
Er zog aber nur eine Augenbraue hoch und musterte mich. »Eine Dämonin...noch seltener. Normalerweise sind es immer die Männer.« Er schaute auf meine Hand. »Warum hasst du sie so sehr?« Er war sich seiner Frage bewusst, schien jedoch mit seinen Gedanken bei einem ganz anderen Thema zu sein. Es war unheimlich, dass er so innig meine Hand anstarrte.
»Jaiden?«, fragte ich und zog meine Hand aus seinem Blickfeld. »Stimmt etwas nicht?«
Er schüttelte den Kopf und kniff dabei die Augen zu. Dann wandte er seinen Blick zur anderen Seite. »Tut mir leid, es ist nur-« Er sprach nicht mehr weiter. Es schien für ihn unangenehm zu sein. »Unwichtig!«
Kurz herrschte Stille zwischen uns. Er grübelte erneut. Bevor es weiter stillschweigend blieb, hielt ich ihm meine Hand hin. »Sag es ruhig«, sagte ich in einem nun viel ruhigeren Ton. Meine Anspannung hatte nachgelassen. Es lag wohl daran, dass ich nun seinen Namen kannte und er mir von sich erzählte.
Er drehte sich wieder zu mir und hypnotisierte mich erneut mit seinen eisblauen Augen, dass ein Kribbeln meinen Körper durchfuhr. Sein Blick wirkte ruhiger, offener.
»Bei uns arbeitet auch eine Dämonin. Einmal hatte ich ihre Hand berührt und meine Fingerkuppeln waren für die nächsten Tage verbrannt. Selbst meine schnellen Heilkräfte konnten dagegen nichts ausrichten. Ich hatte furchtbare Schmerzen. Es fühlte sich so an, als ob du eine Hand auf den heißen Herd legen würdest.« Ich schaute ihn weiter an. »Ich spüre schon die ganze Zeit deine Aura auf meiner Haut. Sie prickelt dadurch leicht, als ob dir jemand mit den Fingerspitzen ganz zart über deine Haut fährt. Deshalb ist es etwas Neues für mich, dich vorhin berührt zu haben.«
Ich schaute zu seinen Händen herunter. Für mich sahen sie normal aus. Auch wenn sie sehr trocken und blass waren. Die Statur seiner Hand war mit langen Finger und dafür kleinerer Handfläche formiert. Sie sahen auch sehr abgearbeitet aus. Als ich mich ihr näherte, konnte ich auch dieses Prickeln spüren und zog sie sofort wieder zurück. Das war wirklich atemberaubend! Wieso war mir das nicht gestern schon aufgefallen? Ob meine Angst dieses Gefühl überspielt hatte?
»Du brauchst dich nicht zu fürchten«, meinte er und ohne Vorwarnung ergriff er meine Hand. Ich zuckte erschrocken zusammen. Seine Haut war rau und trocken. Außerdem strömte Kälte in meine Hände. Es stimmte. Nichts geschah. Aber das Prickeln war deutlich stärker. Es fühlte sich angenehm an. »Bei mir ist das Kribbeln noch ausgeprägter als bei dir. Dämonen sind die Schwachstellen der Vampire. Ihr Feuer ist zu stark. Dafür sind sie schneller durch ihre eisige Kälte.«
»Was wäre passiert, wenn ich einen Vampir berührt hätte? Ich meine, was hätte ich gespürt?« Überlegend schaute er mich an.
»Das ist ... eine gute Frage. Du müsstest einen Dämon fragen.« Er räusperte sich. »Du kannst Kyla fragen. Sie ist unser Spitzel. Sie taucht allerdings nur an Wochenenden ab und zu auf.«
Plötzlich klopfte es völlig unerwartet an der Tür und ich ließ seine Hand los, um mich erneut an den Bettrand zu krallen.






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